psychoneuro 2005; 31(9): 403
DOI: 10.1055/s-2005-919167
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychotische Störungen

F.-G. Pajonk
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
06. Oktober 2005 (online)

Psychotische Symptome und Psychose-assoziierte Symptome können bei vielen psychiatrischen Erkrankungen auftreten. So leiden etwa 90 % der an Schizophrenie erkrankten Patienten zumindest zeitweise an psychotischen Symptomen. Aber auch bei M. Parkinson, unipolaren Depressionen, bipolaren Störungen oder Demenzen werden psychotische Störungen häufig beobachtet. Sie können außerdem postpartal, bei unterschiedlichen somatischen Erkrankungen, nach Schlafentzug, medikamentös induziert, bei Intoxikationen oder im Entzug entstehen.

Psychotische Symptome im Rahmen eines M. Parkinson sind für die Patienten und Angehörigen sehr belastend und oft der Grund für eine stationäre Krankenhausbehandlung oder Heimunterbringung der Patienten. Wie Matthias R. Lemke, Rheinische Kliniken Bonn, in seinem Beitrag beschreibt, erhöhen fortgeschrittenes Lebensalter und Stadium der Erkrankung, Demenz und Schlafstörungen das Risiko für das Auftreten einer Psychose. Als erste Maßnahme sollten mögliche infektiöse, toxische oder metabolische Ursachen, insbesondere Hydratations- und Elektrolytstörungen, behandelt werden. Antiparkinsonmedikamente sollten reduziert oder wenn möglich abgesetzt werden, wobei sich die motorischen Symptome in der Regel verschlechtern werden. Häufig ist daher eine Behandlung mit neueren Antipsychotika erforderlich, wobei Nutzen und Risiken gegeneinander abgewogen werden sollten.

Psychotische Symptome können nicht nur durch Antiparkinsonmedikamente ausgelöst werden, sondern auch durch eine Vielzahl anderer Substanzen, unter anderem durch Kardiaka, Antibiotika, Kortikosteroide, Hypnotika und ältere Antiepileptika, berichtet Christian Prüter, Gangelter Einrichtungen, Krankenhaus Maria Hilf. Für die Diagnose einer medikamenteninduzierten Psychose spricht insbesondere ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme und ein schnelles Abklingen der Psychose nach Absetzen des Medikaments. In verschiedenen Studien waren Medikamente bei bis zu jedem dritten Patienten, der ein Delir entwickelte, die Ursache der Symptomatik. Gerade bei älteren, multimorbiden und polypharmakologisch behandelten Patienten sollte bei Auftreten von delirtypischen Symptomen zunächst die bisherige Medikation kritisch geprüft werden.

Lange Zeit wurde auch angenommen, dass Neuroleptika Depressionen auslösen können, da rund 60 % der schizophrenen Patienten eine postpsychotische Depression entwickeln. Georg Juckel, Charité Berlin, diskutiert in seinem Beitrag Vor- und Nachteile der Behandlung mit Neuroleptika oder Antidepressiva und geht dabei insbesondere auch auf die Differenzialdiagnostik dieser Störung ein.

Ebenfalls häufig mit psychotischen Störungen verbunden sind Drogen- oder Substanzabhängigkeit bzw. -missbrauch. Die Komorbidität von Psychose und Sucht, deren ätiologische Erklärungsmodelle und Behandlungsmöglichkeiten stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Thomas Wobrock und Kollegen aus Homburg/Saar. Cannabis als die häufigste illegale Droge und Alkohol sind die in diesem Kontext relevantesten missbräuchlich eingenommenen Substanzen.

Postpartale Psychosen sind dagegen eher selten; sie treten bei etwa ein bis zwei von tausend Frauen nach der Geburt auf. Für die Betroffenen und ihre Familien haben sie aber dramatische Auswirkungen bis hin zu schwerwiegenden Gefährdungen des Kindes, Suizid und Infantizid. Michael Grube, Frankfurt, fordert daher eine frühzeitige Diagnosestellung und eine stationäre, am psychopathologischen Prägnanztyp orientierte Behandlung - nach Möglichkeit in einer Mutter-Kind-Einheit.

Wir hoffen, dass wir mit der Auswahl der Themen dieses Hefts und den Beiträgen aus dem Bereich psychotischer Störungen aktuelle und relevante Informationen für Ihren klinischen Alltag liefern können.

PD Dr. med. F.-G. Pajonk

Homburg/Saar