Aktuelle Neurologie 2005; 32 - V242
DOI: 10.1055/s-2005-919279

Änderungen der Bindungsfähigkeit dopaminerger und serontonerger Neurotransmissionsstrukturen beim Tourette Syndrom – Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik und medikamentöse Einflüsse

G Berding 1, T Brücke 1, W Knapp 1, R Dengler 1, K Müller-Vahl 1
  • 1Hannover; Wien, A

Fragestellung: Beim Tourette Syndrom legt die therapeutische Wirksamkeit von Neuroleptika auf Tics und diejenige von Serotonin Wiederaufnahmehemmern (SRI) auf die häufig begleitend auftretenden Zwangsymptome eine pathophysiologische Bedeutung der durch diese Medikamente beeinflussten Neurotransmissionssysteme nahe. Ziel der vorliegenden Untersuchungen war es, Änderungen der Rezeptor- und/oder Tansporter-Bindungsfähigkeit im dopaminergen bzw. serotonergen System bei unbehandelten Tourette Patienten nachzuweisen (im Vergleich zu altersentsprechenden Normalpersonen). Darüber hinaus sollten Änderungen infolge medikamentöser Therapien eingeschätzt werden.

Methoden: Die Dopamin D2-Rezeptorbindung im Striatum wurde mittels I-123-Iodobenzamid (IBZM) und Single-Photonen Emissions Computer Tomographie (SPECT) untersucht. Mit dem Kokainanalogon I-123-beta-CIT und SPECT wurden striatale Dopamintransporter sowie Serotonintransporter im Hypothalamus-/Mittelhirnbereich dargestellt. Die Bindungsfähigkeit dieser Neurotransmissionsstrukturen wurde anhand von Region of interest (ROI) Analysen mit jeweils occipitaler Referenz-ROI semiquantitativ bestimmt. Insgesamt wurden 41 SPECT Studien bei Tourette Patienten und 32 bei altersentsprechenden Normalpersonen durchgeführt.

Ergebnisse: Die Dopamin D2 Rezeptorbindung war signifikant gemindert bei Patienten im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium (p<0,0001) und unter Neuroleptika (p<0,0001). Die Dopamintransporterbindung war bei etwa der Hälfte der Patienten hochgradig erhöht (i.e. >2 Standardabweichungen oberhalb des Mittelwerts der Normalpersonen). Bei diesen Patienten mit erhöhter Bindung zeigte sich signifikant häufiger selbstverletzendes Verhalten (p<0,05) und fehlende Impulskontrolle (p<0,05). Die Untersuchung der Serotonintransporterbindung ergab eine signifikante Minderung bei Tourette Patienten (p<0,005), eine negative Korrelation zu Zwangssymptomen (p<0,05, r=-0,78) und eine signifikante Reduktion unter Einnahme von SRI (p<0,001).

Schlussfolgerungen: Gegenüber Normalpersonen zeigen Tourette Patienten signifikante Änderungen der Bindungsfähigkeit von Bindungsstellen des dopaminergen bzw. serotonergen Neurotransmissionssystems. Es finden sich darüber hinaus Zusammenhänge der Bindungsfähigkeit mit dem Ausmaß bestimmter klinischer Symptome und durchgeführten medikamentösen Therapien.