Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P313
DOI: 10.1055/s-2005-919347

Exekutive Dysfunktionen bei Proximaler Myotoner Myopathie (PROMM/ DM2) und Myotoner Dystrophie (DM1)

T Schmidt 1, C Gaul 1, G Windisch 1, B Leplow 1, S Zierz 1
  • 1Halle

Hintergrund: DM1 und DM2 sind autosomal-dominante Multisystemerkrankungen mit Manifestationen u.a. in Muskulatur, Gehirn, Herz, Augen und endokrinem System. Der DM1 werden größere Beeinträchtigungen auch im kognitiven Bereich zugeschrieben. Bei DM1 lässt sich eine CTG-Repeat-Expansion auf Chromosom 19q13.3 und bei DM2 eine CCTG-Repeat-Expansion auf Chromosom 3q21 nachweisen. In bildgebenden Verfahren finden sich unspezifische Veränderungen der weißen Substanz (MRT) und ein reduzierter zerebraler Blutfluss (rCBF) in frontalen, insbesondere präfrontalen Kortexregionen. Neuropsychologisch wird auf exekutive Defizite hingewiesen. Vergleichende Studien an sorgfältig parallelisierten Stichproben fehlen bisher.

Methoden: Jeweils 21 Patienten mit DM1 und DM2 parallelisiert nach Alter, Bildung und prämorbidem Intelligenzniveau wurden neuropsychologisch untersucht. Bezüglich des präfrontalen Kortex wurden das Entscheidungsverhalten in der Iowa Gambling Task (Sensitivität bezüglich zukünftiger Konsequenzen) und die Leistung in einer Aufgabe zum Konditional-assoziativen Lernen (Initiierung einer korrekten Antwort und Hemmung konkurrierender Antwortalternativen) erfasst. Weiterhin wurden visuell-räumliche Funktionen, Wortflüssigkeit, geteilte Aufmerksamkeit und die Stimmung betrachtet.

Ergebnisse: Die beiden Patientengruppen unterscheiden sich in keinem Testverfahren signifikant untereinander und weisen eine große Varianz der Leistungen auf. Im Vergleich zu gesunden Probanden jedoch zeigen beide Patientengruppen Leistungsminderungen bezüglich präfrontal assoziierter Funktionen. Etwa die Hälfte der Patienten zeigt ein unvorteilhaftes Entscheidungsverhalten (Iowa Gambling Task). Weiterhin ergeben sich konditional-assoziative Lerndefizite, wobei DM1-Patienten tendenziell schwerer betroffen sind. Die Defizite gehen nicht auf veränderte Stimmungsmaße der Patienten zurück. Zusammenhänge zwischen klinischen Variablen (Manifestationsalter, Erkrankungsdauer, Repeatlänge) und neuropsychologischen Testleistungen ergeben sich nicht.

Schlussfolgerung: Die Untersuchung bestätigt Hinweise auf spezifische frontal assoziierte kognitive Beeinträchtigungen im Sinne exekutiver Dysfunktionen bei DM1 und DM2. Möglicherweise sind diese unabhängig von weiteren klinischen Variablen. Globale Auffälligkeiten liegen bei beiden Erkrankungen nicht vor. Bei DM1 wurden kognitive Defizite bisher durch ungünstige Patientenauswahl und klinischen Eindruck möglicherweise überschätzt.