Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P362
DOI: 10.1055/s-2005-919396

Risiko von Myelodysplastischen Syndromen (MDS) unter Langzeittherapie mit AZA bei Multipler Sklerose

T Ramczykowski 1, N Putzki 1, S Knipp 1, S Vago 1, H.C Diener 1, V Limmroth 1
  • 1Essen, Düsseldorf

Azathioprin (AZA) ist ein häufig eingesetztes Immunsuppressivum bei Multipler Sklerose (MS). Die Wirksamkeit im Vergleich zu immunmodulatorischen Therapien wie Interferon Beta (IFNB) ist unklar. Konzepte für Kombinationstherapien aus AZA und IFNB wurden entwickelt. Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung solider Tumoren unter hohen AZA Kumulativdosen (KD) ist wahrscheinlich. Beim MDS handelt es sich um eine seltene klonale Stammzellerkrankung (Inzidenz 1/100.000 pro 10 Jahre in der Altersgruppe 40–50), gekennzeichnet durch Veränderungen der Hämatopoese und Cytopenie. Sekundäre Formen (sMDS) z.B. nach Chemotherapie sind bekannt. In einer aktuellen Studie bestand ein 100-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung von sMDS bei Patienten, die wegen nicht-maligner Erkrankungen mit AZA behandelt worden sind. Das mediane Überleben betrug dabei nur 9 Monate.

Methodik: Fragebögen wurden an 636 MS Patienten unserer Klinik. Diejenigen mit AZA Exposition wurde so identifiziert. Differentialblutbilder (DBB) wurden für alle Patienten beschafft und analysiert.

Resultat: 47% der Fragebögen wurden retourniert (n=299, mittleres Alter 44.8 Jahre). 69 Patienten sind mit AZA behandelt worden (mittleres Alter 45.6, mittlere KD 268g, zwischen 19.5–1050g). Wir identifizierten 1 MS Patientin (45 Jahre, KD 627g), mir der Diagnose eines sMDS und nachfolgender Knochenmarktransplantation. Die DBB aller weiteren Patienten waren unverdächtig. 5 zusätzliche Malignome wurden in der AZA Gruppe (n=69) dokumentiert (Oropharynx, Skrotum, Mamma, Uterus), ebenso 5 in der viel größeren nicht-AZA Gruppe (n=230, 3 Mamma Carcinome, Hodgkin Lymphom, AML). Die mittlere KD war in der Gruppe der Malignompatienten höher als in der Gruppe ohne Neoplasien.

Schlussfolgerung: Wir identifizierten einen AZA-assoziierten sMDS Fall in einer eher kleinen Kohorte von MS Patienten mit AZA Therapie. Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis ist, da die MDS Inzidenz in der untersuchten Altersgruppe normalerweise extrem gering ist. Wir ergänzen damit eine andere Studie, die ein erhebliches Risiko für AZA-assoziierte sMDS fand, mit Daten für die MS Population. Alle Fälle unklarer Cytopenien unter AZA sollten vollständig abgeklärt werden, da die Prognose ohne Therapie äusserst schlecht ist. Die Prävalenz von Malignomen war assoziiert mit einer höheren KD und zudem signifikant höher als in der nicht-AZA Gruppe, was mit älteren Daten übereinstimmt. Wir bezweifeln, dass AZA zur Langzeittherapie bei MS geeignet ist.