Gesundheitswesen 2005; 67 - VF_P18
DOI: 10.1055/s-2005-920706

Vergleich dreier ambulanter Versorgungsformen zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen

M Gülich 1, B Kainz 1, WH Jäckel 1
  • 1Department Epidemiologie und Sozialmedizin, Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung e.V.

Hintergrund: Die AOK Baden-Württemberg führte bis Ende 2003 ein Modellprojekt zur ambulanten Rehabilitation bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen (START) durch. Zur Behandlung der Patienten standen drei Versorgungsangebote in sieben verschiedenen, infrastrukturell vergleichbaren Modellregionen zur Verfügung: die Ambulante Rehabilitation (AR), die Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP) und die Medizinische Trainingstherapie (MTT). Mit der Studie sollte geprüft werden, ob – und falls ja, in welchem Ausmaß – die Patienten von unterschiedlichen ambulanten Therapiemöglichkeiten profitieren – im Sinne einer bedarfsgerechteren Versorgung – und wie sich Wirksamkeit und mittelfristige Kosten unterscheiden. Methodik: Der Gesundheitszustand der Patienten vor der Therapie (t1), nach der Therapie (t2) und nach Ablauf von sechs Monaten (t3) wurde mittels Selbst- und Fremdbeurteilungsfragebögen (IRES, FFbH-R, Befundbögen) erfasst. Ergebnisse: Für 872 von 1274 eingeschlossenen Patienten (68,4%) liegen vollständige Datensätze zu allen drei Messzeitpunkten vor. Die Patienten, die in den drei Versorgungsangeboten behandelt wurden, wiesen gravierende Einschränkungen in der körperlichen Dimension des Gesundheitszustandes und in der Funktionsfähigkeit in Alltag und Beruf auf und berichteten häufig zusätzlich über erhebliche psychosoziale Belastungen, die deutlich über den Belastungen einer geschlechts- und altersadaptierten Normstichprobe lagen. Alle drei Interventionen führten zu einer signifikanten und relevanten Abnahme der Schmerzintensität (SRM t0-t1=0,53–0,83; SRM t0-t2=0,61–0,69) und einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Gesamtscore SRM t0-t1=0,72–0,82; SRM t0-t2=0,53–0,63). Hinsichtlich der Krankheitsbewältigung zu t0-t2 sind für die ambulante Rehabilitation höhere Effekte nachweisbar als in der EAP und MTT (SRM 0,47 versus 0,23 bzw. 0,26). Zwischen den einzelnen Angebotstypen wurden im weiteren keine substantiellen Unterschiede in den Effekten nachgewiesen. Schlussfolgerungen: Trotz methodischer Einschränkungen lassen sich unseres Erachtens aus den Studienergebnissen folgende Schlussfolgerungen ableiten: Die MTT ist bei Patienten mit Rückenschmerzen ein sinnvolles Therapiekonzept, das sich durch einen raschen Beginn und – im Vergleich zu den anderen untersuchten Angeboten – niedrigere Therapiekosten auszeichnet. Sie könnte einen sinnvollen Therapiebaustein auch in neuen Versorgungsformen wie der integrierten Versorgung darstellen. Patienten mit gravierenden psychosozialen Belastungen sollten einer interdisziplinären Therapie zugewiesen werden, wie sie von ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen angeboten wird.