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DOI: 10.1055/s-2005-920708
Hängen die Evidenzstärke in Leitlinien, Evidenzeinschätzungen und Leitlinienkonformität des Praxiswissens von Ärzten zusammen?
Hintergrund/Ziele und Forschungsfragen: Obwohl Autoren und Adressaten von Leitlinien (LL) potenziell auf den gleichen „body of evidence“ zurückgreifen können, ist unklar, ob die von den Adressaten wahrgenommene Evidenz auch der der Autoren entspricht. In einem ersten Schritt wird die in 10 Handlungsfeldern der Schlaganfallversorgung angegebenen Evidenzstärken mit den Evidenz-Einschätzungen neurologisch tätiger Ärzte verglichen. In einem zweiten Schritt wird gefragt, ob die LL-Konformität von der LL-Evidenz, der wahrgenommenen Evidenz, den Nutzen-Risiko-Bewertungen und von der erwarteten Kollegenmeinung abhängt. Material und Methoden: Stichprobe: 99 Assistenz- und Oberärzte aus 30 neurologischen Kliniken/ Abteilungen, Instrumente: mündliches strukturiertes Interview mit Ärzten, Inhaltsanalyse der LL der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Schlaganfall, multizentrische Querschnittserhebung (11/2002–7/2003), Auswertung: Deskription, Rangvergleich, gemischtes Regressionsmodell. Ergebnisse: Evidenz wird allgemein überschätzt. Zwar unterscheiden sich die Evidenzurteile nach Handlungsfeldern statistisch bedeutsam, allerdings stimmen diese nur annähernd mit denen der LL überein. Die LL-Konformität ist nicht von der wahrgenommenen Evidenz und der erwarteten Meinung der Abteilungskollegen, sondern von der LL-Evidenz und dem Nutzen-Risiko-Verhältnis abhängig: Während mit günstigerem Nutzen-Risiko-Verhältnis die LL-Konformität steigt, sinkt sie – entgegen den Erwartungen – mit wachsendem Evidenzgrad. Schlussfolgerungen und Diskussion: Es lassen sich vielfältige Ursachen für Diskrepanzen zwischen LL-Evidenz und wahrgenommener Evidenz der LL-Adressaten vermuten: geringe Evidenzbasierung und ungenaue Formulierungen der LL-Empfehlungen sowie mangelnde Wahrnehmung der Evidenz und LL-Empfehlungen in der Praxis. Den Befragten scheint die Übereinstimmung mit LL um so schwerer zu fallen, je mehr bzw. bessere Evidenz vorliegt.