Hintergrund/Ziele und Forschungsfragen: Es herrscht weitgehend Übereinstimmung, dass Psychotherapie bei Multipler Sklerose (MS) einen positiven Einfluss auf Krankheitsverarbeitung und Lebensqualität hat. Ob eine Psychotherapie begonnen wird, hängt neben psychischen Faktoren wahrscheinlich auch davon ab, ob Ansprechpartner im Gesundheitswesen mit dem Betroffenen über die Möglichkeit einer Psychotherapie sprechen bzw. ihm zu einer Psychotherapie raten. In dieser Studie wird untersucht, welche soziodemographischen Faktoren bestimmen, ob MS-Betroffenen eine Psychotherapie angeboten wird. Material und Methoden: Im Rahmen eines Forschungsprojekts erhielten die 7305 MS-betroffenen Mitglieder der DMSG in NRW einen Fragebogen zu soziodemographischen, krankheits- und behandlungsbezogenen Daten. 3045 Betroffene nahmen an der Studie teil (Rücklaufqote: 41,7%; durchschnittliches Alter 48,2 Jahre; 71,7% Frauen). Hinsichtlich Alter, Geschlecht und Erkrankungsdauer wird Repräsentativität der Daten angenommen. Ergebnisse: 34,6% der Patienten waren seit Diagnosestellung in psychotherapeutischer Behandlung. 35, 4% gaben an, ihnen sei keine Psychotherapie angeboten worden. Zwischen dieser Aussage und dem Alter sowie dem Schulabschluss der Betroffenen besteht ein signifikanter Zusammenhang (p=,000). Deutlich mehr Patienten ab 60 Jahren gaben an, Psychotherapie sei nicht angeboten worden. Auch Betroffene mit niedrigem Schulabschluss gaben dies deutlich häufiger an. Mit dem Geschlecht und der Art der Krankenversicherung bestanden keine signifikanten Zusammenhänge (p > ,063). Schlussfolgerungen und Diskussion: Älteren MS-Betroffenen und Betroffenen mit niedrigem Schulabschluss scheint seltener eine Psychotherapie angeboten zu werden. Im Hinblick auf höhere Versorgungsgerechtigkeit sollten die Gründe, aus denen die Ansprechpartner im medizinischen und psychosozialen Bereich diesen Personengruppen seltener psychotherapeutische Behandlung anbieten oder raten kritisch reflektiert werden.