Aktuelle Dermatologie 2006; 32(1/02): 1-2
DOI: 10.1055/s-2005-921244
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Biofunktionelle Textilien - neue Möglichkeiten für die Dermatologie

Biofunctional Textiles - New Development Changes for DermatologyU.-C.  Hipler1 , P.  Elsner1
  • 1Klinik für Dermatologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Februar 2006 (online)

Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Schwerpunktheft unter dem Titel „Textilien - neue Entwicklungschancen für die Dermatologie” gestaltet. Auch dieses neue Heft soll dazu beitragen, die therapeutischen und präventiven Chancen durch Textilien in noch stärkerem Maße für die Dermatologen publik zu machen und die Wahrnehmungen für solche neuen Materialien zu sensibilisieren. Hat sich doch gerade in den letzten Jahren eine deutliche und spürbare Entwicklung in Richtung funktioneller Textilien, sog. „Smart Textiles”, vollzogen.

Schon im Namen „Funktionelle Textilien” ist verankert, dass es sich um Textilien mit einer zusätzlichen Funktion handelt. Die Anwendungsbeispiele reichen von Unterwäsche, in die Cardio-Online-Systeme integriert sind, bis zur Verankerung von pharmazeutischen Wirkstoffen im textilen Flächengebilde. Diese Stoffe werden im Textil deponiert und während der Lebensdauer des Textils an den Patienten dosiert abgegeben. Es gibt Textilien mit einem permanenten UV-Schutz. Man kann „umschaltbare” Oberflächen erzeugen, die je nach vorhandenen Bedingungen hydrophil oder hydrophob reagieren. Zu den so genannten Kommunikationstextilien gehören Etiketten, die auf Anforderung beim Transport einen Impuls geben. In Feuerwehranzügen wird über ein GPS-System Blutdruck und Körpertemperatur überwacht, und es besteht dadurch die Möglichkeit, den Feuerwehrmann bei Überbelastung aus der Gefahrenzone zu entfernen. Darüber hinaus gibt es Entwicklungen, die noch nicht ausgereift sind, vielleicht auch völlig abwegig erscheinen. Als Beispiele dafür kann man Bekleidung mit integriertem Heizungssystem, Wohlfühlbekleidung mit integrierten Massagesystemen und Bekleidung zum Schutz gegen elektrische und magnetische Einflüsse nennen. Die Zukunft wird zeigen, welche Entwicklungen zur technischen Perfektion und damit zur Nutzung gelangen.

Den Dermatologen sollten dabei sicherlich vor allem die biofunktionellen Textilien interessieren, die jetzt schon neue Möglichkeiten bei der Therapie und Prävention bieten können.

Körpernah getragene Textilien stehen in enger Wechselwirkung zur Flora der Haut. Mikroben auf der Haut können sowohl die Haut als auch die Textilien und schließlich die Interaktion von Haut und Textilien beeinflussen. In dem Beitrag von Heide und Wollina wird ein hervorragender Überblick zu verschiedenen Forschungsprojekten und Forschungsergebnissen gegeben, die den Einsatzbereich antimikrobiell ausgestatteter Textilien aufzeigen. Bei antimikrobiell ausgestatteten Textilien 3D-Strukturen sind die Hautverträglichkeit aber auch die Schonung der physiologischen Standortflora die vordergründigen Ziele. Mittlerweile nähern sich moderne textiltechnische Lösungen sehr deutlich diesem Idealziel an.

Mit einer ausgesprochen interessanten und zukunftsweisenden Möglichkeit der Herstellung und Anwendung einer natürlichen Cellulosefaser - SeaCell®Active - mit antimikrobiellen Eigenschaften befasst sich der Artikel von Hipler und Fluhr. Eine besondere Fähigkeit der SeaCell® Faser ist es, Stoffe zu binden und zu absorbieren. Die spezielle Fähigkeit der Metallsorption wird bei der Aktivierung von SeaCell® Fasern ausgenutzt. Dabei kann das bakterizid wirkende Metall Silber vom bereits fertig ausgeformten cellulosischen Faserkörper absorbiert werden. Die vorliegende Studie zeigt die antimykotische Wirkung von SeaCell®Active in einem In-vitro-Testsystem gegenüber Candida albicans, Candida tropicalis und Candida krusei. Darüber hinaus wurde die antibakterielle Aktivität der Fasern mit unterschiedlichen Mengen an SeaCell®Active dosisabhängig gegenüber Staphylococcus aureus und Escherichia coli nachgewiesen.

In dem Beitrag von Buschmann und Schollmeyer werden verschiedene Möglichkeiten der Oberflächenmodifizierung von hautnah getragenen Textilien dargestellt. Schwerpunkt dieses Artikels ist die Modifizierung von textilen Materialien mit Hilfe supramolekularer Wirtsmoleküle. Dabei sind insbesondere Cyclodextrine und Dendrimere besonders gut geeignet. Beide Wirtmoleküle sind in der Lage, als molekulare Speicher für chemische Substanzen zu dienen. Ähnlich lassen sich auch Nano- und Mikrokapseln verwenden, die jedoch im Gegensatz zu Cyclodextrinen und Dendrimeren nach einer Freisetzung der eingeschlossenen Substanz nicht mehr beladen werden können.

Damit solche neuen, biofunktionellen Textilien auch bedenkenlos am Menschen eingesetzt werden können, bedarf es sorgfältiger und verlässlicher Prüfungen, sowohl In-vitro als auch In-vivo. In dem Beitrag von Schönfelder und Hipler werden einige, mittlerweile etablierte, In-vitro-Testsysteme zur Untersuchung der Hautverträglichkeit von Cylcodextrinen am Zellkulturmodell vorgestellt. Die Verwendung der Cylodextrine zur Funktionalisierung von Textilien und ihre Anwendung sowohl im dermatologischen als auch kosmetischen Bereich machen eine Abklärung der Hautverträglich der verwendeten Cyclodextrine unumgänglich, stellt doch auch gerade die Europäische Konferenz über Textilen und Haut sehr deutlich die Forderung nach etablierten Testsystemen, die die Wirksamkeit von antimikrobiellen Textilien bewertbar und vergleichbar machen. Darüber hinaus wird auch die Empfehlung ausgesprochen, die Produktentwicklung durch entsprechende Sicherheitsprüfungen im Labor zu ergänzen, um nicht nur die Wirksamkeit des Produkts zu bewerten, sondern auch unerwünschte sekundäre Effekte, wie Zytotoxizität, allergenes Potential und irritative Wirkung ausschließen zu können.

Allen diesen, sicherlich als innovativ zu bezeichnenden Entwicklungen, muss man leider das gemeinsame Attribut zuordnen, dass umfassende klinische und In-vivo-Studien noch ausstehen. Wie schon im letzen Schwerpunktheft, muss auch an dieser Stelle nochmals deutlich an das verstärkte Engagement von uns Dermatologen appelliert werden, zumal die öffentliche Diskussion, insbesondere in Deutschland, sehr kontrovers geführt wird, weil eben nicht überall genügend fundierte Kenntnisse über antimikrobielle Textilien vorhanden sind. Die Informationen müssen den späteren Nutzern der Produkte vermittelt werden, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er ein antimikrobielles Produkt kaufen möchte oder nicht. Auch und gerade in diesem Zusammenhang sind der Rat und die klinische Erfahrung des Dermatologen nicht nur gefragt, sondern zwingend notwendig.

Dr. rer. nat. Uta-Christina Hipler

Klinik für Dermatologie

Friedrich-Schiller-Universität Jena · Erfurter Straße 35 · 07740 Jena

eMail: Christina.Hipler@med.uni-jena.de