Notfall & Hausarztmedizin (Hausarztmedizin) 2005; 31(11): 505
DOI: 10.1055/s-2005-925577
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

„Gespenst” Plötzlicher Herztod

Hans-Joachim Trappe, Christian Perings
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Publikationsdatum:
02. Januar 2006 (online)

Pro Jahr versterben in Deutschland etwa 100000 Menschen plötzlich und unerwartet, in den USA erliegen jährlich etwa 450000 Menschen einem plötzlichen Herztod, der damit zu den häufigsten Todesursachen der westlichen Welt gehört [3] [5] [8]. Es besteht Übereinstimmung, dass einem plötzlichen Herztod in etwa 80-90 % der Fälle tachykarde Herzrhythmusstörungen (Kammertachykardien oder Kammerflimmern) zugrunde liegen, während bradykarde Arrhythmien eine eher untergeordnete Rolle spielen [7]. Eine der zentralen Aufgaben der modernen Kardiologie liegt in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen, in der Identifikation von Patienten, die hinsichtlich lebensgefährlicher Herzrhythmusstörungen gefährdet sind, aber auch in der Vorstellung therapeutischer Verfahren, die in Akutsituationen lebensbedrohliche Rhythmusstörungen sicher und zuverlässig behandeln können und somit das Leben von Patienten retten [6].

Tachykarde Herzrhythmusstörungen sind dabei nicht als eigenständige Erkrankungen aufzufassen, sondern können bei zahlreichen kardialen und extrakardialen Erkrankungen sowie bei Elektrolytstörungen auftreten [1] [7]. Vor allem dem Schweregrad der Herzinsuffizienz und dem Ausmaß der linksventrikulären Pumpfunktionsstörung kommen als prognostische Parameter entscheidende Bedeutung zu. Wenngleich Patienten mit kardialer Grunderkrankung und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion sicher die größte Gruppe von Patienten mit Kammerflimmern, Herz-Kreislauf-Stillstand und plötzlichem Tod repräsentieren, sind maligne Tachyarrhythmien und plötzliche Todesfälle auch bei Herzgesunden bekannt [5] [7]. Bei etwa 50 % aller plötzlichen Todesfälle ist der Herz-Kreislauf-Stillstand die erste Manifestation einer Herzerkrankung, sodass nicht nur über Akutmaßnahmen für Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand diskutiert werden muss, sondern auch Überlegungen zur Primär- und Sekundärprophylaxe anzustellen sind [7].

Während die Akuttherapie maligner Rhythmusstörungen durch Notärzte und Elektroschocktherapie („Defibrillation”) seit vielen Jahren fester Bestandteil therapeutischer Maßnahmen maligner Arrhythmien ist, steht uns die „Frühdefibrillation” mittels halbautomatischer Defibrillatoren durch ausgebildete Ersthelfer als neues Konzept gegen den plötzlichen Herztod zur Verfügung [1] [2]. Studienergebnisse aus Europa und USA zeigen eindrucksvoll, dass die Frühdefibrillation nicht nur sinnvoll ist, sondern auch sicher und zuverlässig angewendet werden kann und sich hier ein neuer Weg zur Reduktion plötzlicher Todesfälle aufzeigt [4].

Über Maßnahmen zur Primär- und Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztodes mittels implantierbarer Defibrillatoren sind in den vergangenen Jahren große prospektive multizentrische Studien vorgelegt worden, die nicht nur bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder dilatativen Kardiomyopathien, sondern auch bei herzinsuffizienten Patienten klar gezeigt haben, dass die Implantation eines automatischen Defibrillators (ICD) als Primärprophylaxe allen anderen Maßnahmen eindeutig überlegen ist, und dass eine antiarrhythmisch-medikamentöse Behandlung in den Hintergrund therapeutischer Überlegungen getreten ist [5] [6]. Die verschiedenen Aspekte der ICD-Therapie in der Primär- und Sekundärprophylaxe wie auch Erfahrungen der antiarrhythmisch medikamentösen Behandlung werden in diesem Heft ausführlich diskutiert.

Der plötzliche Herztod gehört unverändert zu den großen Bedrohungen des Menschen und trotz großer Studien und Bemühungen vieler Forscher in aller Welt ist Zahl plötzlicher Todesfälle weltweit viel zu hoch. Es ist zwar gelungen, Risikopatienten zum Teil zu identifizieren, Maßnahmen zur Akuttherapie des Herz-Kreislauf-Stillstandes zu entwickeln und Überlegungen zur bestmöglichen Primär- und Sekundärprophylaxe des plötzlichen Herztodes anzustellen. Trotz unbestrittener Erfolge, besonders der ICD-Therapie, müssen weitere Überlegungen zur Epidemiologie, zu möglichen anderen Risikoparametern und vielleicht noch besseren therapeutischen Strategien angestellt werden, um nicht nur „im Vorfeld” die Menschen zu charakterisieren, bei denen eines Risiko maligner Rhythmusstörungen besteht, sondern auch so früh wie möglich bestmögliche therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, um das „Gespenst” plötzlicher Herztod zu vertreiben.

Literatur

  • 1 American Heart Association in collaboration with the International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) . Guidelines 2000 for cardiopulmonary resuscitation and emergency cardiovascular care. An international consensus on science.  Circulation. 2000;  102 1-384
  • 2 Dirks B. Leitlinien des European Resuscitation Council 2000 für die automatische externe Defibrillation. Stellungnahme der Basic Life Support and Automated External Defibrillation Working Group, nach Verabschiedung durch das Executive Committee des European Resuscitation Council.  Intensivmed. 2002;  39 191-194
  • 3 Müller-Nordhorn J, Arntz HR, Löwel H, Willich SN. Epidemiologie des plötzlichen Herztodes.  Intensivmed. 2001;  38 499-507
  • 4 Page RL, Joglar JA, Kowal RC. et al. . Use of automated external defibrillators by a US airline.  N Engl J Med. 2000;  343 1210-1216
  • 5 Trappe HJ. Tachykarde Herzrhythmusstörungen.  Notfall & Rettungsmedizin. 2001;  4 235-245
  • 6 Trappe HJ. Prävention und Prophylaxe der koronaren Herzkrankheit. Herzmedizin 2002: 72-78
  • 7 Wellens HJJ, Brugada P. Sudden cardiac death: a multifactorial problem. In: Brugada P, Wellens HJJ (Hrsg). Cardiac arrhythmias. Where to go from here? Futura, Mount Kisco New York 1987: 391-400
  • 8 Zheng ZJ, Croft JB, Giles WH, Mensah GH. Sudden cardiac death in the United States, 1989 to 1998.  Circulation. 2001;  104 2158-2163

Hans-Joachim Trappe
Christian Perings

Herne