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DOI: 10.1055/s-2006-933434
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Editorial
EditorialPublication History
Publication Date:
11 May 2006 (online)

Bei unspezifischen Beschwerden ist die primärärztliche Funktion des Hausarztes besonders gefragt und gefordert. Während bei klarer Organzuordnung unsere Patienten in Deutschland häufig dazu tendieren, primär einen Spezialisten aufzusuchen, wenden sie sich bei Symptomen, die sie nicht zuordnen können, meist an den Allgemeinarzt. Hier können wir uns also besonders profilieren! Dazu benötigen wir möglichst gut fundierte Umsetzungshilfen, um unsere Kompetenz in diesem schwierigen und oft ungeliebten Feld weiterzuentwickeln.
Wir können hier auch die Stärke unseres bio-psycho-sozialen Ansatzes nutzen. Der konsequente Blick auf die verschiedenen Aspekte des Krankseins, das bewusste Hinsehen „mit zwei Augen” - also primär sowohl auf die seelischen als auch die körperlichen Komponenten der Beschwerdebilder sind unsere Stärke, die wir offensiv vertreten sollten.
Hausärzte sind besonders geschult, in dem Dickicht unspezifischer Krankheitspräsentationen diejenigen Aspekte herauszufiltern, die für die weitere Abklärung und Betreuung besonders relevant sind. Hier helfen einfache Algorithmen nicht weiter, sondern wir benötigen ein Bündel von Lösungsstrategien, dazu konkrete Hinweise für Warnzeichen und charakteristische Konstellationen, die handlungsleitend sein sollten. Dafür will dieses Heft Hilfestellungen geben.
Nach einer Einführung in die Praxisepidemiologie mit den Originalarbeiten über unspezifische Beschwerden als Beratungsergebnisse und somatoforme Störungen folgt ein Fallbericht, der Prozesse in unserer Arzt-Patienten-Beziehung wiederspiegelt. Christa Dörr spannt einen Bogen von dem Beginn der Arbeit mit der DEGAM-Leitlinie Müdigkeit über die nun erfolgenden Überarbeitungen und neue Aspekte bis zur aktuellen Diskussion um die psychosomatische Grundversorgung als Qualitätsmerkmal von Hausärzten. Sie ist eine Mandatsträgerin des Hausärzteverbandes, die sich gleichzeitig bei er DEGAM aktiv einbringt und ihre Position mutig vertritt. Solche Kollegen sollten wir würdigen und unterstützen!
Im CME-Artikel erhalten wir Hinweise für den rationalen Umgang mit Thoraxschmerzen. Oft haben wir hier ein ungutes Gefühl, denn es ist schwierig, eine vernünftige Balance zwischen Überdiagnostik und Ignorieren eines abwendbar gefährlichen Verlaufes zu finden.
Vor den Originalarbeiten steht erneut ein Artikel aus der Sektion Versorgung, der das Thema Screening und Patientennutzen aufgreift. Hier wird gezeigt, dass die Skepsis gegenüber fachfremden Verurteilungen unseres Diagnoseverhaltens vollauf berechtigt ist. Wir benötigen dringend solche fundierten Expertisen und eigene Forschungsergebnisse, um langfristig unsere Position im Gesundheitswesen zu sichern! Dazu brauchen wir deutlich mehr Aktivisten als bisher - jeder von uns ist zum Mitmachen eingeladen.
Prof. Dr. med. Erika Baum
Abt. für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin · Universität Marburg
Robert-Koch-Straße 5
35033 Marburg
Email: Baum064092007@t-online.de