Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(2): 103
DOI: 10.1055/s-2006-934075
psychoneuro für die Hausarztpraxis

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Patienten mit Depression und/oder Angst brauchen Zeit und Vertrauen

Thomas Quellmann
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Publication Date:
01 March 2006 (online)

Haben Sie sich schon einmal dabei ertappt, dass Sie über Selbstmord nachgedacht haben? Eine Frage, die bei 10000 Suiziden jährlich in Deutschland von Ärzten konsequenter gestellt werden sollte.

Als Hausarzt erkennt man bei seinem langjährig bekannten Patienten psychische Veränderungen sehr früh; man kennt seine Familie, weiß häufig um die Hobbys, kennt die Arbeitsplatzsituation, kennt das Auftreten des Patienten von früheren Behandlungen, seinen Gesichtsausdruck und seine ihm eigene Sprachmodulation.

Plötzlich treten merkliche Veränderungen auf; nicht gekannte somatische Störungen, Antriebsschwäche, Schlafstörungen, Müdigkeit, Lustlosigkeit, Ängste oder gar Panikstörungen bestimmen den Tag.

Häufig wird als Grund für den Besuch beim Arzt ein banaler Anlass von dem Betroffenen vorgeschoben.

Der ganze Habitus des Patienten kann sich verändern, der Gesichtsausdruck, die Bewegungsabläufe, der Blick - alles wirkt fremd.

Dieser Patient benötigt als erstes Zeit, Zeit für ein sensibel zu führendes Gespräch, in dem er sich öffnen und über seine innere Not berichten kann. Dieses Gespräch ist bei laufender Sprechstunde nicht immer sofort möglich, sollte aber nach kritischer Einschätzung zeitnah, möglichst noch am selben Tag erfolgen. Zuhören kostet uns Hausärzte immer wieder viel Kraft und Zeit; für den Patienten ist diese Zeit für ein Gespräch oft das wichtigste Geschenk, er fühlt sich verstanden und holt sich den Mut und die erforderliche Kraft für den neuen Tag.

Die möglichen Therapieformen und erforderlichen Eigenstrategien werden mit dem Hausarzt diskutiert, er empfiehlt in seiner Verantwortung nach Einschätzung der individuellen Situation eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung und leitet je nach Erfordernis eine medikamentöse Therapie ein.

Hohes Vertrauen bestimmt die Arzt-Patienten-Beziehung bei psychischen Störungen des Hilfesuchenden, Vertrauen, das auch der Arzt einfordert, um eine ehrliche Antwort auf die oft notwendige und eingangs gestellte Frage zu bekommen. Nur nach der Beantwortung können dann die dringend erforderlichen und richtigen Maßnahmen ergriffen werden.

Dr. Thomas Quellmann

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