Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(5): 264-265
DOI: 10.1055/s-2006-947271
Notfallmanagement in der Arztpraxis

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zerebrale Krampfanfälle

Teil 11Hubert Reichle
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Publication Date:
31 May 2006 (online)

Medizinische Grundlagen und Prinzipien des Vorgehens

Krampfanfälle sind relativ häufig vorkommende neurologische Störungen, die verschiedene Ursachen haben und recht unterschiedlich in Erscheinung treten. Alle Formen werden durch plötzlich einsetzende neuronale Erregungen ausgelöst, die zu unkontrollierten, krampfartigen motorischen Aktivitäten führen.

Bei fokalen Anfällen ist das Krampfereignis auf eine Körperregion, zum Beispiel auf eine Körperseite oder eine Extremität, beschränkt. Der typische große, generalisierte Anfall (grand-mal-Anfall) verläuft als tonisch-klonischer Krampf. Oft gehen dem Anfallsgeschehen Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen und Müdigkeit sowie optische oder akustische Halluzinationen voraus. Der Patient wird bewusstlos und stürzt zu Boden. Es kommt zur Versteifung des gesamten Körpers. Während dieses tonischen Stadiums besteht ein Atemstillstand mit zunehmender Zyanose. Die Pupillen sind weit und reagieren nicht auf Licht, die Bulbi sind nach oben oder zur Seite verdreht. Oft kommt es zum Zungenbiss. Nach zirka 10 bis 30 Sekunden wird das tonische Stadium abgelöst von klonischen, rhythmischen Zuckungen des Körperstammes und der Extremitäten. Während dieser Phase, die etwa 1-3 Minuten dauert, setzt die Atmung wieder ein.

In der postkonvulsiven Phase besteht ein wenige Minuten dauernder komatöser Zustand, der von einem längeren Schlaf gefolgt wird (postiktaler Nachschlaf). Während der Schlafphase ist der Patient erweckbar, jedoch oft benommen und desorientiert. Von einem Satus epilepticus spricht man, wenn der Anfall länger als zehn Minuten dauert oder wenn ein neuer Anfall auftritt, ohne dass der Patient in der Zwischenzeit das Bewusstsein erlangt hat. Es handelt sich um einen lebensgefährlichen Zustand. Der Patient ist gefährdet durch Hypoxie, Aspiration und zerebrale Zellstörungen.

Krampfanfälle haben vielfältige Ursachen. Dabei kann zwischen primär zerebralen Erkrankungen (z.B. idiopathisch, das heißt ohne nachweisbare Ursache, Tumore, Blutungen, Hirngefäßerkrankungen, Enzephalitis, Meningitis, Schädelhirntraumata, und primär extrazerebralen Erkrankungen (z.B. Hypoglykämie, Hypokalzämie, Präeklampsie - bei Schwangeren -, Fieber - bei Kleinkindern -, Hypoxie, Medikamenten- und Alkoholmissbrauch oder Entzug unterschieden werden.

Die notfallmedizinische Initialversorgung eines Patienten mit Grand-mal-Anfall zielt darauf ab, den Patienten vor Verletzungen zu schützen, Sauerstoff zu geben, ihn zu beobachten und das Ende des Anfalls abzuwarten. Bei andauerndem Krampfereignis muss ein intravenöser Zugang gelegt werden, um eine medikamentöse Unterbrechung des Anfalls (initial z.B. mit 10 mg Diazepam i.v.) zu erreichen.

Im Folgenden wird das Vorgehen bei Auftritt eines Grand-mal-Anfalls des Erwachsenen bis zum Eintreffen des Notarztes beschrieben.

Anschrift für die Verfasser

Dr. med. Hubert Reichle

Ingo Wahlster

IMS Institut für Medizinisches Sicherheits- und Notfallmanagement e.V.

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