Aktuelle Neurologie 2000; 27(3): 106-109
DOI: 10.1055/s-2007-1017529
Übersicht

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Einfluss von Östrogenen und Gestagenen auf neurologische Erkrankungen

1. Interdisziplinäres Frankfurter Gespräch zur Kontrazeption, Sexualhormonen und neurologischen ErkrankungenInfluence Exercised by Oestrogens and Gestagens on Neurological DiseasesA. Hufnagel1 , M. Breckwoldt2 , Iren Hösli3 , Sibylle Ried4 , Barbara Tettenborn5 , H. Kuhl6
  • 1Neurologische Universitätsklinik, Essen
  • 2Universitätsfrauenklinik, Freiburg
  • 3Universitätsfrauenklinik, Basel
  • 4Schweizerische Epilepsie-Klinik, Zürich, Schweiz
  • 5Neurologische Universitätsklinik, Mainz
  • 6Universitätsfrauenklinik, Frankfurt
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Januar 2008 (online)

Zusammenfassung

Ziel des 1. Interdisziplinären Frankfurter Gespräches war es, neue Aspekte der Anwendung oraler Sexual-steroide aus der Sicht der gynäkologischen und neurologischen Fachdisziplinen zu erarbeiten. Insbesondere bei der Behandlung der Epilepsien, der multiplen Sklerose, der Migräne und des Schlaganfalls konnten Einflüsse der Sexualsteroide auf die Entstehung und den Verlauf der Erkrankung beobachtet werden. Bei der Behandlung von Patientinnen mit Epilepsie muss beachtet werden, dass Östrogene prokonvulsiv und Progesteron antikonvulsiv wirken. Durch die Antikonvulsiva Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon, Topiramat, Oxcarbazepin und Felbamat werden orale Kontrazeptiva verstärkt inaktiviert. Zur Vermeidung von unerwünschten Schwangerschaften empfiehlt sich die Einnahme eines Kontrazeptivums mit hoher Ovulations-hemmdosis des Cestagenanteils. Demgegenüber vermindert die Einnahme von Valproinsäure, Lamotrigin, Tiagabin, Gabapentin, Vigabatrin, Ethosuximid oder Benzodiazepinen nicht die kontrazeptive Wirksamkeit. Bei menstruationsgebundener Epilepsie, wie auch Migräne wird das verstärkte Auftreten von epileptischen Anfällen oder Migräneattacken hauptsächlich auf den zyklischen Abfall des Östrogens zurückgeführt. Entstehung und Verlauf der multiplen Sklerose werden durch Ovulationshemmer nicht beeinflusst. Ein günstiger Einfluss der Schwangerschaft auf die Schubrate und Progression wurde in kleineren Patientinnengruppen beobachtet. Postpartal kommt es tendenziell eher zu einer Zunahme der Schubrate. Das Risiko, einen ischämischen Schlaganfall oder eine intrazerebrale Blutung zu erleiden, ist bei jungen Frauen durch die Einnahme von niedrig dosierten Ovulationshemmern nicht sicher erhöht. Demgegenüber scheinen unter der Behandlung mit oraler Kontrazeptiva zerebrale Sinusvenenthrombose häufiger aufzutreten. Bei Patientinnen mit Migräne ist das Schlaganfallrisiko erhöht und wird durch die Einnahme von Ovulationshemmern weiter gesteigert.

Summary

During the first Frankfurt interdisciplinary workshop which took place in June 1999, neurologists, endocrinologists and gynaecologists discussed the effects of sex steroids on neurological diseases. The following observations were considered essential: In women with epilepsy oestrogens may act proconvulsively and progestogens anticonvulsively. The contraceptive efficacy may be considerably reduced by comedication with carbamazepine, phenytoin, phenobarbital, primidone, topiramate, oxcarbazepine and felbamate, which may increase inactivation of contraceptive steroids by enzyme induction in the liver. To prevent unwanted pregnancies, an oral contraceptive containing a progestogen with high ovulation inhibitory potency should be preferred. Valproic acid, lamotrigine, tiagabine, gabapentin, vigabatrin, ethosuximide or benzodiazepines do not significantly interact with oral contraceptives. In menstruation-associated epilepsy as well as migraine the increase of seizure frequency or migraine-attacks is mainly attributed to the cyclic drop of oestrogens. Manifestation and the course of multiple sclerosis are not substantially affected by sex steroids. However, a favourable course of the disease during pregnancy and re-exacerbation after delivery have been observed. The risk of ischaemic insult or intracranial haemorrhage is not substantially increased in women who previously took or presently take oral contraceptives. In women with migraine the risk of stroke is elevated. It is further increased risk of cerebral venous thrombosis in women using oral contraceptives.