Notfallmedizin up2date 2007; 2(3): 253-268
DOI: 10.1055/s-2007-965578
Rettungsdienst

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychologische Krisenintervention in der Notfallmedizin

Frank-Gerald Pajonk, Roberto D'Amelio
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Publication Date:
26 October 2007 (online)

Kernaussagen

Eine primäre psychologische Krisenintervention in einem notfallmedizinischen Setting lässt sich durch folgende Merkmale charakterisieren:

  • schneller Beginn,

  • zeitliche Begrenzung der Intervention,

  • Ausrichtung des Behandlungsfokus auf die aktuelle Krise und/oder die Auslöser der Krise,

  • Ziel ist die rasche Linderung krisenbedingter psychosozialer Leidenszustände,

  • Nutzung von Ressourcen des Patienten und seines sozialen Umfeldes,

  • Wahrung einer flexiblen therapeutischen Haltung, von Zuhören bis zu direktiver Gesprächsführung bzw. aktivem Handeln, je nach Bedarf und Zustand des Patienten,

  • transparentes, nachvollziehbares und eindeutiges therapeutisches Vorgehen.

Zu diesem Zweck müssen die Rettungsdienstmitarbeiter unter Zeit- und Handlungsdruck eine Vielzahl von Entscheidungen treffen, die prototypisch in Abbildung [1] dargestellt sind.

Eine notwendige Voraussetzung für eine adäquate Durchführung psychologischer Erster Hilfe stellt eine entsprechende intensive Schulung der Rettungsdienstmitarbeiter in primärer psychologischer Krisenintervention dar. Darüber hinaus sollte regelmäßig eine einsatzbegleitende und ‐auswertende Supervision angeboten werden, um die Sicherheit im Handling psychischer Krisen zu erhöhen [[18]]. Diese Maßnahmen sind auch deshalb notwendig, weil Untersuchungen gezeigt haben, dass die Belastung für die Notärzte und Rettungsdienstmitarbeiter durch psychiatrische Notfälle oder psychisch auffällige Menschen nach pädiatrischen Notfällen am höchsten ist [[19], [20]].

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Abb. 1 Ablaufschema bei einer psychologischen Krisenintervention.

Literatur

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Prof. Dr. Frank-Gerald Pajonk

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