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DOI: 10.1055/s-2007-973644
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Ärztenachwuchs motivieren?
Publication History
Publication Date:
12 March 2007 (online)
Wer Anfang der sechziger Jahre mit dem Gedanken spielte, Medizin zu studieren, wurde von vielen Seiten gewarnt, das lieber nicht zu tun. Damals gab es genug Ärzte und viele konnten ihre Facharztanerkennung mangels ausreichender Planstellen nicht oder nicht zeitgerecht erreichen. Ohne diese war wiederum eine Praxis-Niederlassung nicht möglich. Es war durchaus üblich, dass Ärzte in der Klinik ohne Entlohnung arbeiteten, nur um die Anerkennung als Facharzt zu erhalten. Und heute? Die Situation ist eigentlich nicht vergleichbar. Es geht uns wirtschaftlich viel besser und wir leben in einer Überflussgesellschaft. Dennoch ist wieder viel Frust unter den Ärzten, und vom Medizinstudium wird von vielen Seiten abgeraten. Soll man da junge Menschen motivieren, Arzt zu werden?
Was nach einer auch heute noch sehr langen, teuren und anspruchsvollen Ausbildung auf junge Ärzte zukommt, ist wahrhaftig eine Zumutung! Sicher nicht ausreichend praxisnah ausgebildet, wünscht sich der junge Mediziner, endlich sein Wissen am kranken Menschen einsetzen zu dürfen und viel dazuzulernen. Doch ihn erwartet eine durch Ökonomen gegängelte Hierarchie im Krankenhaus, die so belastet ist, dass das eigentliche Anliegen vielfach zu kurz kommt. Die Folge ist eine massive Enttäuschung und die Abwanderung junger Mediziner ins Ausland, aber vor allem auch in den breiten und bequemen Speckgürtel, der sich um die Medizin etabliert hat und der vielfach mit weit weniger Verantwortung und Arbeitseinsatz gleiche oder bessere materielle Aussichten verheißt.
Sollten diejenigen recht haben, die sagen: Im ärztlichen Dienst habe ich heute etwa die Hälfte meiner Zeit völlig artfremde Tätigkeiten auszuführen, eine wirkliche Anerkennung meiner Arbeit bleibt mir oft sowohl von den Vorgesetzten als auch finanziell und immer öfter sogar von den Patienten einfach versagt, und mich immer wieder nur selbst motivieren, das kann ich nicht.
Wie konnte das passieren? Sicher müssen auch Ärzte dokumentarische und verwalterische Aufgaben bewältigen. Aber in diesem exorbitanten Ausmaß? Hilfen gäbe es genug! Bei allem Respekt des sozialethischen Gebots zur Sparsamkeit bei knappen Ressourcen: Ist es nötig, auf den politischen Druck hin aus einem Krankenhaus eine Art industriellen Geschäftsbetrieb zu machen, der ganz einfach Gesundheit vermarktet? Muss der auch noch von einem zumeist doch recht medizinfernen, reinen Ökonomen, ohne wirkliche Einflussmöglichkeit durch die Ärzteschaft, fast autark geführt werden?
Mit altbekannten Methoden werden dabei vielfach, oft selbstherrlich, einfach per „divide et impera” Klinikstrukturen „dem Markt angepasst”. Dabei bleibt so vieles auf der Strecke, selbst wenn es ökonomisch gerechtfertigt erscheint. So kann die Medizin zu einer Ware verkommen. Medizinische Prioritäten haben sich längst von der ärztlichen Entscheidungsebene vorrangig in die ökonomische Verwaltungsebene verlagert. Die Ärzteorganisationen haben es auch nicht verstanden, sich als kompetente Partner die ihnen zustehende Mitentscheidungsposition zu erhalten. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) titelte am 19.3.06 deshalb sogar: „Vom Halbgott zum Depp der Nation”.
Der reine Geschäftsbetrieb mag eine Weile überleben. Aber wie viele Generationen von Ärzten braucht es dann, um bei der ständig eingepeitschten Notwendigkeit alles unter primär finanziellen Aspekten zu sehen, die Prioritäten wirklich zu verschieben? Der Patient als „Kunde” ist ein bitterer, von der Politik über die Ökonomen eingeführter Anfang. Irgendwann könnten junge Ärzte dies für normal halten. Und damit kommt man zum eigentlichen Kern der Situation.
Sollen wir dann also junge Menschen motivieren, Arzt zu werden? Eindeutig ja! Und das in möglichst großer Zahl, denn es braucht sehr viele hoch motivierte Ärzte in Klinik und Praxis, die in der Lage sind, die vorgegebenen, nur derzeit so schlechten Rahmenbedingungen richtig einzuschätzen, und die sich damit durchsetzen, den nach wie vor schönsten Beruf für ihre Mitmenschen auch adäquat auszuüben.