Aktuelle Neurologie 2007; 34(10): 544
DOI: 10.1055/s-2007-986256
Aktuelles Thema

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Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin (DGNI) und der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft (DSG) zur Situation der stationären Notaufnahme

Position Statement of the DGN, DGNI and DSG on Neurological Emergency Medicine
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. Dezember 2007 (online)

Die Notfallaufnahme wird an deutschen Universitätskliniken und Akutkliniken in unterschiedlichen Organisationsformen erbracht. Die DGN ist dabei besorgt über Tendenzen, die Notfallversorgung aus der fachgebundenen Versorgung herauszunehmen und einer zukünftigen Notfallmedizin oder global der Inneren Medizin oder Chirurgie zuzuordnen. Die ökonomischen Zwänge verlangen nachvollziehbar eine kostensparende Organisation der Notfallversorgung. Diese muss jedoch den Facharztstandard in der Notfallversorgung garantieren.

In diesem Zusammenhang weisen wir auf einige Besonderheiten der Versorgung neurologischer Notfallpatienten hin, die für die Entwicklung der Versorgungsstrukturen und der medizinischen Abläufe berücksichtigt werden müssen.

Das zentrale Nervensystem ist durch eine - im Vergleich zu anderen Organsystemen - extreme Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoffmangel und andere Noxen und eine mangelnde Regenerationsfähigkeit von Gehirnzellen charakterisiert. Deshalb bedürfen Patienten mit neurologischen Notfällen einer besonders raschen Diagnostik und Therapie. Dies gilt besonders für den häufigsten neurologischen Notfall, den Schlaganfall, trifft aber auch auf die meisten anderen zerebralen Notfälle zu. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die zeigen, dass die frühzeitige spezifische Behandlung kritisch über die Langzeitergebnisse bis hin zur Überlebenszeit bestimmt. Leider geben die meisten neurologischen Notfälle ihre Dringlichkeit auch nicht durch Schmerzen bekannt. Eine Notaufnahme muss daher eine rasche fachspezifische Diagnostik und damit Sofortmaßnahmen garantieren, die den neurologischen Erstkontakt für alle Patienten mit neurologischen Symptomen erforderlich macht. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer 24-stündigen neurologischen Präsenz auf Facharztniveau auf zentralen Notaufnahmeeinheiten.

Weiterhin muss die Versorgungsplanung auch quantitative Gesichtspunkte berücksichtigen. Nach einer soeben abgeschlossenen repräsentativen Untersuchung der Versorgung neurologischer Notfallpatienten an deutschen Universitäts- und Akutkliniken werden mehr als 50 % aller in neurologischen Kliniken behandelten Patienten als Notfälle eingewiesen[1]. Je nach Klinikum kann dieser Mittelwert erheblich variieren. Die Untersuchung hat auch ergeben, dass bereits heute in fast allen Notaufnahmen besondere Algorithmen für die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Schlaganfallsymptomen existieren, aber nicht unbedingt für andere neurologische Notfälle.

Grundsätzlich begrüßen die DGN, die DSG und die DGNI die Einrichtung von zentralen Notaufnahmen. Aus den genannten medizinischen und legalen Gründen müssen jedoch die folgenden Mindestanforderungen für die Versorgung neurologischer Patienten erfüllt werden:

Der Krankenhausträger ist zur Bereitstellung des Facharztstandards verpflichtet. Für neurologische Notfallpatienten an Häusern mit neurologischen Kliniken gilt dies aus den genannten fachlichen Gründen in besonderer Weise. Eine ärztlich-neurologische 24-Std.-Präsenz auf Facharztstandard ist in einer zentralen Notaufnahme zwingend erforderlich. Die Versorgung neurologischer Patienten bedarf gesondert geregelter Abläufe, um im Triageverfahren die Möglichkeiten moderner neurologischer Therapie nicht zu versäumen. Solche sind auf fachlicher Ebene zu etablieren. Der Krankenhausträger trägt hierfür die Organisationsverantwortung. Die Organisationsverantwortung der Notfallversorgung liegt bei den Krankenhausträgern und muss den lokalen Bedürfnissen angepasst werden. Sie kann dann zu einer entscheidende Verbesserung der Patientenversorgung führen. Sie muss neben der Behandlungsqualität auch Aspekte des Patientenaufkommens berücksichtigen. Die neurologische Vertretung muss daher auch in die Organisation der Notaufnahme maßgeblich einbezogen werden.

PD Dr. W. Muellges, 1. Vorsitzender der DGNI

Prof. Dr. M. Grond, 1. Vorsitzender der DSG

Prof. Dr. G. Deuschl, 1. Vorsitzender der DGN

1 Die Kommission 1.03 Qualitätssicherung und Anhaltszahlen der DGN (Vorsitz: Prof. C. W. Wallesch) hat 2007 im Auftrage des Vorstandes eine Befragung über die Notfallversorgung neurologischer Patienten in Deutschland durchgeführt, die die Grundlage dieser Stellungnahme darstellt. Es handelt sich dabei um Daten die von 115 neurologischen Kliniken im Umfrageverfahren erhoben wurden. Die mitgeteilten Daten gehen auf die Statistik des jeweiligen Krankenhauses zurück. Die vollständigen Ergebnisse wurden in der Aktuellen Neurologie publiziert (Akt Neurol 2007; 34: 416 - 421).

Prof. Dr. Günther Deuschl

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Schittenhelmstr. 10

24105 Kiel

eMail: g.deuschl@neurologie.uni-kiel.de