Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3(2): 95-96
DOI: 10.1055/s-2008-1004714
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gibt es das Polyzystische Ovar-Syndrom ohne Metabolisches Syndrom?

Is there a Polycystic Ovary Syndrome without Metabolic Syndrome?O. E. Janßen1 , S. Hahn2
  • 1Endokrinologikum Hamburg, Hamburg
  • 2Praxis für Endokrinologie, Wuppertal
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Publication Date:
07 April 2008 (online)

Schon bei der ersten systematischen Beschreibung des Polyzystischen Ovar-Syndroms (PCOS) von Stein und Leventhal 1935 waren sechs von sieben Patientinnen adipös. Und obwohl der Begriff des Metabolischen Syndroms (MBS) noch nicht erfunden war, beschrieben Achad und Thiers schon 1921 ein ähnliches Krankheitsbild, das sie als „Diabetes bärtiger Frauen” bezeichneten, bei dem sich als Hinweis auf eine ausgeprägte Insulinresistenz eine Acanthosis nigricans fand.

Mittlerweile stellt sich die Frage, ob es ein PCOS überhaupt ohne MBS, oder zumindest einer metabolischen Komponente, gibt. Im Ländervergleich sind in Italien 12 %, in Deutschland 50 % und in den USA 90 % der PCOS Patientinnen adipös - dementsprechend findet sich eine Prävalenz des manifesten MBS mit mindestens drei erfüllten ATP-III-Kriterien bei PCOS von 6 % in Italien, 33 % in Deutschland, und von über 50 % in den USA. Die Definition des MBS der amerikanischen Gesellschaft für klinische Endokrinologie führt PCOS sogar als einen Risikofaktor auf. In verschiedenen Studien fand sich eine erhöhte Prävalenz einer pathologischen Glukosetoleranz und eines manifesten Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) bei PCOS-Patientinnen und umgekehrt von PCOS bei prämenopausalen Frauen mit T2DM. Spanische und belgische Studien haben schon bei 6- bis 8-jährigen Mädchen mit einer PCOS-Veranlagung Hyperinsulinämie und Störungen im Glukosestoffwechsel nachgewiesen. Amerikanische und Australische Studien haben darüber hinaus eine beschleunigte Konversion einer pathologischen Glukosetoleranz zu manifestem T2DM festgestellt. Aufgrund von Hinweisen, dass nicht nur die Insulinresistenz, sondern auch eine Hyperandrogenämie in einem MBS-Risiko resultiert, kann spekuliert werden, ob nicht das PCOS selbst dieses Risiko in sich trägt, sei es genetisch, oder durch prä- oder perinatale Prägung.

Trotz der familiären Häufung des PCOS, mit Vererbung von der Mutter auf die Tochter, und der höheren Androgenspiegel bei Vätern und Brüdern von PCOS-Patientinnen, bleibt die Genetik des sehr heterogenen PCOS, erschwert durch den fehlenden männlichen Phänotyp, weiter unklar. Neben den an den Stoffwechselwegen der Androgensynthese beteiligten Genen wurde auch die Insulin-Signaltransduktion und der Glukosestoffwechsel untersucht. Einzelne Studien fanden dabei Assoziationen des PCOS mit Mutationen im Insulinpromoter, Insulinrezeptorsubstrat-1, Calpain 10 und zuletzt im Follistatin, um nur einige zu nennen, die sich dann jedoch in anderen Studien, im Besonderen in anderen Ländern, nicht bestätigen ließen. Eine klare molekulare Pathophysiologie oder gar therapeutische Konsequenzen lassen sich somit aus den genetischen Untersuchungen nicht ableiten.

Unbestritten findet sich jedoch, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, in allen untersuchten PCOS-Populationen ein Cluster kardiovaskulärer Risikofaktoren (Tan et al. 2008). Als Ausdruck einer Fettstoffwechselstörung finden sich bei PCOS erhöhten Gesamt- und LDL-Cholesterin sowie Triglyzeride, und ein erniedrigtes HDL-Cholesterin, mit z. T. selbst nach BMI-Korrektur signifikanten Unterschieden zu gesunden Frauen. Selbst „nur” hyperandrogenämische Schwestern von PCOS-Patientinnen haben ein erhöhtes Gesamt- und LDL-Cholesterin. Als Ausdruck einer chronischen Inflammation findet sich beim PCOS eine Leukozytose sowie erhöhte Spiegel an C-reaktivem Protein, Interleukin-6, Interleukin-18, Homozystein, Endothelin-1 und aktuell von asymmetrischem Dimethylarginin (Heutling et al. 2008). Als Ausdruck der Störung der Fibrinolyse findet sich eine Erhöhung des Tissue-Plasminogen-Aktivators. Als Ausdruck einer endothelialen Dysfunktion, und damit frühem Marker einer Atherosklerose, fand sich eine verminderte Gefäßelastizität und Vasodilatationskapazität sowie erhöhte Intima-Media-Dicke und vermehrte Kalzifizierung der Koronararterien, z. T. sogar bei schlanken oder bei sehr jungen PCOS-Patientinnen.

Es ist jedoch weiterhin unklar, ob dieses erhöhte Risikoprofil auch zu einer früheren und / oder häufigeren Manifestation kardiovaskulärer Ereignisse führt. Alle vorliegenden Daten sind aus retrospektiven Untersuchungen, mit den dadurch bedingten Einschränkungen der Aussagekraft. Eine der größeren dieser Studien aus England hat, bei erhöhten Risikofaktoren, explizit keine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei PCOS gefunden.

Auch der Siegeszug der Metformintherapie beim PCOS, Anfang der 90er-Jahre von Velazquez et al. initialisiert, spricht für die wesentliche Bedeutung des Glukosestoffwechsels in der Pathogenese des PCOS. Eine Vielzahl von Studien hat mittlerweile eine Verbesserung der insulinabhängigen Glukoseaufnahme, der Hyperinsulinämie, der mit verschiedensten Verfahren gemessenen Insulinresistenz, der Fettstoffwechselparameter, der Parameter der chronischen Inflammation sowie eine klinisch relevante Gewichtsabnahme als metabolische Komponenten, jedoch im Besonderen auch eine Verbesserung oder Normalisierung des Zyklus, der Ovulation und damit klinisch Erfüllung von Kinderwunsch sowie der Hyperandrogenämie und des Hyperandrogenismus, mit deutlich besserer Wirkung auf die Akne als auf den Hirsutismus, als gynäkologische Komponenten bei der Metformintherapie gezeigt, z. T. auch bei nicht-adipösen PCOS-Patientinnen (Sahin et al. 2007, Tan et al. 2007). Die positiven Effekte der Metformintherapie wurden schon in den 90er-Jahren mit einer direkten Wirkung auf die ovarielle und adrenale Androgenbildung korreliert, mittlerweile vor allem aber mit einer Senkung der Hyperinsulinämie in Zusammenhang gebracht. Interessanterweise sind gerade die gynäkologischen Therapieerfolge der Metformintherapie in den meisten Studien nicht vom Körpergewicht abhängig, sondern fanden sich vor allem bei Patientinnen mit eher niedrigem BMI. Zum einen ließe sich dies mit einer relativ zu niedrigen Metformin-Dosierung einiger dieser Studien bei höherem BMI erklären, zum anderen wurde aber auch hier diskutiert, ob es einen „Insulinresistenz-unabhängigen” Metformineffekt gibt. Umgekehrt lässt sich aber spekulieren, dass auch die schlanken PCOS-Patientinnen eine inheränte Insulinresistenz oder Glukoseverwertungsstörung haben, die auf Metformin reagiert.

In Beantwortung der eingangs gestellten Frage: Ja, es gibt ein PCOS ohne manifestes MBS. Vieles spricht jedoch dafür, dass dem PCOS eine „Insulinresistenz” und damit verbundene Glukoseintoleranz zugrunde liegt, die sich schon oder auch bei schlanken, und schon bei sehr jungen Patientinnen nachweisen lässt. Diese vermittelt ein kardiovaskuläres Risiko, dessen Bedeutung für die Morbidität und Mortalität sich derzeit noch nicht abschließend beurteilen lässt.

Literatur

  • 1 Tan S, Hahn S, Janssen O E. Das polyzystische Ovarsyndrom - Metabolische Konsequenzen.  Gynäkol Geburtshilfliche Rundsch. 2008;  48 16-23
  • 2 Heutling D, Schulz H, Nickel I, Kleinstein J, Kaltwasser P, Westphal S, Mittermayer F, Wolzt M, Krzyzanowska K, Randeva H, Schernthaner G, Lehnert H. Asymmetrical Dimethylarginine, Inflammatory and Metabolic Parameters in Women with Polycystic Ovary Syndrome before and after Metformin Treatment.  J Clin Endocrinol Metab. 2008;  93 82-90
  • 3 Sahin Y, Unluhizarci K, Yilmazsoy A, Yikilmaz A, Aygen E, Kelestimur F. The effects of metformin on metabolic and cardiovascular risk factors in non-obese women with polycystic ovary syndrome.  Clin Endocrinol (Oxf.). 2007;  67 904-908
  • 4 Tan S, Hahn S, Benson S, Dietz T, Lahner H, Moeller L C, Schmidt M, Elsenbruch S, Kimmig R, Mann K, Janssen O E. Metformin improves polycystic ovary syndrome symptoms irrespective of pre-treatment insulin resistance.  Eur J Endocrinol. 2007;  157 669-676
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