Aktuelle Neurologie 2008; 35(7): 345-355
DOI: 10.1055/s-2008-1067428
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Autoantigen- und erregerspezifische T- und B-Zellreaktionen bei multipler Sklerose: „Eine unendliche Geschichte”?

Autoantigen- and Pathogen-Specific T- and B-Cell Responses in Multiple Sclerosis: A Never-Ending Story?T.  Derfuß1 , 2 , G.  S.  Direskeneli3 , R.  Hohlfeld1 , 2 , E.  Meinl1 , 2
  • 1Institut für Klinische Neuroimmunologie, Klinikum Großhadern der Ludwig-Maximilians-Universität, München
  • 2Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Abt. Neuroimmunologie, Planegg-Martinsried
  • 3Abteilung für Physiologie, Medizinische Fakultät Istanbul, Istanbul, Türkei
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Juni 2008 (online)

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Zusammenfassung

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Trotz umfangreicher Forschungsarbeiten bleiben die Ursachen der Erkrankung bisher noch immer ungeklärt. Akzeptiert ist, dass es durch eine immunologische Attacke gegen Myelin und wahrscheinlich auch Neurone zu einer zunehmenden Behinderung der Patienten kommt. Auch wenn mehrere Kandidaten-Autoantigene bei MS diskutiert werden, so ist doch bisher kein für die pathologische Immunreaktion verantwortliches Autoantigen wie z. B. der Azetylcholinrezeptor bei Myasthenia gravis sicher identifiziert worden. Unser Labor hat kürzlich Neurofascin, das an den Ranvier'schen Schnürringen konzentriert ist, als Zielstruktur für Autoantikörper identifiziert. In einem Tiermodell verursachten Antikörper gegen Neurofascin einen axonalen Schaden. Die Bedeutung dieser Neurofascin-Autoantikörper für MS-Patienten wird gegenwärtig untersucht. Aktuell ist lediglich die Bestimmung der Aquaporin-4-Antikörper von klinischer Relevanz, durch die die klinische Diagnose einer Neuromyelitis optica (NMO, Morbus Devic) unterstützt werden kann. Eine darüber hinausgehende Bestimmung von Antikörpern gegen Myelinantigene oder infektiöse Erreger ist zum derzeitigen Wissensstand für die klinische Diagnostik nicht sinnvoll. Ähnlich wie bei der humoralen hat sich auch bei der T-zellulären Immunantwort kein Autoantigen oder T-Zellphänotyp als MS-krankheitsspezifisch erwiesen. Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf antigenbasierte Therapien, die den theoretischen Vorteil einer hohen Effizienz bei verminderten Nebenwirkungen bieten. Ziel dieses Artikels ist es, einige in der aktuellen Forschung im Vordergrund stehende Antigene zu diskutieren. Die Kenntnis relevanter Antigene bei MS würde neben einem besseren Verständnis für die Pathogenese auch die Möglichkeit eröffnen, Biomarker für den Krankheitsverlauf und das Therapiemonitoring und eventuell antigenbasierte Therapiekonzepte zu entwickeln.

Abstract

Multiple sclerosis (MS) is a chronic inflammatory disease of the central nervous system. In spite of immense efforts in research the cause of the disease is still unknown. It is well accepted that myelin and probably also neurons are damaged by the immune system. This damage leads to permanent disability in the patients. Unlike myasthenia, in MS the responsible autoantigen for the immune attack has not been discovered so far in spite of extensive research on a variety of candidate autoantigens. We have recently identified neurofascin which is located at the node of Ranvier as a target of autoantibodies. Antibodies against neurofascin induced an axonal damage in an animal model of MS. The relevance of these autoantibodies is currently under investigation. Just recently, it has been found that antibodies against aquaporin 4 are a prominent feature in neuromyelitis optica (NMO). They are currently in clinical use to support the diagnosis of NMO. Beyond this, any antibody testing for myelin antigens or viral antigens is not of clinical utility. Similar to the humoral immune response, no T-cell autoantigen or phenotype has been proven to be MS specific. The current research centres on antigen-based therapies that have the theoretical advantage of a high efficacy while minimising potential adverse effects. The aim of this review is to present some of the recently discussed antigens. More information about relevant antigens in MS would not only lead to a better understanding of the pathogenesis of the disease but would also open new possibilities to develop biomarkers for disease and therapy monitoring and maybe also antigen-based therapies.

Literatur

Dr. med. Tobias Derfuß

Abt. Neuroimmunologie, Max-Planck-Institut für Neurobiologie

Am Klopferspitz 18

82152 Planegg-Martinsried

eMail: tsderfus@neuro.mpg.de