Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3 - A19
DOI: 10.1055/s-2008-1076166

Langfristige Effektivität eines neuen Schulungs- und Behandlungsprogramms für insulinpflichtige Diabetiker mit Hypoglykämieproblemen (HyPOS) auf die Inzidenz schwerer Hypoglykämien

N Hermanns 1, B Kulzer 1, T Kubiak 2, M Krichbaum 1, T Haak 1
  • 1Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Bad Mergentheim, Deutschland
  • 2Universität Greifswald, Greifswald, Deutschland

Einleitung: Die bisherigen Evaluationsdaten von HyPOS (Hypoglykämien – positives Selbstmanagement) – einem strukturierten Schulungs- und Behandlungsprogramms für insulinpflichtige Diabetiker mit Hypoglykämieproblemen (5 Kurseinheiten) – zeigen, dass die Teilnahme an HyPOS im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (RCT) nach 6 Monaten zu einer verbesserten Hypoglykämiewahrnehmung und signifikant weniger milden Unterzuckerungen führte. In dieser Studie wurde nun der langfristige Effekt (2 Jahre) bezogen auf den harten Endpunkt schwere Hypoglykämie (Kriterium: Behandlung mit Glucose und/oder Glukagoninjektionen) untersucht.

Methode: Von der ursprünglichen Stichprobe konnten 2 Jahre nach Studienende (t3) immerhin noch 82.3% der Teilnehmer nachuntersucht werden (KG 82,5% vs. HyPOS 82,1% p=.95): 135 Typ-1-Diabetiker (69 HyPOS, 66 KG); HbA1c 7,3±0,9%; Diabetesdauer 21,6±11,0J., Alter 46,0±12.8J. Die mittlere Nachbeobachtungszeitraum hinsichtlich schwerer Hypoglykämien war in beiden Untersuchungsgruppen nahezu identisch (KG 24,5±2.7 vs. HyPOS 24,3±3,2 Monate p=.62). Die Patienten bearbeiteten dieselben Fragebögen zur Hypoglykämiewahrnehmung und Anzahl schwerer Hypoglykämien, wie in der Interventionsstudie.

Ergebnisse: Die Anzahl schwerer Unterzuckerungen reduzierte sich bei HyPOS (t1: 0,87, t3: 0,14 Ereignisse pro Patientenjahr) signifikant stärker (p=.04) als in der KG (t1:0,87, t3:0,27 Ereignisse pro Patientenjahr). Auch der Anteil von Personen mit schweren Hypoglykämien reduzierte sich in der HyPOS-Gruppe signifikant (p=.035) stärker (HyPOS t1: 37%, t3: 13%; KG t1: 40,9%, t3: 27,3%). Die odds ratio einer schweren Hypoglykämie betrug bei HyPOS im Vergleich zur KG 0,4 (0.16–0.96p=.04) – damit reduzierte sich das Risiko für das Auftreten einer schweren Unterzuckerung für die Teilnehmer von HyPOS im Vergleich zur KG um 60%. Die Verlauf der glykämische Kontrolle war in beiden Gruppen vergleichbar (HyPOS t1: 7,2±0.9, t3: 7,1±0,9%; KG t1: 7,4%±1,0, t3: 7.3±1,1; p=.84).

Diskussion: Schwere Hypoglykämien stellen für insulinbehandelte Diabetiker eine hohe Belastung und ein Gefährdungspotential dar. Sie verursachen darüber hinaus hohe Gesundheitskosten, da ihre Behandlung sehr häufig im Rahmen eines Notfalleinsatzes erfolgt. Durch die Teilnahme an HyPOS konnte die Anzahl schwerer Unterzuckerungen auch im Verlauf von 2 Jahre in einem klinisch relevanten Ausmaß signifikant gesenkt werden, ohne dass dies mit einer Verschlechterung der glykämischen Kontrolle einhergeht. Insgesamt lag die Prävalenz schwerer Hypoglykämien nach Teilnahme an der HyPOS Schulung in etwa auf dem Niveau, welches für Typ-1-Diabetiker ohne Hypoglykämieproblematik erwartbar ist.