Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3 - A181
DOI: 10.1055/s-2008-1076328

Bedeutung von Polymorphismen der CYP2C9- und KCNJ11-Gene für schwere Sulfonylharnstoff-Hypoglykämien

A Holstein 1, M Hahn 1, J Kirchheiner 2, P Kovacs 3
  • 1Klinikum Lippe-Detmold, Medizinische Klinik I, Detmold, Deutschland
  • 2Universität Ulm, Institut für Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde, Ulm, Deutschland
  • 3Universität Leipzig, Institut für Interdisziplinäre Forschung, Leipzig, Deutschland

Fragestellung: Die etablierten Risikofaktoren für schwere Sulfonylharnstoff-Hypoglykämien (SH) umfassen hohes Alter der Typ-2-Diabetiker, Multimorbidität mit insbesondere Niereninsuffizienz sowie umfangreiche Komedikation. In einer Fall-Kontroll-Studie wurden Polymorphismen von Genen untersucht, die für den hepatischen Metabolismus der Sulfonylharnstoffe (CYP2C9) bzw. das Glucose-Sensing im Hypothalamus sowie in der pankreatischen β-Zelle (KCNJ11 [potassium inwardly-rectifying channel, subfamily J, member 11]) essentiell sind und somit das Risiko für SH beeinflussen könnten.

Methode: Die Polymorphismen der CYP2C9- bzw. KCNJ11-kodierenden Gene wurden bei 63 Typ-2-Diabetikern mit SH vs. einer Kontrollgruppe von 68 Sulfonylharnstoff-behandelten Patienten gleicher Morbidität und Komedikation, jedoch ohne SH, bestimmt. SH waren durch eine neuroglukopenische Symptomatik, eine initiale Blutglucose von <50mg/dl und die Notwendigkeit der i.v. Glucose-Gabe definiert. Sämtliche 131 Patienten hatten die Sulfonylharnstoffe Glimepirid, Glibenclamid oder Gliquidon erhalten.

Ergebnisse: Die Sulfonylharnstoff-behandelten Patienten mit vs. ohne schwere Hypoglykämien waren folgendermaßen charakterisiert: Alter 76,5±1 vs. 81±8 Jahre, Diabetesdauer 11±11 vs. 12±9 Jahre, BMI 26,4±5 vs. 26,6±5kg/m2, HbA1c 6,9±1,3 vs. 7,42±1,3%, Kreatinin-Clearance 48±22 vs. 38±18ml/min, Komedikation 6,9±1,3 vs. 7,4±1,3 Präparate. In der univariaten Analyse erwiesen sich ein niedriger HbA1c-Wert (p=0,02) und das Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) (p=0,04) als Risikofaktoren für SH. Hingegen waren weder die sog. CYP2C9 slow-metabolizer-Genotypen *2/*3 und *3/*3 noch bestimmte Polymorphismen des KCNJ11-Gens (Glu23Lys) mit einem vermehrten Risiko von SH verbunden. Ebenso hatten die jeweiligen Dosierungen der Sulfonylharnstoffe oder eine additive Insulintherapie keinen Effekt auf das Hypoglykämie-Risiko.

Schlussfolgerungen: In den beiden untersuchten Kohorten von Sulfonylharnstoff-behandelten Typ-2-Diabetikern stellten ein niedriger HbA1c-Wert und das Vorliegen einer KHK Risikofaktoren für SH dar. Hingegen waren weder bestimmte Polymorphismen der CYP2C9- noch der KCNJ11-Gene mit einem erhöhten Risiko von schweren Hypoglykämien assoziiert. Ergebnisse einer Pilotstudie an kleinen Fallzahlen, die ein erhöhtes Hypoglykämie-Risiko für die CYP2C9 slow-metabolizer-Genotypen *2/*3 und *3/*3 nachgewiesen hatten (Holstein et al., Br J Clin Pharmacol 2005, 59), können durch diese aktuellen Daten nicht bestätigt werden.