Diabetologie und Stoffwechsel 2008; 3 - A293
DOI: 10.1055/s-2008-1076440

Veränderung der Barrieren bezüglich einer Insulintherapie bei Typ-2-Diabetikern

B Kulzer 1, N Hermanns 1, M Mahr 2, M Krichbaum 1, T Haak 1
  • 1Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Bad Mergentheim (FIDAM), Bad Mergentheim, Deutschland
  • 2Universität Bamberg, Bamberg, Deutschland

Fragestellung: Befürchtungen, Ängste bezüglich einer Insulintherapie (IT) stellen bei Typ-2-Diabetikern eine entscheidende Barriere für die Initialisierung einer IT dar. Bisher gibt es keine Studien zu dem Verlauf von Einstellungen gegenüber einer IT. Zu dieser Fragestellung wurde der Verlauf (3 Monate) dieser Einstellungen im Vergleich von drei Gruppen von Typ-2-Diabetikern untersucht: a) Umstellung von oraler Therapie auf IT (O-I), b) Beibehaltung einer IT (I-I), c) Beibehaltung einer oralen Therapie (O-O).

Methodik: An dieser Studie nahmen 130 Typ-2-Diabetiker (Alter 55,8±8,8J.; 35% weiblich; Diabetesdauer 9,4±6,7J.; HbA1c 8,7±1,6%; BMI 34,0±7,1kg/m2) teil. Die Patienten bearbeiteten die deutsche Version der „Insulin Therapy Appraisal Scale“ (ITAS), einen Fragebogen zur Erfassung der Einstellungen gegenüber einer IT (Gesamtscore α=.83; Unterskalen „subjektiv wahrgenommene Vor- und Nachteile einer IT“).

Ergebnisse: 57 Patienten der Stichprobe praktizierten bereits eine IT (Alter 55,6±8,7J.; Diabetesdauer 12,7±7,2J.; HbA1c 8,5±1,6%), 44 Typ-2-Diabetiker wurden von einer oralen Therapie auf Insulin umgestellt (Alter 58,1±6,8J.; Diabetesdauer 7,7±5,0J.; HbA1c 9,1±1,7%) und 29 Studienteilnehmer verblieben auf einer oralen Diabetestherapie (Alter 52,7±10,7J.; Diabetesdauer 5,3±4,6J., HbA1c 8,3±1,4%). Zu Beginn der Studie unterschieden sich die drei Gruppen in Bezug auf ihre Einstellung bezüglich der IT signifikant (O-O: 31,2±12,2; O-I: 29.2±9,8; I-I: 25.8±8,3; p=0.4). Zur Nachuntersuchung nach drei Monaten verbesserten sich alle Gruppen bezüglich des HbA1c-Wertes signifikant (I-I: Δ-1,9±1,4%; O-D: Δ -1,9±1,8%; O-O: Δ -1,6±1,7%; p <.01). Erwartungsgemäß veränderte sich die Einstellungen der I-I Gruppe nicht (t0: 25.8±8,3; t1: 24,8±8,1; p=.25). In der Gruppe, welche von einer oralen Therapie auf IT umgestellt wurde, reduzierten sich hingegen die Befürchtungen und Einstellungen zur IT signifikant (t0: 29.2±9,8; t1: 26,2±9,9; p<.01). Trotz der deutlichen Verbesserung der glykämischen Kontrolle nahmen in der O-O-Gruppe die Befürchtungen, Vorbehalte gegenüber der Insulintherapie nicht ab, sondern sogar geringfügig zu (t0: 31,2±12,2 t1: 33,6±12,3p=.39).

Diskussion: Oral behandelte Typ-2-Diabetiker haben eine deutlich negativere Einstellung gegenüber einer IT, als Patienten, die bereits eine IT praktizieren. Diese Einstellung reduziert sich deutlich nach Beginn der IT. Es kann vermutet werden, dass die reale Erfahrung einer IT irrationale Ängste und Befürchtungen abbaut. Demgegenüber bleiben bei Patienten, welche auf einem oralen Therapieregime verbleiben, solche Befürchtungen und Ängste bestehen bzw. erhöhen sich sogar leicht. Negative Befürchtungen und Erwartungen gegenüber einer IT bei Typ-2-Diabetikern sind somit veränderbar und damit auch prinzipiell therapeutischen Interventionen zugänglich.