ZFA (Stuttgart) 2008; 84(8): 317-320
DOI: 10.1055/s-2008-1081210
Serie

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

IGeL kritisch betrachtet: Thrombose-Check

Non-insured Health Benefits (IGeL) Critically Viewed: Thrombosis CheckM. Velasco-Garrido 1 , A. Erler 2 , M. Beyer 2 , I. Otterbach 2
  • 1TU, Technologie und Management, Berlin
  • 2Goethe-Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Frankfurt/Main
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eingereicht: 28.05.2008

akzeptiert: 12.06.2008

Publication Date:
21 August 2008 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund und Problemstellung: Bei der Entstehung einer Thrombose handelt es sich um ein multikausales Geschehen, bei dem sowohl genetische als auch situative Risikofaktoren zusammenwirken. Als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) wird in Deutschland für Patienten ohne Eigen- und Familienanamnese eines thromboembolischen Ereignisses ein sogenannter „Thrombose-Check” angeboten, bei dem Störungen des Blutgerinnungssystems (z. B. Faktor-V-Leiden, Prothrombin-Genmutation, Protein C-Mangel, Protein S-Mangel, Antithrombin III-Mangel) untersucht werden.

Methode: Eine systematische Literatur- und Leitlinienrecherche wurde insbesondere auf zwei Fragen hin durchgeführt: a) wie hoch ist das Risiko eines thromboembolischen Ereignisses für gesunde Patienten mit und ohne angeborene Risikofaktoren? b) gibt es Studien, die belegen können, dass die Früherkennung eines angeborenen erhöhten Thromboserisikos bei ansonsten gesunden Menschen einen Nutzen erbringt?

Ergebnisse: In der Literatur wird ein Risiko von 0,7 bis 1 tiefe Bein-Beckenvenen-Thrombose und zwischen 0,2 und 0,4 Lungenembolien pro 1 000 Einwohner und Jahr angegeben. Beim Vorliegen einer angeborenen Gerinnungsstörung ist das relative Thromboserisiko im Vergleich zu Menschen ohne diese Störung erhöht, allerdings bleibt das absolute Risiko gering, eine Thrombose zu erleiden. Es wurde keine Studie und keine Leitlinie gefunden, die zeigen konnte, dass sich durch systematisches Screening gesunder Patienten auf ein angeborenes erhöhtes Thromboserisiko die Rate thromboembolischer Ereignisse reduzieren ließe.

Schlussfolgerung: Die Durchführung eines „Thrombosechecks” bei gesunden Patienten verspricht keinen Nutzen. In Übereinstimmung mit den aufgefundenen Leitlinien sollte eine Untersuchung auf angeborene Störungen der Blutgerinnung auf Patienten mit positiver Eigen- oder Familienanamnese beschränkt bleiben.

Abstract

Background and Problem: The development of thrombosis is a multicausal phenomenon in which both genetic and situational factors interact. In Germany, patients with no thromboembolic event in either their individual or family medical histories are offered a so-called „thrombosis check” as a non-insured health benefit (in German „IGeL”– Individuelle Gesundheitsleistung). This check tests for disorders of the blood coagulation system (e.g. Factor V deficiency, prothrombin gene mutation, protein C deficiency, protein S deficiency, antithrombin III deficiency).

Method: A systematic literature and guideline search focused on two questions in particular: a) how high is the risk of a thromboembolic event for healthy patients with and without congenital risk factors? b) Do studies exist which demonstrate that the early recognition of a congenitally increased risk of thrombosis in an otherwise healthy person is of any benefit?

Results: A risk of 0.7 to 1 of deep vein thrombosis in the legs or pelvis and of between 0.2 and 0.4 of lung embolies per 1 000 population/year are reported in literature. Persons with a congenital blood coagulation disorder have a higher relative risk of thrombosis than those with no such disorder. However, in absolute terms the risk of thrombosis remains low. No study or guideline could be found that was able to demonstrate that systematic screening of healthy patients for a congenitally increased risk of thrombosis was able to reduce the incidence of thromboembolic events.

Conclusions: Performing a „thrombosis check” on healthy patients does not promise health benefits. Examinations for congenital blood coagulation disorders should be limited to patients with positive individual or family medical histories. This recommendation is also consistent with the reviewed guidelines.

Literatur

1 Oberbegriff für sowohl tiefe Bein-Becken-Venenthrombosen als auch Lungenembolien

2 Resistenz gegen das aktivierte Protein-C, die bei Patienten mit Faktor-V-Leiden die funktionelle Störung darstellt.

3 In bestimmten Risikosituationen (z. B. bei Operationen) werden ohnehin schon prophylaktische Maßnahmen durchgeführt.

Korrespondenzadresse

Dr. I. Otterbach

Goethe-Universität

Institut für Allgemeinmedizin

Frankfurt/Main

Theodor-Stern-Kai 7

60590 Frankfurt/Main

Email: otterbach@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de