Einführung
Zeiträume bewussten Fastens mit Beschränkung der Aufnahme fester Nahrung werden weltweit
praktiziert und sind inzwischen fester Bestandteil der europäischen klassischen Naturheilkunde
in Form des Heilfastens oder therapeutischen modifizierten Fastens.
Die neuere Geschichte des medizinischen Fastens basiert wesentlich auf den Arbeiten
und dem Wirken der Ärzte Otto Buchinger, Herbert Krauß sowie Franz Xaver Mayr. Buchinger,
selbst geprägt von einer heilenden Fastenerfahrung in der Klinik von Dr. Riedlin,
begründete das Konzept des modifizierten therapeutischen Fastens („Heilfasten“) im
Gegensatz zur Nulldiät, dem Wasserfasten, das schon Jahrzehnte zuvor in den USA starke
Verbreitung bei Ärzten der „natural hygiene“ fand.
Alternierende Phasen des Nahrungsüberangebots und des Hungerns waren bei den Frühmenschen
vermutlich der Regelfall. Es scheint naheliegend, dass der menschliche Körper evolutionsbedingt
Phasen des Fastens sehr gut bewältigen kann und sich die genetische Ausstattung, der
Körpermetabolismus und die Ernährungsphysiologie gut darauf eingestellt haben. Im
Gegensatz dazu ist anzunehmen, dass die mehrmals tägliche, regelmäßige Nahrungszufuhr
mit Snacks, Zwischenmahlzeiten und energiehaltigen Getränken, die Hormon- und Stoffwechselsysteme
überfordert.
Die günstigen metabolischen Wirkungen des Fastens sind in physiologischen Arbeiten
beschrieben. Der Artikel gibt einen Überblick zu den verschiedenen Formen des Fastens
und dessen mögliche Effekte.
Modifiziertes Fasten nach Buchinger
Beim modifizierten Fasten nach Buchinger wird eine gewisse Kalorienmenge dem Körper
in Form von definierter flüssiger Nahrung täglich zugeführt. Diese Kalorienmenge soll
nach dem damaligen Konzept 500 kcal nicht überschreiten, um die fasteninduzierte hepatisch
gesteuerte Lipolyse nicht zu hemmen. Allerdings ist die Kalorienobergrenze dieser
Grenze physiologisch nicht genau determiniert. Auf eine Nulldiät wird im Gegensatz
zur Tradition des amerikanischen Fastens verzichtet, um einen verstärkten Proteinkatabolismus
und konsekutiven Muskelabbau zu vermeiden. Schließlich wird auf feste Nahrung verzichtet,
um Hunger, der möglicherweise durch Kauen induziert wird, nicht zu fördern. Diese
Form des modifizierten Fastens nach Buchinger ist die derzeit in Europa am häufigsten
eingesetzte Fastenmethode und wird meist auch als Saftfasten bezeichnet.
Weitere Fastenformen, die klinisch und ambulant eingesetzt werden, sind das sog. Schleimfasten
(Reis- oder Getreideschleim), insbesondere bei magenempfindlichen Menschen bzw. vorliegenden
Magenerkrankungen. Ein weiteres wesentliches Charakteristikum des therapeutischen
Fastens bzw. Heilfastens ist, dass es sich um ein multimodales Therapieprogramm handelt,
also die Therapiemethode nicht nur die Beschränkung der Kalorienzufuhr umfasst, sondern
in ein therapeutisches ganzheitliches Therapieprogramm eingebettet ist. Im Konzept
von Buchinger, aber auch anderer etablierter Verfahren, wird besonderer Wert auf Bewegungstherapie,
aber auch Entspannungsverfahren gelegt. Zusätzlich wird die sog. Ausleitung über das
Anregen des Schwitzens (Diaphorese), der Diurese (reichlich Trinken) sowie der Purgation
(abführende Salze, Einläufe) unterstützt. Darüber hinaus gibt es standardisierte,
begleitende Therapien wie den täglichen Leberwickel sowie Schulungen zu gesunder Ernährung
und einem allgemein gesundheitsfördernden Lebensstil. Dieses Gesamtkonzept ist eindeutig
zu favorisieren gegenüber reinen, auf die Kalorienreduktion fokussierten Diät- oder
Fastenformen.
Periodisches Fasten
Inzwischen wurde von den amerikanischen Wissenschaftlern und Fastenexperten Longo
und Mattson vorgeschlagen, das Fasten über längere Zeiträume von Tagen und Wochen
als periodisches Fasten zu bezeichnen. Das periodische Fasten für Gesunde dauert hierbei
in der Regel 5 oder 7 Tage. Das Heilfasten bzw. therapeutische Fasten hat meist eine
Therapiedauer von 7, 10 oder 14 Tagen, kann aber bei ausreichendem Ausgangsgewicht
oder Übergewicht bis zu 4 oder sogar 6 Wochen ausgeübt werden.
Als eine modifizierte Form des periodischen Fastens ist die „fasting mimicking diet“
(FMD), das „Scheinfasten“ nach Valter Longo anzusehen [11]. Hierbei stehen 2 Formen, die inzwischen als Produkt vermarktet werden, zur Verfügung.
-
Die „fasting mimicking diet“ während der Chemotherapie („Chemolieve“ – 96 Stunden
adaptiert auf Geschmacksempfindlichkeiten von Patienten mit Krebserkrankungen) sowie
-
die konventionelle fasting mimicking diet („Prolon“), die empfohlen wird, monatlich
an 4–5 Tagen einzusetzen. Die Kalorienzufuhr beträgt hierbei 700–1000 kcal täglich.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich diese Form des Fastens durchsetzt, da sie mit
einem erheblichen Kostenmehraufwand gegenüber dem natürlichen Fasten verbunden ist.
Neben diesem periodischen, prolongierten Fasten bzw. Heilfasten, wurde in den letzten
Jahren das intermittierende Fasten oder Intervallfasten äußerst populär. Darunter werden kürzere Fastenphasen oder aber auch einzelne Fastentage
in definierten Rhythmen, wie 5:2-Fasten, 1:6-Fasten oder „10in2“ (10 Stunden in 2
Tagen) verstanden. Interessanterweise ist das intermittierende Fasten, im Gegensatz
zum durch Erfahrung entstandenen Heilfasten, eine Konsequenz der Translation tierexperimenteller
Studien, die über Jahrzehnte konsistent belegten, dass eine kalorische Restriktion
um 20–30 % oder eben zeitlich begrenzte intermittierende Fütterungsperioden im Gegensatz
zu „ad libitum“-Füttern / Essen bei allen biologischen Organismen zu einer Lebensverlängerung
und Verschiebung altersassoziierter chronischer Erkrankungen führen. Im Folgenden
werden die aus der Forschung abgeleiteten Fastenformen näher beschrieben.
Intermittierendes Fasten
Die Nachteile der CR sind interessanterweise beim intermittierenden Fasten nicht vorhanden.
In der Regel kommt es zu keinem Untergewicht, sondern nur zur Gewichtsabnahme bis
zur Gewichtsnormalisierung.
Die 2-Tage-Diät
2013 hat die Wissenschaftlerin Dr. Michelle Harvie aus Machester, UK, zusammen mit
dem Onkologen Tony Howell das Konzept der „2-day-diet“ entwickelt, um die Gewichtsabnahme
zu erleichtern [12]. Diese Diätform wurde ursprünglich für Brustkrebspatientinnen entwickelt. Es werden
an 2 aufeinanderfolgenden Tagen in der Woche jeweils höchstes 600 kcal an Nahrungsenergie
verzehrt. Es sollte kohlenhydratarm gegessen werden. Sie empfiehlt v. a. Milchprodukte,
Tofu, Gemüse, Fisch, Obst und Eier. An den anderen Tagen sollte man mediterran essen.
5:2-Fasten
Diese Fastenform hat der Arzt und Wissenschaftsjournalist Michael Moseley auf Grundlage
des Konzeptes von Harvie definiert und durch einen Bestseller („the fast diet“) stark
befeuert [13]. 5:2 heißt dabei, an 2 Tagen, die nicht aufeinanderfolgen, werden nur ca. 600 kcal
gegessen, meist auf 2 Mahlzeiten mit je 300 kcal verteilt. Dadurch, dass es nicht
2 aufeinanderfolgende Tage sind, fällt es den meisten Menschen leichter, das Fasten
beizubehalten. Moseley empfiehlt v. a. Gemüse und Vollkorngetreide sowie reichlich
Flüssigkeit an den Fastentagen. Michelle Harvie hat die meisten klinischen Studien
zum 5:2-Fasten durchgeführt. Hierbei war diese Form des intermittierenden Fastens
einer kontinuierlichen kalorischen Restriktion hinsichtlich der Gewichtsabnahme ebenbürtig,
dabei aber durch bessere Compliance und stärkere Reduktion der Fettmasse charakterisiert.
Intermittierendes Fasten verursacht i. d. R. kein Untergewicht, sondern führt zur
Gewichtsabnahme bis zur Gewichtsnormalisierung.
Alternate day diet
Die Alternate day diet (AD) firmiert auch unter dem Begriff „eat stop eat“, „updaydownday“.
Das Konzept wurde erstmals von Christa Varady 2013 in ihrem Buch the „every other
day diet“ veröffentlicht. An den Fastentagen isst man dabei nur 25 % der vollen Menge,
am darauffolgenden Tag so viel wie man möchte. Mehrere kleinere klinische Studien
zur AD wurden durchgeführt. Hierbei zeigte sich eine ähnliche Gewichtsabnahme wie
bei täglicher kalorischer Restriktion mit leichten Vorteilen für AD hinsichtlich des
Insulinspiegels und der Reduktion der Fettmasse. Einschränkend muss aber festgestellt
werden, dass es den meisten Menschen nicht leicht fällt in einem zweitägigen Rhythmus
kontinuierlich zu fasten und dies auch sozial Nachteile mit sich bringen kann. In
einem laufenden Forschungsprojekt der Universität Graz (Inter-FAST-Studie) wurde andererseits
das AD-Fasten erfolgreich implementiert [14]. Das Forscherteam um Frank Madeo geht davon aus, dass die Autophagie maßgeblich
durch Intervallfasten gesteigert wird [15].
Eine spezielle Form der AD ist das „10in2“ (das der bekannte Wiener Kabarettist Bernhard
Ludwig populär gemacht hat). Hierbei wird nur jeden 2. Tag und dann alles innerhalb
10 Stunden gegessen, sodass regelmäßig eine Pause von 38 Stunden entsteht.
Insbesondere bei Diabetes mellitus sind eindrückliche günstige Wirkungen für 16:8
beschrieben.
Time restricted feeding / Time restricted eating (TRF / TRE)
Besonders attraktiv erscheint die Modulation der Tagesrhythmik des Essens. Im angloamerikanischen
Raum hat sich hierfür der Begriff time restricted feeding durchgesetzt. Unklar ist
aber bislang, auch wenn immer mehr populäre Bücher schon von Beweisen sprechen, welches
Intervall von regelmäßigen Fastenperioden das Maximum an therapeutischem Benefit mit
sich bringt. Beim time restricted feeding ist davon auszugehen, dass eine tägliche
Essenspause von 14–16 Stunden oder max. 18 Stunden das Optimum darstellt. Möglicherweise
sind die Glykogenreserven der Leber für den Effekt entscheidend. Bei Frauen sind diese
Glykogenvorräte vermutlich etwas weniger lang ausreichend (14 Stunden), bei Männern
vermutlich 16–18 Stunden. Entsprechend beginnt bereits nach 12–14 Stunden Fasten der
erste Anstieg der Ketonkörperproduktion im Körper.
Abb. 2 © photoenchen / Adobe Stock
In der praktischen Umsetzung kann Patienten empfohlen werden, das natürliche Nachtfasten
zu verlängern, indem entweder das Frühstück ausgelassen (breakfast fasting; „lean
gains“) oder verspätet eingenommen wird, oder das Abendessen weggelassen („dinner
cancelling“) oder früher eingenommen wird. Dies Form des Interfallfastens ist i. d.
R. leicht praktikabel. Wichtig erscheint auch, dass die Gesamtkalorienmenge nicht
bewusst verändert werden muss. Klinische Studien zeigen aber, dass allein durch die
Reduktion der Mahlzeitenfrequenz auf 2 pro Tag i. d. R. bei den meisten Menschen eine
Reduktion der Energiezufuhr und konsekutiv eine Gewichtsabnahme entsteht.
Die Entscheidung, ob die Nachtfastenperiode nach hinten oder vorn verlängert wird,
sollte individuell nach chronobiologischen individuellen Aspekten und den sozialen
Rahmenbedingungen vorgenommen werden. Wenn das Abendessen die wichtigste familiäre
gemeinsame Mahlzeit ist, scheint es wenig sinnvoll diese wegzulassen. Zu beachten
ist, dass etwa 3 h vor dem Schlafengehen nicht mehr gegessen wird, parallel zum Anstieg
der Melatoninsekretion. Bezüglich des Weglassens des Frühstücks gibt es weniges zu
beachten. Kaffee und Tee ohne Milch und Zucker sind erlaubt. Viele Menschen haben
auch instinktiv morgens wenig Hunger, was dann diese Form des Intervallfastens in
natürlicher Weise begünstigt.
Als etwas extremere Form des TRE gilt die „Warrior diet“ bei der nur einmal am Tag, meist zwischen 17 und 20 Uhr, die gesamte tägliche Kalorienmenge
verzehrt wird. Diese Form des Fastens ist besonders bei Sportlern beliebt.
Die bisher durchgeführten klinischen Studien zum TRE bestätigen eine sehr gute Wirksamkeit
hinsichtlich Gewichtsabnahme und verbessertem Metabolismus [1]. Insbesondere bei Diabetes mellitus sind eindrückliche günstige Wirkungen für 16:8
beschrieben.
Entlastungstage
In der Naturheilkunde sind wöchentliche Entlastungstage seit langem etabliert. Hierbei
wird angeraten, an einem Tag in der Woche nur Reis oder nicht zu süßes Obst mit einer
Gesamtkalorienmenge von 1000 kcal zu sich zu nehmen. Dies würde auch dem intermittierenden
Fasten, im Sinne eines 1:6-Fastens, entsprechen. Allerdings konnten wir in einer eigenen
unlängst publizierten Studie keine signifikanten Effekte durch alleinige wöchentliche
Entastungstage in einer Pilotstudie bei gesunden normalgewichtigen Probanden feststellen
[16]. Daher empfehlen wir derzeit Entlastungstage v. a. als sinnvolle Ergänzung zu einer
pflanzenbasierten Ernährung nach einem Heilfasten.
Grundsätzlich können auch verschiedene Fastenformen miteinander kombiniert werden
und erscheinen als durchaus sinnvolle Kombinationen, d. h., jährlich kann 1–2-mal
ein längeres Heilfasten bzw. therapeutisches Fasten durchgeführt werden und im Alltag
kann versucht werden, möglichst häufig ein intermittierendes Fasten bzw. Time restricted
eating durchzuführen. Bewährt hat sich auch in der Verhaltensmedizin einen sog. „cheat
day“ (Schummeltag) einzubauen, d. h., den Patienten zu erlauben bzw. anzuraten, an
einem Tag der Woche keine feste Regel einzuhalten, um die Langzeit-Compliance zu erhöhen.
Während beim intermittierenden Fasten die Art der Nahrungszufuhr nicht weiter beeinflusst
wird, zeigen neuere Daten der tierexperimentellen Forschung, dass ein Teil des Fasteneffekts
grundsätzlich auch auf der Reduktion von tierischem Eiweiß und zugeführtem Zucker
bzw. schnell resorbierbarem Kohlenhydraten beruht. Durch beide Restriktionen kann
also bereits eine deutliche Absenkung der Konzentration von Insulin, IGF-1 sowie mTor
induziert werden, die wesentlich für die Effekte des Fastens sind. Dies gab auch Valter
Longo den Anlass, die Fasting mimicking diet zu entwickeln.
Insofern ist Patienten nach heutigem Kenntnisstand zu empfehlen, nach dem Fasten bzw.
generell eine mehr pflanzenbasierte und zuckerarme Ernährung einzuhalten, um Synergieeffekte
zu erzielen. Für die eigentliche Fastenphase legen diese neueren wissenschaftlichen
Daten den Schluss nahe, die zugeführten Fastenspeisen möglichst frei von tierischem
Eiweiß und raffiniertem Zucker zu halten. Daher sind vegane Fastenformen wie das Buchinger-Fasten
von Vorteil. Bei der Auswahl der zugeführten Säfte sollte darauf geachtet werden,
eher Gemüsesäfte statt süßer Obstsäfte zu verwenden.
Fasten bei Krebs
Eine Sonderrolle kommt dem Fasten bei Krebs zu. Eine Fülle von tierexperimentellen
Daten weist auf die präventive, aber auch die therapeutische Wirkung von Kurzzeitfasten
bei Krebserkrankungen hin. Andererseits ist Untergewicht mit einer ungünstigen Prognose
bei Krebserkrankungen assoziiert, sodass es gilt, dieses unbedingt zu vermeiden. Klinisch
am besten herausgearbeitet ist derzeit das Fasten über 72–84 Stunden begleitend zur
Chemotherapie. In einer ersten Pilotstudie konnten wir hierbei signifikante Wirkungen
auf Fatigue und Lebensqualität im Vergleich zu einer Normalkost feststellen. Derzeit
untersuchen wir die Wirksamkeit des 72-Stunden-Fastens begleitend zur Chemotherapie
in 2 größeren klinischen randomisierten Studien. Valter Longo und sein Team führen
mehrere Studien zur Evaluation einer Fasting mimicking diet mit „Chemolieves“ während
der Chemotherapie durch. Ergebnisse dieser Studien werden für 2018 erwartet, bis dahin
können noch keine konkreten Empfehlungen ausgesprochen werden.
Wie und warum wirkt Intervallfasten?
Grundsätzlich scheint es naheliegend, dass der menschliche Körper in seiner evolutionären
Entwicklung auf Phasen des Fastens bzw. Hungerns sehr gut eingestellt ist und diese
gut bewältigen kann. Abwechselnde Phasen des kurzzeitigen Nahrungsüberangebotes und
des Hungerns sind vermutlich der Regelfall des Frühmenschen gewesen. Entsprechend
haben sich die genetische Ausstattung, der Körpermetabolismus und die Ernährungsphysiologie
sehr gut darauf eingestellt. Im Gegensatz dazu ist anzunehmen, dass die derzeit häufig
praktizierte regelmäßige Nahrungszufuhr von mehreren täglichen Mahlzeiten, in den
letzten 20 Jahren auch zunehmend mit Zwischenmahlzeiten und Snacks sowie energiehaltigen
Getränken, als unphysiologisch zu bewerten ist und den Körper in mannigfaltigen Stoffwechselvorgängen
überfordert. Physiologischerseits stellt jede Essenszufuhr zunächst einen zellulären
Stress dar, der für die Energieverarbeitung notwendig ist. Darüber hinaus werden der
Verdauungsapparat und die energieverarbeitenden Hormon- und Stoffwechselsysteme stark
aktiviert und bei dauerhafter Aktivierung durch pausenlose Nahrungszufuhr letztlich
überlastet mit der Folge einer entsprechenden Rezeptorresistenz vieler Signal- und
Steuerungssysteme.
Demgegenüber sind in vielen physiologischen Arbeiten die günstigen metabolischen Wirkungen
des Fastens präzise beschrieben. Initial kommt es zunächst durch den Hunger zu einer
Aktivierung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und etwas verzögert
Cortisol. Zum anderen kommt es zu einer Leptin-Depletion und Erhöhung der Adiponektine
mit entsprechend günstigen Wirkungen auf den Fett- und Zuckerhaushalt. Die leichte
endokrine Stressantwort kann als günstig eingestuft werden, da sie im Sinne einer
zellulären Adaptation (Hormesis) mit dazu beiträgt, dass weitere positive Wirkungen
des Fastens induziert werden. Zu beachten ist dabei auch, dass es zellulär zu einer
Abnahme der Glukokortikoid-Rezeptorexpression kommt.
Als Folge der fasteninduzierten Hormesis sind besonders herauszustellen:
-
Leistungssteigerung und Neubildung von Mitochondrien (Mitohormesis)
-
Absenkung bzw. Normalisierung der häufig erhöhten Insulinspiegel, verbesserte Insulinsensitivität
-
Förderung der Stammzellenproduktion
-
Förderung der zellulären Reinigungsmechanismen via Autophagie
-
Neurobiologisch vermehrte zentrale Serotoninverfügbarkeit sowie eine Ausschüttung
von Endorphinen und Endocannabinoiden (Erklärung für die häufig zu beobachtende gute
Stimmung bis hin zur Fasteneuphorie während des Fastens)
Für die mutmaßlich protektive und therapeutische Wirkung des Fastens auf neurodegenerative
Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Demenz scheint v. a. die vermehrte Ketonbildung
von Bedeutung zu sein.
Darüber hinaus führt psychologisch ein erfolgreiches Fasten zu einer deutlichen Stärkung
der Selbstwirksamkeit und Eigenkompetenz.
Schließlich kann als weiterer gesundheitsfördernder Effekt des Fastens der geringe
Anfall von Stoffwechsel- und Verdauungsarbeit für den Körper angesehen werden. Jede
Energiezufuhr bedeutet für den Körper auf verschiedenen Ebenen einen physiologischen
Stress. Dies beginnt mit der Verdauungstätigkeit im Darm, wobei jede Nahrungszufuhr
auch die Auseinandersetzung mit einem Fremdkörper darstellt. Entsprechend werden die
postprandiale Leukozytose bzw. nach neueren Arbeiten die Anhebung von NF-κB als Ausdruck
dieser physiologischen Stressreaktion beschrieben. Auf mitochondrialer Ebene entstehen
bei jeder Nahrungsaufnahme vermehrt Radikale. Eine kalorische Restriktion kontinuierlich
oder intermittierend über Fasten führt dementsprechend zu einer geringeren Beanspruchung
bzw. „Abnutzung“ der an der Energiegewinnung beteiligten Zellfunktionen.
Neuere Studien belegen zudem, dass verschiedene Formen des Fastens offensichtlich
günstige Wirkungen auf das intestinale Mikrobiom ausüben. Erste Studien zeigen eine
größere Diversität des Mikrobioms nach Heilfasten, aber auch durch Intervallfasten.
Für das Time restricted eating scheint grundsätzlich die damit induzierte bessere
chronobiologische Rhythmisierung ein wichtiger günstiger Wirkmechanismus. Grundlagenwissenschaftler
wie Satchidananda Panda vom Salk Institut in den USA verweisen darauf, dass durch
viele tägliche Mahlzeiten ein dauerhafter metabolischer Jetlag im Körper entsteht,
der durch Time restricted eating wieder überwunden werden kann.
Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.
Online zu finden unter
http://dx.doi.org/10.1055/a-0591-8783