Schlüsselwörter
Stillen - Stillverhalten - Stillprävalenz - Migration - Akkulturation
Einleitung
Ernährungsphysiologische Vorteile der Muttermilch für das Neugeborene, präventive Aspekte des Stillens für die Säuglings- und Müttergesundheit sowie die Förderung der emotionalen Mutter-Kind-Bindung durch das Stillen sind nachgewiesen [1]. Als stillfördernde Faktoren, die auf 1, 2 oder alle 3 Dimensionen des Stillens (Stillabsicht, -beginn und -dauer) wirken, konnten in nationalen Studien u. a. ein hoher Sozialstatus der Mutter [2] ein höherer Bildungsgrad der Mutter [3], ein höheres Alter der Mutter [3], der Familienstand „verheiratet“ [4], [5] eine kompetente Betreuung in der Geburtsklinik [6] eine positive frühere Stillerfahrung der Mutter [6], aber auch ein Migrationshintergrund des Kindes [2] identifiziert werden. Neuere Stillstudien aus anderen Einwanderungsländern [7], [8], [9] betonen ebenfalls den Einfluss eines Migrationshintergrundes auf das Stillverhalten. Ein weiterer, allerdings in deutschen Stillstudien bisher nicht beachteter Einflussfaktor dürfte der (sich ändernde) Akkulturationsgrad von Frauen mit Migrationshintergrund sein – ansonsten wäre das berichtete vorteilhafte Stillverhalten von Migrantinnen dauerhaft. Mit Akkulturation wird der Prozess der Auseinandersetzungen von Personen mit Migrationshintergrund sowohl mit der Kultur des Herkunftslandes bzw. des Herkunftslandes der Eltern als auch mit der Kultur des Zuwanderungslandes beschrieben. Bei den Zuwanderinnen vorhandene soziokulturelle Prägungen aus dem Herkunftsland können sich in der 2. und 3. Migrantinnengeneration verfestigen oder im Zuge der Auseinandersetzung mit sozialen und kulturellen Faktoren des Einwanderungslandes Modifikationen erfahren und neue Formen annehmen. Akkulturation findet sowohl auf Gruppen- als auch auf individueller Ebene statt. Das Konzept von Berry et al. (1990) unterscheidet in Abhängigkeit davon, ob die Orientierung vornehmlich an der Herkunfts- oder/und Aufnahmekultur erfolgt, 4 unterschiedliche Ergebnisse eines Akkulturationsprozesses, nämlich Assimilation, Integration, Segregation und Marginalisierung [10]. Akkulturationsphänomene haben die epidemiologische, aber auch die klinisch orientierte Migrationsforschung in den letzten Jahren intensiv beschäftigt, dazu zählte auch der Akkulturationsaspekte berücksichtigende Blick auf das Stillverhalten. Beispielhaft sei auf die Untersuchungen von Rassin et al. (1994) und von Gorman et al. (2007) hingewiesen, die ein in der Migrationsforschung bekanntes Phänomen, das sog. Latina-Paradox, auch für die Stillrate bei Frauen lateinamerikanischer Herkunft in den USA bestätigten: Die Stillrate war bei weniger akkulturierten Frauen aus Lateinamerika am höchsten, während Frauen lateinamerikanischer Herkunft mit einem höheren Akkulturationsgrad die geringste Stillrate aufwiesen [11], [12]. Ähnliches beschreiben Ahluwalia et al. (2012), die feststellten, dass, verglichen mit nicht zugewanderten US-Amerikanerinnen, Migrantinnen aus lateinamerikanischen Ländern in den USA eine höhere Stillbereitschaft und -dauer aufweisen. Insgesamt scheint ein höherer Akkulturationsgrad negativ mit der Stillabsicht und der Stilldauer assoziiert zu sein [7].
Ob dieses Phänomen auch für die Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland nachweisbar ist, wurde bisher nicht systematisch untersucht. Mit den nachfolgend dargestellten Untersuchungsergebnissen, die auf Daten einer größeren, prospektiven, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie „Perinatale Gesundheit und Migration in Berlin“ (2010 – 2013, Förderkennzeichen DA 1199/2-1) beruhen, soll daher die Frage beantwortet werden, ob und wie der Akkulturationsgrad innerhalb eines Migrantinnenkollektivs Stillbeginn, -zeit und -dauer beeinflusst.
Methodik
Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen der oben erwähnten Studie in 3 Geburtskliniken in Berlin (Charité – Campus Virchow-Klinikum Berlin-Wedding, Vivantes Klinikum am Urban, Berlin-Kreuzberg, Vivantes-Klinikum Berlin-Neukölln) mithilfe von standardisierten Face-to-Face-Interviews.
Einschluss-/Ausschlusskriterien
Im 1-jährigen Erhebungszeitraum Januar 2011 bis Januar 2012 wurden alle schwangeren Frauen zur Teilnahme an der Studie eingeladen, die in eine der 3 teilnehmenden Geburtskliniken zur Geburt ihres Kindes aufgenommen wurden und bei denen die Geburt des Kindes mit Lebenszeichen und ab 24/0 Schwangerschaftswochen innerhalb des Erhebungszeitraumes an der jeweiligen Geburtsklinik erfolgte. Weitere Einschlusskriterien waren, dass die Studienteilnehmerinnen bei der Geburt ihres Kindes mindestens 18 Jahre alt waren und ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland hatten. Ausgeschlossen waren minderjährige Frauen, Touristinnen ohne Wohnsitz in Deutschland und Frauen zum Schwangerschaftsabbruch sowie Frauen mit Fehl- bzw. Totgeburten.
Befragungszeitpunkte
Alle zum Zeitpunkt vor der Geburt (T1) in der Kreißsaalaufnahme mit einem umfangreichen Fragebogenpaket bereits befragten Frauen wurden nochmals auf der Wochenbettstation 2 bzw. 3 Tage post partum mit einem 2. Fragebogenset (6 Items) zum Stillbeginn, zur gewünschten Stilldauer bzw. zu Gründen des Nichtstillens befragt (T2). Zum 3. Erhebungszeitpunkt (T3) 6 Monate post partum wurden mittels Telefoninterviews ausschließlich Frauen erfasst, die zwischen Januar und Mai 2011 an der Charité, Campus Virchow-Klinikum, entbunden worden waren (Teilkollektiv). Im Mittelpunkt standen hier Fragen zur tatsächlichen Stilldauer, zum Verhütungsverhalten post partum und zur Inanspruchnahme von Angeboten von Hebammen nach der Entbindung.
Fragebogenset
Für die Zuordnung eines Migrationshintergrundes wurden der von Schenk et al. (2006) entwickelte Mindestindikatorensatz zur Erfassung des Migrationsstatus gewählt [13]. Bei allen Frauen mit Migrationshintergrund wurde außerdem der Akkulturationsfragebogen „Frankfurter Akkulturationsskala“ (FRAKK 15) [14] verwendet. Der Fragebogen zum 2. Erhebungszeitpunkt auf den Wochenbettstationen lag neben Deutsch in 8 weiteren Sprachen vor (Arabisch, Englisch, Französisch, Kurdisch, Polnisch, Russisch, Spanisch, Türkisch). Die Fragebögen für die Telefoninterviews zum 3. Erhebungszeitpunkt 6 Monate post partum standen auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch zur Verfügung, da nur diese Sprachen von den die Telefoninterviews durchführenden Projektmitarbeiterinnen beherrscht wurden.
Messung Akkulturation
Eine häufig verwendete „Ersatzvariable“ für den Akkulturationsgrad in international publizierten Studien ist die Kenntnis der Sprache des Zuwanderungslandes. Neben der Verwendung der o. g. Frankfurter Akkulturationsskala (FRAKK 15) führten wir eine separate Analyse durch, wobei sehr gute und gute deutsche Sprachkenntnisse für einen höheren und nicht mindestens gute deutsche Sprachkenntnisse für einen geringen Akkulturationsgrad standen. Ebenfalls als „Ersatzvariable“ für den Akkulturationsgrad wird international auch die Aufenthaltsdauer von Migrantinnen der 1. Generation im Zuwanderungsland herangezogen. Dabei wird eine kurze Aufenthaltsdauer im Zuwanderungsland einem geringen Akkulturationsgrad und eine längere einem höheren Akkulturationsgrad zugeordnet. In der Literatur werden dabei unterschiedliche Zeitintervalle vorgeschlagen [15], [16], [17]. Wir differenzierten in 4 Gruppen: Aufenthaltsdauer 0 – 4, 5 – 9, 10 – 14, 15 Jahre und länger [16].
Statistik
Vor Beginn der statistischen Datenauswertung erfolgten Plausibilitätsprüfungen. Es wurde eine Drop-out-Analyse durchgeführt. Die Datenanalyse erfolgte mit der Statistiksoftware SAS, Version 9.2, sowie mit SPSS, Versionen 19, 20 und 22. Für die Auswertung wurde das mütterliche Alter in 4 Altersgruppen unterteilt (18 – 24, 25 – 29, 30 – 34 und 35 Jahre und mehr). Bei der Stilldauer wurden 2 Gruppen unterschieden: lange Stilldauer (≥ 4 Monate), kurze Stilldauer (< 4 Monate) [18]. Für die Auswertung des Akkulturationsgrades mithilfe der Frankfurter Akkulturationsskala (FRAKK 15) wurden 9 Items der Skala invertiert und anschließend zu einem Gesamtscore aufsummiert [14]. Je höher der so ermittelte Wert war, desto höher war auch der Akkulturationsgrad der Studienteilnehmerinnen. Die Spannweite der möglichen Werte liegt zwischen 0 und 90. Die Quartilen dienten als Cut-off-Werte, um Frauen mit Migrationshintergrund einem niedrigen (≤ 25. Perzentile), einem mittleren (> 25. und < 75. Perzentile) und einem hohen Akkulturationsgrad (≥ 75. Perzentile) zuzuordnen. Um auch Fragebögen mit 1 oder 2 fehlenden Werten einzubeziehen, wurde der Mittelwert der vorhandenen Antworten gebildet und anstelle des einen bzw. der beiden fehlenden Werte eingesetzt.
Um Gruppenunterschiede bei der Verteilung der Outcomes Stillbeginn, geplante Stilldauer und tatsächliche Stilldauer feststellen zu können, erfolgte nach einer univariaten deskriptiven Auswertung eine bivariate Analyse mit Stratifizierung nach migrations- bzw. akkulturationsbedingten sowie soziodemografischen und gesundheitsrelevanten Einflussfaktoren. Dabei wurde mit dem χ2-Test nach Pearson getestet.
Abschließend wurde das Stillverhalten anhand von multivariaten Regressionsmodellen analysiert. Dabei sollten weitere Einflussfaktoren auf die 3 Hauptkomponenten Stillbeginn/Stillprävalenz, geplante Stilldauer/Stillabsicht und tatsächliche Stilldauer dahingehend überprüft werden, ob evtl. Unterschiede im Gesamtstillverhalten auf migrations- und/oder akkulturationsbedingte Einflussfaktoren zurückzuführen sind oder vor allem durch soziale und/oder gesundheitsrelevante Faktoren zu erklären sind. Folgende Einflussfaktoren auf das Stillverhalten wurden getestet:
-
Soziodemografische Faktoren: mütterliches Alter, Rückkehrwunsch in die Berufstätigkeit, Schulbildung, monatliches Haushaltsnettoeinkommen.
-
Gesundheitsverhalten: Rauchen in der Schwangerschaft.
-
Medizinische Faktoren: Geburtsmodus (Sectio), Frühgeburtlichkeit, Mehrlingsgeburt.
-
Erfahrung: Stillerfahrung, Geburtserfahrung/Parität.
-
Soziale Unterstützung: feste Partnerschaft, Stillanleitung in der Klinik.
-
Migrations-/Akkulturationsfaktoren: Migrationsstatus, Akkulturationsgrad, Geburtsland bzw. Herkunftsland der Eltern (unterteilt nach Deutschland, Libanon, Türkei, GUS-Staaten), Aufenthaltsdauer, selbsteingeschätzte deutsche Sprachkenntnisse, Muttersprache.
Für die Analyse der tatsächlichen Stilldauer und mögliche Einflussfaktoren wurde eine Cox-Regression durchgeführt. Außerdem wurde anhand des t-Tests für 2 unabhängige Stichproben ein Vergleich zwischen der tatsächlichen gegenüber der geplanten Stilldauer bei Frauen, die zum 3. Erhebungszeitpunkt 6 Monate post partum bereits abgestillt hatten, unter der Annahme durchgeführt, dass viele Frauen primär längere Stillzeiten planen. Bei allen Datenanalysen wurde als Signifikanzniveau ein p-Wert von < 0,05 festgelegt, zudem werden 95%-Konfidenzintervalle (KI) angegeben.
Ethikvotum und Datenschutz
Die Studie wurde von der Ethikkommission der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte im Februar 2009 (EA1/235/08) auch unter datenschutzrechtlichen Aspekten genehmigt.
Ergebnisse
In den 3 an der Studie beteiligten Berliner Geburtskliniken wurden im Untersuchungszeitraum 8157 Frauen für die Durchführung der T1-Interviews (vor der Geburt) kontaktiert. Die Gesamtrücklaufquote T1 betrug 89,6%. Es lagen letztlich von 7100 Frauen Fragebögen zur Auswertung vor. Auf den Wochenbettstationen der 3 Berliner Geburtskliniken konnten insgesamt 6884 Frauen mit den T2-Interviews erreicht werden. Von diesen hatten 90,4% (n = 6220) mit dem Stillen begonnen: 93% der Frauen der 2. und 3. Migrantinnengeneration und 88,2% der Nichtmigrantinnen (p < 0,001). Bei Betrachtung nach den Geburtsländern bzw. -regionen wurden ebenfalls Unterschiede ersichtlich: mit 96,2% war die Stillprävalenz der türkischstämmigen Frauen am höchsten ([Tab. 1]).
Tab. 1 Stillprävalenzen der Studienteilnehmerinnen nach Migrationsstatus, Akkulturationsgrad und Geburtsland bzw. Geburtsregion: 2. (T2) und 3. (T3) Erhebungszeitpunkt.
|
primäres Nichtstillen (T2)
n (%)
|
|
alle Studienteilnehmerinnen
|
664 (9,6)
|
|
Migrationsstatus
|
Stillprävalenz Wochenbett (T2)
n (%)
|
Stillprävalenz 6 Monate pp (T3)
n (%)
|
Migrantinnen 1. Generation
|
2531 (91,7)
|
99 (55,9)
|
Frauen mit Migrationshintergrund 2. + 3. Generation
|
870 (93,0)
|
23 (32,9)
|
Frauen mit einem zugewanderten Elternteil
|
291 (90,4)
|
18 (54,5)
|
Frauen ohne Migrationshintergrund
|
2528 (88,2)
|
172 (52,9)
|
Gesamtstillrate
|
6220 (90,4)
(n = 6884; fehlende Werte n = 50)
|
312 (51,6)
|
Akkulturationsgrad (Frauen mit Migrationshintergrund 1. bis 3. Generation)
|
|
|
|
827 (93,4)
|
42 (59,2)
|
|
1437 (92,3)
|
53 (44,2)
|
|
599 (89,9)
|
24 (45,3)
|
Geburtsland/-region (Frauen mit Migrationshintergrund 1. bis 3. Generation)
|
|
|
|
881 (92,8)
|
24 (33,8)
|
|
660 (96,2)
|
28 (54,9)
|
|
348 (94,3)
|
7 (43,8)
|
|
173 (92,5)
|
10 (52,6)
|
Sprachkenntnisse (Frauen mit Migrationshintergrund 1. bis 3. Generation)
|
|
|
|
435 (92,4)
|
14 (41,2)
|
|
2966 (92,0)
|
108 (50,7)
|
|
1564 (92,8)
|
66 (48,2)
|
|
1448 (91,1)
|
44 (57,1)
|
Aufenthaltsdauer (Immigrantinnen 1. Generation)
|
|
|
|
884 (91,9)
|
29 (67,4)
|
|
523 (91,9)
|
27 (62,8)
|
|
371 (92,3)
|
16 (53,3)
|
|
713 (91,1)
|
27 (44,3)
|
Von 747 Frauen, die einer telefonischen Befragung 6 Monate nach der Entbindung (T3) zugestimmt hatten, konnten 605 erreicht werden (Response 81%). Zu diesem Zeitpunkt stillten in dieser Subgruppe von 605 Frauen noch 312 (51,6%). Etwas mehr als 40% (n = 253) hatten bereits abgestillt, während 6,6% dieser Subgruppe ihr Kind nie gestillt hatten (n = 40). Von den noch stillenden Frauen beabsichtigte der Großteil (n = 295), weiter zu stillen.
Stillbeginn
Innerhalb des Migrantinnenkollektivs wurde der Einfluss des Akkulturationsgrad der Studienteilnehmerinnen daraufhin überprüft, ob diese überhaupt mit dem Stillen beginnen („Stillbeginn“). Neben den Ergebnissen der Frankfurter Akkulturationsskala (FRAKK 15) wurden die 3 oben genannten Proxy-Variablen dafür getestet: Das Geburts- bzw. Herkunftsland, die selbsteingeschätzten deutschen Sprachkenntnisse und die Länge des Aufenthaltes im Zuwanderungsland Deutschland.
Der Akkulturationsgrad, gemessen mit der Akkulturationsskala FRAKK 15, hatte sowohl im nicht adjustierten als auch im adjustierten Regressionsmodell keinen Einfluss auf den Stillbeginn ([Tab. 2]).
Tab. 2 Chance zu stillen nach Akkulturationsgrad (FRAKK 15) bei Frauen mit Migrationshintergrund der 1. – 3. Generation (nicht adjustierte und adjustierte binär logistische Regressionsanalyse); n = 2641.
Modellqualität: R2 nach Nagelkerke 0,231; KI = Konfidenzintervall
|
|
Odds Ratios
|
95%-KI
|
p-Wert
|
Akkulturationsgrad (FRAKK 15)
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,94
|
0,65 – 1,35
|
0,731
|
|
0,79
|
0,52 – 1,21
|
0,279
|
|
adjustierte Odds Ratios
|
95%-KI
|
p-Wert
|
Akkulturationsgrad (FRAKK 15)
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,99
|
0,66 – 1,49
|
0,966
|
|
0,86
|
0,52 – 1,41
|
0,540
|
Migrationsstatus
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,58
|
1,04 – 2,41
|
0,031
|
mütterliches Alter
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,01
|
0,61 – 1,68
|
0,967
|
|
0,77
|
0,46 – 1,31
|
0,341
|
|
0,60
|
0,35 – 1,04
|
0,070
|
Nettoeinkommen
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,28
|
0,71 – 2,32
|
0,413
|
|
1,36
|
0,78 – 2,39
|
0,279
|
|
1,22
|
0,66 – 2,25
|
0,529
|
Schulbildung
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,90
|
0,59 – 1,39
|
0,633
|
|
0,74
|
0,43 – 1,30
|
0,296
|
Geburtsmodus
|
|
|
|
|
0,33
|
0,26 – 0,48
|
< 0,0001
|
|
0,97
|
0,45 – 2,10
|
0,942
|
|
10,54
|
6,28 – 17,68
|
< 0,0001
|
|
5,29
|
3,59 – 7,79
|
< 0,0001
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,80
|
0,54 – 1,17
|
0,246
|
Parität
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,30
|
0,18 – 0,52
|
< 0,0001
|
|
0,24
|
0,12 – 0,49
|
< 0,0001
|
Frühgeburtlichkeit
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,42
|
0,25 – 0,70
|
0,001
|
|
0,25
|
0,13 – 0,45
|
< 0,0001
|
Partnerschaft
|
|
|
|
|
2,23
|
1,28 – 3,91
|
0,005
|
Das Geburtsland bzw. die Geburtsregion (s. o.) wie auch der Grad der selbsteingeschätzten deutschen Sprachkenntnisse zeigte innerhalb des Migrantinnenkollektivs keinen Einfluss auf die Chance des Stillbeginns (adjustierte Regressionsmodelle). Auch die Aufenthaltsdauer in Deutschland unterteilt nach Jahren entsprechend den o. g. Kategorien zeigte im adjustierten Regressionsmodell keinen signifikanten Einfluss auf die Chance des Stillbeginns.
Geplante Stilldauer
Für die von den Studienteilnehmerinnen geplante Stilldauer wurde der Einfluss des Akkulturationsgrades, gemessen mit der FRAKK und den o. g. 3 Proxy-Variablen, in gleicher Weise wie für den Stillbeginn mittels nicht adjustierter und adjustierter Regressionsmodelle überprüft. Im adjustierten Modell verringerten ein mittlerer und höherer Akkulturationsgrad die Chance, eine lange Stillzeit zu planen ([Tab. 3]).
Tab. 3 Chance einer geplanten langen Stilldauer (≥ 4 Monate) nach Akkulturationsgrad (FRAKK 15), Frauen mit Migrationshintergrund der 1. – 3. Generation (nicht adjustierte und adjustierte binär logistische Regressionsanalyse); n = 2152.
Modellqualität: R2 nach Nagelkerke 0,072; KI = Konfidenzintervall
|
|
Odds Ratios
|
95%-KI
|
p-Wert
|
niedriger Akkulturationsgrad (FRAKK 15)
|
Referenz
|
|
|
mittlerer Akkulturationsgrad (FRAKK 15)
|
0,71
|
0,50 – 1,02
|
0,067
|
hoher Akkulturationsgrad (FRAKK 15)
|
0,71
|
0,47 – 1,09
|
0,118
|
|
adjustierte Odds Ratios
|
95%-KI
|
p-Wert
|
Akkulturationsgrad
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,61
|
0,41 – 0,89
|
0,011
|
|
0,51
|
0,36 – 0,83
|
0,007
|
Migrationsstatus
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,02
|
0,73 – 1,44
|
0,891
|
Alter
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,39
|
0,93 – 2,07
|
0,104
|
|
1,91
|
1,20 – 3,04
|
0,007
|
|
1,41
|
0,85 – 2,32
|
0,182
|
Nettoeinkommen
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,41
|
0,77 – 2,56
|
0,262
|
|
0,98
|
0,56 – 1,70
|
0,935
|
|
0,74
|
0,41 – 1,35
|
0,323
|
Schulbildung
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,71
|
0,47 – 1,07
|
0,101
|
|
0,45
|
0,27 – 0,74
|
0,002
|
Geburtsmodus
|
|
|
|
|
1,08
|
0,76 – 1,53
|
0,672
|
(Rückkehr) Berufstätigkeit
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,38
|
0,20 – 0,71
|
0,003
|
|
0,92
|
0,56 – 1,51
|
0,752
|
|
1,08
|
0,71 – 1,64
|
0,712
|
|
1,32
|
0,67 – 2,60
|
0,415
|
|
0,87
|
0,62 – 1,21
|
0,408
|
Rauchen während Schwangerschaft (nein)
|
|
|
|
|
0,70
|
0,50 – 0,98
|
0,039
|
Parität
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
0,43
|
0,21 – 0,86
|
0,018
|
|
0,30
|
0,13 – 0,71
|
0,006
|
Frühgeburtlichkeit
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,16
|
0,62 – 2,19
|
0,638
|
|
0,69
|
0,29 – 1,62
|
0,391
|
Partnerschaft
|
|
|
|
|
0,93
|
0,48 – 1,78
|
0,822
|
Deutsche Sprachkenntnisse und Aufenthaltsdauer in Deutschland hatten keinen Einfluss auf die geplante Stilldauer gemessen mittels adjustiertem logistischen Regressionsmodell. Beim Faktor Geburtsland zeigten sich allerdings im adjustierten Modell signifikante Unterschiede für in der Türkei geborene Frauen, für diese Subgruppe war die Chance für eine geplante lange Stillzeit erhöht ([Tab. 4]).
Tab. 4 Einfluss des Akkulturationsgrades (Geburtsland/-region) auf eine geplante lange Stilldauer (≥ 4 Monate) bei Frauen mit Migrationshintergrund der 1. Generation (nicht adjustierte und adjustierte binär logistische Regressionsanalyse); n = 1470.
Modellqualität: R2 nach Nagelkerke 0,100; KI = Konfidenzintervall
|
|
Odds Ratios
|
95%-KI
|
p-Wert
|
Geburtsland
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
3,01
|
1,72 – 5,28
|
< 0,0001
|
|
0,53
|
0,34 – 0,82
|
0,004
|
|
1,48
|
0,72 – 3,06
|
0,287
|
|
adjustierte Odds Ratios
|
95%-KI
|
p-Wert
|
Geburtsland
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
3,26
|
1,78 – 6,00
|
< 0,0001
|
|
0,62
|
0,37 – 1,02
|
0,058
|
|
1,20
|
0,55 – 2,58
|
0,649
|
Alter
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,38
|
0,84 – 2,27
|
0,202
|
|
2,01
|
1,08 – 3,75
|
0,028
|
|
1,30
|
0,68 – 2,46
|
0,427
|
Nettoeinkommen
|
|
|
|
|
Referenz
|
|
|
|
1,22
|
0,52 – 2,88
|
0,646
|
|
0,89
|
0,40 – 1,98
|
0,769
|
|
0,73
|
0,31 – 1,72
|
0,467
|
Schulbildung
|
|
|
|
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Referenz
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0,663
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0,36 – 1,22
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0,184
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0,53
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0,26 – 1,10
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0,090
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Geburtsmodus
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1,21
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0,75 – 1,94
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0,433
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1,19
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0,50 – 2,83
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0,689
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1,02
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0,67 – 1,56
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0,920
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(Rückkehr) Berufstätigkeit
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Referenz
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0,45
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0,17 – 1,17
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0,101
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0,67
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0,36 – 1,25
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0,207
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1,09
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0,66 – 1,79
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0,742
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Referenz
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0,67
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0,44 – 1,03
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0,070
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Parität
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Referenz
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0,55
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0,22 – 1,34
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0,187
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0,33
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0,11 – 0,98
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0,045
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Frühgeburtlichkeit
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Referenz
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1,15
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0,50 – 2,62
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0,742
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0,50
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0,17 – 1,42
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0,191
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Partnerschaft
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0,98
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0,40 – 2,41
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0,961
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Häufigkeit vorzeitigen Abstillens
Innerhalb des Migrantinnenkollektivs (Frauen mit Migrationshintergrund der 1. bis 3. Generation) wurden Einflussfaktoren auf ein vorzeitiges Abstillen geprüft. Hier konnten im adjustierten Cox-Regressionsmodell ein höherer Akkulturationsgrad (gemäß FRAKK 15) sowie ein niedrigerer Schulabschluss als Prädiktoren für das Risiko, bereits innerhalb der ersten 6 Monate post partum abzustillen, ermittelt werden ([Tab. 5]).
Tab. 5 Risiko, innerhalb von 6 Monaten post partum abzustillen; differenziert nach Akkulturationsgrad (FRAKK 15) bei Frauen mit Migrationshintergrund 1. bis 3. Generation (adjustierte Regressionsanalyse nach Cox); n = 216.
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adjustierte Hazard Ratios
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95%-KI
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p-Wert
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außerdem adjustiert für Mehrlingsgeburt, Rauchen in der Schwangerschaft, Frühgeburtlichkeit, Sectioentbindung, Parität, mütterliches Alter, Stillerfahrung, feste Partnerschaft und Nettoeinkommen
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Akkulturationsgrad
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Referenz
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1,73
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1,01 – 2,96
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0,047
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2,23
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1,11 – 4,48
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0,024
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Schulbildung
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Referenz
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2,27
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1,33 – 3,85
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0,002
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2,71
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1,19 – 6,17
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0,018
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Für die 3 Proxy-Variablen können hier wegen zu kleiner Gruppengrößen keine Ergebnisse vorgelegt werden.
Diskussion
Obwohl sich Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu einer Einwanderungsgesellschaft entwickelt hat, ist bei gesundheitswissenschaftlichen Fragestellungen die Einbeziehung von Migrations- und vor allem von Akkulturationsaspekten weiterhin nicht die Regel. Während in internationalen Stillstudien bereits eine Vielzahl von Untersuchungen zum Einfluss der Akkulturation auf das Stillverhalten von Frauen durchgeführt wurde – wobei die Ergebnisse hier uneinheitlich sind und als mögliches Erklärungsmodell der sog. Healthy-Migrant-Effekt [19], [20] sowie vor allem in US-amerikanischen Studien das hiermit in direktem Bezug stehende „Latina Paradox“ [17], [21], [22] herangezogen wurden – fehlen weiterhin Aussagen im nationalen Kontext.
Für den Stillbeginn ließen sich in unserer Studie sowohl migrationsbezogene als auch soziale Einflüsse feststellen. Anders als in international durchgeführten Stillstudien [7], [11], [12] zeigten sich in der vorliegenden Berliner Studie keine akkulturationsbedingten Unterschiede, gemessen mit der FRAKK [14], als auch mit den Parametern Sprachkenntnisse, Aufenthaltsdauer und Geburtsland, beim Stillbeginn. Vielmehr wirkten auch innerhalb des Migrantinnenkollektivs die vorangegangene Stillerfahrung, die Stillanleitung in der Geburtsklinik sowie teilweise eine feste Partnerschaft stillfördernd, während als stillhemmende Einflussfaktoren eine Sectioentbindung, die Zugehörigkeit zur Gruppe der Mehrgebärenden sowie die Frühgeburtlichkeit des Kindes aufgezeigt werden konnten.
Aber bei der geplanten Stilldauer waren akkulturationsbedingte Einflüsse nachweisbar: Anhand der Akkulturationsskala (FRAKK 15) konnte ein „negativer Akkulturationseffekt“ [23] nachgewiesen werden: Weniger akkulturierte Migrantinnen planten eine längere Stillzeit als mehr akkulturierte. Ähnliche Ergebnisse wurden bereits in internationalen Stillstudien beschrieben [7], [8]. Für die „Ersatzvariablen“ Sprachkenntnisse und Aufenthaltsdauer zeigten sich in unserem Kollektiv dahingehend keine Unterschiede.
Hinsichtlich der Abstillwahrscheinlichkeit wurden ebenfalls akkulturationsbezogene Unterschiede ersichtlich: Mehr akkulturierte Frauen weisen ein größeres Risiko auf, innerhalb der ersten 6 Monate nach der Geburt abzustillen, als weniger akkulturierte Frauen mit Migrationshintergrund. Neben einem niedrigeren Schulabschluss erwies sich ein höherer Akkulturationsgrad (gemessen mit dem FRAKK 15) als Prädiktor für eine größere Abstillwahrscheinlichkeit. Ähnliche Ergebnisse wurden bereits in früheren internationalen Studien beschrieben: Chapman und Pérez-Escamilla (2013) zeigten, dass unterschiedliche Akkulturationstypen – hier wurden „traditionelle“, „assimilierte“, „weniger integrierte“ und „stark integrierte“ Latinas differenziert betrachtet – mit der Abstillwahrscheinlichkeit zusammenhängen, wobei die Gruppe der weniger integrierten Latinas eine geringere Abstillwahrscheinlichkeit aufwies als „traditionelle“, „assimilierte“ und „stark integrierte“ Frauen aus Lateinamerika [9].
Für Deutschland wurden mit der vorliegenden Studie in dieser Breite erstmalig Angaben zu akkulturationsbedingten Unterschieden in der Stilldauer präsentiert.
Stärken und Schwächen der Studie
Stärken und Schwächen der Studie
Stärken
Hohe Rücklaufquote von knapp 90%; Einbeziehung von Migrantinnen unabhängig von ihrer Sprachkompetenz; relativ große Stichprobe.
Schwächen
Eingeschränkte Repräsentativität – die Studiendaten dürften vor allem für Großstadtregionen mit ihren spezifischen Migrantinnenpopulationen übertragbar sein; Erinnerungsfehler („recall bias“) bei Abfrage der Stillzeiten zum 3. Erhebungszeitpunkt; keine Differenzierung in „ausschließliches Stillen“ versus „Teilstillen“ – in der Studie wurden die Stillprävalenzen anhand des Parameters „jegliches Stillen“ („any breastfeeding“) erfasst.
Fazit für die Praxis
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Zwar raten Fox et al. (2017) allgemein, auf Proxy-Variablen zur Messung von Akkulturationsaspekten zu verzichten [24]. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen aber, dass für bestimmte eingegrenzte Fragestellungen die Ersatzvariablen „Aufenthaltsdauer“ sowie „Geburtsland“ verwendet werden können.
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Sowohl bei Programmen zur Stillförderung als auch bei Studien zum Stillverhalten sollten migrations- und akkulturationsbezogene Aspekte berücksichtigt werden.
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Die Einbeziehung der Akkulturation als weiterer sozialer Faktor ist eine zeitgemäße Notwendigkeit einer diversitätssensiblen Gesundheitsforschung.