Notfallmedizin up2date 2018; 13(03): 315-328
DOI: 10.1055/a-0625-1700
Traumatologische und chirurgische Notfälle
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Penetrierende Verletzungen

Maximilian Völlmecke
,
Dan Bieler
,
Axel Franke
,
Erwin Kollig
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 October 2018 (online)

Penetrierende Verletzungen sind immer noch eine seltene Entität in Europa und im Rettungsdienst. Penetrierende Verletzungen können durch Hieb- und Stichwaffen, aber auch durch Schusswaffen verursacht sein. Im Rahmen der zunehmenden Bedrohung durch terroristische Anschläge rückt auch die Möglichkeit der Explosionsverletzung („Blast Injury“) in den Fokus. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die verschiedenen Entitäten und die entsprechenden Behandlungsprinzipien von penetrierenden Verletzungen.

Kernaussagen
  • Nicht nur Stich- und Schussverletzungen, sondern auch Explosionsverletzungen verursachen penetrierende Verletzungen.

  • Penetrierende Verletzungen sind in Europa nach wie vor eine seltene Verletzungsentität. Aufgrund der zunehmenden Bedrohung durch terroristische Handlungen sind sie dennoch immer wahrscheinlicher geworden.

  • Bei Szenarien mit penetrierenden Verletzungen darf niemals die vorherrschende Lage außer Acht gelassen werden. Die Eigensicherung ist stets zu beachten.

  • Die Verletzungsfolgen einer Schussverletzung sind nur bedingt vorhersehbar, da die Wirkung eines Geschosses von vielen Variablen abhängig ist. Grundsätzlich lassen sich Geschosse in High-Velocity- und Low-Velocity-Geschosse unterteilen. Insbesondere High-Velocity-Geschosse verursachen ausgeprägte Verletzungen.

  • Eine Explosionsverletzung („blast injury“) ist eine thermomechanische Kombinationsverletzung, die penetrierende Verletzungen durch den Fragmentationseffekt verursacht. Die Besonderheit liegt in dem zusätzlichen Barotrauma und den möglichen einhergehenden Verbrennungen im Vergleich zu Stich- und Schussverletzungen.

  • Um ein strukturiertes und prioritätenorientiertes Arbeiten sicherzustellen, hat sich der ABCDE-Algorithmus gemäß Prehospital Trauma Life Support (PHTLS) bewährt. Da penetrierende Verletzungen potenziell „blutende Verletzungen“ sind, ist es zweckmäßig, diesen Algorithmus um ein initiales „c“ für critical Bleeding zu ergänzen, um eine Exsanguination zu vermeiden.

  • Penetrierende Verletzungen sind obligat kontaminiert und sollten auch als solche behandelt werden. Eine präklinische Antibiotikagabe ist nicht zwingend erforderlich bei zeitnaher Verlegung in eine weiterführende Behandlungseinrichtung.

  • Es gelten die Regeln der permissiven Hypotonie und der Volumensubstitution analog zur S3-Leitlinie der Schwerverletzten-Behandlung.

  • In vielen Fällen können penetrierende Verletzungen erst durch eine chirurgische Intervention adäquat behandelt werden. Der Ansatz „scoop and run“ sollte bevorzugt werden.