manuelletherapie 2018; 22(03): 106-107
DOI: 10.1055/a-0628-8532
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Freiburger Knorpeltage vom 19.–20.1.2018

Kristin Knisel
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Publication Date:
20 July 2018 (online)

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Bei den 7. Freiburger Knorpeltagen trafen sich 279 Ärzte und Physiotherapeuten zum Thema „Etabliertes versus Neues“. In diesem Jahr wurden Vorträge mit physiotherapeutischem Inhalt in das Hauptprogramm integriert.

Am Freitagvormittag startete Session I mit Vorträgen zum Thema „Kindliche Knieverletzungen“. In der Mittagsvorlesung verdeutlichte Frau Dr. biol. hum. Schmidt (Essen) die Bedeutung von Placebo und Nocebo in der Schmerztherapie. Session II beschäftigte sich mit Neuem und Innovativem in der Knorpel- und Arthrosetherapie.

Prof. Dr. med. Angele (Regensburg) startete mit einem Update zu Zelltherapie. Grundlegend ist hierbei, dass das Verstehen des Unfallmechanismus von großer Relevanz für eine richtige Patientenselektion ist. Er machte auf das Freiburger Knorpelregister der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) aufmerksam (www.knorpelregister-dgou.de).

Dr. med. Marquass (Leipzig) sprach über die Arthrose-Therapie mit Fettstammzellen. Bei der Gonarthrose spielen Frakturen, Alter, biochemische Veränderungen sowie ein charakteristisches proinflammatorisches Gelenkmilieu eine große Rolle. Ein hoher Anteil des Stammzellenpools befindet sich in den Fettstammzellen, welche vorwiegend aus subkutanem Fettgewebe aus Bauch, Oberschenkel oder des Hoffa-Fettkörpers entnommen werden. Die Injektion von adipozytären Stammzellen ins Kniegelenk führt zu einem antiinflammatorischen Effekt [1] und klinisch zu weniger Schmerz [2].

Prof. Dr. Rolauffs (Freiburg) mit der innovativen Therapie bei Knorpeltrauma. Das hierbei stattfindende Absterben der Chondrozyten lässt sich durch Interleukin 10 reduzieren [3]. Eine Apoptose kann zudem durch Estradiol verhindert werden [4]. Vitamin D hat keinen Einfluss.

Dr.med. Feucht (Freiburg) präsentierte Mini-Implantate bei Knorpeldefekten, die als fokaler Oberflächenersatz im Kniegelenk dienen. Sie ersetzen weniger als ein Kompartiment im Kniegelenk. Die Mini-Implantate bewirken eine signifikante Schmerzreduktion sowie eine signifikante Verbesserung von subjektivem und objektivem Outcome [5].

Den Abschluss bildete Physiotherapeut Sebastian Köcker (Freiburg) mit dem Thema „Nicht neu, aber bewährt: Konservative Therapieoptionen bei Arthrose“. Seine klare Empfehlung war ein Krafttraining mit einer Trainingsintensität von 60 % der Maximalkraft. Krafttraining verbessert das Bewegungsausmaß, reduziert den Schmerz und hat einen langfristig positiven Effekt [6]. Ein entsprechendes Training erhöht den Knorpelstoffwechsel, reduziert die Entzündungsmediatoren und verbessert die Absorption von Scherkräften. Neben dem Körpergewicht beeinflusst es die Psyche positiv [7].

Die Aufklärung der Patienten bezüglich des Schmerzmanagements stellt einen wichtigen Therapiepfeiler dar. Bei Schwellung, Ruheschmerz oder erhöhter Temperatur (> 2 °C; [8]) muss individuell über die Art der Therapie entschieden werden. Eine mehrwöchige Behandlung mittels Capsaicin reduziert den Schmerz (–33 %) und ist somit eine zusätzliche effektive und sichere Behandlungsmöglichkeit [6], [9]. Kinesiotaping ist zwar nicht evidenzbasiert, kann jedoch helfen, auch bei Schmerzen zu trainieren.

Die III. Session startete am Samstagmorgen mit dem Problemfeld „Patellofemoraler Gelenkabschnitt (PFG)“. Dr. Dirisamer (Linz) erläuterte die Grundlagen der Biomechanik. Die Stabilität des PFG wird hauptsächlich durch 3 Faktoren gewährleistet: statische Stabilisatoren bei 0–20° Flexion (knöcherne Gelenkgeometrie/Trochleageometrie), passive Stabilisatoren bei 0–40° Flexion (mediales patellofemorales Ligament) und dynamische Stabilisatoren bei > 60° Flexion (M. quadriceps).

PD Dr. med. Izapanah (Freiburg) erläuterte die Analyse und Bildgebung des PFG. Zu Beginn empfiehlt sich konventionelles Röntgen und zur weiteren Diagnostik ein MRT. Bei Instabilitäten und Patellaluxationen spielt die Trochleadysplasie (beurteilt anhand der Trochleatiefe und Facettensymmetrie) eine große Rolle: So zeigt sich bei 85 % der Patienten mit rezidivierenden Luxationen eine Trochleadysplasie [10]. Neben der Bildgebung wird die Patellastabilität mittels Apprehensiontest in 20–30° Flexion, dem J-Zeichen und dem Patellatilt über 20° untersucht.

PD Dr. med. Balcarek (Pforzheim) referierte zu akuten und chronischen patellafemoralen Instabilitäten. Akute Erstluxationen (traumatisch und ohne Abscherfragment) werden in erster Linie konservativ versorgt. Jedoch ist zu beachten, dass die Reluxationsrate bei 15–75 % liegt und das Arthroserisiko patellofemoral erhöht ist. Prädiktoren für eine Reluxation sind Patella alta, offene Wachstumsfuge, geringes Alter der Patienten, kontralaterale Instabilität, Dysplasie der Trochlea sowie ein positives J-Zeichen. Femur- und Tibiatorsion gelten zunehmend als Prädiktoren.

Dr. Attal (Innsbruck) erklärte Konzepte und Strategien bei patellofemoraler Arthrose. Die Symptome stimmen nur selten mit den Röntgenbildern überein. Hauptursachen sind Traumata, Instabilität sowie ein erhöhter intraossärer Druck. Den Aspekt der konservativen Therapie zu patellofemoralen Pathologien präsentierte der Physiotherapeut Wolfgang Schoch (Freiburg). Die multifaktorielle Problematik führt meist zu einem Verlust der Becken- und Rumpfkontrolle, Defiziten der Hüftmuskulatur, Schwächen des M. quadrizeps und erhöhter Mittelfußbeweglichkeit. Ein Kombinationstraining für Hüftmuskulatur und M. quadrizeps mit adäquater Progression bildet den Grundpfeiler der Therapie. Nach 1 Jahr sind ca. ein Drittel der Patienten schmerzfrei. Die Patientenedukation hinsichtlich maladaptivem Verhalten (z. B. Schonen), welches einen Schmerzkreislauf begünstigt und zu Dekonditionierung (Kraftverlust), biomechanischen Defiziten und somit zu chronischem Schmerz führt, ist von großer Relevanz [13]. Um diesem Prozess entgegenzuwirken, ist Aktivität unumgänglich.

Mit Session IV und dem Thema „Sportschäden und Sportverletzungen“ ging es nach der Mittagspause in die letzte Runde.

PD Dr. med. Maier (Freiburg) referierte zu akuten Schulterluxationen. Die Prognose ist deutlich schlechter, wenn die Schulter mehr als 4 Stunden luxiert und Alter oder Body mass Index erhöht sind. Bei akuten traumatischen Schulterluxationen gibt es zu 40 % Begleitverletzungen. So ist bei 33 % der Patienten die Rotatorenmanschette (Fraktur des Tuberculum majus) betroffen, 14 % zeigen eine neurologische Schädigung (N. axillaris/Fraktur des Glenoids) und 8 % Kombinationsverletzungen. Nach einer Reposition erfolgt zuerst ein Röntgenbild und anschließend ein MRT. Die Rezidivrate liegt konservativ bei 20 % und operativ bei 4 %. Das Rezidivrisiko ist bei Männern, einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren sowie bei Hyperlaxizität oder bei Ausführung eines Wettkampfsports erhöht.

Das Statement von Dr. med. Kittl (München) zum Thema „Vordere Kreuzbandruptur“ lautete: „Kreuzbandnaht funktioniert nicht!“. Eine Plastik zur Rekonstruktion in Form eines flachen Bandes (tiefe Fasern des Tractus iliotibialis) bildet eine verbesserte Stabilisierung nach anterior-lateral als bei einer klassischen Plastik der Hamstrings. Neben einer guten Prävention und Aufklärung empfahl er das Präventionsprogramm der Deutschen Kniegesellschaft Stop-X [14].

In seinem detaillierten Vortrag über Epikondylitis empfahl Dr. med. Königshausen (Bochum) Manuelle Therapie mit Orthese. Medikamente (nichtsteroidale Antirheumatika, NSAR) sind nur kurzfristig hilfreich. Bei den Infiltrationen zeigt Botox eine gute Wirkung, wohingegen Kortikosteroide zu einer signifikant höheren Rezidivrate führen. Für Ultraschall und Stoßwellentherapie besteht keine Evidenz.

PD. Dr. med. Dipl. Sportl. Miltner (Berlin) präsentierte per Video-Vortrag das Läufer- und Springerknie. Zentral ist hierbei das Verhältnis von Belastung und Belastbarkeit. Beim Läuferknie liegt häufig ein medialer Kollaps im Knie durch schwache Abduktoren des Hüftgelenks vor. Bei der Tendinopathia patellae sollte keine Operation erfolgen. Kinesiotaping, Einlagen und Bandagen können das Training unterstützen. Die Inzidenz der Tendinopathia patellae liegt bei 7–41 % und vor allem Volleyball- und Basketballspieler sind betroffen.

Dr. med. Hopp (Kaiserslautern) unterschied bei seinem Vortrag zu Leistenschmerz zwischen akutem und chronischem Schmerz. Hierbei kann eine Vielzahl unterschiedlicher Pathologien die Beschwerdesymptomatik hervorrufen. Eine Instabilität der Symphyse lässt sich mittels Flamingo-Aufnahme ermitteln. Funktionelle Instabilitäten sind durch Core-Training gut behandelbar. Die Verletzungsreduktion liegt hier bei 25 %. In 10 % der Fälle scheint jedoch eine Operation sinnvoll.

Am Samstagabend ging wieder ein spannender Kongress zu Ende.