Schlüsselwörter
Ramadan - Fasten - Schwangerschaftsvorsorge - Frauenheilkunde - Epidemiologie
Einleitung
Bei Menschen, die pränatal einem Ramadan exponiert waren, treten im späteren Leben negative Effekte auf die physische und kognitive Gesundheit auf. Höhere Risiken für Symptome, die indikativ für Typ 2 Diabetes und koronare Herzkrankheiten sind [1], sowie niedrigere BMI im Erwachsenenalter wurden ermittelt [2]. In Bezug auf kognitive Fähigkeiten wurden beispielsweise schlechtere Ergebnisse bei schulischen Tests [3], [4], [5] und negative Effekte auf die Arbeitsmarktpartizipation [5] festgestellt. Aufgrund dieser negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen ist es von entscheidender Bedeutung, dass das medizinische Fachpersonal mit Kontakt zu schwangeren Muslimas für Bräuche und Verhalten im Ramadan sensibilisiert wird. Mittlerweile sind mehr als 5% der Bevölkerung Deutschlands muslimischen Glaubens [6]. Da ein weiterer Anstieg erwartet wird, wird auch Ramadan in der Schwangerschaft ein immer wichtigeres Thema in der Schwangerschaftsvorsorge.
Die gesundheitlichen Auswirkungen von pränataler Exposition zu Ramadan werden im Allgemeinen dem Fasten der schwangeren Frauen zugeschrieben. Ramadan dauert 29 – 30 Tage, während derer zwischen Sonnenauf- und -untergang auf Essen und Trinken verzichtet wird. Bei schwangeren, im Ramadan fastenden Frauen wurden erniedrigte Glukose- und Alanin-Werte im Blut sowie erhöhte Werte bei freien Fettsäuren festgestellt [7], [8], [9]. Der Metabolismus von schwangeren Frauen, die Mahlzeiten auslassen, ähnelt schnell dem Hungermetabolismus („beschleunigtes Hungern“, [10], [11]). Aufgrund des Mangels an Kraftstoffquellen und des damit einhergehenden veränderten Hormonhaushalts werden negative gesundheitliche Auswirkungen bei den Nachkommen erwartet. Diese Forschung ist daher in den weiteren Rahmen der Studien zu fetaler Programmierung zu platzieren, die gezeigt hat, dass In-utero-Wachstumsstörungen das Risiko für chronische Krankheiten im Erwachsenenalter erhöhen [12], [13].
Ob schwangere Frauen im Ramadan fasten sollen oder nicht, hängt von der Interpretation des Koran ab. Studien in verschiedenen Ländern haben gezeigt, dass ein erheblicher Anteil der schwangeren Frauen fastet. Der Anteil der schwangeren Frauen, die mindestens einen Tag während Ramadan gefastet haben, variierte dabei von 87% in Südost-Michigan (USA) [14] und Singapur [15] über 54% in den Niederlanden [16] bis zu 43% in Bradford (Großbritannien) [17]. Da sich die Immigranten- und muslimischen Populationen in den europäischen Ländern unterscheiden, können von diesen Studien keine direkten Rückschlüsse auf andere Länder gezogen werden. Für Deutschland liegen bis dato keine Daten zum Verhalten schwangerer Frauen während des Ramadan vor.
Um diese Lücke zu schließen, wurde die Mainzer Umfragestudie zu Ramadan während der Schwangerschaft in den geburtshilflichen Stationen in Mainz durchgeführt. Die Studie trägt zum Verständnis davon bei, welche Frauen sich für das Fasten in der Schwangerschaft entscheiden und aus welchen Gründen sie ihre Entscheidung treffen. Darüber hinaus untersuchen wir Verhaltensänderungen, auch an den Tagen, an denen Frauen nicht fasten – bspw. in Hinblick auf die Art der konsumierten Lebensmittel. Das Ziel dieser Studie ist, durch eine detaillierte Beschreibung des Ramadan-Verhaltens schwangerer Muslimas in Deutschland zur Entwicklung von Beratungssystemen zu Ramadan in der Schwangerschaft in Deutschland beizutragen.
Datenerhebung und Methodik
Datenerhebung und Methodik
Datenerhebung
Die Mainzer Umfragestudie zu Ramadan während der Schwangerschaft wurde unter schwangeren und frisch entbundenen Muslimas in den geburtshilflichen Abteilungen der beiden Mainzer Krankenhäuser von Oktober 2016 bis Januar 2017 durchgeführt. In Deutschland entbinden nahezu alle Frauen im Krankenhaus (98,6% der Lebendgeburten 2014, 98,8% der Lebendgeburten 2015), sodass unsere Studie für den größten Teil der Geburten in Mainz repräsentativ ist [18]. Die Befragungen fanden an 3 Tagen pro Woche statt, da eine Entbindung in Deutschland normalerweise mit einem stationären Aufenthalt von 2 – 3 Tagen verbunden ist [19] und somit die meisten Muslimas angesprochen werden konnten. Alle muslimischen Frauen wurden angesprochen, unabhängig davon, ob sie im Ramadan gefastet hatten oder nicht. Die Identifikation fand über die Angabe der Religion auf dem Aufnahmeblatt des Krankenhauses oder über den Namen statt.
Zusätzlich zu Fragen über die Fastenentscheidung und die Anzahl der gefasteten Tage enthielt der Fragebogen Elemente zu Änderungen in der Ernährung während Ramadan – auch an den Tagen, an denen die Frauen nicht gefastet haben. Darüber hinaus fragten wir die Frauen, aus welchem Grund gefastet wurde oder nicht. Schließlich wurden auch persönliche Angaben erhoben, einschließlich des Herkunftslands und der Aufenthaltsdauer in Deutschland. Die letztgenannte Frage ist wichtig, um erst kürzlich eingereiste Geflüchtete zu identifizieren, die sich von in Deutschland geborenen oder aufgewachsenen Muslimas im Hinblick auf religiöse Traditionen und Glauben unterscheiden könnten.
Die Befragung fand so oft wie möglich in der Muttersprache der Teilnehmerinnen statt. Zu diesem Zweck wurden 2 studentische Hilfskräfte, die neben Deutsch auch Arabisch und Türkisch sprechen, eingestellt und in die Durchführung von Interviews eingearbeitet. Die meisten Interviews fanden auf Deutsch statt (46%), gefolgt von Arabisch (34%), Türkisch (19%) und Englisch (1%). Vor dem Interview unterzeichneten alle Teilnehmerinnen eine Einwilligungserklärung und nach dem Interview wurden alle Daten pseudonymisiert. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz bewilligt.
Statistische Analyse
Wir haben statistische Analysen durchgeführt, um herauszufinden, ob sich Frauen, die gefastet haben, und Frauen, die nicht gefastet haben, unterscheiden. Um Unterschiede in den Mittelwerten der beiden Gruppen zu identifizieren wendeten wir t-Tests, Mann-Whitney-Tests (für ordinale Variablen, bspw. Bildung) und χ2-Tests (für kategorische Variablen, bspw. Beschäftigungsstatus) an. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgelegt. Für alle statistischen Analysen wurde Stata 15 verwendet.
Ergebnisse
Es nahmen 71% der Frauen, die wir ansprachen, an der Studie teil (n = 116). Wir konnten 51% der relevanten Population ansprechen und um Teilnahme bitten. Die Hauptgründe, wegen derer wir nicht alle Frauen ansprechen konnten, waren Sprachbarrieren und dass Frauen bereits entlassen worden waren. Weitere Gründe waren die Anwesenheit von Besuch, dass die Frauen schliefen oder nicht in ihrem Zimmer waren.
Fastenverhalten
Von den interviewten Frauen gaben 43% an, dass sie mindestens einen Tag während ihrer Schwangerschaft gefastet haben. Von diesen hat die Mehrzahl (54%) zwischen 20 und 30 Tagen gefastet ([Abb. 1]). [Tab. 1] ist zu entnehmen, dass es einige Unterschiede zwischen den Gruppen der fastenden und der nicht fastenden Frauen gab. Fastende Frauen waren signifikant jünger, hatten ein niedrigeres Bildungsniveau und trugen eher eine Verschleierung während des Interviews.
Abb. 1 Verteilung der Anzahl der gefasteten Tage (Frauen, die mindestens 1 Tag gefastet haben). Die Abbildung stellt dar, welcher Anteil der schwangeren Frauen, die mindestens 1 Tag im Ramadan gefastet haben (n = 50), wie viele Tage gefastet hat. Die Klassifizierung basiert auf der persönlichen Befragung der schwangeren Frauen, die gebeten wurden, ihr Fastenverhalten in die folgenden Kategorien einzuteilen: Fasten an wenigen Tagen (1 – 2), Fasten an einigen Tagen (3 – 9), Fasten an ungefähr der Hälfte der Tage (10 – 19), Fasten an den meisten Tagen (20 – 29) sowie Fasten an allen Tagen (30). Viele Frauen konnten die genaue Anzahl der gefasteten Tage nennen, sodass die Einordnung in die Kategorien durch das Projektteam erfolgte.
Tab. 1 Eigenschaften fastender und nicht fastender schwangerer Muslimas. Die Tabelle stellt die Eigenschaften fastender und nicht fastender schwangerer Muslimas dar. Nach den erwarteten Effekten auf Kind und Mutter wurde gefragt, indem nach den gesundheitlichen Auswirkungen des Fastens gefragt wurde mit den Antwortmöglichkeiten kein Effekt, positiver Effekt, negativer Effekt. Die Einstellung des Partners basiert auf der Frage danach, ob der Partner der Befragten denkt, dass schwangere Frauen fasten sollten, nicht fasten sollten oder keine Meinung hat.
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nicht fastende Muslimas
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fastende Muslimas
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p-Wert
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1) t-Test, 2) Mann-Whitney-Test, 3) χ2-Test
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n
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66
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50
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Alter
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31,9
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29,2
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0,0141)
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Bildungsstand
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2%
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7%
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0,0072)
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41%
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65%
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26%
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12%
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31%
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16%
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Herkunft
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26%
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20%
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0,3753)
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24%
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36%
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50%
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44%
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Meinungen
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67%
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20%
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< 0,0013)
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59%
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26%
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< 0,0013)
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8%
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6%
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0,7403)
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Lebensumfeld
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80%
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97%
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0,0193)
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38%
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49%
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0,2213)
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42%
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32%
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0,2523)
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23%
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41%
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0,0493)
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Als Gründe für ihre Fastenentscheidung (Mehrfachantworten möglich) erwähnten 64% der fastenden Frauen religiöse Motivationen und Verpflichtungen. Fast ein Viertel der Frauen (24%) gab an, dass sie das Fasten während der Schwangerschaft „einfach einmal ausprobieren“ wollten. Diejenigen Frauen, die das Fasten nach einige Tagen abbrachen, erklärten, dass sie fasten wollten, sich jedoch zu krank und schwach fühlten um das Fasten weiter praktizieren zu können[
1
]. Frauen, die sich gegen das Fasten entschieden hatten, gaben an, dass sie wegen ihrer Schwangerschaft nicht fasteten oder dass sie besorgt um die Gesundheit ihres Kindes waren. Fünf Frauen (4%) gaben an, dass sie während der Schwangerschaft nicht fasteten, weil sie auch sonst nicht fasten.
Ernährung im Ramadan
Die Hälfte der fastenden Frauen gab an, ihre Essgewohnheiten während des Ramadan an die Schwangerschaft angepasst zu haben (bspw. „gesünder gegessen“, „regelmäßige Nahrungsaufnahme während der Nacht“, „mehr getrunken“). Auch die Tage, an denen die Frauen nicht fasteten, waren für viele Frauen mit Ernährungsveränderungen verbunden. 43% gaben an, dass sich ihre Ernährung aufgrund der Teilnahme an religiösen Traditionen wie dem Fastenbrechen mit süßem Essen in der Nacht verändert hat.
Lebensumfeld
Fastende Frauen leben mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in Haushalten, in denen andere Haushaltsmitglieder fasten. Unabhängig von der Fastenentscheidung einer Frau, denken nur sehr wenige Partner von schwangeren Muslimas, dass schwangere Frauen fasten sollten. Lediglich 6% der fastenden Frauen gaben an, dass ihr Partner denkt, dass schwangere Frauen fasten sollten. Die übrigen Partner der fastenden Frauen denken, dass schwangere Frauen nicht fasten sollten (48%), hatten keine Meinung (16%) oder überließen die Entscheidung der Frau und ihrer Einschätzung der körperlichen Verfassung (30%).
Herkunft
Die meisten Teilnehmerinnen (77%) sind selbst nach Deutschland eingewandert und gehören somit der 1. Migrationsgeneration an. Die Hauptherkunftsländer sind Marokko (26%), Syrien (24%) und die Türkei (21%). In Deutschland geboren sind 23% der Frauen (2. Migrationsgeneration), wobei deren Eltern hauptsächlich aus der Türkei (ca. 60%) und Marokko (ca. 20%) stammen. Bei keiner unserer Teilnehmerinnen sind beide Elternteile in Deutschland geboren. Bezüglich des Fastenverhaltens gab es keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Migrationsgeneration ([Tab. 1]).
Ratschläge von Gynäkologen und Hebammen
Weniger als die Hälfte der fastenden Frauen (49%) und 38% der nicht fastenden Frauen sprachen ihr Verhalten während der Schwangerschaft bei medizinischem Fachpersonal an. Nur 2 Frauen (2%) gaben an, dass ihr Arzt das Thema proaktiv angesprochen habe. Von dem befragten Fachpersonal rieten 73% vom Fasten ab. Einige überließen die Entscheidung den Frauen (bspw. „wenn Sie möchten, können Sie es versuchen“, „es ist Ihre Entscheidung, auch wenn ich es nicht tun würde“) während andere angaben, dass Fasten während der Schwangerschaft nicht mit Risiken verbunden sei (bspw. „in der Frühschwangerschaft sind keine negativen Effekte zu erwarten“, „wenn Sie es schaffen zu fasten, ist es kein Problem“).
Diskussion
Im Rahmen der Mainzer Umfragestudie zu Ramadan in der Schwangerschaft wurden erstmals Daten zum Verhalten schwangerer Muslimas während des Ramadan in Deutschland erhoben. Wir haben 116 schwangere und frisch entbundene Muslimas befragt, ob sie Ramadan eingehalten haben und wie sie sich während der Schwangerschaft im Ramadan verhalten haben. Die Antworten zeigen, dass Ramadan während der Schwangerschaft in Deutschland ein relevantes Thema ist, da 43% der Interviewten mindestens einen Tag gefastet haben. Aufgrund der diversen negativen gesundheitlichen Langzeitfolgen von pränataler Exposition zu Ramadan sollte dieses Thema in der Schwangerschaftsvorsorge sorgfältig beachtet werden.
Wir zeigen, dass jüngere Muslimas und Frauen mit einer niedrigeren Ausbildung eine höhere Wahrscheinlichkeit haben zu fasten. Daher sollte das Fachpersonal einen besonderen Fokus auf diese Frauen haben. Von den Gynäkologen und Hebammen, die von unseren Teilnehmerinnen um Rat gefragt wurden, rieten 73% vom Fasten ab, allerdings berichtete somit ebenfalls eine beachtliche Gruppe (27%), dass sie nicht auf potenzielle negative Folgen des Fastens aufmerksam gemacht wurden. Die Tatsache, dass die meisten Frauen das medizinische Fachpersonal nicht um Rat baten, zeigt sowohl die religiöse Sensibilität des Themas als auch die Notwendigkeit dafür, dass Gynäkologen und Hebammen proaktiv das Thema Ramadan in der Schwangerschaft ansprechen.
Eine große Herausforderung in der Beratung schwangerer Muslimas ist, dass Ramadan ein hochreligiöses Thema ist. (Gefühlte) Erwartungen von der religiösen Gemeinschaft können für die Fastenentscheidung einer Frau daher ebenfalls eine Rolle spielen. Andernfalls ist es schwer zu erklären, wieso viele Frauen während des Ramadan fasteten, obwohl sie negative Effekte für die Gesundheit ihres Kindes (20% der fastenden Frauen) oder ihre eigene Gesundheit (26% der fastenden Frauen) erwarten. Andererseits berichteten die Teilnehmerinnen größtenteils, dass ihre Partner Fasten während der Schwangerschaft ablehnen oder die Entscheidung der Frau überlassen. Lediglich über 6% der Partner von fastenden Frauen wurde berichtet, dass sie denken, dass schwangere Frauen fasten sollten (8% der Partner der nicht fastenden Frauen). Es ist bemerkenswert, dass 48% der fastenden Frauen sich dazu entschieden, obwohl ihr Partner die Meinung vertritt, dass schwangere Frauen nicht fasten sollten.
Die Ergebnisse der Mainzer Studie zu Ramadan in der Schwangerschaft tragen zum Verständnis schwangerer Muslimas in Europa bei. Die Übertragung der Studienergebnisse auf andere Jahre und Länder sollte jedoch mit Vorsicht erfolgen. Ramadan findet jedes Jahr zu einem anderen Zeitpunkt im gregorianischen Kalender statt, sodass die Anzahl der Stunden, in den gefastet werden soll, mit den Zeiten von Sonnenauf- und -untergang variiert. Darüber hinaus unterscheiden sich die Immigrantenpopulationen in den europäischen Ländern. Bis dato liegen Daten zu Ramadan während der Schwangerschaft aus Großbritannien und den Niederlanden vor. In Großbritannien gaben 43% von 310 befragten schwangeren Muslimas mit asiatischem oder asiatisch-britischem Hintergrund an, während des Ramadan 2010 gefastet zu haben [17]. Ähnlich zur Mainzer Studie war das Risiko zu fasten bei höher gebildeten und älteren Frauen niedriger. In den Niederlanden führten Savitri et al. (2014) ebenfalls eine Umfragestudie zu Ramadan 2010 durch. Von den 130 befragten Frauen fasteten 54% mindestens einen Tag während der Schwangerschaft [16]. Im Gegensatz zu unseren Ergebnissen finden Savitri et al. (2014) keine Unterschiede zwischen fastenden und nicht fastenden schwangeren Muslimas im Hinblick auf Alter und Bildungsstand.
Es ist bekannt, dass die fetale Entwicklung durch pränatale Mangelernährung beeinträchtigt werden kann. Da das Fasten einen zentralen Aspekt von Ramadan darstellt, waren frühere Untersuchungen größtenteils auf die Effekte des Fastens fokussiert. Es ist jedoch auch möglich, dass andere Verhaltensänderungen während Ramadan Auswirkungen auf die Gesundheit der Nachkommen haben. Wir untersuchten daher Veränderungen in der Ernährung während Ramadan – auch an Tagen, an denen nicht gefastet wurde. Wir haben dabei festgestellt, dass Ramadan auch die Ernährung von nicht fastenden schwangeren Frauen beeinflusst, da diese oftmals in Haushalten wohnen, in denen andere fasten und sie daher dennoch religiösen Traditionen beiwohnen. Beispielsweise wird das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang traditionell mit süßen Speisen und Getränken gefeiert. In der Schwangerschaftsvorsorge sollten daher sowohl fastende als auch nicht fastende Frauen beraten werden. Des Weiteren können Veränderungen in der täglichen Routine (z. B. Vorbereitung des Frühstücks vor Sonnenaufgang, Abendessen nach Sonnenuntergang) die Schlafgewohnheiten sowohl fastender als auch nicht fastender Frauen während des Ramadan signifikant verändern [20], [21], [22]. Es wurde gezeigt, dass Schlafmangel während der Schwangerschaft Auswirkungen auf die mütterliche Gesundheit und das Geburtsergebnis hat [23], [24]. In einer Folgestudie streben wir daher an, Veränderungen im Schlafverhalten schwangerer Muslimas im Ramadan zu untersuchen.
Die Stärke dieser Studie ist, dass wir nicht auf Basis von Registerdaten arbeiten, sondern eine Umfragestudie durchführen, in der wir schwangere Muslimas um detaillierte Angaben zu ihrem Verhalten während Ramadan bitten. Erstmalig ist es möglich, das Ernährungsverhalten schwangerer Muslimas im Ramadan über die binäre Fastenentscheidung hinaus zu beschreiben. An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass der Anteil fastender schwangerer Frauen auch davon abhängt, zu welchem Zeitpunkt im gregorianischen Kalender Ramadan stattfindet. Niedrigere Fastenraten werden bei Ramadan in den Sommermonaten erwartet – wie im Ramadan 2016, als in Deutschland die Fastenzeiten lang und die Temperaturen hoch waren.
Auch wenn eine Limitation der vorliegenden Studie ihre Stichprobengröße ist, konnten wir doch einen großen Anteil der relevanten Frauen in den beiden Mainzer Geburtsstationen erreichen und hatten eine hohe Teilnahmerate. Von einer größeren Selektionsverzerrung in unseren Ergebnissen ist daher nicht auszugehen[
2
]. Allerdings wurden im Rahmen dieser Studie vorrangig Frauen befragt, die zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 entbanden. Die Überlappung von Ramadan 2016 (Anfang Juni bis Anfang Juli) und deren Schwangerschaft fand daher größtenteils im 2. Schwangerschaftstrimester statt. In einer Folgestudie sollen Fastenraten während aller Schwangerschaftstrimester untersucht werden.
Fazit
Ramadan während der Schwangerschaft ist ein relevantes Thema in Deutschland, insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden muslimischen Bevölkerung in Deutschland. Von den befragten Frauen fasteten 43% mindestens 1 Tag während ihrer Schwangerschaft. Die Mehrzahl der Frauen, die sich für das Fasten entschieden, fastete für mehr als 20 Tage. Die Frauen entscheiden sich zum Fasten während der Schwangerschaft, obwohl ein großer Anteil der Frauen und ihrer Partner denkt, dass Fasten in der Schwangerschaft nicht obligatorisch ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass jüngere Frauen, Frauen mit einem niedrigeren Bildungsstand und Frauen, die eine Verschleierung während des Interviews trugen, eher fasten. Aufgrund der diversen negativen Langzeitfolgen für die Gesundheit von pränataler Exposition zu Ramadan und des geringen Anteils schwangerer Muslimas in Deutschland, die das medizinische Fachpersonal um Rat bitten, sollten Gynäkologen, Hebammen und andere Gesundheitshelfer für das Thema sensibilisiert werden. Darüber hinaus sind Schulungen darin nötig, dieses sensible, religiöse Thema adäquat proaktiv bei den Patientinnen anzusprechen. Um sicherzustellen, dass muslimische Frauen eine fundierte Entscheidung dazu treffen können, ob sie fasten oder nicht, müssen sie objektive Informationen zu den potenziellen Auswirkungen ihrer Entscheidung von medizinischem Fachpersonal erhalten.