Key words
multiple trauma - whole-body CT - protocol optimization - arm positioning - dose reduction
- clinically adapted approach
Einleitung
Unfälle und Verletzungen sind die häufigste Ursache für Tod oder bleibende Behinderungen
bei unter 45-jährigen Deutschen [1]. Damit spielt die optimale Versorgung von Trauma-Patienten eine große sozioökonomische
Rolle. In der Akutphase hat eine zeiteffiziente Schockraumversorgung mehrfachverletzter
Patienten entscheidenden Einfluss auf deren Überleben und langfristige Prognose. Um
zielgerichtet und mit richtiger Prioritätensetzung therapieren zu können, ist die
genaue Kenntnis des Verletzungsmusters essenziell. Die Computertomografie (CT) besitzt
durch eine kurze Untersuchungszeit (UZ) und eine hohe Sensitivität und Spezifität
sowohl für Verletzungen als auch Trauma-unabhängige, therapierelevante Nebenbefunde
optimale Eigenschaften für die Trauma-Diagnostik. Die Ganzkörper-CT (GKCT) wird auch
als eigener Prädiktor für das Überleben von Trauma-Patienten angesehen, weshalb sie
inzwischen international als Diagnostikum der Wahl etabliert ist [2]
[3]
[4]. Folgerichtig war im letzten Jahrzehnt eine rasante Zunahme der Untersuchungszahlen
von GKCTs bei Trauma-Patienten zu beobachten (im Jahr 2016 erhielten 79 % der 33 374
in das TraumaRegister DGU® eingegebenen Patienten eine GKCT) [5]
[6].
Führender Kritikpunkt an der GKCT ist die relevante Strahlenexposition [7]
[8]
[9]. Insbesondere bei jungen Patienten besteht ein erhöhtes stochastisches Risiko des
Erlebens eines strahleninduzierten Malignoms [10]. Dies ist gegenzurechnen mit dem Risiko, durch das stattgehabte Trauma zu versterben
bzw. bleibende Schäden zu erleiden [11]. Daher spielt die Indikationsstellung bei der Auswahl des Diagnostikkonzepts (GKCT
vs. Stufendiagnostik aus Sonografie, Röntgen und gezielter CT) eine wichtige Rolle.
Das Hauptproblem bei der Indikationsstellung ist die hohe Heterogenität des Patientenkollektivs
in Bezug auf Trauma-Mechanismus, Verletzungsmuster und klinischem Erscheinungsbild.
Insbesondere junge Patienten können trotz schwerer Verletzungen ihre Kreislaufsituation
temporär kompensieren und dadurch die tatsächliche Verletzungsschwere maskieren, bevor
es zu einer foudroyanten Zustandsverschlechterung kommt. Um einer drohenden Untertriage
(Unterschätzung der Verletzungsschwere) mit ggf. fatalen Folgen für das Leben des
Patienten oder aus einer Fehlbehandlung resultierenden medikolegalen Folgen vorzubeugen,
wird in vielen Kliniken bei entsprechendem Trauma-Mechanismus oft zügig die Indikation
zur GKCT gestellt. Die Erfahrungen des radiologischen Alltags zeigen jedoch, dass
nur ein Teil der mit einer GKCT untersuchten Patienten die Definition eines Polytraumas
nach Tscherne erfüllt („Gleichzeitig erlittene Verletzungen mehrerer Körperregionen,
wobei mindestens eine oder die Kombination der Einzelverletzungen lebensbedrohlich
ist.“). Berücksichtigt man die Einschlusskriterien des TraumaRegisters DGU® (Aufnahme eines Trauma-Patienten über den Schockraum und Weiterbehandlung auf einer
Intensiv- oder Intermediate-Care-Station; Schockraumaufnahme mit Exitus letalis vor
Aufnahme auf Intensivstation; Sekundärverlegung eines Trauma-Patienten, wobei im primärversorgenden
Haus eine TraumaRegister DGU®-Dokumentation begonnen wurde), so lässt sich schlussfolgern, dass die Zahl der mit
einer GKCT untersuchten und nicht ins TraumaRegister DGU® eingegebenen Patienten deutlich über der oben genannten Zahl liegt [12].
In der Literatur existieren verschiedene Ansätze zur Indikationsstellung: Einige Autoren
verwenden die Weißbuch- bzw. S3-Leitlinien-Kriterien zur Einweisung eines Patienten
in den Schockraum ([Tab. 1]), andere entwickelten spezielle Score-Systeme [13]
[14]
[15]. Bisher existiert dazu kein abschließender interdisziplinärer Konsens. Dies zeigt
insbesondere auch die ausführliche Diskussion in der Arbeit von Gupta, die sowohl
die unfallchirurgische als auch die Sicht der Notaufnahmeärzte kontrovers erörtert
[16]. Bei pauschalisiertem Einsatz der GKCT allein anhand des Trauma-Mechanismus droht
eine erhöhte Rate von GKCT ohne Nachweis von Verletzungen. So war bei Gupta bei fast
51 % der Patienten mittels CT keine Verletzung nachweisbar und nur bei 20 % lag der
Injury-Severity-Score (ISS) über 15 Punkten [16]. Nach der Übertriage-Definition von Wurmb (ISS ≥ 16 = Polytrauma; ISS < 16 = übertriagiert
für GKCT) lag damit eine Übertriage-Rate von 80 % vor [17].
Tab. 1
Kriterien zur Aktivierung des Schockraumteams.
|
Empfehlungsgrad A
|
Empfehlungsgrad B
|
|
Störung der Vitalparameter
|
Offensichtliche Verletzungen
|
Unfallmechanismus
|
|
|
-
penetrierende Verletzungen/Schusswunden der Rumpf-Hals-Region
-
Frakturen von > 2 proximalen Röhrenknochen
-
instabiler Thorax
-
Beckenfrakturen
-
Amputationsverletzung proximal der Hände/Füße
-
Querschnittsverletzung
-
offene Schädelverletzung
-
Verbrennung von > 20 % KOF und Grad ≥ 2b
|
-
Sturz aus über 3 m Höhe
-
Verkehrsunfall mit:
-
Frontalaufprall mit Intrusion von > 50 – 75 cm
-
Geschwindigkeitsänderung von delta > 30 km/h
-
Fußgänger-/Zweiradkollision
-
Tod eines Insassen
-
Ejektion eines Insassen
|
Zusammenfassung aus der S3-Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“: Ist
mindestens eines der Kriterien erfüllt, sollte der Trauma-Patient im voralarmierten
Schockraum eines Trauma-Zentrums behandelt werden. Die Empfehlungsgrade A, B und 0
werden in Abhängigkeit von der vorhandenen Evidenz im Rahmen der Leitlinienentwicklung
festgelegt und mit den Formulierungen „soll“, „sollte“ und „kann“ synonym verwendet
[13]. Viele Kliniken verwenden diese Kriterien auch zur Stellung der rechtfertigenden
Indikation der GKCT-Diagnostik.
In vielen Kliniken wird ein GKCT-Protokoll für alle Trauma-Patienten verwendet. Dieses
„One-fits-all-Konzept“ wurde in unserer Klinik 2011 verlassen. Stattdessen werden
seitdem 2 unterschiedlich gewichtete Protokolle vorgehalten und adaptiert an den klinischen
Zustand des Patienten eingesetzt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Evaluation
von 3 unterschiedlichen GKCT-Protokollen in Bezug auf UZ, Bildqualität (BQ) und Dosis.
Dabei wird das ursprüngliche „One-fits-all-Konzept“ mit dem neuen, klinisch adaptierten
Konzept verglichen.
Material und Methoden
Die vorliegende retrospektive, monozentrische und anonymisierte Studie wurde durch
die zuständige Ethikkommission genehmigt.
Alle präsentierten Daten wurden im Zeitraum zwischen 01.06.2010 und 01.06.2013 im
Routinebetrieb eines Schwerpunktkrankenhauses der Trauma-Versorgung mit Status eines
überregionalen Trauma-Zentrums erhoben. Für die Versorgung von Schwerkranken/-verletzten
existieren 2 Schockräume, wobei eines der beiden in unserer Klinik vorhandenen CT-Geräte
direkt im unfallchirurgischen Schockraum installiert ist. Die Patientenversorgung
erfolgt dort direkt auf dem CT-Tisch, wobei aufgrund räumlich-logistischer Gründe
der Patient in Feet-first-Lage gelagert wird. Die Umlagerung des Patienten erfolgt
durch das Schockraumteam vom Lagerungsmittel des Rettungsdienstes auf ein CT-fähiges
Spineboard. Die im Anschluss an die Primary-Survey frühzeitig durchgeführte GKCT ist
die in unserer Klinik seit 2003 etablierte Primärdiagnostik. Die Schockraumaufnahme
von Trauma-Patienten – und daran orientiert sich auch die Indikationsstellung zur
GKCT – erfolgt gemäß den Kriterien der S3-Leitlinie ([Tab. 1]) [13].
Die Ein- und Ausschlusskriterien und die darauf im Studienzeitraum geprüften GKCTs
sind in [Abb. 1] dargestellt. Es wurden 308 evaluierbare Datensätze in die Studie eingeschlossen.
Alle evaluierten GKCTs wurden am im Schockraum installierten CT-Gerät Toshiba Aquilion
32® (Softwareversion V3.20GR011, Toshiba Medical Systems Europe, Zoetermeer, Niederlande)
durchgeführt. Gemäß § 16 RöV erfolgten Abnahme- und regelmäßige Konstanz-Prüfungen.
Iterative Rekonstruktionen standen im Studienzeitraum nicht zur Verfügung.
Abb. 1 Die Abb. zeigt die Anzahl der im Studienzeitraum durchgeführten, auf die Ein- und
Ausschlusskriterien geprüften und letztlich ein- bzw. ausgeschlossenen GKCTs. Eingeschlossen
wurden alle Patienten, die im Rahmen der Primärversorgung nach Trauma eine GKCT mit
einem zum jeweiligen Zeitpunkt etablierten GKCT-Protokoll am Schockraum-CT erhielten.
Ausgeschlossen wurden Patienten unter 18 Jahren, bei fehlendem Dosisbericht im PACS,
bei Abweichungen vom etablierten Protokoll, bei technischen Problemen während des
Scans und wenn die vorab definierten Scanabschnitte über- oder unterschritten wurden
([Abb. 3]).
Im Studienzeitraum wurden 3 verschiedene GKCT-Protokolle evaluiert. Das im Weiteren
als „ALT-Protokoll“ bezeichnete Protokoll wurde bis 2011 für alle Trauma-Patienten
verwendet (Gruppe A). Mit dem Ziel der Dosisoptimierung wurden 2011 verschiedene Veränderungen
vorgenommen und 2 neue, different gewichtete Protokolle entworfen („ZEIT-Protokoll“
– Gruppe Z und „DOSIS-Protokoll“ – Gruppe D). Diese wurden in der klinikeigenen Trauma-Kommission
vorgestellt und seit dem 01.08.2011 eingesetzt. Die Entscheidung, welches der beiden
neuen Protokolle eingesetzt wird, wurde abhängig vom klinischen Zustand des Patienten
anhand des in [Abb. 2] dargestellten Entscheidungsalgorithmus getroffen.
Abb. 2 Anhand dieses Algorithmus erfolgte während der Schockraumversorgung von Trauma-Patienten
nach Stellung der rechtfertigenden Indikation zur GKCT die Entscheidung über das anzuwendende
CT-Untersuchungsprotokoll.
Bei allen 3 Protokollen wurden die gleichen Scanabschnitte verwendet: Ein nativer
Kopf-/Hals-Scan und ein KM-gestützter Körperscan. Bei etwa 1/3 aller Patienten wurde
zusätzlich ein Bein-Scan durchgeführt, wobei dieser nicht Teil der vorliegenden Publikation
ist. Während bei Gruppe A die Scans von Körper und Beinen überlappend geplant wurden,
wurde bei den neuen Protokollen (Z+D) diese Überlappung gezielt vermieden ([Abb. 3]).
Abb. 3 Alle 3 evaluierten Protokolle hatten die gleichen Scanabschnitte. Der native Kopf-/Hals-Scan
wurde von Scheitel bis BWK 3 geplant. Im Anschluss folgte ein KM-gestützter Scan des
Körpers, der vom Orbita-Dach bis unter die Sitzbeine reichte. Bestand klinisch der
Verdacht auf relevante Verletzungen der Beine, wurde fakultativ direkt im Anschluss
ein venös kontrastierter Bein-Scan durchgeführt. Hierbei bestand beim ALT-Protokoll
eine Überlappung zwischen Körper- und Bein-Scan, die jedoch bei den beiden neuen Protokollen
explizit vermieden wurde. Die Bein-Scans werden in der vorliegenden Arbeit nicht präsentiert.
Während ALT- und ZEIT-Protokoll das gleiche Protokolldesign mit Armlagerung am Körper
und automatisch nacheinander ablaufenden Scans hatten, wurde der Ablauf beim DOSIS-Protokoll
modifiziert und in einer Pause zwischen den Scans die Arme über den Kopf gelagert.
Für die Funktionstüchtigkeit der AEC ist dabei die Akquisition eines neuen Scouts
nach Umlagerung der Arme zwingend erforderlich.
Alle Kopf-/Hals-Scans wurden ohne Dosismodulation (= automatic exposure control = AEC)
und ohne Gantrykippung untersucht. Alle 3 Protokolle nutzten im Körperscan die vorhandene
AEC (SUREExposure3D™, Toshiba Medical Systems Europe, Zoetermeer, Niederlande). Die genauen
technischen Spezifikationen der 3 Protokolle siehe [Abb. 4].
Abb. 4 Ausführliche Auflistung der technischen Spezifikationen der 3 evaluierten GKCT-Protokolle.
Kollimation: Angabe in Detektorzeilen × Schichtdicke; MPR: Multiplanare Reformationen;
AEC: Dosismodulation; FOV: Field-of-view.
Bei Gruppe A wurden die Arme am Körper gelagert und an einem langen Ganzkörper-Scout
die komplette GKCT geplant. Nach gleichzeitigem Start von Scanner und Kontrastmittel
(KM) via Injektor lief die GKCT automatisch ab: Nach Akquisition des nativen Kopf-/Hals-Scans
folgten ein Interscan-Delay und ein venös kontrastierter Körperscan.
Gruppe Z nutzte den gleichen, automatisierten Untersuchungsablauf mit Armen am Körper.
Auf Basis eines neuen Referenzfaltungskerns (FC17) wurde der Körperscan jedoch mit
überarbeiteter AEC-Einstellung akquiriert ([Abb. 4]).
Bei Gruppe D wurde mit einem geteilten Protokolldesign untersucht: Nach Akquisition
eines kurzen Scouts wurde der native Kopf-/Hals-Scan geplant und akquiriert. Danach
folgte eine Pause mit Armumlagerung über den Kopf. Im Anschluss wurde an einem neuen,
langen Scout der Körperscan geplant und akquiriert. Diese additive Scout-Akquisition
nach Armumlagerung ist herstellerunabhängig an fast allen Geräten zwingend notwendig,
damit das Gerät beim Körperscan unter Berücksichtigung der Arme die korrekte Patientengeometrie
erkennt und so eine suffiziente AEC sicherstellen kann.
Von den Patienten wurden Geschlecht und Alter am Untersuchungstag (Differenz aus Geburts-
und Untersuchungsdatum) erfasst. Der Bauchumfang (BU) wurde als Umfang einer Region
of interest (ROI) im Hautniveau in Höhe des Nabels ermittelt ([Abb. 5a]). Die Verletzungsschwere wurde über den ISS quantifiziert, der anhand der radiologischen
GKCT-Befunde und der Entlassungsbriefe ermittelt wurde [18]. Die UZ wurde als Differenz aus den Parametern „study-time“ (DICOM-Eintrag 0008|0030
– Anwahl des Protokolls am CT-Gerät) und der „acquisition-time“ des letzten Bildes
der axialen Primärakquisition berechnet (DICOM-Eintrag 0008|0032). Damit sind Scout-Akquisition,
Untersuchungsplanung, KM-Delay, die eigentliche Scan-Zeit und die Umlagerung der Arme
berücksichtigt. Die objektive BQ wurde als Standardabweichung der Hounsfield-Einheiten
in einer ROI ermittelt (= „Bildrauschen“). Dazu wurden in einer Oberbauchschicht eine
ROI im Lebersegment VII und eine ROI in der Aorta platziert ([Abb. 5b]) [19]
[20]. Größe und Form der ROI wurden individuell angepasst, um möglichst viele Voxel ein-
und Gefäßkalk, Lebergefäße und Parenchym-Läsionen auszuschließen (ROI-Umfang: Aorta
5,4 ± 1cm; Leber 9 ± 1,6 cm). Aus den Dosisberichten im PACS wurden separat für die
Scans von Kopf/Hals und Körper die Scanlänge (Differenz aus Start- und Endposition)
und das Dosislängenprodukt (DLP) dokumentiert. Der damals in den PACS-Dosisberichten
dokumentierte maximale CT-Dosisindex (CTDImax) ist für Literaturvergleiche ungeeignet. Daher wurde der CTDIvol als Quotient aus DLP und Scanlänge berechnet. Die effektive Dosis (E) der Einzelscans
wurde als Produkt aus dem jeweiligen DLP und dem zugehörigen Konversionsfaktor (k-Faktor)
berechnet. Dazu wurden die von Huda publizierten k-Faktoren für den Kopf/Hals-Scan
(kHead/Neck = 0,0045 mSv/mGy*cm, Bezug auf 16cm-Kopfphantom) und den Körperscan (kWhole-Body = 0,0154 mSv/mGy*cm, Bezug auf 32cm-Körperphantom) nach ICRP103 verwendet [21]
[22]. E für einen vollständigen GKCT-Scan von Scheitel bis Sitzbein wurde als Summe der
Einzelwerte berechnet.
Abb. 5 a Der Bauchumfang (BU) der Patienten wurde als Freihand-ROI im Hautniveau in Höhe des
Nabels ermittelt. b Die objektive Bildqualität wurde als „Bildrauschen“ (= Standardabweichung der HU
in einer Mess-ROI) ermittelt. Die ROIs wurden im Lebersegment VII und in der Aorta
platziert.
Die statistische Analyse erfolgte mit SPSS (Version 16.0, SPSS Inc., Chicago, IL,
US). Die gefundenen Extremwerte (Werte außerhalb des 3. Interquartil-Abstands (IQA))
wurden aus der jeweiligen Analyse ausgeschlossen. Prüfung auf Normalverteilung mittels
Kolmogorov-Smirnov-Test. Da in keiner Vergleichskonstellation in allen 3 Gruppen eine
Normalverteilung bestand, wurden ausschließlich nichtparametrische Tests verwendet.
Die Angabe der Ergebnisse erfolgt daher als Median und Spannweite (Min-Max). Zur besseren
Vergleichbarkeit mit der Literatur werden additiv auch Mittelwert und Standardabweichung
(MW±SD) präsentiert. Die Prüfung auf Signifikanzen erfolgte mittels Kruskal-Wallis-
oder Mann-Whitney-U-Test. Das Signifikanzniveau lag bei 0,05.
Ergebnisse
Im Studienzeitraum erfüllten 308 Patienten die Ein- und Ausschlusskriterien (Alter:
46 a, 18 – 90 a; 46 ± 19 a). Weder Geschlechtsverteilung (männlich: n = 238; = 77 %;
P = 0,64) noch BU (93 cm, 66 – 145 cm; 94 ± 15 cm; P = 0,59) zeigten signifikante
Unterschiede zwischen den 3 Gruppen.
Die Ergebnisse von ISS und UZ und die ISS-Verteilung innerhalb der Gruppen sind in
[Abb. 6], [7] dargestellt. Während die UZ zwischen Gruppe A und Z nur gering variierte, resultierte
aus dem Verlassen des automatisierten Untersuchungsablaufs bei Gruppe D eine um 3,6 min
längere UZ.
Abb. 6 In der Abbildung sind die Ergebnisse der UZ und des ISS als Median und Range dargestellt.
Für den Literaturvergleich werden zusätzlich Mittelwert und Standardabweichung angegeben.
s = signifikant; ns = nicht signifikant. * Bei der UZ wurden mehrere Extremwerte (Werte
außerhalb des 3. IQR) identifiziert und aus der statistischen Analyse der UZ ausgeschlossen
(Gruppe A: 3, Gruppe Z: 3, Gruppe D: 2).
Abb. 7 Die ISS wurden in der vorliegenden Arbeit anhand der GKCT-Befunde und Entlassungsbriefe
ermittelt [18]. Das ALT-Protokoll wurde im Sinne eines „One-fits-all-Konzepts“ für alle Patienten
verwendet. Seit 2011 wurden 2 unterschiedlich gewichtete Protokolle vorgehalten und
anhand des in [Abb. 2] dargestellten Algorithmus eingesetzt. In den Boxplots ist zu erkennen, dass in der
ZEIT-Gruppe häufiger schwerverletzte und in der DOSIS-Gruppe häufiger leichtverletzte
Patienten untersucht wurden. Dies spiegelt die im Schockraum durchgeführte Triage
wider.
Die Box markiert den Interquartil-Abstand (IQA) der ISS-Werte je Gruppe, d. h. die
mittleren 50 %. Die dicke Linie in der Box entspricht dem Median. Die Whisker (an
der Ober- bzw. Unterkante der Box ansetzende Linien) stehen für Werte, die um den
1,5fachen IQA über- bzw. unterhalb des IQA liegen. Ausreißer (Werte außerhalb der
Whisker (zwischen 1,5 und 3fachem IQA)) sind als Kreise dargestellt.
Die Ergebnisse der objektiven BQ sind in [Abb. 8] aufgeführt. Die Gruppen A und Z zeigten keinen Unterschied, wogegen Gruppe D eine
signifikant bessere BQ aufwies.
Abb. 8 In der Abbildung sind die Ergebnisse der objektiven BQ (Bildrauschen = BR) als Median
und Range dargestellt. Diese wurde als Standardabweichung der Hounsfield-Einheiten
in einer ROI in einer Oberbauchschicht im Lebersegment VII und in der Aorta ermittelt.
Für den Literaturvergleich werden zusätzlich Mittelwert und Standardabweichung angegeben.
s = signifikant; ns = nicht signifikant. * Bei der BQ wurden mehrere Extremwerte (Werte
außerhalb 3. IQR) identifiziert und aus der statistischen Analyse ausgeschlossen (Gruppe
Z: Aorta 2, Leber 4).
[Abb. 9] zeigt die ermittelten Dosiswerte der Kopf-/Hals- und Körperscans. Zwischen den 3
Gruppen konnten bei den Kopf-/Hals-Scans keine signifikanten bzw. klinisch relevanten
Unterschiede der Dosisparameter festgestellt werden. Demgegenüber konnten im Körperscan
deutliche Dosisreduktionen erreicht werden. Im Vergleich zwischen Gruppe A und Z zeigt
sich, dass unter optimierter Konfiguration der AEC bei gleicher BQ das DLP um 37 %
(927 mGy*cm) niedriger lag. Im Vergleich zwischen Gruppe Z und D wurde durch die Armumlagerung
das DLP um weitere 29 % (466 mGy*cm) gesenkt.
Abb. 9 In der Abbildung sind die Dosisevaluationen der Einzelscans dargestellt. Zusätzlich
zu Median/Range werden für den besseren Literaturvergleich Mittelwert und Standardabweichung
angegeben. Scanlänge und Dosislängenprodukt (DLP) inkl. Overranging. Die effektive
Dosis E wurde mittels k-Faktoren nach ICRP103 berechnet [21]
[22]. Bei gleichen Einstellungen des Geräts im Kopf-/Hals-Scan bestanden keine Unterschiede
zwischen den 3 Gruppen (Bezug auf 16 cm-Kopfphantom). Im Gegensatz dazu wurden durch
Optimierung der Dosismodulation (A – Z) und die Armumlagerung (Z – D) im Körperscan
jeweils signifikante Dosisreduktionen erreicht (Bezug auf 32 cm-Körperphantom). s = signifikant;
ns = nicht signifikant.
Die mittlere effektive Dosis einer GKCT von Scheitel bis Sitzbein ist in [Abb. 10] den Dosisreferenzwerten (DRW) des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) gegenübergestellt
[23].
Abb. 10 Für eine GKCT (Scheitel bis Sitzbein) wurden die gefundenen Dosiswerte der Einzelscans
([Abb. 9]) addiert und in Teil 1 der Abbildung gegenübergestellt. In Teil 2 wurden die alten
Dosisreferenzwerte (DRW) und die aktuellen, seit 2016 gültigen DRW des Bundesamtes
für Strahlenschutz mit k-Faktoren nach ICRP103 [21]
[22] multipliziert und damit „effektive Referenzdosen“ für die Einzelscans berechnet.
Da die alten DRW keinen Wert für die Hals-CT lieferten wurde hier stellvertretend
der neue DRW verwendet, um vergleichen zu können. Ziel war die Ermittlung eines maximalen
DRW-Rahmens für eine entsprechende elektive GKCT. Im Vergleich lagen alle Dosiswerte
über den aktuellen DRW. Da es sich bei der GKCT um Notfalldiagnostik handelt, sind
Überschreitungen der DRW jedoch legitim.
Schlussfolgerungen
-
Durch eine optimierte Einstellung der Dosismodulation kann die Strahlenexposition
auch an älteren Geräten deutlich reduziert werden.
-
Aufgrund steter Weiterentwicklung der CT durch die Hersteller sollten bestehende Protokolle
regelmäßig reevaluiert und optimiert werden.
-
Eine Untersuchung des Körpers mit Armen über dem Kopf ist – bei längerer UZ – bezüglich
BQ und Dosis der Armlagerung am Körper überlegen.
-
Das klinisch adaptierte, duale Konzept mit 2 unterschiedlich gewichteten GKCT-Protokollen
ist der Verwendung eines einzelnen Protokolls für alle Patienten („One-fits-all-Konzept“)
überlegen.
-
GKCTs führen zu relevanten Strahlenexpositionen. Weiterführende Multizenterstudien
zur Quantifizierung der durchschnittlichen Strahlenexposition durch eine GKCT sind
erforderlich.
Diskussion
Im Vergleich zwischen Gruppe A und Z kommt es bei ähnlicher UZ durch die Optimierung
der AEC unter stabiler BQ zu einer Reduktion der Strahlenexposition. Bei gegenüber
Gruppe Z gleicher Einstellung der AEC resultiert in Gruppe D allein aus der Armumlagerung
und dem dadurch veränderten Protokolldesign eine längere UZ bei reduzierter Strahlenexposition
und verbesserter BQ.
Das betrachtete Patientenkollektiv der vorliegenden Arbeit ist im Vergleich mit dem
TraumaRegister als repräsentativ zu bewerten (Jahresbericht 2016: MWAlter 51,4 a; 70 % männlich) [6].
Da das CT bei Verwendung der AEC über die Scouts den Habitus des Patienten berücksichtigt,
hat dieser direkten Einfluss auf die Dosis. Da zwischen den 3 Gruppen beim BU keine
signifikanten Unterschiede bestanden, sind verfälschte Dosiswerte durch eine asymmetrische
Verteilung von Patienten mit unterschiedlichem Habitus auf die Gruppen ausgeschlossen.
Bei der Verletzungsschwere zeigt sich im Vergleich der 3 Gruppen eine deutliche Dynamik
([Abb. 7]). Beim früher für alle Patienten genutzten ALT-Protokoll zeigt sich eine Streuung
des ISS über die komplette Breite von 0 – 75 Punkten. Demgegenüber kommt es seit Einsatz
des klinisch adaptierten Procedere zu einer Umverteilung bei Gruppe Z hin zu höheren
und in Gruppe D hin zu niedrigeren ISS. Dies spiegelt die durchgeführte klinische
Triage wider. In Summe lag bei 139 Patienten der ISS über 15 Punkten, womit nach Wurmb
theoretisch 54,9 % der Patienten übertriagiert waren [17]. Die Literatur zeigt eine breite Streuung der publizierten ISS-Werte: Huber-Wagner:
MW 28,8 ± 12,1 [2], Yaniv: MW 13 ± 11,2 [24] oder Gupta: Median 5 (IQR 1 – 13) [16]. Unterschiede sind vor allem durch ein differentes Studiendesign erklärbar. Viele
Arbeiten zur Polytrauma-GKCT vernachlässigen dieses wichtige Charakteristikum von
Trauma-Patienten. Aufgrund methodischer Unschärfen sollten zukünftige Studien zusätzlich
den genaueren NISS (New ISS) ermitteln.
Bei gleichem Protokolldesign zeigt sich bei den Gruppen A und Z eine ähnliche UZ (ca.
4 min). Durch das veränderte Protokolldesign verlängert sich die UZ bei Gruppe D auf
7,7 min. Ein Literaturvergleich ist nur eingeschränkt möglich, da unterschiedliche
Definitionen der UZ kursieren. Die Scan-Zeit (= Zeit, in der Röntgenstrahlung emittiert
wird) ist als Vergleichsgröße ungeeignet (z. B. 35 – 65 s [25]). Die verwendete Definition der UZ als Differenz aus Protokollanwahl am CT und Akquisitionszeit
des letzten Axialbildes der Primärakquisition berücksichtigt Scout-Akquisition, Planung,
Scan-Zeit, KM-Delay und ggf. durchgeführte Armumlagerungen und ist damit als realistische
Größe zu werten. Die einzelnen gefundenen Extremwerte (lebensrettende Sofortmaßnahmen,
Reanimation) wurden aus der statistischen Analyse ausgeschlossen. Die optimale und
von zukünftigen Autoren zu bevorzugende Definition der UZ wurde von Yaniv bzw. Bayer
verwendet (Differenz aus Akquisitionszeit des ersten Scout-Bildes und des letzten
Axialbildes) [24]
[26]. Die UZ von 14,1 ± 4,1 bis 14,3 ± 9,5 min bzw. von 7:30 ± 2:52 min:sec sind mit
der vorliegenden Arbeit vergleichbar. Bei instabilen Patienten mit Priorität auf kurzer
UZ der GKCT entspräche das Protokolldesign von Gruppe A bzw. Z mit 4 min UZ tatsächlich
einem zeitoptimierten Protokoll.
Das Auftreten typischer Artefakte bei Armen am Körper ist allgemein bekannt und insbesondere
bei adipösen Patienten gehäuft ([Abb. 11]). Die verwendete Definition der objektiven BQ liefert Werte für ein organspezifisches
Bildrauschen und dient dem Vergleich der hier evaluierten Protokolle. Bei Unterschieden
von CT-Gerät, AEC-Funktionsweise und Lage der ROI ist ein Vergleich der Einzelwerte
mit anderen Arbeiten nicht sinnvoll. Andere Studien mit ähnlicher Methodik kommen
zum gleichen Ergebnis: GKCT mit Armen am Körper haben eine schlechtere BQ und höhere
Dosis als mit Armen über dem Kopf [19]
[20].
Abb. 11 In der Abbildung sind verschiedene Beispiele von Einzelschichten von Körperscans
mit Armen über dem Kopf (Gruppe DOSIS – Bsp. a) und mit Armen am Körper (Gruppe ALT/ZEIT – Bsp. b – d) dargestellt. Deutlich zu erkennen sind die typischerweise auftretenden, streifenförmigen
Aufhärtungsartefakte durch die Arme. Dadurch kann insbesondere bei adipösen Patienten
die Beurteilbarkeit der Untersuchung massiv eingeschränkt sein.
Da die Kopf-/Hals-Scans mit gleicher Einstellung untersucht wurden, konnten erwartungsgemäß
keine Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt werden. Hier ist anzumerken,
dass bei Untersuchung dieser Region mit konstantem Röhrenstrom mit einer Dosis für
intrakranielle BQ der Hals in Relation überexponiert wird. Dies spiegelt sich in den
gefundenen, über den DRW des BfS liegenden Dosiswerten wider ([Abb. 9], [10]) [23]. Dieser Aspekt wurde als Gegenstand zukünftiger Protokolloptimierungen identifiziert.
Im Vergleich der Körperscans zeigen sich zwischen Gruppe Z und D ähnliche Scanlängen,
die jedoch kürzer waren als in Gruppe A. Dies ist wahrscheinlich das Resultat einer
erhöhten Planungsdisziplin der MTRA bei den neuen Protokollen, da die Überlappung
von Körper- und Bein-Scan explizit vermieden werden sollte.
Im Gruppenvergleich der Dosiswerte resultierten sowohl aus der Optimierung der AEC
mittels aktueller Software (A-Z) als auch der Armumlagerung (Z-D) signifikante Dosisreduktionen
([Abb. 9]). Beide Aspekte sind als relevante Einflussgrößen auf Dosis und BQ bekannt [19]
[20]
[27]
[28]. Bei identischer Einstellung der AEC ist zwischen Gruppe Z und D die unterschiedliche
Armlagerung die einzig mögliche Ursache für Unterschiede von BQ und Dosis ([Abb. 4]). Die Dosisreduktion durch die Armumlagerung betrug bei Brink 7 mSv, was mit der
vorliegenden Arbeit vergleichbar ist (7,2 mSv) [20]. Solche Werte sind jedoch nicht pauschalisierbar, da am gleichen Fabrikat eines
Herstellers beim gleichen Patienten allein aus einer differenten Einstellung der AEC
bereits deutliche Unterschiede resultieren können. Daraus lässt sich schlussfolgern,
dass, bei stetiger Weiterentwicklungen der CT durch die Hersteller, bestehende Protokolle
regelmäßig reevaluiert und optimiert werden müssen.
Das BfS liefert mit den 2016 aktualisierten DRW einen Rahmen, der bei typischen Untersuchungen
von Standardpatienten (70 ± 3 kg Körpergewicht) eingehalten werden soll [23]. Je nach Indikation, Habitus, speziellen Aspekten (Metallimplantate) und insbesondere
bei Notfalldiagnostik sind Überschreitungen der DRW legitim. In [Abb. 10] ist gezeigt, dass die gefundenen Dosen, insbesondere bei den Gruppen A und Z, über
den aktuellen DRW liegen, wobei die hier publizierten Dosen im Gültigkeitszeitraum
der alten DRW zwischen 2011 und 2013 akquiriert wurden. Zwischenzeitlich wurden weitere
Protokolloptimierungen durchgeführt und sind Gegenstand einer geplanten Folgearbeit.
Allgemeine Literaturmeinung ist, dass eine GKCT von Scheitel bis Sitzbein ca. 10 – 20 mSv
entspricht [13]. Dem widersprechen nicht nur die vorliegenden Werte, sondern bereits die Vermutung
von Ruchholtz (30,05 mSv) [9]. Harrieder beschreibt eine breite Streuung der Dosiswerte für eine GKCT in der Literatur
[29]. Dies hat aus unserer Sicht mehrere Gründe:
-
Es existieren verschiedene GKCT-Protokolle mit zum Teil mehrphasigen und mehrfach
überlappenden Scans.
-
Viele Studien publizieren unter Vernachlässigung der Kopf-/Hals-Scans nur Dosiswerte
für Körperscans.
-
Einige Arbeiten liefern Daten stattgehabter Strahlenexpositionen [19]
[20]
[24]
[27]
[29], andere rechnen mit Phantomstudien und wieder andere liefern Pauschalwerte, deren
Herkunft nicht nachvollziehbar ist.
-
Dosiswerte werden auf sehr unterschiedliche, teils unvollständige Art und Weise publiziert.
Zudem kursieren verschiedene k-Faktoren, die entweder auf Gewebe-Wichtungs-Faktoren
nach ICRP 60 oder nach der aktuellen ICRP 103 basieren [21]
[22]
[30]. Je nach publizierten, dosisrelevanten Parametern kann eine Umrechnung und damit
eine Vergleichbarkeit mit anderen Studien eingeschränkt bis unmöglich sein. Rechnet
man die publizierten Werte mit den k-Faktoren von Huda in mit dieser Studie vergleichbare
Werte um, so wurden bisher Dosiswerte von 41,1 – 49,5 mSv [25], 26,2 – 28 mSv [29], 15,7 – 20,2 mSv [27], 11,4 – 28,2 mSv [20] oder 12,4 – 18,2 mSv [24] publiziert. Hierbei ist explizit anzumerken, dass die letzten 3 Arbeiten nur Werte
für die Körperscans liefern, nicht aber für die Kopf-/Hals-Scans. Bisher existiert
zu diesem Thema keine anonymisierte, retrospektive Multizenterevaluation.
Vergleicht man auf aktuellstem Stand von Hard- und Software ein „One-fits-all-Konzept“
mit dem klinisch adaptierten Konzept ergeben sich aus den gefundenen Daten folgende
Gesichtspunkte:
Bei bisher alleiniger Verwendung eines Protokolls mit Armen am Körper für alle Patienten
(ZEIT-Protokoll) bietet die additive Vorhaltung eines DOSIS-Protokolls die Möglichkeit
bei stabilen Patienten gemäß ALARA-Prinzip mit adäquater Dosis und besserer BQ zu
untersuchen. Daraus resultiert eine reduzierte kollektive Strahlenexposition, wovon
insbesondere im Schockraum übertriagierte, jedoch nur leicht verletzte Patienten profitieren.
Bei bisher alleiniger Verwendung eines DOSIS-Protokolls mit Armumlagerung über Kopf
für alle Patienten profitieren bei additiver Vorhaltung eines ZEIT-Protokolls durch
die reduzierte UZ und die damit zeiteffizientere Versorgung insbesondere kreislaufinstabile
Schwerstverletzte. Eine höhere Strahlenexposition ist für diese Patienten im Rahmen
der Notfalldiagnostik akzeptabel.
Bei Vorhaltung unterschiedlich gewichteter GKCT-Protokolle kann somit flexibler und
individueller auf den Patienten und seine klinische Situation eingegangen werden.
Bei Patienten mit relevantem Trauma-Mechanismus besteht ein alternatives Diagnostikkonzept
aus der Kombination von Sonografie, Röntgenaufnahmen des Körperstammskeletts und falls
nötig im Anschluss CT einzelner Körperregionen. Unter Summierung von Literaturwerten
ergibt sich für die Röntgendarstellung von HWS, BWS, LWS, Thorax und Becken eine effektive
Dosis von 3,32 mSv [31]. Dies entspricht reichlich 1/10 der Dosis einer GKCT ([Abb. 10]). Die Darstellung des Thorax p. a. entspricht 0,02 mSv, eine GKCT mit 30 mSv entspräche
damit 1500 Röntgenaufnahmen des Thorax.
Die durchschnittliche jährliche Strahlenexposition eines Deutschen beträgt laut BfS
4 mSv, bestehend aus natürlichen und zivilisatorischen Quellen. Trauma-Patienten sind
häufig sehr jung und in ihrer Anamnese meist nur mit der natürlichen Strahlenexposition
konfrontiert gewesen (2,1 mSv). Eine GKCT mit 30 mSv entspräche damit einer natürlichen
Strahlenexposition von 14,3 a.
Limitationen
Grundlegende Limitationen dieser Studie liegen in ihrem retrospektiven, monozentrischen,
unverblindeten und nicht randomisierten Design.
Besonders bei adipösen Patienten besteht eine hohe Lagevarianz des Nabels. Daher sollten
zukünftige Studien den BU entlang der z-Achse nicht wie in dieser Studie anhand des
Nabels, sondern anhand knöcherner Landmarken festlegen (z. B. LWK3).
Bei Untersuchungen mit Armen am Körper wird durch den BU das tatsächlich strahlenexponierte
Körpervolumen unvollständig wiedergegeben. Daher wurden in dieser Arbeit keine Korrelationen
von BU und Dosis präsentiert.
Die verwendete Definition der UZ ist anfällig für Ausreißer, z. B. durch eine prolongierte
Schockraumversorgung. Die von Yaniv bzw. Bayer verwendete Definition ist für zukünftige
Studien zu bevorzugen [24]
[26].
In der Analyse der UZ wurde nicht zwischen GKCT mit oder ohne Bein-Scan unterschieden.
Daraus resultieren Ungenauigkeiten der UZ bei Patienten mit durchgeführtem Bein-Scan
(Häufigkeit: Z > A > D) von ca. 20 s (5 s Interscan-Delay zum Körperscan und ca. 15 s
Scan-Zeit der Bein-Scans). Damit lässt sich insbesondere der UZ-Unterschied zwischen
Gruppe A und Z erklären.
Als weitere Limitation ist die Untersuchung aller Patienten auf einem CT-fähigen Spineboard
zu nennen. Diese können einen signifikanten Einfluss auf Dosis und BQ haben [32]. Dieser Aspekt wurde in dieser Studie nicht evaluiert. Da alle Patienten so untersucht
wurden, stellt dies einen systemischen Fehler dar und ist innerhalb der Arbeit zu
vernachlässigen.
Zusammenfassung
Die Akutversorgung von Polytraumata ist eine interdisziplinäre Herausforderung für
die behandelnden Trauma-Zentren. Meist existiert für die Abläufe eine interdisziplinär
definierte Richtlinie, die zwischen verschiedenen Krankenhäusern teils erhebliche
Unterschiede aufweisen kann. Die Diagnostik mittels GKCT fügt sich hier als ein wichtiger
Baustein in ein Gesamtkonzept ein und ist dabei komplexen Einflüssen und Wechselwirkungen
unterworfen. Neben technischen Faktoren des CT-Geräts (Hersteller, Fabrikat, Softwareoptionen,
maximale Scanlänge, iterative Rekonstruktionen) und den eigentlichen Geräteeinstellungen
(Röhrenspannung, Rotationszeit, AEC) haben auch räumliche, logistische und interdisziplinäre
Aspekte (CT im Schockraum oder getrennte Räume, Ablauf der Schockraumversorgung, Head-/
Feet-first-Lagerung, Armlagerung, KM-Regime) Einfluss auf das Protokolldesign. Aufgrund
dieser hohen Komplexität müssen je nach gesetztem Fokus gegenüber elektiven Standardprotokollen
einzelner Körperregionen immer Kompromisse eingegangen werden. Es existieren viele
Publikationen, die sich mit dem Thema der Protokolloptimierung bei der GKCT teils
hersteller- bzw. gerätebezogen befassen, teils bezogen auf Einzelaspekte des Protokolldesigns
oder verschiedene Designs miteinander vergleichen. Eine Multizenterstudie, die die
durchschnittliche Strahlenexposition durch GKCTs genauer quantifiziert, existiert
bisher nicht.
Auch zum Thema Indikationsstellung selber sind weitere Forschungen notwendig, um ein
praktikables Konzept zu entwickeln, das eine Untertriage möglichst ausschließt und
die Übertriagerate relativ gering hält. Die vorliegende Arbeit präsentiert ein klinisch
adaptiertes Konzept, dass sich zwischen Indikationsstellung und Durchführung einer
GKCT einfügt. Es ermöglicht ein flexibleres Eingehen auf individuelle Einzelaspekte
von Trauma-Patienten im Schockraum und bietet eine Option, die kollektive Strahlenexposition
trotz durchgeführter GKCT zu senken.
Klinische Relevanz der Studie
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Die vorliegende Arbeit präsentiert ein Konzept für die GKCT mehrfachverletzter Patienten:
Durch die Vorhaltung zweier unterschiedlich gewichteter Protokolle kann im Schockraum
individueller auf die klinische Situation des Trauma-Patienten eingegangen werden.
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Das zeitoptimierte GKCT-Protokoll zielt auf schwerstverletzte Patienten ab – der Fokus
liegt auf möglichst kurzer Untersuchungszeit, wobei Kompromisse bei Bildqualität und
Strahlenexposition eingegangen werden.
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Das dosisoptimierte GKCT-Protokoll zielt auf leichter verletzte, gegebenenfalls übertriagierte
Patienten ab – der Fokus liegt auf einer möglichst niedrigen Strahlenexposition unter
Nutzung möglichst vieler Optionen zur Dosisreduktion.
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Das hier vorgestellte, klinisch adaptierte Konzept ist möglicherweise ein weiterer
Schritt zur Verbesserung der Akutversorgung von Trauma-Patienten in Deutschland mit
dem Ziel der Reduktion der kollektiven Dosis.