Die gute Nachricht: Die Amerikaner sind bei jungen Patienten zurückhaltend mit der Implantation von Radiuskopfprothesen und tendieren hier, wenn operiert wird, eher zur schwierigeren offenen Reposition und Osteosynthese.
Die erwartete Nachricht: Ligamentäre Verletzung heilen schlechter als knöcherne. Radiuskopffrakturen mit assoziierten statischen Ellenbogenluxationen (soweit verständlich auf dem initial durchgeführten Röntgenbild, also mit humeroulnarer Dislokation) zeigten nach 1 und 2 Jahren sehr hohe Re-Operationsraten.
Die schlechte Nachricht: Radiuskopffrakturen mit begleitenden Ulnafrakturen werden scheinbar unterschätzt. Nur 9,6 % dieser Kombinationsverletzungen wurden lt. dieser Studie chirurgisch versorgt und die Re-Operationsrate in dieser Gruppe lag mit 23,1 % nach 2 Jahren am höchsten.
Damit eine Radiuskopffraktur entsteht, muss meiner Meinung nach eine Subluxation bzw. ein Luxationsmechanismus im Ellenbogengelenk stattfinden. Ligamentäre Zusatzverletzungen unterschiedlichen Ausmaßes und unterschiedlicher Relevanz sind von daher regelmäßig zu erwarten. Im eigenen Vorgehen achten wir insbesondere auf Hinweise für eine mediale ligamentäre Läsion, die sich in Schwellung und Hämatom über den medialen Aspekt des Ellenbogengelenkes äußert – in diesem Fall ist zu erwarten, dass ligamentär und muskulär relevante mediale Zusatzpathologien (auch ohne begleitende Koronoidfraktur) vorliegen und eine konservative Therapie eher nicht Erfolg versprechend ist. Dann fehlt einerseits die ligamentäre mediale Stabilität und andererseits die sekundäre Abstützung für die mediale Stabilität, da der Radiuskopf ja gebrochen ist. In diesem Fall ist eine Osteosynthese des Radiuskopfes und ligamentäre laterale Stabilisierung indiziert und je nach operativem Befund ggf. eine zusätzliche mediale offene Stabilisierung der Bandläsion oder eine externe Fixation zur indirekten Adressierung insbesondere der medialen Instabilität.
Etwas überraschend ist, dass bei 58 404 Radiuskopffrakturen nur 769-mal eine begleitende Koronoidfraktur (1,3 %) verschlüsselt wurde – vorstellbar ist, dass diese oft übersehen oder auch unterschätzt wird. Bei den Terrible-Triad-Verletzungen liegen häufig transversale Frakturen des Koronoids vor, die früher als Spitzenfrakturen bezeichnet wurden und heute als O’Driscoll 1 klassifiziert werden. Diese können vergleichsweise klein sein und sind erst im CT im vollen Ausmaß einsehbar. Sie sind häufig Zeichen einer Terrible-Triad-Verletzung mit einer anterioren Fraktur des Radiuskopfes, begleitet von einer Bandruptur, insbesondere auch medial. Wenn dabei die anterior-mediale Facette des Koronoids mit involviert ist und nicht adressiert wird, verbleibt eine mediale Instabilität, die zu einer schnell fortschreitenden generellen Schliffarthrose des gesamten Ellenbogengelenkes führt. Wünschenswert wären eine CT-basierte Auswertung und die Zwei-Jahres-Ergebnisse der Radiuskopffrakturen und unterschiedlichen Koronoidfrakturen.
Im eigenen Vorgehen führen wir standardmäßig ein CT bei Radiuskopffrakturen durch und achten besonders auf potenzielle Koronoidfrakturen, um uns dann für entsprechende Therapie zu entscheiden.
David Ring (damals am Massachusetts General Hospital, Kollege von Jesse Jupiter) veröffentliche eine viel zitierte Arbeit (JBJS 84-A NO10/2002), in der er aufgrund der schlechten Ergebnisse der Osteosynthese propagierte, dass bei über drei Fragmenten des Radiuskopfes eine Prothese implantiert werden sollte. Mir selbst erschien auf den amerikanischen Kongressen, insbesondere den AAOS-Meetings Anfang der 2000er-Jahre, dass sich dieses Vorgehen bei den amerikanischen Kollegen auch durchgesetzt hat: Die vorliegende Studie widerlegt dies aber und stellt klar, dass insbesondere bei den jüngeren Patienten derm Versuch einer Osteosynthese Vorrang gegeben wird. In wenigen Fällen haben auch wir bei sehr jungen Patienten eine Rekonstruktion des Radiuskopfes „on the table“ durchgeführt und mit früher Metallentfernung und Arthrolyse mittelmäßig gute Ergebnisse erzielt. Wir denken, dass die Implantation einer Radiuskopfprothese (Hemiendoprothese), insbesondere beim jungen Patienten, nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden sollte. Andererseits ist bei komplexen Brüchen des Ellenbogengelenkes mit Zusatzverletzungen des Koronoids bzw. der lateralen oder medialen Bänder oder der Ulna eine stabile radiale Säule notwendig, damit die Zusatzverletzungen ausheilen können. Von daher implantieren wir auch bei sehr jungen Patienten, wenn eine Rekonstruktion primär oder sekundär nicht erfolgreich war, eine Radiuskopfprothese, damit insbesondere die ligamentären Zusatzverletzungen, aber auch das Koronoid bzw. die proximale Ulna stabil ausheilen können. Ob die Radiuskopfprothese dann nach Ausheilung der Zusatzverletzungen sekundär wieder entfernt werden sollte, bleibt offen und wird bis dato mit regelmäßiger Frequenz nicht durchgeführt.
Autorinnen/Autoren
Prof. Lars P. Müller, Schwerpunkt: Unfall-, Hand- und Ellenbogenchirurgie, Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum (AÖR), Köln