CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(09): 853-858
DOI: 10.1055/a-0648-5374
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Detektion und Management von fetalen Trisomien im Wandel der Zeit

Article in several languages: English | deutsch
Natalia Prodan
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Markus Hoopmann
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Harald Abele
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Philipp Wagner
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Diethelm Wallwiener
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Sara Brucker
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
,
Karl Oliver Kagan
Universitäts-Frauenklinik Tübingen, Tübingen, Germany
› Author Affiliations
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Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Karl Oliver Kagan
Universitäts-Frauenklinik Tübingen
Calwerstraße 7
72076 Tübingen
Germany   

Publication History

received 06 May 2018
revised 18 June 2018

accepted 25 June 2018

Publication Date:
14 September 2018 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob sich der Zeitpunkt der Diagnose einer fetalen Trisomie 21/18/13 und die Häufigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs in den vergangenen 10 Jahren geändert hat.

Material und Methoden Retrospektive Studie an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen, bei der die Fälle mit prä- und postnataler Diagnose einer Trisomie untersucht wurden. Voraussetzung war, dass die Patientinnen in der pränatalmedizinischen Abteilung gesehen wurden. Untersucht wurde der Zeitpunkt der Diagnose, die Häufigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs und das Gestationsalter bei einem Abbruch.

Ergebnisse Zwischen 2007 und 2017 wurde bei 498 Feten bzw. Neugeborenen eine Trisomie 21/18/13 diagnostiziert. Bei 311 der Feten bzw. Neugeborenen wurde eine Trisomie 21 festgestellt, bei 134 eine Trisomie 18 und bei 53 eine Trisomie 13. Der mediane Zeitpunkt der Diagnose bei Feten mit Trisomie 21 lag zwischen 14,4 und 13,6 SSW. Die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen stieg leicht an von 66,7% zwischen 2007 und 2010 auf 75,5% zwischen 2015 und 2017. Das mediane Gestationsalter zum Zeitpunkt des Abbruchs blieb dabei konstant bei 14,9 bzw. 15,0 SSW. Der mediane Zeitpunkt der Diagnose bei Feten mit Trisomie 18/13 lag im Untersuchungszeitraum zwischen 13,6 und 14,6 SSW. Der Anteil der betroffenen Schwangerschaften, die in den 3 Zeiträumen abgebrochen wurden, stieg leicht von 57,4 auf 69,0%. Das Gestationsalter blieb dabei aber unverändert bei 15,0 bzw. 15,1 SSW.

Schlussfolgerung Der Zeitpunkt der intrauterinen Diagnose einer Trisomie 21/18/13 hat sich in den vergangenen 10 Jahren nicht verändert. Die Häufigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs stieg leicht an, wobei der Zeitpunkt des Abbruchs unverändert blieb.


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Einleitung

In den vergangenen Jahren hat sich das vorgeburtliche Aneuploidie-Screening erheblich weiterentwickelt [1], [2].

Noch in den 1990er-Jahren basierte die vorgeburtliche Risikoevaluation hauptsächlich auf dem mütterlichen Altersrisiko [3]. In den folgenden Jahren wurde mit der Einführung des kombinierten Ersttrimester-Screenings (ETS) das alleinige Screening anhand des mütterlichen Altersrisikos weitgehend abgelöst [4]. Der Vorteil lag vor allem in der deutlich höheren Testgüte. So konnten mithilfe des ETS etwa 90 – 95% der Feten mit Trisomie 21 und 95% der Feten mit Trisomie 18 und 13 erkannt werden, während die Detektionsrate auf der Basis des mütterlichen Alters nur etwa bei 50% für Trisomie 21 und bei 10% für Trisomie 18/13 lag [5], [6], [7]. Noch entscheidender war der Abfall der Falsch-positiv-Rate von 25 auf 5%. Hui et al. zeigten für Australien, dass die Fruchtwasserpunktionen als Konsequenz der Einführung des ETS ab dem Jahr 2000 deutlich zurückgingen [8].

In den vergangenen Jahren kann mit der Einführung der zellfreien DNA (cfDNA) in die Pränataldiagnostik ein neuer Paradigmenwechsel beobachtet werden. Durch dieses Screening-Verfahren lassen sich etwa 99% der Schwangerschaften mit Trisomie 21 und 93 bzw. 84% der Schwangerschaften mit Trisomie 18 und 13 erkennen bei einer Falsch-positiv-Rate von jeweils etwa 0,05% [9]. Anfänglich noch durch den hohen Preis dieser Methode mit Zurückhaltung bewertet, führen die nun deutlich günstigeren Preise zu einer stetig größer werdenden Bedeutung im pränatalen Screening auf Trisomie 21. Dies hat zu der Überlegung geführt, ob die cfDNA-Analyse in Kombination mit einer ausführlichen Ultraschalluntersuchung auch als primäre Screening-Strategie eingesetzt werden könnte [10]. Neben der verbesserten Testgüte wird die einfache Handhabung der cfDNA-Analyse hervorgehoben, da sie nur eine Blutabnahme und eine Beratung im Sinne des GenDG beinhaltet.

Durch die Einführung des ETS hat sich der frühestmögliche Zeitpunkt der Diagnose einer Chromosomenstörung aus dem 2. in das 1. Trimenon verlegt. Die cfDNA-Analyse ermöglicht zudem eine noch frühere Risikoeinschätzung. Es wird befürchtet, dass sich durch ein immer frühzeitigeres und unkomplizierteres Aneuploidie-Screening die Einstellung zu Schwangerschaften mit einer fetalen Chromosomenstörung ändert und dass die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen ansteigt. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse von Hill et al. wurde die Einstellung zu einem Schwangerschaftsabbruch bei mittels cfDNA-Analyse ermittelter Trisomie 21 untersucht. Interessanterweise blieb diese gleich oder nahm sogar im Vergleich zur Prä-cfDNA-Ära ab [11].

In dieser Arbeit soll untersucht werden, ob sich in einem großen Perinatalzentrum – mit regionalem und überregionalen Versorgungsauftrag – der Zeitpunkt der Diagnose einer fetalen Trisomie 21, 18 und 13 sowie die Häufigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs in den vergangenen 10 Jahren geändert hat. Der 10-Jahres-Abschnitt ist durch die zunehmende Inanspruchnahme des Ersttrimester-Screenings und seit einigen Jahren auch durch das Screening mittels cfDNA-Analyse geprägt.


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Material und Methoden

Beschreibung des Studienkollektivs

In der Abteilung für Pränatalmedizin des Universitätsklinikums Tübingen werden jährlich etwa 12 000 Patientinnen gesehen. In der Abteilung sind insgesamt 4, davon 2 DEGUM-III-zertifizierte Ärzte beschäftigt. Patientinnen werden für Screening-Untersuchungen und zur Abklärung auffälliger Befunde überwiesen.

Es wird das gesamte Spektrum an Screening-Untersuchungen angeboten. Seit 2012 beinhaltet dies auch die cfDNA-Analyse. Allen Schwangeren mit einem auffälligen Ultraschall, cfDNA- oder sonstigem auffälligen Screening-Befund wird eine diagnostische Punktion (in der Regel Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie) angeboten. Sollte diese nicht gewünscht sein, wird auf die nachgeburtliche Diagnostik verwiesen.

Bei einem alleinigen Verdacht auf eine Trisomie 21 erfolgt kein Schwangerschaftsabbruch. Dieser bedarf immer einer Karyotypisierung vorab. Bei Verdacht auf eine Trisomie 18 oder 13 kann der Schwangerschaftsabbruch durch die multiplen Fehlbildungen und der daraus resultierenden Belastungssituation bedingt sein. Grundsätzlich wird auch in diesen Fällen versucht, die Karyotypisierung vor dem Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Sollte dies nicht möglich sein, erfolgt immer eine postmortale Karyotypisierung.

Schwangerschaftsabbrüche erfolgen ohne zeitliche Beschränkung. Gegebenenfalls wird vorab ein Fetozid durchgeführt. Sollte sich die Patientin für das Austragen der Schwangerschaft entscheiden, wird das Neugeborene bei einer Trisomie 21 in üblicher Weise versorgt. Bei Neugeborenen mit Trisomie 18 und 13 wird eine palliative Betreuung oder im Einzelfall die Maximalversorgung diskutiert.

Erfolgt die Entbindung in einer anderen Geburtseinrichtung, werden die Geburtsdaten und der Karyotyp nachträglich in die Viewpoint-Datenbank eingetragen.

Alle Patientinnen, die zu einen Schwangerschaftsabbruch nach § 218a StGB Abs. 2 überwiesen werden, werden vorab in der Abteilung für Pränatalmedizin gesehen und beraten.

Alle erhobenen Informationen werden in der digitalen Viewpoint-Datenbank gespeichert. Dazu gehören neben den Ultraschalluntersuchungen auch die Befunde der Screening-Untersuchungen sowie die der prä- und postnatalen Karyotypisierung. Zudem werden alle Schwangerschaftsabbrüche nach § 218a StGB Abs. 2 vermerkt.

Für diese Studie wurde eine Abfrage der Viewpoint-Datenbank durchgeführt, um die Schwangerschaften zu finden, bei denen vor- und nachgeburtlich eine fetale Trisomie 21, 18 und 13 diagnostiziert wurde und die in der Abteilung für Pränatalmedizin gesehen wurden. Abgefragt wurde das mütterliche Alter und das Gestationsalter bei Verdacht und bei Diagnosestellung, die Untersuchungsmethode und das Outcome der Schwangerschaft.


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Statistische Analyse

Alle Ergebnisse wurden als Median mit Interquartilen-Range oder als in Prozent der jeweiligen Ausgangspopulation angegeben. Der Anteil der Schwangerschaftsabbrüche pro Untersuchungsintervall wurde durch Betrachtung der 95%-Konfidenzintervalle verglichen. Bei Überlagerung der Konfidenzintervalle wurde von einem nicht signifikanten Ergebnis ausgegangen. Das Gestationsalter zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs in der Gruppe 2007 – 2010 wurde mit dem Gestationsalter in der Gruppe 2015 – 2017 mithilfe eines Mann-Whitney U-Tests verglichen. Mithilfe des Shapiro-Wilk-Tests wurde vorab eine Normalverteilung ausgeschlossen. Das Signifikanzniveau lag bei < 0,05.


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Ergebnisse

Demografische Charakteristika

Zwischen 2007 und 2017 wurde am Perinatalzentrum des Universitätsklinikums Tübingen bei 498 Feten bzw. Neugeborenen, die in der Abteilung für Pränatalmedizin untersucht wurden, eine Trisomie 21, 18 oder 13 diagnostiziert. Bei 311 (62,4%) der Feten bzw. Neugeborenen wurde eine Trisomie 21 festgestellt, bei 134 (26,9%) eine Trisomie 18 und bei 53 (10,6%) eine Trisomie 13.

Für die weitere Auswertung wurden die Schwangerschaften mit einer fetalen Trisomie 18 und 13 gemeinsam betrachtet.

In [Tab. 1] und [2] ist der Zeitpunkt der Diagnose einer Trisomie 21 oder einer Trisomie 18/13, die durchgeführten Untersuchungen an der Universitäts-Frauenklinik und der Ausgang der Schwangerschaften zusammengefasst. Die Ergebnisse werden für die Untersuchungszeiträume 2007 – 2010, 2011 – 2014 und 2015 – 2017 getrennt aufgezeigt.

Tab. 1 Schwangerschaftsverläufe bei Trisomie 21. Die Tabelle gibt in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitraum die Anzahl der betreuten Fälle mit der Chromosomenstörung, das mittlere, mütterliche Alter und Gestationsalter bei Diagnosestellung, den Anteil der Schwangerschaften, die abgebrochen wurden, und das Gestationsalter beim Schwangerschaftsabbruch an. Zudem ist der Anteil der Schwangerschaften aufgezeigt, bei denen eine zellfreie DNA-Analyse und eine diagnostische Punktion durchgeführt wurde.

2007 – 2010 (3 Jahre)

2011 – 2014 (3 Jahre)

2015 – 2017 (2 Jahre)

* Die Diagnosestellung erfolgte mittel prä- oder postnataler Karyotypisierung.

IQR = 25 – 75% Interquartilenabstand, n = Anzahl, SSW = Schwangerschaftswoche

prä- und postnatal diagnostizierte Feten und Neugeborene mit Trisomie 21, n

81

120

110

mütterliches Alter bei Diagnose

Jahre, Median (IQR)

37,3 (35,1 – 39,7)

36,1 (32,2 – 39,9)

37,2 (35,2 – 39,7)

zellfreie DNA-Analyse, n (%)

0 (0)

3 (2,5)

28 (25,5)

diagnostische Punktion, n (%)

76 (93,8)

101 (84,2)

106 (96,4)

Gestationsalter bei Diagnose*

SSW, Median (IQR)

14,4 (12,9 – 16,8)

13,6 (12,6 – 15,7)

13,9 (12,9 – 16,6)

bis 13 + 6 SSW, n (%)

41 (50,6)

64 (53,3)

63 (57,3)

14 + 0 bis 17 + 6 SSW, n (%)

24 (29,9)

20 (16,7)

29 (26,4)

18 + 0 bis 22 + 6 SSW, n (%)

4 (4,9)

11 (9,2)

9 (8,2)

nach 23 + 0 SSW, n (%)

7 (8,6)

5 (5,0)

5 (4,5)

postpartal, n (%)

5 (6,2)

19 (15,8)

4 (3,6)

Schwangerschaftsabbruch

n (% [95%-KI])

54 (66,7 [55,3 – 76,8])

82 (68,3 [59,2 – 76,2])

83 (75,5 [66,3 – 83,1])

Gestationsalter beim Schwangerschaftsabbruch

SSW, Median (IQR)

14,9 (13,9 – 18,1)

15,0 (13,7 – 16,9)

14,9 (13,9 – 18,3)

Tab. 2 Schwangerschaftsverläufe bei Trisomie 18 und Trisomie 13. Die Tabelle gibt in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitraum die Anzahl der betreuten Fälle mit der Chromosomenstörung, das mittlere, mütterliche Alter und Gestationsalter bei Diagnosestellung, den Anteil der Schwangerschaften, die abgebrochen wurden, und das Gestationsalter beim Schwangerschaftsabbruch an. Zudem ist der Anteil der Schwangerschaften aufgezeigt, bei denen eine zellfreie DNA-Analyse und eine diagnostische Punktion durchgeführt wurde.

2007 – 2010 (3 Jahre)

2011 – 2014 (3 Jahre)

2015 – 2017 (2 Jahre)

* Die Diagnosestellung erfolgte mittel prä- oder postnataler Karyotypisierung.

IQR = 25 – 75% Interquartilenabstand, n = Anzahl, SSW = Schwangerschaftswoche

prä- und postnatal diagnostizierte Feten und Neugeborene mit Trisomie 13/18

47

69

71

mütterliches Alter bei Diagnose

Jahre, Median (IQR)

38,5 (34,0 – 40,5)

35,8 (33,4 – 39,9)

36,2 (33,0 – 40,2)

zellfreie DNA-Analyse, n (%)

0 (0)

1 (1,4)

3 (4,2)

diagnostische Punktion, n (%)

42 (89,4)

66 (95,7)

67 (94,4)

Gestationsalter bei Diagnose*

SSW, Median (IQR)

13,8 (12,4 – 21,9)

14,6 (12,4 – 20,6)

13,6 (12,6 – 18,1)

bis 13 + 6 SSW, n (%)

24 (51,1)

35 (50,7)

41 (57,7)

14 + 0 bis 17 + 6 SSW, n (%)

2 (4,3)

11 (15,9)

10 (14,1)

18 + 0 bis 22 + 6 SSW, n (%)

8 (17,0)

10 (14,5)

11 (15,5)

nach 23 + 0 SSW, n (%)

8 (17,0)

11 (15,9)

7 (9,9)

postpartal, n (%)

5 (10,6)

2 (2,9)

2 (2,8)

Schwangerschaftsabbruch

n (% [95%-KI])

27 (57,4 [42,2 – 71,7])

45 (65,2 [52,8 – 76,3])

49 (69,0 [56,9 – 79,5])

Gestationsalter beim Schwangerschaftsabbruch

SSW, Median (IQR)

15,1 (13,6 – 21,0)

15,0 (13,3 – 21,1)

15,1 (13,4 – 18,0)


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Trisomie 21

Insgesamt ist eine stete Zunahme der diagnostizierten Fälle mit einer fetalen Trisomie 21 zu beobachten.

Der mediane Zeitpunkt der Diagnose mittels Karyotypisierung lag zwischen 14,4 und 13,6 SSW. Die Hälfte der Fälle wurde vor 13 + 6 SSW diagnostiziert mit leicht steigender Tendenz.

Der Anteil der Trisomie-21-Schwangerschaften, bei denen eine zellfreie DNA-Analyse durchgeführt wurde, stieg im Verlauf der 3 Untersuchungszeiträume von 0 auf 25,5%. 91,0% der Schwangeren mit einer fetalen Trisomie 21 entschlossen sich aufgrund eines erhöhten Risikos zu einer diagnostischen Punktion, 8,4% entschieden sich gegen eine Punktion und bei 2 Frauen (0,6%) wurde während der Schwangerschaft kein erhöhtes Risiko vermutet. Änderungen im Verlauf des Untersuchungszeitraums sind nicht erkennbar.

Die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen stieg leicht an, von 66,7% zwischen 2007 und 2010 auf 75,5% zwischen 2015 und 2017. Der Anstieg war jedoch nicht signifikant. Das mediane Gestationsalter zum Zeitpunkt des Abbruchs blieb dabei konstant bei 14,9 bzw. 15,0 SSW (keine signifikante Änderung zwischen 2007 – 2010 zu 2015 – 2017, p = 0,469).


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Trisomie 18 und 13

Bei Schwangerschaften mit einer fetalen Trisomie 18/13 zeigte sich ein ähnliches Bild ([Tab. 2]). Die Anzahl der diagnostizierten Chromosomenstörungen stieg von 47 auf 71 Fälle pro Untersuchungszeitraum an.

89,4 bis 94,4% der Patientinnen entschieden sich nach der Feststellung eines erhöhten Risikos für eine diagnostische Punktion. Der mediane Zeitpunkt der Diagnose mittels Karyotypisierung lag zwischen 13,6 und 14,6 SSW. Dabei stieg der Anteil der Diagnosen vor 13 + 6 SSW im Verlauf der Untersuchungszeiträume von 51,1 auf 57,7% an, während die Diagnosen nach 23 + 6 SSW von 17,0 auf 9,9% fielen.

Der Anteil der betroffenen Schwangerschaften, die in den 3 Zeiträumen abgebrochen wurden, stieg ebenfalls leicht, aber nicht signifikant von 57,4 auf 69,0%. Das Gestationsalter blieb dabei aber unverändert bei 15,0 bzw. 15,1 SSW (keine signifikante Änderung zwischen 2007 – 2010 zu 2015 – 2017, p = 0,760). Die zellfreie DNA-Analyse war in diesem Kollektiv nicht von Bedeutung.


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Anteil der Schwangerschaftsabbrüche nach Diagnosestellung

[Tab. 3] zeigt die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche bei fetaler Trisomie 21, 18 und 13 in Abhängigkeit vom Gestationsalter der Diagnose. Während vor 23 + 0 SSW die Mehrheit der Schwangerschaften abgebrochen wurden, entschieden sich die meisten Patientinnen nach 23 + 0 SSW gegen einen Schwangerschaftsabbruch. Im Vergleich der 3 Untersuchungszeiträume ist kein klarer Trend erkennbar.

Tab. 3 Schwangerschaftsabbrüche bei fetaler Trisomie 13/18 und 21 in Abhängigkeit vom Gestationsalter bei Diagnosestellung.

Zeitpunkt der Diagnosestellung

2007 – 2010 (3 Jahre)

2011 – 2014 (3 Jahre)

2015 – 2017 (2 Jahre)

* Anteil der Schwangerschaftsabbrüche an allen Schwangerschaften mit diagnostizierter Chromosomenstörung

n = Anzahl, SSW = Schwangerschaftswoche

bis 13 + 6 SSW, n (%)*

49 (75,4)

82 (82,8)

85 (81,7)

14 + 0 bis 17 + 6 SSW, n (%)*

20 (76,9)

26 (83,9)

31 (79,5)

18 + 0 bis 22 + 6 SSW, n (%)*

10 (83,3)

15 (71,4)

14 (70,0)

nach 23 + 0 SSW, n (%)*

2 (13,3)

4 (23,5)

2 (16,7)

Bei 35 Schwangerschaften wurde eine cfDNA-Analyse durchgeführt. In dieser Gruppe wurden 23 (65,7%) Schwangerschaften abgebrochen. In der Gruppe der Schwangerschaften ohne cfDNA-Analyse war die Abbruchrate ähnlich hoch (317 [68,5%] von 463 Fällen).


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Diskussion

In dieser Studie wurden das Gestationsalter bei Diagnose einer Trisomie 21, 18 oder 13, die Häufigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs bei entsprechender Chromosomenstörung und das Gestationsalter bei Durchführung des Abbruchs untersucht. Dabei zeigte sich im Verlauf der letzten 10 Jahre eine deutliche Zunahme der diagnostizierten Fälle. Der mediane Zeitpunkt der Diagnose lag im gesamten Untersuchungszeitraum bei etwa 14 SSW. Die Rate an Abbrüchen nahm leicht, aber nicht signifikant zu von 66,7 auf 75,5% für Schwangerschaften mit Trisomie 21 und von 57 auf 69% für Schwangerschaften mit Trisomie 18 und 13. Das Gestationsalter bei einem Schwangerschaftsabbruch blieb unverändert.

Boyed et al. untersuchten die Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen nach pränataler Diagnose einer Trisomie 21 in 19 Eurocat-Zentren in Europa in den Jahren 2002 bis 2004. Die Raten variierten zwischen 76 und 100% und lagen in den deutschen Zentren bei 96%. Dabei wurde die Diagnose im Mittel bei 15 SSW gestellt [12]. In einer Studie aus Japan wurden 94% der Schwangerschaften mit Trisomie 21 abgebrochen. Bei Trisomie 18 und 13 lagen die Raten bei 85 und 72% [13]. Auch in der Studie von Hume et al. aus den USA, die die Jahre 2005 bis 2014 umfasste, lag die Rate an Schwangerschaftsabbrüche bei Trisomie 21 bei 94% [14].

Interessanterweise entschieden sich bei Vorliegen einer Trisomie 18 oder 13 etwas mehr Frauen für ein Austragen der Schwangerschaft als bei Schwangerschaften mit Trisomie 21.

Dies beruht vermutlich auf der palliativen Begleitungsoption bei Schwangerschaften mit Trisomie 18 und 13.

Hill et al. fassten die Ergebnisse von 14 Studien zusammen, die die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen vor und nach Einführung der cfDNA-Analyse untersuchten. Die Abbruchsrate lag vor Einführung der cfDNA-Analyse je nach Studie zwischen 67 und 96%. Mit Einführung der cfDNA-Analyse änderte sich diese Rate nicht [11]. Unsere eigenen Daten sind hinsichtlich der absoluten Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen bei Trisomie 21 konkordant mit den Ergebnissen von Hill et al. Im Gegensatz dazu konnte in unserer Studie in den vergangenen Jahren ein leichter Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche beobachtet werden. Ob dies Ausdruck einer sich ändernden Einstellung zu Kindern mit Trisomie 21 ist oder tatsächlich Folge der frühzeitigen Screening-Methoden darstellt, kann nicht abschließend beantwortet werden.

Grundsätzlich hat sich aber der Zeitpunkt der Diagnose der Chromosomenstörung trotz Einführung der zellfreien DNA-Analyse nicht verändert und lag im Mittel bei 13 bzw 14 SSW. Hier zeigt sich wahrscheinlich die bereits seit Längerem bestehende, breite Akzeptanz des ETS in Deutschland. In der Studie von Hume et al. aus den USA fiel das Gestationsalter bei Diagnose einer Trisomie 21 von 16 auf 12 SSW zwischen 2005 und 2014. Die Autoren unterteilten den Zeitraum in 3 Abschnitte, wobei das ETS in allen Zeitabschnitten und die cfDNA-Analyse im letzten Zeitabschnitt ab 2012 verfügbar war [14].

Auch wenn Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich kontrovers diskutiert werden, so besteht doch Konsens, dass diese möglichst frühzeitig in der Schwangerschaft erfolgen sollten. Im Vergleich zum 1. Trimenon ist ein Schwangerschaftsabbruch im 2. und 3. Trimenon wesentlich komplikationsreicher. Bartlett et al. untersuchten die Mortalitätsrate bei Schwangerschaftsabbrüchen zwischen 1988 und 1997 in den USA. Die Rate lag insgesamt bei 0,7 pro 100 000 Abbrüche und stieg um 38% pro Woche an ab 8 SSW [15]. Mark et al. untersuchten die Morbiditätsrate bei chirurgischen Schwangerschaftsabbrüchen im 1. und 2. Trimenon in Abhängigkeit vom maternalen Body-Mass-Index [16]. Dabei zeigte sich wieder eine erhöhte Komplikationsrate im 2. Trimenon im Vergleich zum 1. Trimenon, welche sich mit zunehmendem Übergewicht der Patientinnen noch verstärkte. Auch die psychologische Belastung steigt mit zunehmendem Gestationsalter [17]. Dies gilt insbesondere für die posttraumatische Belastungssituation [18].

Unsere Studie beruht auf den Daten eines einzelnen Universitätsklinikums. Insofern könnte kritisiert werden, dass diese nicht repräsentativ sind. Da aber die Universitäts-Frauenklinik Tübingen sowohl einen Regionalversorgungsauftrag hat als auch als überregionales Referenzzentrum agiert, lassen sich allgemeingültige Schlüsse aus den Daten ziehen. Ein Vorteil liegt darin, dass jede Schwangere mit einer fetalen Trisomie in der Abteilung für Pränatalmedizin gesehen wird – unabhängig vom Gestationsalter und ob die Schwangerschaft ausgetragen wird oder in einem Schwangerschaftsabbruch endet. Zudem sind wir bemüht, alle Schwangerschaften bis zum Ende zu betreuen, sodass wir über den Ausgang aller betroffenen Schwangerschaften informiert sind. Kritisch erwähnt werden sollte, dass ein Teil der Schwangeren mit einer auffälligen cfDNA-Analyse sich innerhalb der ersten 12 Wochen nach Empfängnis zu einem Schwangerschaftsabbruch nach § 218a Abs. 1 StGB (Fristenlösung) entscheidet. Diese Patientinnen verzichten auf die Abklärung mittels invasiver Diagnostik und geben als Grund für den Schwangerschaftsabbruch die psychische Belastung an. Eine Aussage zur Häufigkeit ist leider nicht möglich.

Zusammenfassend konnten wir in dieser Studie zeigen, dass die Anzahl der Trisomie-21- sowie der Trisomie-18/13-Diagnosen in den vergangenen Jahren angestiegen ist. Die Häufigkeit an Schwangerschaftsabbrüchen ist aber nur leicht angestiegen. Auch der Zeitpunkt der Diagnosen und der Abbrüche hat sich nicht geändert.


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Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Karl Oliver Kagan
Universitäts-Frauenklinik Tübingen
Calwerstraße 7
72076 Tübingen
Germany