Z Geburtshilfe Neonatol 2018; 222(05): 220
DOI: 10.1055/a-0734-5210
Die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin informiert
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Hebammen,

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Publication Date:
23 October 2018 (online)

Vernetzung in der Perinatologie – brauchen wir in Zeiten der Digitalisierung dazu noch internationale Kongresse?

Wenn man die Anzahl der Weltkongresse mit perinatalen Themen als Maß für die Bedeutung von perinataler Zusammenarbeit betrachtet, dann haben perinatale Fachgesellschaften einen sehr hohen Stellenwert. Allein im Jahr 2017 gab es in Europa mindestens 4 Weltkongresse mit perinatologischem Schwerpunkt: 13. Weltkongress für perinatale Medizin in Belgrad, 1. Weltkongress für Perinatale Medizin in London, 27th World Congress of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology in Wien, FMF-Weltkongress in Slowenien. Zusätzlich gab es selbstverständlich Weltkongresse in den USA, in Südamerika und im asiatischen Raum. Mehrere internationale perinatale Fachgesellschaften (International Academie of Perinatal Medicine, Society for Maternal Fetal Medicine, World Association of Perinatal Medicine, European Association of Perinatal Medicine) befassen sich mit perinatalen Themen. Zusätzlich werden perinatale Schwerpunktthemen natürlich in den nationalen und internationalen Fachgesellschaften der Frauenheilkunde und der Neonatologie bearbeitet. Es ist hier nicht einfach, einen Überblick darüber zu bekommen, welche Gesellschaft nun die Probleme der Perinatalmedizin am effektivsten löst und welchen Kongress man besuchen soll.

Internationale Kongresse hatten lange Zeit den Ruf, dass sich hier die immer gleichen Vortragenden von jungen WissenschaftlerInnen die Reise in schöne Kongressstädte bezahlen lassen. Bei der Anzahl der Weltkongresse scheint dieses System immer noch gewisse Anreize zu haben. Es ist auf jeden Fall nicht nachvollziehbar, warum es in Europa unbedingt mehrere Weltkongresse für perinatale Medizin pro Jahr geben muss. Die Vielzahl der fachlich identischen Kongresse ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die verschiedenen nationalen Fachgesellschaften international schlecht bis gar nicht vernetzt sind. Durch den einfachen Zugang zu aktuellen Literaturergebnisse und internationalen Leitlinien stellt sich insgesamt die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Kongressen. Um auf dem aktuellen Wissenstand zu sein, muss man ja nicht mehr unbedingt zu Kongressen fahren. Der Stellenwert der Habilitation hat auch abgenommen, man bekommt seinen Professorentitel ja auch einfacher über Fachhochschulen.

Vom 5–8. September 2018 hat nun in St. Petersburg der Europäische Perinatalkongress der EAPM (European Association of Perinatal Medicine) stattgefunden. Versucht man anhand dieses Kongresses die eingangs gestellte Frage zu beantworten, dann kommt man zu folgenden Schlussfolgerungen:

Die EAPM war in den letzten Jahren eine Vereinigung von guten Freunden, die alle 2 Jahre einen Kongress organisierte. Die 30 nationalen europäischen Fachgesellschaften für Perinatalmedizin wurden randständig im Programm erwähnt, um der Veranstaltung einen offiziellen Charakter zu verleihen. Diese Problematik wurde in einer Mitgliederversammlung in St. Petersburg offen angesprochen und es wurde ein neues Statut der EAPM beschlossen. In Zukunft sollen die nationalen perinatalen Fachgesellschaften wieder aktiv in die Tätigkeiten der europäischen Fachgesellschaft mit einbezogen werden. Dies gilt sowohl für die zukünftige Zusammensetzung des Vorstandsboards als auch für die jeweilige Kongressgestaltung. Der Kongress hatte 2200 Teilnehmer, davon waren 41% aus der Geburtshilfe und 44% aus der Kinderheilkunde. In den 700 Präsentationen (inklusive Postersitzungen) kam es zu interessanten Diskussionen, teilweise auch bedingt aufgrund der unterschiedlichen Gesundheitsstrukturen in den verschiedenen Ländern. Insgesamt eine durchaus gelungene Veranstaltung, auch wenn der Großteil der Teilnehmer verständlicherweise aus Ostblockländern kam. Man hätte sich mehr Teilnehmer aus dem Westen gewünscht.

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Prof. Dr. med. Franz Kainer, Präsident der DGPM
  1. Der direkte zwischenmenschliche Kontakt zwischen WissenschaftlerInnen kann durch die Digitalisierung nicht ersetzt werden.

  2. Die Live-Präsentation und Diskussion der eigenen Daten der jungen WissenschaftlerInnen vor einem internationalen Publikum hat neben der Publikation weiterhin einen hohen Stellenwert.

  3. Kongresse sind sehr gut geeignet für die Planung und Umsetzung von gemeinsamen Studienprojekten.

  4. In Zeiten einer erschreckenden Zunahme von Ausländerfeindlichkeit bis zum Fremdenhass ist es wünschenswert, dass die internationale Kommunikation zumindest auf wissenschaftlicher Seite funktioniert und gelebt wird.

  5. Internationale Kongresse können auch politische Zeichen setzen und sind gut geeignet, die Öffentlichkeit über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren.

Eine bunte Mischung von Kongressen mit unterschiedlichen Schwerpunkten ist sicher wünschenswert. Für eine sinnvolle Koordination der wissenschaftlichen Tätigkeit sind jedoch Fachgesellschaften gefragt, die für eine übersichtliche Struktur von großen internationalen Kongressen sorgen. Mit der neuen Organisationsstruktur der EAPM ist nun eine sinnvolle Basis geschaffen, um perinatologische Brennpunkte sowohl interdisziplinär, als auch zwischen den verschiedenen europäischen Ländern bearbeiten zu können. Vielleicht gelingt es einer starken EAPM in Zukunft, wieder eine weltweit einheitlich agierende perinatologische Fachgesellschaft zu etablieren.

Gut organisierte internationale Kongresse haben auf jeden Fall auch im Zeitalter der maximalen Digitalisierung noch ihren Stellwert, wenn Sachthemen – und nicht die persönliche Profilierung im Mittelpunkt – stehen.

Die DPGM wird auf jeden Fall den dafür möglichen Beitrag leisten, um die internationale Zusammenarbeit zu intensivieren. Dazu braucht es aber eine starke nationale perinatologische Fachgesellschaft. Falls Sie noch nicht Mitglied sind, dann melden Sie sich doch über unsere Homepage an. Der Mitgliedsbeitrag mit 65€ ist knapp kalkuliert, davon wird ein Betragsanteil für das Abonnement der Zeitschrift verwendet, die Sie gerade in Händen halten, und den anderen Teil bekommt die DGPM. Ich denke das Geld ist gut angelegt, um die interdisziplinäre perinatologische Zusammenarbeit noch besser gestalten zu können.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr