Anamnese
Der 51-jährige männliche Patient wird im Dezember 2017 mit Dyspnoe vorstellig. Bereits
in Ruhe bestehe eine Kurzatmigkeit, die sich bei Belastung aggraviert. Rückblickend
habe er vor 3 Jahren erstmalig Dyspnoe verspürt, die sich bis zur Vorstellung progredient
zeigte. Zudem berichtet er über einen trockenen Reizhusten, selten auch mit gelblich-weißlichem
Auswurf. Der Patient war bis November 2017 aktiver Raucher (zuletzt 10 Zigaretten/Tag,
kumulativ 50 packyears) und es wurden täglich ca. 20 g Ethanol konsumiert. Andere
Noxen oder die Einnahme von Medikamenten wurden verneint. Beruflich war der Patient
als Vorarbeiter in der Autobranche mit überwiegend Büroarbeit und überwachender Funktion
in der Montage tätig. Ein ambulantes Röntgen-Thorax (11/2017) zeigte bipulmonale Konsolidierungen.
Weitere Bildgebung des Thorax wurde im Vorfeld nicht angefertigt. Eine antiinfektiöse
Therapie mit Levofloxacin wurde ambulant durchgeführt, jedoch ohne klinische Besserung.
Die Reiseanamnese gestaltet sich unauffällig. Über Fieber, Infekte oder eine Immunsuppression
wird nicht berichtet.
Klinische Untersuchung
Bei Aufnahme in unserer Klinik präsentiert sich ein leicht dyspnoischer Patient in
Ruhe mit einer Atemfrequenz von 20/min. In der körperlichen Untersuchung fällt, neben
Trommelschlegelfinger mit Uhrglasnägeln, ein leicht verschärftes Atemgeräusch ohne
Nebengeräusche auf. Ödeme der Extremitäten sind nicht präsent.
EKG
Im EKG zeigt sich eine regelrechte Erregungsausbreitung.
Lungenfunktion und Blutgasanalyse
Lungenfunktion und Blutgasanalyse
In der Lungenfunktion findet sich eine grenzwertige Restriktion (TLC: 5,37 l, 74,4 %;
FVC: 3,57 l, 77 %) und eine hochgradig erniedrigte Diffusionskapazität (TLCO Single-Breath:
3,72, 35,5 %; Krogh-Faktor: 0,98, 67,8 %). In der Blutgasanalyse fällt eine Hypoxämie
bei Hyperventilation (pO2 in Ruhe 57,9 mmHg, pCO2 33,7 mmHg; Standard pO2 47,4 mmHg) auf. Unter 2 l/min zeigt sich eine ausreichende Oxygenierung (pO2 64,1). Unter Belastung benötigt der Patient für eine adäquate Oxygenierung (SpO2 > 90 %) 10 l/min.
Bildgebung
In der High-Resolution Computertomografie des Thorax präsentiert sich ein pflastersteinartiges
Bild, im Sinne eines Crazy-Paving-Musters ([Abb. 1]), das geografisch konfiguriert ist und diffus beide Lungen mit leichter Betonung
der rechten Seite betrifft.
Abb. 1 HRCT-Thorax von 12/2017, exemplarische Schnitte.
Folgende Differenzialdiagnosen kommen beim Vorliegen eines Crazy Pavings prinzipiell
in Betracht:
-
alveoläres Lungenödem
-
Acute Respiratory Distress Syndrom
-
Pneumocystis jirovecii-Pneumonie
-
pulmonale Alveolarproteinose
-
pulmonale Hämorrhagie
-
Lipidpneumonie
-
organisierende Pneumonie
-
nicht spezifische interstitielle Pneumonie
Bronchoskopie
Zum Ausschluss einer infektiösen Genese sowie einer pulmonalen Hämorrhagie erfolgt
die Bronchoskopie mit bronchioloalveolärer Lavage. Die Untersuchung auf Entzündungserreger
verbleibt negativ, insbesondere Pneumocystis jirovecii ist nicht nachweisbar. Die
Recovery ([Abb. 2]) präsentiert sich milchig-trüb mit Nachweis PAS-positiver, ausgedehnter, scholliger,
eosinophiler Ablagerungen. In der Elektronenmikroskopie finden sich zahlreiche multilamelläre
Strukturen mit trilamellärer Membran und amorphes Material entsprechend Myelin-like-Strukturen.
Abb. 2 Gegenüberstellung der Lavage zu Beginn (links) und am Ende (rechts) der Untersuchung.
Laborchemie
LDH, Hb, NSE, CEA und CYFRA 21-1 sind erhöht. Es liegen Antikörper gegenüber Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-bildende
Faktoren (GM-CSF) vor (Bestimmung mittels Western-Blot, Labor Volkmann, Karlsruhe).
Diagnose
In Zusammenschau aller Befunde mit typischer BAL-Trias (milchige Trübung, schaumige
Makrophagen und vermehrtem Zelldetritus), dem Antikörper gegenüber GM-CSF, dem Crazy-Paving-Muster
in der HRCT und passender Klinik wurde in unserem interdisziplinären Board für interstitielle
Lungenerkrankung die Diagnose einer pulmonalen Alveolarproteinose (PAP) gestellt.
Bei positivem Antikörper gegenüber GM-CSF und fehlendem Nachweis von sekundären Ursachen
(z. B. Staubinhalation, hämatologische Erkrankungen, Infektionen, Drogen/Medikamente)
erfolgte die Klassifikation als autoimmune pulmonale Alveolarproteinose.
Therapie und Verlauf
Eine therapeutische Ganzlungenlavage der rechten Seite mit 18 Liter Spülflüssigkeit
wird am 10.01.2018 in Einseitenventilation durchgeführt. Dafür wird der Patient mittels
Doppellumentubus intubiert. Die korrekte Lage des Tubus wird bronchoskopisch, die
Abdichtung vom Cuff zur Bronchuswand der beatmeten Seite bei Fehlen von Luftaustritt
in der Wasserprobe gesichert. Die Spülflüssigkeit klart unter kontinuierlicher Thoraxperkussion
stufenweise auf ([Abb. 3]). Bereits in der Lungenfunktionsanalyse vom 15.01.2018 kann eine gebesserte Funktion
(TLCO SB: 4,2 mmol/min/kPa, 40 %) nachgewiesen werden. Die therapeutische Lavage der
linken Seite mit 21 Liter erfolgt am 27.02.2018. Zu diesem Zeitpunkt benötigt der
Patient tagsüber keinen Sauerstoff mehr, bei Belastung bereits nur noch 1,5 l/min.
Die weiteren Lavagen erfolgen im Mai und Juni 2018. Klinisch, lungenfunktionell ([Abb. 4]) und in der Verlaufsbildgebung ([Abb. 5]) tritt eine deutliche Besserung ein, sodass es zu keinem relevanten Abfall der Sauerstoffsättigung
bei Belastung mehr kommt. Die Sauerstofftherapie bei Belastung kann beendet werden.
Auf eine weitere Therapie (Lavage oder GCS-AK) wird verzichtet. Der Patient ist weiterhin
zur regelmäßigen pneumologischen Verlaufskontrolle an unsere Ambulanz angebunden.
Abb. 3 Charakteristisch milchige Spülflüssigkeit (hintere Reihe), die bei Fortführung der
Spülung zunehmend aufklart (vordere Reihe).
Abb. 4 SaO2, FVC und Temperatur im zeitlichen Verlauf (SaO2: arterielle Sauerstoffsättigung; FVC: forcierte Vitalkapazität; GLL: Ganzlungenlavage).
Abb. 5 HRCT-Thorax von 04 /2018, exemplarische Schnitte.
Diskussion
Die PAP wurde erstmalig 1958 beschrieben [1]. Sie ist charakterisiert durch eine erniedrigte Surfactant-Clearance, aufgrund einer
durch ein gestörtes GM-CSF-Signal beeinträchtigen Alveolarmakrophagenfunktion. In
über 90 % der Fälle handelt es sich um eine autoimmune PAP [2]. Bei der autoimmunen PAP wird dies durch GM-CSF-Antikörper verursacht. Die sekundäre
PAP kann unter anderem durch hämatologische Erkrankungen, Infektionen, Inhalation
von Staub, Metallen und verschiedene Medikamente verursacht werden [3]. Noch seltener sind angeborene PAP durch rezessive Mutationen im GM-CSF-Signalweg.
Klinisch sind meist männliche Patienten zwischen 30 – 60 Jahren betroffen. Häufig
liegen Husten und Dyspnoe in unterschiedlicher Ausprägung vor. Neben fehlenden klinischen
Zeichen, können Sklerosiphonie und Trommelschlegelfinger vorkommen. In der Lungenfunktion
lässt sich typischerweise eine Restriktion und/oder eine Einschränkung der Diffusionskapazität
nachweisen. Neben unspezifischen Biomarkern wie LDH können bei der autoimmunen PAP
Antikörper gegenüber GM-CSF mit annähernd 100 % Sensitivität und Spezifität nachgewiesen
werden [4]. In der Röntgen-Thorax-Bildgebung zeigen sich schmetterlingsartige Verschattungen.
In der HRCT ist ein typisches Pflastersteinmuster (Crazy Paving Pattern) zu erkennen.
Darunter versteht man die Kombination aus Milchglastrübungen mit einer Verdickung
der interlobulären Septen und meist auch intralobulären Linien. Die bronchioloalveoläre
Lavage ist typischerweise aufgrund des Zelldetritus milchig gefärbt. In der Aufarbeitung
zeigt sich häufig PAS-positives und eosinophiles Material.
Leitlinien zur Therapieindikation der PAP sind nicht existent. Asymptomatische Patienten
(erhaltene oder nur mild erniedrigte Vital- bzw. Diffusionskapazität und regelrechte
Sauerstoffsättigung) werden als nicht behandlungsbedürftig angesehen. Im Falle einer
Einschränkung oder Verschlechterung der o. g. Parameter sollten primär Infektionen
ausgeschlossen werden. Danach ist die wiederholte therapeutische Ganzlungenlavage
mit großen Mengen Spülflüssigkeit (meist > 15 Liter) der Goldstandard. Die exakten
Modalitäten der Lavage ist abhängig von den klinikinternen Möglichkeiten. Im Rahmen
der Lavage kann es, neben Hypoxämien, gehäuft zu Fieberepisoden kommen. Im Median
wurden in einer weltweiten Befragung 2,5 Prozeduren innerhalb von 5 Jahren pro Patienten
durchgeführt [5]. Bei fehlender Besserung (o. g. Parameter und Klinik) sollte eine Therapie mit subkutanem
oder inhalativem rekombinantem GM-CSF erwogen werden. In verschiedenen Studien konnte
dadurch eine relevante Verbesserung erzielt werden. Eine Therapie mit Kortikoiden
scheint eher nachteilig zu sein. Zu weiteren Therapien mit Rituximab, Plasmapherese
oder Lungentransplantation sind nur vereinzelte Fallberichte vorliegend. Bei der sekundären
PAP muss vordringlich die Grunderkrankung behandelt werden. Der Verlauf ist sehr variabel,
von spontaner Remission bis zum Tod durch respiratorisches Versagen [3].
Zusammenfassend sollte bei Patienten mit Crazy-Paving-Muster in der HRCT die seltene
Erkrankung pulmonale Alveolarproteinose in Erwägung gezogen werden. Insbesondere bei
passendem klinischem und laborchemischem Korrelat und vor dem Hintergrund, da es sich
um eine erfolgreich therapierbare Krankheit handelt.