Aktuelle Kardiologie 2018; 7(06): 443-452
DOI: 10.1055/a-0796-6377
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue europäische Synkopen-Leitlinie – was ist für die Praxis wichtig?

European Syncope Guidelines 2018: What is Important for Your Day-To-Day Practice?
Martin Stockburger
Medizinische Klinik Nauen – Schwerpunkt Kardiologie, Havelland Kliniken GmbH, Nauen
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Publication Date:
05 December 2018 (online)

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Zusammenfassung

In diesem Frühjahr wurde eine umfangreiche Aktualisierung der im Jahr 2015 neu gestalteten Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) zur Diagnostik und Behandlung von Synkopen auf dem Kongress der European Heart Rhythm Association (EHRA) vorgestellt und im European Heart Journal publiziert [1]. Die Leitlinie wurde unter breiter multidisziplinärer Beteiligung (Innere Medizin/Kardiologie/Physiologie/Notfallmedizin/Neurologie/Geriatrie/Pflegewissenschaften) erarbeitet. Als Hauptanliegen der Aktualisierung wird die Erleichterung der praktischen Anwendung vorhandenen Wissens zur Ätiologie und Risikobewertung von Synkopen und zu medizinisch wie auch ressourcenbezogen angemessenen diagnostischen und therapeutischen Strategien formuliert. Im klinischen Alltag bereitet die angemessene Einschätzung von Patienten mit Synkopen und die Anwendung geeigneter, also weder überdiagnostischer noch nachlässiger Diagnosestrategien nicht selten weiterhin Probleme. Neben der umfangreichen und ausgesprochen übersichtlich gehaltenen Synopsis zu allen Aspekten des kurzfristigen und reversiblen Bewusstseinsverlusts im Haupttext der Leitlinie wurde erstmals ausführliches praxisanleitendes Zusatzmaterial zur Verfügung gestellt [2]. Dieser Artikel fasst wesentliche Inhalte und Handlungsempfehlungen der Leitlinie zusammen.

Abstract

Earlier this year a comprehensive update of the 2015 European Society of Cardiology Guidelines for the diagnosis and management of syncope has been presented at the annual congress of the European Heart Rhythm Association and has been published by the European Heart Journal. A wide variety of experts (internal medicine, cardiology, physiology, emergency medicine, neurology, geriatrics, nursing) was involved in the development of this guideline. The main focus of this update is to facilitate the application of current knowledge concerning etiology and risk stratification, as well as to provide medically appropriate and resource-protecting diagnostic and therapeutic strategies. In day-to-day practice frequently still uncertainty has been reported with regard to appropriate risk appraisal of patients with syncope and the application of neither overdiagnostic nor negligent diagnostic strategies. Apart from a comprehensive and clear synopsis on all aspects of transient reversible loss of consciousness provided by the main guideline paper, for the first time an ample variety of practical instructions and additional information has been published separately. This article summarizes main contents and recommendations of the new guideline.

Was ist wichtig?

Wichtige Änderungen in der Synkopenleitlinie 2018 im Vergleich zur Leitlinie von 2009:

  • Einen erhöhten Stellenwert (Klasse-I-Indikation) erhält die invasive Messung der HV-Zeit bei Patienten mit bifaszikulärem Schenkelblock und Synkopen, obwohl für ausgewählte (z. B. hochbetagte) Patienten die empirische Herzschrittmachertherapie weiter eine Option bleibt (Klasse-IIb-Indikation).

  • Die Durchführung eines Langzeit-EKGs ist angesichts der geringen diagnostischen Ausbeute nach unklarer Synkope nicht mehr zwingend (Abwertung von Klasse I auf Klasse IIa).

  • Bei Synkopen und Vorhofflimmern wird der Katheterablation basiert auf Expertenmeinung ein höherer Stellenwert eingeräumt (Klasse-I-Indikation).

  • Neu sind die risikoorientierte Entscheidung (Klasse-I-Indikation) über ambulante versus stationäre Aufarbeitung einer unklaren Synkope und der Vorschlag zur Einrichtung von „Syncope Units“.

  • Ebenfalls neu sind die Empfehlung zur häuslichen Videoaufzeichnung von Rezidivereignissen (Klasse IIa), die Empfehlung zum ILR bei unklarer Epilepsie (Klasse IIa) und bei ungeklärten Stürzen (Klasse IIb) sowie die Empfehlung zur ILR-Abklärung bei primärer Kardiomyopathie oder genetisch bedingten arrhythmogenen Erkrankungen und jeweils niedrigem Risiko für den plötzlichen Herztod.