Schlüsselwörter
Crossenrevision - endovenös thermische Ablation - Rezidivvarikose - Verödung
Einleitung
Die Varikose und die damit einhergehende chronisch venöse Insuffizienz (CVI) gehören
mit einer Prävalenz von über 30 % bei Erwachsenen zu den häufigsten Erkrankungen in
Industrieländern [1]. Sie führen im
Krankheitsverlauf zu einer relevanten Beeinträchtigung der Lebensqualität [2], zu chronischen Entzündungen, Ulzerationen, und
erhöhen signifikant das Thrombembolierisiko [3], so
dass in Leitlinien zu frühzeitiger aktiver Behandlung geraten wird [4], [5], [6]. Bei Vorliegen einer Stammveneninsuffizienz
sollte dem Patienten ein endovenös-ablatives Verfahren, z. B. endovenöse Laser- oder
Radiofrequenzablation, oder die offene Operation mit Crossektomie und Stripping
angeboten und die aktive Therapie gegenüber einer alleinigen Kompressionstherapie
bevorzugt werden [6].
Weniger eindeutig sind die Empfehlungen bei Auftreten einer Rezidivvarikose, die
ihren Ursprung im Bereich der zuvor behandelten Crossenregion hat. Wie nicht nur in
aktuellen randomisierten kontrollierten Studien gezeigt werden konnte, treten
klinische Rezidive sowohl nach offener Operation, als auch nach endovenöser Ablation
fünf Jahre nach einer Behandlung in ca. 50 % der Fälle mit unterschiedlich starker
Ausprägung auf [7]. Diese klinischen Rezidive sind
in der Regel definiert nach den Kriterien der REVAS-Klassifikation (Recurrent
varices after surgery): Vorhandensein von Varizen an unteren Extremitäten, die zuvor
bereits wegen Krampfadern operiert wurden. Diese klinische Definition umfasst das
„echte Rezidiv“, welches sich im Operationsgebiet entwickelt, aber auch verbliebene,
präoperativ bereits diagnostizierte Varizen, sowie neu entstandene Varizen als
Konsequenz des fortschreitenden Krankheitsprozesses [8]. Einen relevanten Anteil der klinischen Rezidive stellen im
Langzeitverlauf (5 Jahre postoperativ) diejenigen, die der zuvor behandelten
Crossenregion entstammen, 18–33 % nach endovenöser Laserablation der V. saphena
magna (VSM), 5–17 % nach inguinaler Crossektomie und Stripping der VSM, jeweils
bezogen auf die Gesamtheit der behandelten Patienten [9]. Die duplexsonograpisch nachweisbaren Crossenrezidive unterscheiden
sich offenbar verfahrensabhängig: Während nach korrekt durchgeführter Crossektomie
Rezidive vorwiegend durch eine Neovaskularisation im saphenofemoralen Gebiet
entstehen, spielen nach Thermoablation eher Rekanalisierungen und Neorefluxe über
Crossenseitenäste die wesentliche Rolle für die spätere Entwicklung eines „echten“
klinischen Rezidivs [10], [11].
Neben den „unvermeidlichen“ Rezidiven, die trotz sorgfältiger Operations- bzw.
Behandlungstechnik auftreten, sind Rezidive aufgrund von technischen Fehlern (z. B.
Belassen eines saphenofemoralen Mündungsstumpfes) oder auch taktischen
Fehleinschätzungen (diagnostische Fehler) zahlenmäßig vermutlich ebenso relevant,
zumindest soweit es die Indikation für einen Revisionseingriff betrifft [12].
Die offen-chirurgische Crossenrevision für die Behandlung des inguinalen
Crossenrezidivs, insbesondere bei Vorhandensein eines Stumpfes und klinisch
relevanter Rezidivvarikose, gilt zwar als Referenzmethode, ist aber technisch
anspruchsvoll und weist ein im Vergleich zur primären Crossektomie höheres
Komplikationsrisiko auf [4]. Die zusätzliche
Anwendung von Barrieretechniken in den letzten Jahren ist eine vielversprechende
Entwicklung um ein erneutes Crossen-Re-Rezidiv zu verhindern [13], [14], [15]. Zunehmend werden gerade aufgrund des
Komplikationsrisikos weniger invasive Methoden empfohlen und eingesetzt, wie die
ultraschallgesteuerte Schaumsklerosierung (UGSS) [6], [16]. Die Kombination von Operation
und UGSS oder Schaumsklerosierung in situ durch Direktpunktion stellt eine weitere,
häufig geübte Behandlungspraxis dar [17].
Somit ergeben sich viele offene Fragen zur Therapie des inguinalen Crossenrezidivs:
Wenn ein Behandlungsbedarf besteht, welche ist die geeignetste Methode? Ist die
Auswahl des Verfahrens befundabhängig? Welche methodenabhängigen Vor- und Nachteile
gibt es? Werden weniger invasive Methoden an Bedeutung gewinnen? Ist die offene
Re-Crossektomie aufgrund der Invasivität überhaupt noch zeitgemäß?
Diese Übersichtsarbeit basiert auf den aktuell verfügbaren Leitlinien und auf neuerer
Literatur zur Frage der Genese, klinischen Relevanz und Behandlungsmöglichkeiten des
inguinalen Crossenrezidivs.
Definition und Ätiopathogenese der Rezidivvarikose
Definition und Ätiopathogenese der Rezidivvarikose
Es existieren unterschiedliche Definitionen und Klassifikationen für die
Rezidivvarikose.
Im Jahr 2000 wurde durch Michel Perrin die REVAS-Klassifikation inauguriert, die
zunehmend im Rahmen von prospektiven Studien, auch zur Rezidivchirurgie, eingesetzt
wird und sich als Standard für die Erfassung klinischer Rezidive etabliert hat [8], [18]. Dabei
lassen sich Rezidivvarizen wie folgt differenzieren:
-
Residual-Varizen, die vor einem geplanten Eingriff dokumentiert wurden und
postoperativ persistieren,
-
neue aufgetretene Varizen in einem bislang nicht behandelten Areal als Folge
der Progression der Grunderkrankung und schließlich
-
„echte“ Rezidivvarizen („true recurrence“), die als Folge einer
Neovaskularisation oder infolge von technischen oder taktischen Fehlern
auftreten.
Um die REVAS-Klassifikation auf endovenöse Therapieverfahren ebenfalls anwenden und
neben der Neovaskularisation auch Rekanalisierungen und Neorefluxe über
Crossenseitenäste, z. B. die V. saphena accessoria anterior (VSAA), erfassen zu
können, wurde durch unsere Arbeitsgruppe eine modifizierte REVAS-Klassifikation
vorgeschlagen [7].
Die Rezidivvarikose wird nach klinischen Kriterien und, zur Frage der Genese und des
Ursprungs, durch eine duplexsonographische Diagnostik klassifiziert [6], [16]. Nach
UIP-Konsensus werden unterschieden [19]:
-
Rezidive über einen belassenen Stumpf: Wenn im Rahmen der inguinalen
Crossektomie die Ligatur der saphenofemoralen Junktion nicht niveaugleich an
der V. femoralis communis erfolgt, sondern weiter distal, entsteht ein
Stumpf, wie es zumeist auch nach endovenösen Ablationsverfahren
methodenimmanent der Fall ist („distaler Verschlusstyp“). Aus diesem Stumpf
können sich über präexistente Seitenäste oder Neovaskulate klinische
Rezidive entwickeln, nicht selten unter Einbeziehung einer insuffizienten
VSAA,
-
Rezidive infolge einer Neovaskularisation: Neubildung von kleinkalibrigen
Gefäßen in einer voroperierten Region, die sich durch Verbindungen mit der
tiefen Vene füllen.
In einer aktuellen Metaanalyse zur Therapie der Stammveneninsuffizienz der VSM wurden
randomisierte kontrollierte Studien mit einem Follow-up von mindestens 5 Jahren
eingeschlossen. Duplexsonographisch detektierte inguinale Crossenrezidive nach
Crossektomie und Stripping, endovenöser Laserablation (EVLA) oder UGSS werden mit
Raten von 7–38 % beschrieben, wobei die Rezidivrate nach Crossektomie und Stripping
signifikant geringer ist im Vergleich zu EVLA und UGSS (20).
Man kann mindestens vier wichtige Ursachen der Rezidivvarikose benennen:
Die Progression der Grunderkrankung ist eine der wichtigsten Ursachen der
Rezidivvarikose. Sie kann sich aszendierend (oberflächliche Venen dilatieren und
werden varikös), deszendierend (Ausgangspunkt ist ein Reflux an der saphenofemoralen
bzw. -poplitealen Junktion oder ein Reflux aus insuffizienten Perforatoren) oder
multifokal entwickeln [6], [18]. Für die Varikogenese bedeutsam sind u. a.
genetische Faktoren, die zu Störungen des Aufbaus der extrazellulären Matrix
(Fibulin-3, Matrix-Metalloproteinasen) führen [21].
Dies stellt vermutlich den Ausgangspunkt für die pathologische Venenerweiterung mit
konsekutivem Funktionsverlust von Venenklappen dar. Zudem wird diskutiert, dass sich
durch Änderung von Druckverhältnissen in Beinvenen, auch beispielsweise infolge
therapeutischer Eingriffe, eine Remodellierung der Venenwand mit einem Umbau des
elastischen und kollagenen Fasergerüstes und mit Aktivierung bestimmter
Matrixmetalloproteinasen (MMP-2, MMP-9) entwickeln kann. In der aktuellen Literatur
finden sich vermehrt Hinweise dafür, dass dieses „Remodelling“, das zu einer
Dilatation der Venen führt, allein durch einen chronisch bestehenden erhöhten
venösen Füllungsdruck, wie z. B. durch lange Steh- oder Sitzbelastung,
Schwangerschaft, Bewegungsmangel und Adipositas als typische Realisationsfaktoren
der primären Varikosis, induziert werden kann [22].
Die Adipositas ist zudem ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer
Rezidivvarikose [23]. Somit kommt der genetischen
Veranlagung und dem individuellen Lebensstil sowohl für die Progression der
Grunderkrankung, als auch für die Entwicklung eines „echten“ Rezidivs (s. u.) eine
wichtige Bedeutung zu.
Die Neovaskularisation wird als wichtigste Ursache für ein klinisches Rezidiv
nach einer fehlerfrei durchgeführten offenen Operation, insbesondere an der
saphenofemoralen Junktion, eingeschätzt [10], [18]. Neovaskularisation ist gekennzeichnet durch die
Ausbildung neuer Gefäße, die im Gegensatz zu residuellen Venen histopathologische
Unterschiede aufweisen. Hierzu zählt der Verlust der Wandstruktur, das Fehlen von
Klappen und Nerven und das Vorhandensein multipler Lumina innerhalb eines vernarbten
Bindegewebes [24]. Physikalische intraoperative
Faktoren, wie die Art des angewendeten Nahtmaterials in der Crosse, die chirurgische
Technik mit Exposition freiliegenden Endothels sowie das operative Trauma zählen zu
den vermuteten Auslösern der Neovaskularisation. Postoperative Faktoren, wie die
Hypoxie z. B. im Stumpfbereich ligierter Venen, Mechanismen des
Wundheilungsprozesses, die veränderte Hämodynamik (Remodelling, s. o.),
inflammatorische und mikrothrombotische Ereignisse, sind vermutlich ebenfalls an der
Pathogenese der Neovaskularisation beteiligt [25].
Von taktischen Fehlern spricht man, wenn präoperativ keine oder nur eine
unzureichende Evaluation des Refluxes stattgefunden hat, insbesondere der oder die
proximalen Insuffizienzpunkte nicht korrekt definiert wurden, oder eine für den
Befund ungeeignete Behandlungsmethode gewählt wurde [18]. Die Durchführung einer präoperativen Duplexuntersuchung, die heute
sicher als obligatorisch anzusehen ist, reduziert die Rate an taktischen Fehlern und
verbessert das Therapieergebnis erheblich [26].
Technische Fehler spielen eine wichtige Rolle für das Auftreten einer
Rezidivvarikose [12]. Interventionsbedürftige
Rezidive sind überwiegend die Folge einer technisch unzureichenden Operation, z. B.
durch das Belassen eines langen Saphenastumpfes. Diese Beobachtung unterstreicht die
Notwendigkeit einer bündigen („niveaugleichen“) Ligatur der VSM am Übergang zur V.
femoralis communis [27]. Technische Fehler lassen
sich durch entsprechende Spezialisierung und strukturierte Ausbildung vermeiden.
Therapie des inguinalen Crossenrezidivs
Therapie des inguinalen Crossenrezidivs
Für die Behandlung des inguinalen Crossenrezidivs kommen mehrere Therapieverfahren in
Betracht: Endovenös thermische Ablationsverfahren, die UGSS, schließlich die
offen-chirurgische Crossenrevision sowie die Kombination der Verfahren. Aufgrund des
höheren Schwierigkeitsgrades und Komplikationsrisikos der Crossenrevision im
Vergleich zur primären Operation, ist ein Trend hin zu den weniger invasiven
Methoden zu beobachten [6], [16]. Auswahl und Einsatz der unterschiedlichen
Verfahren hängt maßgeblich von den vorliegenden Befunden ab und sollte präoperativ
anhand des klinischen und duplexsonographischen Bildes unter Berücksichtigung des
Patientenwunsches festgelegt werden ([
Abb.
1
]).
Abb. 1 Muster saphenofemoraler Crossenrezidive und therapeutische
Optionen unter der Voraussetzung einer vorhandenen klinischen Relevanz.
a Belassener Crossenstumpf mit Neovaskulaten und Übergang in eine
Seitenastvarikose; keine sondierbaren Venenstämme in anatomischer Nähe zur
Refluxquelle → Therapievorschlag: Inguinale Crossenrevision. b
Neovaskularisation mit Übergang in Seitenastvarikose ohne Nachweis eines
Crossenstumpfes; keine sondierbaren Venenstämme in anatomischer Nähe zur
Refluxquelle → Therapievorschlag: Schaumsklerosierung oder inguinale
Crossenrevision in Kombination mit Schaumsklerosierung. c1
Neovaskularisation (kurzes Segment) oder kurzer Stumpf mit Übergang in einen
sondierbaren Venenstamm (z. B. VSM, VSAA) → Therapievorschlag:
Endovenös-thermische Ablation oder inguinale Crossenrevision und Exhairese
des Venenstamms. c2 Neovaskularisation (längeres Segment) mit
Übergang in einen sondierbaren Venenstamm (z. B. VSM, VSAA) →
Therapievorschlag: Endovenös-thermische Ablation in Kombination mit
Schaumsklerosierung oder inguinale Crossenrevision, Schaumsklerosierung und
Exhairese.
Endovenös thermische Ablationsverfahren (EVTA)
Die EVTA sind nicht für alle Formen der Rezidivvarikose geeignet [28], [29].
Rezidivbefunde mit persistierenden VSM-Segmenten oder einer gerade verlaufenden
VSAA können mit endothermischen Katheterverfahren behandelt werden [29]. Sofern der Katheter bis nahe an den
saphenofemoralen Übergang eingebracht werden kann, sind alle verfügbaren
Verfahren – EVLA, Radiofrequenzablation, Heißdampf – grundsätzlich einsetzbar
([
Abb. 1c1
] und [
Abb. 2
]). Häufig ist jedoch zwischen
Venenstamm und der Mündung in die VFC ein mehr oder weniger langes Segment mit
Neovaskulaten zwischengeschaltet. Hier kann beispielsweise der Einsatz von
Heißdampf oder eine Kombination von thermischer Ablation und Schaumverödung über
den liegenden Katheter, wie es bei dem segmentalen Radiofrequenzkatheter möglich
ist, sinnvoll sein ([
Abb. 1c2
] und
[
Abb. 3
]). Eine hohe
Patientenzufriedenheit, geringe Komplikationsraten und kurze Operationszeiten
lassen die EVTA als attraktive Behandlungsalternative gegenüber der inguinalen
Crossenrevision in geeigneten Fällen erscheinen [28]. Studien mit Nachbeobachtungszeiten bis zu 18 Monaten belegen
eine Effektivität mit Verschlussraten um die 95 % [29], [30]. Langzeitergebnisse im
Rahmen der Rezidivbehandlung sowie kontrollierte prospektive Studien fehlen
allerdings noch und die EVTA-Verfahren stehen aufgrund fehlender
Kostenerstattung im ambulanten Sektor nicht jedem Patienten zur Verfügung. Vor-
und Nachteile der EVTA gegenüber der inguinalen Crossenrevision sind in [
Tab. 1
] zusammengefasst.
Abb. 2 Duplexsonographische Darstellung eines inguinalen
Crossenrezidivs mit vollständig erhaltener insuffizienter V. saphena
magna rechts. a Refluxnachweis im Farbdoppler. b 1 Monat
nach endovenöser Laserablation Nachweis einer vollständigen Okklusion
mittels Farb- und pw-Doppler (kein Reflux bei Durchführung des
Valsalva-Manövers).
Abb. 3 Ausgedehntes rechts inguinales Crossenrezidiv nach
ilioinguinaler Lymphknotendissektion. a Klinischer Aspekt
präoperativ. b Klinischer Aspekt 3 Monate nach endovenöser
Laserablation einer persistierenden VSM (von 10 cm unterhalb der
Leistenfalte bis Hach IV) in Kombination mit Schaumsklerosierung des
inguinalen Konvolutes über den vor der thermischen Ablation
eingebrachten Angiographiekatheter. c Die sonographische
Kontrolluntersuchung (SieScape®) am 1. postoperativen Tag
zeigt einen vollständigen Verschluss des inguinalen Konvolutes. Der
Pfeil weist auf den Übergang zur persistierenden VSM.
Tab. 1
Übersicht der Vor- und Nachteile der unterschiedlichen
Therapiemodalitäten
|
ICR
|
EVTA
|
UGSS
|
Abkürzungen: EVTA = endovenös thermische Ablationsverfahren; ICR
= inguinale Crossenrevision; UGSS = ultraschallgesteuerte
Schaumsklerosierung
|
Vorteile
|
-
anwendbar für alle Rezidivarten, v. a. bei kaliberstarken
Mündungssituationen
-
langfristige Erfahrung
-
gut belegte Effektivität für bestimmte OP-Techniken (vgl.
[
Tab.
2
])
|
-
geringes Nachblutungsrisiko
-
weniger invasiv
-
kürzere Arbeitsunfähigkeit
-
ambulant durchführbar
-
keine Vollnarkose erforderlich
|
-
kosteneffektiv
-
gering invasiv
-
wiederholbar
-
kombinierbar
|
Nachteile
|
-
meist mit stationärem Aufenthalt verbunden
-
Komplikationsrisiko größer als bei anderen Verfahren
-
höherer Schwierigkeitsgrad der Operation, umfangreiche
Erfahrung notwendig
-
zeitaufwändige Operation
|
-
fehlende generelle Kostenerstattung
-
anatomische Anwendungslimitationen
-
Langzeitergebnisse fehlen
|
|
Ultraschallgesteuerte Schaumsklerosierung (UGSS)
Gemäß der europäischen Leitlinie zur Sklerotherapie können alle Varizen,
unabhängig von Art und Kaliber, also auch Rezidivvarizen, mittels
Verödungstechniken, insbesondere mit der UGSS behandelt werden [31]. Somit ist eine Beschränkung auf bestimmte
Befunde, wie bei den EVTA-Verfahren, zunächst nicht gegeben. Der Vorteil der
UGSS gegenüber allen anderen Verfahren liegt in der geringen Invasivität und der
Kosteneffektivität. Auch wenn es häufig zu duplexsonograpisch nachweisbaren
inguinalen Crossen-Re-Rezidiven kommt, so kann die Sklerotherapie doch
grundsätzlich beliebig wiederholt werden. Man könnte daher sagen, dass die
Sklerotherapie palliativen Charakter hat. Sie ist in bestimmten Situationen
alternativlos ([
Abb. 3
]). Drei bis fünf
Jahre nach UGSS von inguinalen Crossenrezidiven beträgt die duplexsonographische
Re-Rezidivrate bei Pavei et al. 28 %, verbunden mit einem klinischen Re-Rezidiv
bei 20 % der Patienten [32].
Ein besonderer Stellenwert der Schaumsklerosierung liegt zudem in der
Kombinierbarkeit mit EVTA und insbesondere mit der offenen inguinalen
Crossenrevision [17].
Dennoch birgt die Sklerotherapie auch Risiken. Beispielsweise kann die direkte
Injektion des Sklerosierungsmittels im Stumpfbereich bei inguinalem
Crossenrezidiv mit einem erhöhten Thromboserisiko verbunden sein [17]. Daraus kann sich auch eine gewisse
Limitierung der UGSS mit zunehmendem Durchmesser des inguinalen Rezidivgefäßes
ergeben. Die Notwendigkeit einer oder mehrerer Wiederholungen der Therapie kann
ebenfalls nachteilig sein, da viele Patienten eine einmalige Behandlung
bevorzugen [33]. Die Datenlage zur
Langzeiteffektivität der Sklerotherapie des inguinalen Crossenrezidivs ist
insgesamt schwach, valide Aussagen hierzu sind kaum möglich. Vor- und Nachteile
der UGSS sind in [
Tab. 1
]
zusammengefasst.
Die inguinale Crossenrevision
Die operative Therapie mit inguinaler Crossenrevision ist ebenfalls bei jeglicher
Form saphenofemoraler Crossenrezidive anwendbar ([
Abb. 1
]). Gegenüber EVTA-Verfahren wird sie in einem
Verhältnis von ca. 70:30 % häufiger eingesetzt, wie eine große retrospektive
Analyse aus den Niederlanden zeigt [34]. Die
Crossenrevision scheint besonders geeignet, um bei kaliberstarken
Mündungssituationen z. B. mit belassenem Stumpf ([
Abb. 1a
]) eine langfristige saphenofemorale
Rezidivfreiheit zu ermöglichen und ist nach eigener Erfahrung in dieser
Situation auch kein schwieriger oder komplikationsträchtiger Eingriff [15]. Operationstechnisch sind unterschiedliche
Zugangswege zum saphenofemoralen Rezidivursprung beschrieben, wobei sich ein
ventraler Zugang bei geringen und ein lateraler Zugang mit Präparation über die
Vasa femorales ([
Abb. 4
]) bei starken
Verwachsungen bewährt haben [15], [35].
Abb. 4 Operativer Ablauf einer links inguinalen Crossenrevision.
a Lateraler Zugang (modifiziert nach Junod [35]) über die A. femoralis communis (*)
unter Umgehung des Narbengewebes. b Präparation nach medial über
die V. femoralis communis (grobes Sternchen), Darstellung und
Unterfahren des Saphena-Stumpfes (Pfeil) mit Overholt-Klemme. Das
Narbengewebe (gestrichelter Pfeil) wird so bis zum Absetzen am
saphenofemoralen Übergang nicht wesentlich tangiert. c Situs nach
doppelter Stumpfligatur im Niveau der V. femoralis communis mit nicht
resorbierbarem Nahtmaterial (Pfeil) und invertierender
Endothelinversionsnaht (gestrichelter Pfeil). Eine präzise Beschreibung
der OP-Technik findet sich in [15].()
Dennoch gilt die inguinale Crossenrevision in der weltweiten Literatur durchaus
als Herausforderung für den Operateur, verbunden mit einem erhöhten
Komplikationsrisiko und entsprechender Einschränkung der postoperativen
Aktivität und Lebensqualität für die Patienten [8], [16], [18]. Interessant ist aber, dass sich letzteres
nicht negativ auf die Zufriedenheit mit der Behandlung auswirkt [14], [15],
[36]. Trotz geringerer Komplikationsrate
nach EVLA im Vergleich zur offenen Operation für die Behandlung inguinaler
Crossenrezidive zeigte sich in der oben bereits erwähnten Studie kein
Unterschied in der postoperativen Patientenzufriedenheit [34].
Dennoch muss man zur Kenntnis nehmen, dass auch nach einer sorgfältig
durchgeführten inguinalen Crossenrevision eine erneute Neovaskularisation und in
der Folge klinisch relevante Crossen-Re-Rezidive auftreten können. Historisch
lag die Rate duplexsonographischer Crossen-Re-Rezidive bei ca. 70 % nach 2,5
Jahren; also ein nahezu wirkungsloser therapeutischer Ansatz [37]. Bis heute konnte diese Zahl jedoch durch
diverse Maßnahmen drastisch reduziert werden. Um das Risiko der
Neovaskularisation zu reduzieren wurden in den letzten 20 Jahren insbesondere
anatomische oder prothetische Barrieretechniken, wie z. B. die
Endothelinversionsnaht des Crossenstumpfes, der nahttechnische Verschluss der
Fascia cribrosa oder das Einnähen eines Silikon- oder
Polytetrafluoroethylene(PTFE)-Patches, entwickelt und in den Operationsablauf
der inguinalen Crossenrevision integriert [13],
[15].
Zum Einsatz von Barrieretechniken in der inguinalen Revisionschirurgie sind in
den vergangenen Jahren mehrere prospektive Kohortenstudien, einige retrospektive
Studien, randomisierte und nicht-randomisierte kontrollierte Studien publiziert
worden. Ein Überblick gibt [
Tab. 2
].
Nach Anwendung eines PTFE-Patches zeigen sich in der Literatur
duplexsonographische Re-Rezidivraten von 13–37 % und klinische inguinale
Crossen-Re-Rezidive bei 2–13 % der Patienten nach Nachbeobachtungszeiten von
12–59 Monaten [14], [36], [38], [39]. De Maeseneer et al. untersuchten die
Anwendung eines Silikon-Patches in einer prospektiven nicht-randomisierten
Vergleichsstudie. Die mit Silikon-Patch versorgte Patientengruppe zeigte nach 5
Jahren v. a. eine um 80 % reduzierte duplexsonographische Re-Rezidiv-Rate
gegenüber der Nicht-Patch-Gruppe (9 % vs. 45 %) [13]. Mit einer einfachen Barrieremaßnahme, der Endothelinversionsnaht
nach Frings [40] ([
Abb. 4c
]), konnte unsere Arbeitsgruppe eine
duplexsonographische Re-Rezidivrate von 5 % und klinische inguinale
Crossen-Re-Rezidive bei nur 3 % der Patienten nach 18 Monaten
Nachbeobachtungszeit nachweisen [15]. Dieser
Überblick zeigt, dass die Anwendung von Barrierestrategien im Rahmen der
inguinalen Crossenrevision ein hohes Potenzial aufweist, um
Neovaskularisationsraten und damit die Rate an klinisch relevanten Re-Rezidiven
deutlich zu reduzieren.
Tab. 2
Studien zur operativen Therapie des inguinalen
Crossenrezidivs.
Erstautor und Publikationsjahr
|
Studientyp
|
Studienarme
|
Anzahl (Beine)
|
FU (Mo)
|
FU-Rate (%)
|
Duplexsonographisches ICRR
|
Klinisches ICCR
|
Abkürzungen: FU = Follow-up; FUS = Follow-up-Studie; ICR =
Inguinale Crossenrevision; ICRR = Inguinales Crossen-Re-Rezidiv;
n. a. = nicht anwendbar; nRKS = nicht-randomisierte
kontrollierte Studie; PK = Prospektive Kohortenstudie; PTFE =
Polytetrafluorethylen; RKS = randomisierte kontrollierte Studie;
RS = retrospektive Studie
|
Bhatti 2000 [36]
|
PK
|
ICR + PTFE-Patch
|
81
|
19
|
86
|
37 %
|
12 %
|
Creton 2002 [38]
|
PK
|
ICR + PTFE-Patch
|
170
|
59
|
70
|
13 %
|
4 %
|
Winterborn 2007 [39]
|
RKS
|
ICR + PTFE-Patch
|
40
|
24
|
80
|
31 %
|
13 %
|
Freis 2016 [14]
|
RS
|
ICR + PTFE-Patch
|
86
|
12
|
n. a.
|
?
|
2 %
|
De Maeseneer 2004 [13]
|
nRKS
|
ICR + Silikon-Patch
|
73
|
60
|
93
|
9 %
|
26 % („thigh varicosities“)
|
Gerontopoulou 2018 [15]
|
FUS
|
ICR + Endothelinversionsnaht
|
100
|
18
|
n. a.
|
5 %
|
3 %
|
Die vorhandenen jüngeren Studien weisen darauf hin, dass die offene
Re-Crossektomie, von Spezialisten durchgeführt und mit Barrieretechniken
verbunden, zunehmend gute Ergebnisse im Hinblick auf eine langfristige
Rezidivfreiheit der saphenofemoralen Region bei geringen Komplikationsraten
gewährleistet. Die technische Entwicklung der Operationstechnik ist noch
nicht abgeschlossen, Details im operativen Vorgehen müssen weiter in Studien
untersucht werden. Die inguinale Crossenrevision ist zeitgemäß, bei
kaliberstarken Crossenstümpfen vermutlich die beste Therapieoption und
gehört mit den endovenösen Verfahren und der Schaumsklerosierung fest in das
Behandlungsspektrum des saphenofemoralen Rezidivs.
Dennoch bleibt die Rezidivvarikose eine therapeutische Herausforderung, auch
aufgrund des noch unzureichenden Wissens zu Ätiologie und Pathogenese [25]. Mit den endovenös thermischen
Ablationsverfahren und der ultraschallgesteuerten Schaumsklerosierung stehen
im Vergleich zur offenen Crossenrevision weniger invasive Therapieverfahren
zur Verfügung, die entsprechend zunehmend zum Einsatz kommen. Die
Studienlage ist jedoch insgesamt dürftig mit kurzen Nachbeobachtungszeiten
und teils geringen Patientenzahlen. Es fehlt absolut an vergleichenden
Studien der drei genannten Therapieverfahren. Da die anatomischen Befunde
sehr unterschiedlich sein können, muss hier an präzisen Beschreibungen und
Klassifikationssystemen gearbeitet werden. Vor dem Hintergrund, dass
unterschiedliche Befunde vermutlich durch unterschiedliche Verfahren optimal
behandelt werden können ([
Abb.
1
].), sollte durch entsprechende Studien eine Individualisierung
der Therapie in den Fokus rücken. Um in der Zukunft mehr Evidenz zu schaffen
und entsprechende Empfehlungen einer differenzierten Therapie festlegen zu
können, brauchen wir eine bessere Studienlage.