PSYCH up2date 2019; 13(02): 95-96
DOI: 10.1055/a-0803-0080
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aufklärung und Behandlungsdauer bei einer Antidepressivatherapie – eine Forschungslücke und Aufgabe für die Zukunft

Ulrich Voderholzer
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Publication Date:
07 March 2019 (online)

Die Verordnungszahlen von Antidepressiva haben in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland um mehr als 500% zugenommen (Schwabe et al., 2018 [5]). Das liegt keineswegs nur an der erheblich gestiegenen Zahl von Patienten, bei denen eine Depression diagnostiziert wird (ob es tatsächlich eine epidemiologische Zunahme gibt, ist umstritten), sondern vor allem auch an dem immer breiteren Einsatz der Substanzen. Antidepressiva werden nicht nur bei Depression, sondern bei immer mehr Indikationen eingesetzt, wie etwa Angststörungen, Zwangsstörungen, Schlafstörungen, somatoformen Störungen, Essstörungen oder postmenopausalen Hitzewallungen. Viele dieser genannten Störungsbilder sind zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz chronische Erkrankungen und oftmals auch Störungen, die schon in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter auftreten. Damit stellt sich nicht nur die Frage, wie wir die Evidenz der Wirksamkeit dieser Substanzen bei diesen Indikationen beurteilen, sondern vor allem auch, welcher Behandlungszeitraum sinnvoll ist und ob wir mit einer eventuell jahrelangen Therapie den Betroffenen wirklich nutzen. Eine holländische Studie konnte zeigen, dass der Prozentsatz der Personen, die Antidepressiva über mehrere Jahre einnehmen, innerhalb eines 15-jährigen Beobachtungszeitraums von 30 auf 43% angestiegen ist (Huijbregts et al., 2017 [2]). Das heißt, es gibt immer mehr Menschen, die langfristig Antidepressiva einnehmen.