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DOI: 10.1055/a-0805-5741
Der Mini-Audio-Test (MAT) – eine Screeningmethode auf Schwerhörigkeit für Haus- und Fachärzte
The Mini-Audio-Test (MAT) - a screening method on hearing impairment to be used by general practitioners and specialized physiciansKorrespondenzadresse
Publication History
01/24/2018
11/22/2018
Publication Date:
05 December 2018 (online)
Zusammenfassung
Hintergrund In Deutschland leiden etwa 15 Millionen Menschen an einer Schwerhörigkeit (SH), doch nur 16 % tragen Hörgeräte. Diese Unterversorgung kann für die Betroffenen zu schwerwiegenden Folgen (soziale Isolation, Depression, Förderung einer Demenz etc.) führen. Ein frühzeitiges und flächendeckendes Hörscreening ab dem 50. Lebensjahr kann dies verbessern. In dieser Studie wurde der Mini-Audio-Test (MAT), ein sechs Fragen zum subjektiven Hörverlust (HV) umfassender Test mit dreistufiger Antwortskala, an einem Normalkollektiv überprüft (Sensitivität (Se), Spezifität (Sp), positiver prädiktiver Wert (PPW)).
Methode Es wurden 943 Patienten (älter als 50 Jahre) ohne bekannte Ohrenerkrankungen mittels MAT befragt, zum Vergleich die Hörschwellen tonaudiometrisch ermittelt und die Se, Sp und der PPW zur Detektion eines relevanten HV durch den MAT für die Altersklassen < 60 Jahre (AG1) und ≥ 60 Jahre (AG2) mittels binomialer Proportionen ermittelt.
Ergebnisse Die Se lag für AG1 bei 0,66, die Sp bei 0,61, der PW bei 0,60, für die AG2 lag die Se bei 0,47, die Sp bei 0,80, der PPW bei 0,89.
Schlussfolgerung Entsprechend der vorliegenden Ergebnisse wird der Einsatz des MAT als Screeningmethode für Nicht-HNO-Ärzte zur Detektion von schwerhörenden Patienten ab dem 50. Lebensjahr vorgeschlagen. Hierdurch ließen sich auch schwerwiegende Begleiterkrankungen wie Minderung der kognitiven Leistungsfähigkeit, Sturzrisiko, Depression und Demenz positiv beeinflussen.
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Abstract
Background In Germany, about 15 million people are suffering from hearing loss (HL), whereas only 16 % are using hearing aids. Untreated hearing loss may lead to severe complications (e. g. social isolation, depression, progress of dementia). An early and widespread screening, beginning at the age of 50, is meant to improve this shortage in medical care. By this study, the Mini-Audio-Test (MAT), a six-question and three-step answers containing questionnaire on subjective HL, should be verified on a normal collective of subjects (sensitivity (Se), specificity (Sp), positive predictive value (Ppv)).
Methods 943 subjects (older 50 years) without any history of ear disease answered the MAT and received pure-tone audiometry. The Se, Sp, and Pv to detect a relevant HL with the MAT for the age-group < 60 years (AG1) and ≥ 60 years (AG2) were determined.
Results The Se for AG1 was 0.66, the Sp 0.61, the Ppv 0.60, for AG2 the Se was 0.47, the Sp 0.80, the Ppv 0,89.
Conclusion Following our results, the MAT is recommended as a general screening-tool for HL in patients over 50 years of age for general practitioners. Hereby, severe secondary diseases (loss of cognitive power, risk of fall, depression, dementia) could be influenced positively.
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Schlüsselwörter
Schwerhörigkeit - Screening - Fragebogen - Hausarzt - Hörgeräteversorgung - Sensitivität - Spezifität - Positiver Prädiktiver Wert - EpidemiologieKey words
Hearing loss - screening - questionnaire - general practitioner - hearing aid fitting - epidemiologyEinleitung
Eine chronisch progrediente Schwerhörigkeit ist ein Symptom, das durch eine Vielzahl von Erkrankungen verursacht werden kann [1]. Neben chronischen Entzündungen, Lärmexposition, einer genetischen Disposition und Tumoren im Bereich des Innenohres und inneren Gehörganges (Vestibularis-Schwannom) sowie Gefäßerkrankungen wird hierfür ab dem 5. bzw. 6. Lebensjahrzehnt die physiologische Alterung des Innenohres verantwortlich gemacht. Diesen Vorgang bezeichnet man als Presbyakusis [1]. Diese Alterungsprozesse laufen meist sehr langsam ab und werden von den Betroffenen erst spät bemerkt. Gesprochenes wird beim Verstehen immer mehr geraten, das Verstehen dadurch verlernt. Die Folgen einer nichtbehandelten Schwerhörigkeit in der zweiten Lebenshälfte erhöhen das Risiko, einen kognitiven Leistungsverlust zu erleiden [2], eine Sturzkrankheit zu entwickeln [3], an einer Depression zu erkranken [4] oder den Verlauf einer Demenz zu beschleunigen [5]. In der Regel wird eine Presbyakusis durch die Anpassung geeigneter Hörgeräte ausgeglichen [6]. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind implantierbare Hörsysteme wie aktive Mittelohrimplantate (AMEI), Knochenleitungsimplantate oder Cochlea Implantate (CI) [7].
Nach der Global Burden Disease-Studie der WHO zählen Hörstörungen in den Industrieländern zu den sechs häufigsten, die Lebensqualität beeinträchtigenden Erkrankungen [8]. Weltweit wird für eine behandlungsbedürftige Schwerhörigkeit eine Prävalenz von 5,3 % der Weltbevölkerung bzw. ein Drittel aller Erwachsenen angegeben [9], für Deutschland finden sich Angaben von 16,2 % bis 27 % der erwachsenen Bevölkerung [10], [11], [12], [13], wobei das zu Grunde liegende Ausmaß des Hörverlustes der Schwerhörigkeit in den genannten Studien unterschiedlich definiert wurde. Zum Vergleich sei an dieser Stelle eine andere Volkskrankheit angeführt: Es gibt in Deutschland aktuell etwa 6,7 Millionen Diabetiker, die nahezu alle medikamentös oder mit Insulinpumpen versorgt sind [14]. Angesichts des demographischen Wandels ist in der Zukunft mit einer steigenden Prävalenz der Presbyakusis zu rechnen. Die durch eine unbehandelte, chronische Schwerhörigkeit verursachten volkswirtschaftlichen Kosten werden auf bis zu 2,65 Mrd. Euro pro Jahr in Deutschland geschätzt [15].
Um die Behandlung schwerhörender Patienten zu verbessern, ist eine breite Untersuchung der Bevölkerung hinsichtlich einer bisher nicht erkannten Schwerhörigkeit erforderlich. Dieses könnte mit einer möglichst einfachen und preiswerten Screeningmethode flächendeckend realisiert werden. Hierzu wurde z. B. der Digit Triplet Test entwickelt, den es auch in einer deutschen Version gibt [16], und der im Rahmen der Untersuchung auf Schwerhörigkeit zur Nationalen Kohorte verwendet wird [17]. Allerdings setzt dieser immer noch Assistenzpersonal in der Anwendung voraus. Diesen Nachteil umgehen Fragebögen nicht. International wird hierzu z. B. der HHIE-S verwendet (Hearing Handicap Inventory for the Elderly – Screening Version, [18], [19]). Dieser ist zwar gut evaluiert, erfasst aber erst eine relativ ausgeprägte Hörminderung von z. B. > 35 dB PTA-4 (durchschnittlicher Hörverlust von mindestens 35 dB in den vier Oktavfrequenzen 0,5, 1, 2 und 4 kHz in [19]).
Eine Früherkennung einer beginnenden Schwerhörigkeit, z. B. ab dem 50. Lebensjahr, ist mit diesem Test kaum möglich. Zudem ermöglichen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland Schwerhörenden nach den Bestimmungen der Hilfsmittel-Richtlinie bereits weit vor einem solch ausgeprägten Hörverlust Hörgeräte [6]. Ein auffälliges Screening mittels HHIE-S käme also in diesem Fall hinsichtlich einer anzustrebenden frühen Hörrehabilitation in der Regel zu spät. Wünschenswert wäre also ein einfaches Inventar, das bereits geringgradige Hörverluste detektiert und durch Nicht-HNO-Ärzte, insbesondere Hausärzte, eingesetzt werden kann. Auch die in den Niederlanden entwickelte, online-basierte Screeningmethode erfüllt diese Forderung nicht [20].
Deswegen wurde vor einigen Jahren der Mini-Audio-Test (MAT) entwickelt [21]. Es handelt sich um einen Fragebogentest, der aus sechs Fragen zum subjektiven Hörvermögen besteht, bei dem die Probanden für jede Frage angeben, ob sie in der jeweiligen Hörsituation in ihrem Hörvermögen beeinträchtigt sind ([ Abb. 1 ]). Dieser Test erfordert kein fachärztliches Wissen, benutzt Alltagssprache und vermeidet Investitionen in aufwändige audiologische Messtechniken.
Zur Entwicklung des MAT wurden in der genannten Studie 1159 Probanden ohne relevante Ohrenerkrankung untersucht. Aus ursprünglich 12 Fragen wurden die für die Detektion eines Hörverlustes von mindestens 25 dB in mindestens einer der Oktavfrequenzen zwischen 0,5 und 4 kHz am besten geeigneten Fragen ermittelt. Somit konnte die Auswahl der finalen sechs Fragen des MAT als methodisch valide untersucht betrachtet werden [21]. Als Schwellenwerte wurden 2 Punkte in der Altersklasse bis zum 60. Lebensjahr und 3 Punkte ab dem 60. Lebensjahr ermittelt.
Da die Primärstudie in HNO-Praxen durchgeführt wurde, war es grundsätzlich denkbar, dass aufgrund des dort vertretenen, speziellen Patientenklientels (erhöhte Morbidität der Schwerhörigkeit) die ermittelten Schwellenwerte mit einem systematischen Bias behaftet sein könnten (Spectrum-Bias [22]). Bevor der MAT allgemein für einen breiten Einsatz in hausärztlichen und fachärztlichen Praxen empfohlen werden konnte, musste deshalb eine Re-Evaluation des Tests mit einer annähernden Normalkohorte durchgeführt werden.
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Methoden
Zwischen Juni 2016 und August 2017 wurden an zwei HNO-Kliniken (Unfallkrankenhaus Berlin und HNO-Klinik der Ruhr-Universität Bochum am St. Elisabeth-Hospital) 956 Patienten verschiedener Fachabteilungen ab dem 50. Lebensjahr ohne Ohrenerkrankungen ohrmikroskopisch untersucht, der Hörverlust tonaudiometrisch für die Frequenzen 0,5 – 1,0 – 2,0 – und 4,0 kHz seitengetrennt erfasst und zuvor mit den sechs Fragen des MAT befragt ([ Abb. 1 ]). Die Audiometristinnen waren gegenüber dem MAT-Ergebnis der Probanden verblindet. Zur Beantwortung des MAT sollten die Probanden auf einer dreistufigen Skala angeben, inwiefern sie sich bei den in den Fragen beschriebenen Alltagssituationen in ihrem subjektiven Hörvermögen beeinträchtigt fühlen. Dabei standen drei Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, die nachfolgend Punktwerten zugeordnet wurden („stimmt“- 2, „stimmt teilweise“ – 1 oder „stimmt nicht“ – 0). Diese Punkte wurden anschließend addiert. Die Antworten des MAT wurden papiergebunden erfasst und pseudonymisiert mit den zugehörigen Tonaudiogrammen gesammelt und zusammen mit den Angaben zu Alter und Geschlecht in eine Excel-Tabelle eingegeben.
Beide Studienstandorte wurden während des Erfassungszeitraumes zu Beginn, während und nach Ende des Erfassungszeitraumes durch eine Study Nurse insgesamt fünf Mal visitiert. Diese überprüfte die MAT-Werte, die tonaudiometrischen Angaben sowie die weiteren erfassten Merkmale auf die korrekte Übertragung in die Excel-Tabellen, so dass bei der Erfassung ein Vier-Augen-Prinzip realisiert werden konnte. Ferner wurde überprüft, ob die Aufklärungs- und Einwilligungsbögen entsprechend des Studienprotokolls ordnungsgemäß vorlagen. Über alle Besuche wurde ein Fehlerprotokoll angefertigt und Übertragungsfehler anschließend korrigiert. Schließlich wurde geprüft, ob die beiden Altersklassen untereinander und hinsichtlich der Geschlechtsverteilung ausgewogen waren. Nach Abschluss der Studie wurden die beiden Excel-Tabellen zusammengeführt und statistisch ausgewertet.
Hierbei wurden Sensitivität, Spezifität und prädiktive Werte als binomiale Proportionen zusammen mit einem exaktem 95 % Konfidenzintervall (KI) bestimmt. Zur Bestimmung dieser Größen wurde der MAT mit den Schwellenwerten von 2 Punkten (unter 60 Jahre) bzw. 3 Punkten (60 Jahre und älter) kategorisiert. Die prädiktive Güte des Tests wurde mittels einer logistischen Regression bestimmt. Die Adjustierung erfolgte über ein Regressionsmodell mit dem audiometrischen Testergebnis für den Hörverlust als abhängige Variable und Alter, Geschlecht und Klinik als unabhängigen Variablen. Als zugehörige Maßzahl wurde die Fläche unter der Kurve (Area under Curve (AUC) der Receiver Operator Characteristic (ROC)-Kurve) genutzt. Bei der ROC-Analyse wurde der MAT-Score variiert.
Die Studie und das zugehörige Protokoll wurden vor Beginn beim Deutschen Register für Klinische Studien (DRKS) angemeldet (Registernummer: DRKS00009783) und vom Deutschen Studienzentrum HNO (DSZ-HNO), Freiburg, fachlich unterstützt. Das DSZ-HNO wird gemeinschaftlich von der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie und dem Deutschen Berufsverband der HNO-Ärzte getragen. Die Teilnahme der Probanden an der Studie war freiwillig, für beide Standorte lag ein positives Votum der jeweiligen Ethikkommission vor (Berlin: EA1/326/15, Bochum: 16–5740).
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Ergebnisse
Innerhalb des Untersuchungszeitraumes wurden insgesamt 956 Probanden befragt. Von den zugehörigen Datensätzen mussten 13 wegen eines zu geringen Lebensalters von der weiteren Analyse ausgeschlossen werden. Die Verteilung der verbleibenden 943 Probanden zeigt [ Abb. 2 ]. Die Daten für die Altersklassen, Geschlechtsverteilungen und Kliniken zeigen die [ Tab. 1 ] und [ Tab. 2 ].
Falsch positive und falsch negative Probanden und die Prävalenz von Schwerhörigkeit in den Altersklassen
[ Abb. 2 ] zeigt die absolute und relative Einteilung der beiden Alterskohorten hinsichtlich ihres subjektiven und objektiven Hörvermögens in Bezug auf die Gesamtzahl der Probanden. [ Tab. 3 ] zeigt die zugehörige Vierfeldertafel in Bezug auf die Gesamtzahl der beiden untersuchten Altersgruppen. In der Altersgruppe der unter 60-jährigen schätzten sich 33,0 % der Probanden mittels des MAT richtig als normalhörend (richtig negativ) und 15,9 % fälschlicherweise als normalhörend ein (falsch negativ). Von den subjektiv Schwerhörenden dieser Altersgruppe waren 20,4 % tatsächlich normal hörend (falsch positiv) und 30,6 % wiesen auch audiometrisch eine Schwerhörigkeit (richtig positiv) im Sinne der Fragestellung auf ([ Tab. 3 ]).
In der Altersgruppe ab dem vollendeten 60. Lebensjahr schätzten sich 17,8 % der Probanden mittels des MAT richtig als normalhörend (richtig negativ) und 41,2 % falsch als normalhörend ein (falsch negativ). Von den subjektiv Schwerhörenden dieser Altersgruppe waren 4,4 % tatsächlich normal hörend (falsch positiv) und 36,6 % wiesen auch audiometrisch eine Schwerhörigkeit (richtig positiv) im Sinne der Fragestellung auf ([ Tab. 3 ]). Somit war die Gruppe der falsch Negativen in der älteren Altersklasse deutlich größer als in der jüngeren.
Insgesamt waren 53,4 % der Probanden unter 60 Lebensjahren im Sinne der Fragestellung normalhörend und 46,6 % schwerhörend. Mit 22,2 % lag der Anteil für ein normales Gehör nach der Definition dieser Studie in der älteren Gruppe ab dem 60. Lebensjahr deutlich unter, mit 77,8 % für audiometrisch schwerhörende deutlich über den Werten der jüngeren Probanden ([ Tab. 3 ]). In der Voruntersuchung lag dieser Anteil in der jüngeren Altersklasse bei 71,0 %, in der älteren bei 93,3 % [21].
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Sensitivität, Spezifität, Prädiktiver Wert
Die bereits in der ersten Studie ermittelten Schwellenwerte zur Detektion eines Hörverlustes von mindestens 25 dB in mindestens einer der vier Oktavfrequenzen zwischen 0,5 und 4 kHz lagen für die Altersklasse 1 (50 bis 59 Jahre) bei 2, für die Altersklasse 2 (ab dem 60. Lebensjahr) bei 3 Punkten im MAT [21]. Die mit den genannten Daten errechneten, neuen Werte für die Sensitivität und Spezifität des MAT bezogen auf die beiden Altersklassen finden sich in [ Tab. 3 ], ergänzt um die Daten der ersten Studie [21]. Im Vergleich fällt auf, dass die Sensitivität des MAT im Rahmen der Re-Evaluation insbesondere für die ältere Kohorte geringer als für die jüngere ausfiel (47,0 % vs. 65,8 %). Nicht ganz so ausgeprägt findet sich dieses auch für die jüngere Altersgruppe (65,8 % vs. 77,9 %). Die Werte für die Spezifität variieren diesbezüglich nur geringgradig. [ Tab. 4 ] zeigt die Ergebnisse im Vergleich.
Altersgruppe |
< 60 Lebensjahre |
≥ 60 Lebensjahre |
||
Evaluationszeitraum |
2013 [16] |
2017 |
2013 [16] |
2017 |
Sensitivität |
77,9 % |
65,8 % |
69,4 % |
47,0 % |
95 % Konfidenzintervall |
71,8 % |
59,2 %
|
66,0 % |
42,2 %
|
Spezifität |
66,7 % |
61,8 % |
85,5 % |
80,1 % |
95 % Konfidenzintervall |
55,9 % |
55,4 %
|
73,3 % |
72,9 %
|
positiver prädiktiver Wert |
80,1 % |
60,0 % |
95,4 % |
89,3 % |
95 % Konfidenzintervall |
74,6 % |
53,5 %
|
93,6 % |
85,1 %
|
negativer prädiktiver Wert |
64,0 % |
49,1 % |
17,3 % |
30,1 % |
95 % Konfidenzintervall |
51,0 % |
44,4 %
|
11,3 % |
25,1 %
|
Aus der aktuellen Untersuchung ergab sich für die jüngere Altersklasse ein positiv prädiktiver Wert von 60,0 %, für die ältere von 89,3 %. Dieser gibt die Wahrscheinlichkeit an, bei einem positiven Testergebnis tatsächlich krank zu sein. Der negative prädiktive Wert lag für die Altersklasse unter dem 60. Lebensjahr bei 49,1 %, ab dem 60. Lebensjahr bei 30,1 % ([ Tab. 4 ]).
Bei der Analyse der ROC-Kurven ergab sich eine AUC von 0,67 (95 % KI 0,64; 0,71) für den MAT insgesamt ([ Abb. 3a ]). Adjustiert für Alter, Geschlecht und Klinik fand sich eine AUC von 0,79 ([ Abb. 3b ], 95 % KI 0,76; 0,82). Zum Vergleich: In der Vorgängerstudie lag die AUC für den MAT bei 0.81 (95 % KI 0,77; 0,84) [21].
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Diskussion
In dieser Studie wurden die Sensitivität und Spezifität des MAT zur Detektion eines Hörverlustes von mindestens 25 dB in mindestens einer der Oktavfrequenzen zwischen 0,5 und 4 kHz anhand einer Normalkohorte überprüft. Hierzu wurden 943 Probanden in zwei Gruppen (erste Gruppe 50. bis 59., zweite Gruppe ab dem 60. Lebensjahr) untersucht. Die Probandenanzahl war hinsichtlich der Verteilung auf die einzelnen Altersklassen und des Geschlechts ausgewogen.
Die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen auf zwei entscheidende Aspekte hin, die im Folgenden weiter diskutiert werden sollen. Zum einen unterscheiden sich die ermittelten Parameter zur Sensitivität, Spezifität und der prädiktiven Werte des MAT von denen der Voruntersuchung [21]. Zum anderen variiert die Sensitivität im Vergleich der beiden untersuchten Altersklassen. Insgesamt ist die diagnostische Diskriminierung des MAT in der Validierungsstichprobe, gemessen an der AUC, geringer als in der Voruntersuchung. Im Folgenden diskutieren wir mögliche Ursachen.
Vergleich der jetzigen Untersuchungsergebnisse mit denen der Voruntersuchung (Primärstudie)
Im Rahmen der hier vorliegenden Studie wurden Probanden untersucht, die sich in verschiedenen Kliniken zweier repräsentativer deutscher Krankenhäuser aufhielten, ohne an einer Erkrankung der Ohren zu leiden. In der Primärstudie [21] rekrutierten sich die Probanden aus HNO-Praxen. Vorbedingung war damals, dass diese keine akuten Erkrankungen der Ohren aufwiesen. Deswegen wurde bereits damals diskutiert, dass es grundsätzlich möglich war, dass Probanden untersucht wurden, die an einer seit längerem bekannten Schwerhörigkeit litten, die HNO-Arztpraxis aktuell jedoch aus einem anderen Grund konsultierten. Dieser hypothetische Spectrum-Bias [22] hätte zu einer erhöhten Prävalenz des Merkmals Schwerhörigkeit in der erstuntersuchten Gruppe (der „Primärstudie“) geführt.
Die jetzt vorliegenden Ergebnisse aus den Krankenhauskohorten scheinen diesen erstmals hypothetisch angenommenen, aber jetzt bestätigten Spectrum-Bias [22] zu belegen.
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Weitere Unterschiede zwischen den Altersklassen und Einordnung des MAT als Screeningtest
Auffallend ist, dass insbesondere in der Altersklasse ab dem 60. Lebensjahr die Sensitivität einen vergleichsweise geringeren Wert aufweist und gleichzeitig die Prävalenz für das untersuchte Merkmal Schwerhörigkeit signifikant ansteigt. Es muss also (mindestens) einen Grund geben, warum die älteren Probanden die Schwerhörigkeit nicht in dem Umfang angeben, wie die jüngeren, obwohl sie statistisch häufiger eine relevante Schwerhörigkeit aufweisen. Wenn man eine kontinuierliche Zunahme der Schwerhörigkeit über das Lebensalter annimmt, dann könnten eine wachsende Habituation an die Situation mit den oben beschriebenen Kompensationsmechanismen oder ein zunehmendes Verdrängen dieses Umstandes mögliche Erklärungsmodelle liefern. Denkbar ist auch, dass sich die beiden Altersklassen grundsätzlich in ihrer Eigenwahrnehmung im Sinne eines Generationenunterschiedes voneinander abgrenzen. Bekannt ist, dass eine Veränderung der Selbstwahrnehmung einen Einfluss auf körperliche Funktionen hat [23]. Im Unterschied zu Daten anderer Autoren ist die Gruppe der subjektiv Schwerhörenden in der jüngeren Altersklasse in unserer Studie größer als diejenige in der Älteren [12]. In der vorstehenden Untersuchung war die Rate an Schwerhörenden in beiden Altersklassen absolut betrachtet geringer als in unserer Studie, was aber an unterschiedlichen audiologischen Bewertungskriterien zur Charakterisierung des Merkmals „Schwerhörigkeit“ liegen könnte [12]. Dieses lässt sich auch für die dort festgestellte, grundsätzlich geringere Quote an subjektiver Schwerhörigkeit konstatieren, erklärbar durch die Verwendung eines anderen Frageninventars. Denkbare Unterschiede zur Selbstwahrnehmung unterschiedlicher Generationen sind wegen der multifaktoriellen Einflüsse kaum objektiv zu erfassen.
Der MAT wurde als Screeninginstrument entwickelt, um Kandidaten für eine audiologische Diagnostik bei Vorliegen einer medizinisch relevanten Schwerhörigkeit zu identifizieren. In unserer Studie ergab sich trotz der geringeren Sensitivität des MAT in Folge der hohen Prävalenz von Schwerhörigkeit ein positiver prädiktiver Wert von 60,0 % für die jüngere und von 89,3 % für die ältere Altersgruppe.
Auch hier soll ein epidemiologischer Vergleich eingeführt werden: So hat das Mammakarzinom in Deutschland eine Prävalenz von etwa 2 % ab dem 50. Lebensjahr [24] und der prädiktive Wert des Mammographiescreenings beträgt 9,2 % [25]; mittels kombinierter bildgebender Verfahren lässt sich eine Sensitivität von 90,77 % und Spezifität von 96,49 % erreichen [26]. Durch die niedrige Prävalenz der Erkrankung ergibt sich jedoch selbst unter diesen Idealbedingungen nur ein positiver prädiktiver Wert von 34,5 %.
Da es sich bei den mit einer Schwerhörigkeit einhergehenden Erkrankungen – anders als beim Brustkrebs – nur sehr selten um Malignome handelt, ist nach Ansicht der Autoren der Einsatz des MAT als schnelles, kostengünstiges und einfach umzusetzendes Screeninginstrument (ohne Nebenwirkungen) für Hausärzte und Fachärzte ohne eigene Möglichkeit zur audiometrischen Untersuchung verlässlich zu empfehlen. Sinnvollerweise sollte ein Erstscreening mittels MAT im 6. Lebensjahrzehnt, also ab dem 50. Lebensjahr erfolgen, bevor Kompensations-, Gewöhnungs- und Verdrängungsprozesse den Betroffenen wieder Normalhörigkeit vorgaukeln.
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Der MAT im Vergleich zu anderen Frageninventaren zur Schwerhörigkeit
Es gibt nur wenige Inventare, deren Sensitivität und Spezifität hinsichtlich eines bestimmten Hörverlustes bekannt sind [27]. Zum Screening auf Schwerhörigkeit existiert in dieser Hinsicht praktisch nur noch das HHIE-S [18]. Dieses Inventar umfasst 10 Fragen und ist somit umfangreicher und aufwändiger als der MAT. Zudem ist der HHIE-S in seiner deutschen Version nicht evaluiert. Seine Sensitivität wurde hinsichtlich der Detektion eines durchschnittlichen Hörverlustes von mindestens 25 dB in den drei Frequenzen zwischen 0,5 – 1,0 und 2,0 kHz ermittelt [18]; eine andere Studie hat die Ergebnisse des HHIE-S erst mit einem durchschnittlichen Mindesthörverlust von 35 dB in allen vier Oktavfrequenzen zwischen 0,5 und 4 kHz verglichen [19]; die Verwendung des HHIE-S ist also nicht einheitlich. Insgesamt ist der korrelierte Mindesthörverlust beim HHIE-S deutlich höher als in unserer Studie. Zudem wurden in der erstgenannten Studie nur Probanden ab dem 60. Lebensjahr untersucht. Die Sensitivität des HHIE-S liegt unter diesen Bedingungen bei 83,3 %, die Spezifität bei 63,4 %, der positive prädiktive Wert bei 62,5 % und der negative prädiktive Wert bei 83,9 % [28]. Interessanterweise sind dennoch die Spezifität und der positiv prädiktive Wert des MAT trotz der geringeren Sensitivität deutlich besser als die des HHIE-S. Darüber hinaus orientieren sich die Werte des HHIE-S, anders als beim MAT, nicht an der Hilfsmittel-Richtlinie [6]. Dieses ist aber für ein deutschsprachiges Inventar wünschenswert, da die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland Hörhilfen bereits ab den für den MAT gültigen Hörverlustkriterien erstatten.
Das zweite gebräuchliche Inventar, dessen Sensitivität und Spezifität bekannt ist, ist der 24 Fragen umfassende APHAB [29], [30], [31], [32]. Die genannten Werte für diesen Fragebogen liegen etwa im Bereich des HHIE-S und dienen ebenfalls zur Detektion eines Hörverlustes in mindestens einer Oktavfrequenz von mindestens 25 dB [33]. Somit wäre der APHAB insgesamt ein empfindlicheres Instrument als der HHIE-S bzw. MAT zum Nachweis einer relevanten Schwerhörigkeit, wegen seines Umfanges und der Differenziertheit der Einzelfragen ist er jedoch als Screeningmethode für Nicht-HNO-Ärzte ungeeignet. Außerdem lag das zugrundeliegende Durchschnittsalter in der APHAB-Kohorte mit 58 Jahren deutlich höher, Altersklassen wurden in der genannten Studie nicht gebildet [33]. Angesichts der relativ geringen Sensitivität des MAT für die Altersgruppe ab dem 60. Lebensjahr wäre jedoch zu erwägen, in dieser Kohorte, wenigstens durch HNO-Ärzte, den APHAB (oder HHIE-S) einzusetzen.
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Epidemiologische Abschätzungen und weitere Forschungsfragen
Die Prävalenz eines Hörverlustes von mindestens 25 dB in mindestens einer der vier Oktavfrequenzen zwischen 0,5 und 4 kHz ist in unseren Kohorten vergleichsweise hoch: 46,6 % in der jüngeren und 77,8 % in der älteren Altersklasse. Zwar finden sich in der Literatur Daten über eine subjektiv empfundene Hörbeeinträchtigung und Durchschnittsaudiogramme für verschiedene Altersklassen [12], [34], da jedoch diese Publikationen unterschiedliche Kriterien zur Definition einer Schwerhörigkeit und Fragebögen anwenden, ist ein direkter Vergleich mit unseren Ergebnissen nicht unmittelbar möglich.
Perspektivisch erscheint die Frage bedeutsam, ob sich durch den Einsatz des MAT die Anzahl von Patienten, die tatsächlich mit Hörgeräten versorgt werden, in den hier untersuchten Altersgruppen erhöht. Wenn man davon ausgeht, dass tatsächlich nur etwa 16 % aller versorgungsbedürftigen Patienten über Hörgeräte verfügen [11], könnte eine signifikante Steigerung in entsprechend ausgewählten Regionen innerhalb eines definierten Zeitraumes nachweisbar sein.
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Einsatz des MAT in der haus- und fachärztlichen Praxis
Angesichts der hohen Prävalenz von Schwerhörigkeit in der Bevölkerung [9], [10], [11], [12], [13] eignet sich der MAT mit den gefundenen Werten für die Sensitivität und Spezifität als Screeninginstrument zur Detektion einer abklärungsbedürftigen Schwerhörigkeit in der hausärztlichen und anderen, nicht-HNO-ärztlichen Praxis. Idealerweise sollte dies in der sechsten Lebensdekade, zwischen dem 50. und 59. Lebensjahr erfolgen. Hierdurch kann auch das Bewusstsein in der Bevölkerung geschärft werden, dass eine nichtbehandelte, mit einer Schwerhörigkeit einhergehende Begleit- bzw. Folgeerkrankung keineswegs eine banale Begleiterscheinung im höheren Lebensalter darstellt, sondern mit erheblichen Risiken (kognitiver Leistungsverlust, Sturz, Depression, Demenz) verbunden ist, die zumindest zum Teil durch eine Hörgeräteversorgung oder operative Therapie aufgehalten werden können.
Hinsichtlich der hohen Rate schwerhörender Erwachsener ab dem 50. Lebensjahr [9], [10], [11], [12], [13] könnte ein strukturiertes Vorgehen unter Einbeziehung des MAT zur Erfassung und dauerhaften Begleitung chronisch schwerhörender Patienten entwickelt werden. Dieses sollte zum einen die Zusammenarbeit zwischen der hausärztlichen bzw. fachärztlichen Ebene auf der einen und der HNO-ärztlichen Ebene auf der anderen Seite regeln. Nur so lassen sich die angesichts der Unterversorgung schwerhörender Patienten und aufgrund des demographischen Wandels zu erwartenden Fallzahlen sinnvoll und auch für die Kostenträger finanzierbar lenken und einer zielgerichteten Behandlung zuführen.
Der MAT ist ein Screeningtool zur Detektion von Schwerhörigkeit, unabhängig von deren Genese. Dabei können im Zuge der weiteren Abklärung auch andere als rein sensorineural-bedingte Formen der Schwerhörigkeit zu Tage treten, die ggf. auch einer operativen Behandlung bedürfen. Manche dieser Erkrankungen, z. B. Cholesteatome oder Vestibularis-Schwannome, können unbehandelt lebensbedrohliche Komplikationen nach sich ziehen, ohne zuvor weitere Symptome zu zeigen [35].
Schwerhörigkeit ist ein mögliches Symptom bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen.
Eine Schwerhörigkeit kann durch (z. B. alterungsbedingte) Innenohrveränderungen aber auch durch potentiell lebensbedrohliche Erkrankungen (z. B. Cholesteatome, Vestibularis-Schwannome) hervorgerufen werden.
Die Prävalenz der Schwerhörigkeit steigt ab dem 50. Lebensjahr stark an.
Eine unbehandelte Schwerhörigkeit erhöht das Risiko für einen kognitiven Leistungsverlust, für Stürze, für Depressionen und kann den Verlauf einer Demenz beschleunigen.
Der MAT ist ein praktikabel durchzuführender, schneller Screeningtest auf Schwerhörigkeit, der einfach und ohne großen Personalaufwand in jeder ärztlichen Praxis durchgeführt werden kann.
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Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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