Schlüsselwörter
CIN - Kolposkopie - Konisation - Management - Screening - zervikale Dysplasie - Zervixkarzinom
Einleitung
Das Zervixkarzinom stellt weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung der Frau dar
und wird ebenso an 4. Stelle aller krebsbedingten Todesfälle geführt [1]. Parallel zur Einführung eines flächendeckenden Screenings sank die Inzidenz in
westlichen Industrieländern in den letzten Jahrzehnten deutlich. Allerdings stagniert
die Zahl der Neuerkrankungen seit der Jahrtausendwende in Deutschland bei ca. 4500
[2]. Dieser Umstand führte zu einem Paradigmenwechsel in der gynäkologischen Krebsvorsorge
und der Abschaffung des bisherigen opportunistischen Screenings. Eine verbesserte
Früherkennung soll nun im Rahmen eines noch in der Etablierung befindlichen organisierten
Screeningprogrammes eine weitere Reduktion der Zahl an Zervixkarzinomneuerkrankungen
ermöglichen [3].
Wesentliche Änderung des neuen Screenings ist neben der Einführung der Co-Testung
mit PAP-Abstrich und HPV-Test (HPV: humanes Papilloma-Virus) für Frauen ab dem 35. Lebensjahr
auch der unabdingbare Einsatz der Differenzialkolposkopie als integraler Bestandteil
der Abklärungskaskade [4]. Auf Basis der Qualitätssicherungskriterien der Europäischen Gesellschaft für Kolposkopie
(EFC) [5] wird im deutschsprachigen Raum (Österreich, Deutschland, Schweiz) die Qualität einer
Dysplasieeinrichtung seit 2008 durch ein einheitliches Zertifizierungssystem erhoben
und bewertet [6]. Andere Kolposkopiegesellschaften definieren zusätzlich Standards in der praktischen
und technischen Durchführung der Kolposkopie und Konisation [7], [8], [9]. Vergleichbare Empfehlungen fehlen im deutschsprachigen Raum. Bisher konzentrieren
sich die Diskussionen vornehmlich auf das Management zervikaler Dysplasien und den
optimalen Abklärungsalgorithmus. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden deutlichen
Steigerung der Inanspruchnahme von Dysplasiesprechstunden und -einheiten im organisierten
Screening, sollte sich der Fokus auch auf die optimale Behandlung der betroffenen
Frauen im Rahmen der kolposkopischen Abklärung richten. Zu dieser Thematik fehlen
jedoch bisher fundierte Untersuchungen. Gerade hier ist aber eine einheitliche Vorgehensweise
zur Sicherung einer hohen Qualität und zur Wahrung von Standards unabdingbar.
In der vorliegenden Studie wurden kolposkopisch tätige Frauenärzte im deutschsprachigen
Raum per E-Mail oder bei Veranstaltungen eingeladen, an einer webbasierten Befragung
teilzunehmen. Der Fragebogen beinhaltete Fragen zum Management von Patientinnen vor,
während und nach der Untersuchung sowie Fragen zur technischen Durchführung der Kolposkopie
und Konisation. Ziel war es, die gegenwärtige Praxis zu evaluieren, um hieraus zukünftig
einen möglichen Standard für die Behandlung von Patientinnen im Rahmen der Konsultation
einer Dysplasieeinrichtung zu definieren.
Material und Methodik
Studiendesign und Zielgruppe
Der onlinebasierte Fragebogen richtete sich an kolposkopisch tätige Frauenärzte im
deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz). Hintergrund ist der gemeinsame
Zertifizierungsprozess einer Dysplasieeinrichtung in allen 3 Ländern [6]. Ziel dieser Befragung war es, die organisatorische, apparative und technische Vorgehensweise
von Frauenärzten im Rahmen der Abklärung einer zervikalen Dysplasie mittels Kolposkopie
sowie die operative Therapie von Dysplasien durch Konisation zu evaluieren. Der hierzu
entworfene Fragebogen bestand aus 38 Fragen. Der Fragebogen war in 3 Teile gegliedert:
der 1. Teil beinhaltete allgemeine Fragen zur teilnehmenden Person (Geschlecht, Alter,
berufliche Laufbahn) sowie Fragen zur Qualifikation hinsichtlich der Kolposkopie.
Der 2. Teil bezog sich auf die Aufklärung der Patientinnen, die technische Durchführung,
die Dokumentation und das Management von Komplikationen im Rahmen der Kolposkopie.
Der 3. Teil des Fragebogens beschäftigte sich mit der technischen Durchführung der
Konisation sowie dem Management von Komplikationen während und nach der Konisation.
Ein Votum der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
wurde eingeholt (Registriernummer 18-6259 vom 20.02.2018).
Datenakquise/-management und statistische Analysen
Als Studiendatenbank wurde REDCap (Research Electronic Data Capture) verwendet [10]. REDCap ist eine sichere, webbasierte Anwendung, die spezifisch für die Datensammlung
im Rahmen von medizinischen Studien entwickelt wurde. Sie bietet u. a. die Möglichkeit,
Onlinefragebögen zu generieren und bereitzustellen sowie den E-Mail-Versand von Einladungen
zur Teilnahme automatisiert abzuwickeln. Die E-Mail-Adressen potenzieller Studienteilnehmer
stammten aus öffentlich zugänglichen Internetseiten (z. B. von Arztpraxen oder Krankenhäusern)
und öffentlich zugänglichen Registern (z. B. Dysplasiesprechstunden in Deutschland
auf den Seiten der Arbeitsgemeinschaft für Kolposkopie und Zervixpathologie) in Deutschland,
der Schweiz und Österreich.
Die Einladung zur Studienteilnahme enthielt einen Link zum Onlinefragebogen. Dieser
Link war spezifisch für jeden Teilnehmer und erlaubte es nachzuverfolgen, ob auf eine
bestimmte Einladung eine Antwort erfolgte und verhinderte die mehrfache Teilnahme.
Erfolgte durch die eingeladene Person keine Rückmeldung, wurden bis zu 2 Erinnerungen
im Abstand von jeweils 14 Tagen verschickt. Parallel zur Rekrutierung mittels E-Mail
wurde bei Kongressen oder sonstigen Fachveranstaltungen auf die Studie hingewiesen
und zur Teilnahme eingeladen. Dazu wurde ein allgemein gültiger Link zum Onlinefragebogen
(in Textform oder als QR-Code) zur Verfügung gestellt.
Die erhobenen Daten wurden mittels deskriptiver Statistik beschrieben. Etwaige Vergleiche
von Subgruppen wurden im Fall von kategorischen Variablen mittels Fisherʼs Exact Test
oder χ2-Test durchgeführt. Im Fall von kontinuierlichen Variablen wurden Vergleiche zwischen
2 Gruppen mittels Studentʼs t-Test (bei Daten, die einer Normalverteilung folgten)
bzw. Mann-Whitney U-Test (bei nicht normalverteilten Daten) durchgeführt.
Ergebnisse
Teilnehmerrekrutierung
Im Zeitraum von Februar 2018 bis April 2018 wurden 998 Einladungen zur Teilnahme an
der Studie per E-Mail versendet. Insgesamt 37 Einladungen waren nicht zustellbar (ungültige
Adressen, volle Mailbox), sodass von 961 angenommen werden kann, dass diese in die
entsprechenden Postfächer zugestellt wurden. Parallel dazu wurde bei mehreren Veranstaltungen
mit insgesamt ca. 50 Teilnehmern die Einladung zur Studienteilnahme ausgesprochen.
In 237 Fällen haben die potenziellen Teilnehmer auf die Einladung geantwortet; dies
entspricht einer Rücklaufquote von insgesamt 23,4% (20,5% aus der Rekrutierung per
E-Mail, ca. 80% bei den Veranstaltungen). 35 Teilnehmer (14,8%) lehnten die Studienteilnahme
ab und 10 Teilnehmer (4,2%) aus dem E-Mail-Zweig gaben an, bereits an der Studie teilgenommen
zu haben (doppelte E-Mail-Adressen oder bereits bei einer Veranstaltung rekrutiert;
ergibt 227 individuelle Teilnehmer), sodass 192 Teilnehmer (84,6%) an der Studie teilnahmen.
Von diesen gaben 32 an, keine Kolposkopien durchzuführen und wurden daher ausgeschlossen.
Für die Auswertung wurden also letztlich die Fragebögen von 160 Teilnehmern berücksichtigt.
[Abb. 1] fasst den Ablauf der Studie schematisch zusammen.
Abb. 1 Schematische Darstellung der Studiendurchführung.
Studienpopulation
In [Tab. 1] ist die Studienpopulation dargestellt. 75,2% der Befragten behandelten jährlich
mehr als 50 Frauen mit genitalen Dysplasien (22,3% zwischen 50 und 100 Frauen, 52,9%
mehr als 100 Frauen pro Jahr). Weiterhin hatte die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer
(72,3%) mindestens das Kolposkopiediplom erworben oder zusätzlich eine personenbezogene
Zertifizierung nach dem Konzept der Arbeitsgemeinschaft für Kolposkopie und Zervixpathologie
(AG-CPC) abgelegt.
Tab. 1 Charakteristika der Studienpopulation.
|
Eigenschaft
|
Wert
|
|
Werte sind Anzahl (Anteil in Prozent) oder Median (Interquartilsabstand). Zahlen in
eckigen Klammern bedeuten die Anzahl fehlender Werte. * Mehrfachauswahl möglich (Summen
können > 100% ergeben).
|
|
Anzahl ausgewerteter Fragebögen
|
160
|
|
Alter (Jahre)
|
42 (36 – 51) [3]
|
|
Geschlecht (weiblich/männlich)
|
102 (64,6%)/56 (35,4%) [2]
|
|
Berufstätigkeit (Jahre)
|
15 (9 – 23) [1]
|
|
Land der Tätigkeit als Arzt*
|
[23]
|
|
|
115 (83,9%)
|
|
|
7 (5,1%)
|
|
|
15 (10,9%)
|
|
Ort der Tätigkeit als Arzt*
|
[2]
|
|
|
59 (37,3%)
|
|
|
110 (69,6%)
|
|
|
12 (10,9%)
|
|
|
18 (16,4%)
|
|
|
68 (61,8%)
|
|
|
9 (8,2%)
|
|
|
3 (2,7%)
|
|
promoviert (Dr. med.) (ja/nein)
|
133 (83,6%)/26 (16,4%) [1]
|
|
Art der kolposkopischen Ausbildung
|
[2]
|
|
|
30 (19,0%)
|
|
|
10 (6,3%)
|
|
|
28 (17,7%)
|
|
|
87 (55,1%)
|
|
|
3 (1,9%)
|
|
Zeitraum der Durchführung von Kolposkopien (Jahre)
|
8 (4 – 15) [2]
|
|
Anzahl bisher behandelter Frauen mit genitalen Dysplasien:
|
[4]
|
|
|
40 (25,7%)
|
|
|
20 (12,8%)
|
|
|
96 (61,5%)
|
|
Anzahl jährlich behandelter Frauen mit genitalen Dysplasien:
|
[3]
|
|
|
39 (24,8%)
|
|
|
35 (22,3%)
|
|
|
83 (52,9%)
|
|
Durchführung von Konisationen (ja/nein)
|
136 (85,0%)/24 (15,0%)
|
In den [Tab. 2] bis [4] sind die Ergebnisse aus den Antworten auf die Fragen hinsichtlich Aufklärung vor
der kolposkopischen Untersuchung, Durchführung der kolposkopischen Untersuchung und
der dazugehörigen Dokumentation sowie Durchführung der Konisation dargestellt.
Tab. 2 Durchführung der Patientenaufklärung.
|
Parameter
|
Wert
|
|
Werte sind Anzahl (Anteil in Prozent) oder Median (Interquartilsabstand). Zahlen in
eckigen Klammern bedeuten die Anzahl fehlender Werte.
|
|
eingehende Aufklärung über die Bedeutung einer genitalen Dysplasie direkt vor der
kolposkopischen Untersuchung? (ja/nein)
|
148 (93,1%)/11 (6,9%) [1]
|
|
Falls ja, dann erfolgt die Aufklärung …
|
|
|
|
146 (98,6%)
|
|
|
52 (35,1%)
|
|
|
2 (1,4%)
|
|
Angebot von Infomaterial vor dem Termin zur Kolposkopie (ja/nein)
|
61 (38,9%)/96 (61,1%) [3]
|
|
Falls ja, durch …
|
[1]
|
|
|
38 (63,3%)
|
|
|
12 (20,0%)
|
|
|
10 (16,7%)
|
|
Einholung einer schriftlichen Einwilligung (ja/nein)
|
15 (9,6%)/142 (90,4%) [3]
|
|
Patientinnen erhalten eine schriftliche Aufklärung zu Verhaltensmaßnahmen nach der
Kolposkopie (ja/nein)
|
18 (11,5%)/139 (88,5%) [3]
|
|
Angebot einer Kontaktmöglichkeit für Notfälle nach der Kolposkopie (ja/nein)
|
123 (77,8%)/35 (22,2%) [2]
|
Tab. 3 Untersuchungsvorgang und Dokumentation.
|
Parameter
|
Wert
|
|
Werte sind Anzahl (Anteil in Prozent) oder Median (Interquartilsabstand). Zahlen in
eckigen Klammern bedeuten die Anzahl fehlender Werte. * Mehrfachauswahl möglich (Summen
können > 100% ergeben).
|
|
Art des Kolposkops*
|
[2]
|
|
|
96 (60,8%)
|
|
|
79 (50,0%)
|
|
Live-Video für Patientinnen (ja/nein)
|
124 (78,0)/35 (22,0%) [1]
|
|
Durchführung zervikaler Biopsien (ja/nein)
|
149 (94,3%)/9 (5,7%) [2]
|
|
Falls ja, …
|
|
|
|
70 (30 – 90) [9]
|
|
|
[2]
|
|
|
34 (23,1%)
|
|
|
99 (67,3%)
|
|
|
12 (8,2%)
|
|
|
2 (1,4%)
|
|
|
8 (5,5%)/138 (94,5%) [3]
|
|
|
5 (62,5%)
|
|
|
3 (37,5%)
|
|
|
[1]
|
|
|
71 (48,0%)
|
|
|
72 (48,6%)
|
|
|
4 (2,7%)
|
|
|
4 (2,7%)
|
|
|
[1]/[4]
|
|
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81 (54,7%)/86 (59,3%)
|
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|
60 (40,5%)/35 (24,1%)
|
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|
55 (37,2%)/43 (29,7%)
|
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|
44 (29,7%)/50 (34,5%)
|
|
|
30 (20,3%)/7 (4,8%)
|
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|
7 (4,7%)/8 (5,5%)
|
|
|
5 (3,4%)/5 (3,4%)
|
|
|
4 (2,7%)/1 (0,7%)
|
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|
1 (0,7%)/2 (1,4%)
|
|
|
1 (0,7%)/1 (0,7%)
|
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|
9 (6,1%)/9 (6,2%)
|
|
Durchführung der Jodprobe (ja/nein)
|
60 (38,0%)/98 (62,0%) [2]
|
|
Es erfolgt eine Dokumentation der …
|
[3]
|
|
|
148 (94,3%)/9 (5,7%)
|
|
|
142 (90,4%)/15 (9,6%)
|
|
|
154 (98,1%)/3 (1,9%)
|
Tab. 4 Konisation (durchgeführt von n = 136 Studienteilnehmern).
|
Parameter
|
Wert
|
|
Werte sind Anzahl (Anteil in Prozent) oder Median (Interquartilsabstand). Zahlen in
eckigen Klammern bedeuten die Anzahl fehlender Werte. * Mehrfachauswahl möglich (Summen
können > 100% ergeben).
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|
Konisationstechnik*
|
|
|
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124 (91,2%)
|
|
|
40 (29,4%)
|
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|
10 (7,4%)
|
|
|
10 (7,4%)
|
|
hämostatische Maßnahmen*
|
|
|
|
87 (64,0%)
|
|
|
62 (45,6%)
|
|
|
12 (8,8%)
|
|
|
10 (7,4%)
|
|
|
9 (6,6%)
|
|
|
4 (2,9%)
|
|
|
3 (2,2%)
|
|
|
3 (2,2%)
|
|
|
3 (2,2%)
|
|
|
30 (22,1%)
|
|
standardmäßige Prävention von Nachblutungen*
|
[2]
|
|
|
98 (73,1%)
|
|
|
34 (25,4%)
|
|
|
3 (2,2%)
|
|
|
3 (2,2%)
|
|
Anästhesie
|
[16]
|
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|
111 (92,5%)
|
|
|
5 (4,2%)
|
|
|
2 (1,7%)
|
|
|
2 (1,7%)
|
|
Kolposkopie vor Konisation
|
[2]
|
|
|
2 (1,5%)
|
|
|
7 (5,2%)
|
|
|
1 (0,7%)
|
|
|
22 (16,4%)
|
|
|
102 (76,1%)
|
|
Konisation unter kolposkopischer Sicht (ja/nein)
|
82 (61,2%)/52 (38,8%) [2]
|
Durchführung der Patientenaufklärung
93,1% der Befragten gaben an, eine eingehende Aufklärung über die Bedeutung einer
genitalen Dysplasie direkt vor der kolposkopischen Untersuchung durchzuführen, welche
auch überwiegend durch den Arzt selbst erfolgt (98,6%). Allerdings nutzen vergleichsweise
nur 36,5% die Möglichkeit der Aufklärung mithilfe von Infobroschüren oder -videos.
Eine schriftliche Einwilligung zur kolposkopischen Untersuchung samt Probeexzision
holen lediglich 9,6% der Befragten ein. Eine schriftliche Aufklärung zu Verhaltensmaßnahmen
nach der Kolposkopie/Biopsie in Form eines Flyers wird nur von 11,5% ausgegeben. Gleichzeitig
bietet die Mehrheit (77,8%) eine Kontaktmöglichkeit für Notfälle nach der Untersuchung
an. Ebenfalls die Mehrheit der Befragten (78,0%) bietet ihren Patientinnen an, die
Untersuchung auf einem Monitor mit zu verfolgen („Live-Videokolposkopie“).
Univariate Analyse der wichtigsten Parameter
In [Tab. 5] ist eine univariate Analyse der wichtigsten Parameter bezogen auf die Durchführung
der Kolposkopie und der Konisation dargestellt. Die Studienteilnehmer entnehmen durchschnittlich
2 Proben (67,3% aller Befragten). Lediglich 8,2% der Befragten favorisieren die Entnahme
von durchschnittlich 3 Proben. Weibliche und männliche Studienteilnehmer entnehmen
gleich viele zervikale Biopsien (2 [1 – 2] vs. 2 [2 – 2]; p = 0,09). Weibliche Teilnehmer
(1,1 vs. 12,7%, p = 0,009) und Teilnehmer, die mehr als 50 Patientenfälle im Jahr
im Rahmen ihrer Sprechstunde abklären (< 3 vs. 15,6%; p = 0,01), verzichten eher auf
die Durchführung einer Lokalanästhesie vor der Biopsieentnahme. Bezogen auf die Konisationstechnik
lässt sich feststellen, dass Studienteilnehmer, die jährlich > 100 Frauen zur Abklärung
einer Dysplasie in ihrer Sprechstunde behandeln, seltener eine Konisation mit dem
Messer durchführen (2,5 vs. 14,3%; p = 0,03) und die Schlingenexzision bevorzugen
(96,3 vs. 83,9%; p = 0,02). Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass Studienteilnehmer
mit längerer Kolposkopieerfahrung die Konisation auch signifikant häufiger unter kolposkopischer
Sicht durchführen (71,7 vs. 52,7%; p = 0,039). Zu der Frage der Narkosemethode bei
Konisation ist das Ergebnis eindeutig: 92,5% aller Befragten führen die Konisation
unter Vollnarkose durch. Nahezu drei Viertel aller Befragten (73,1%) wenden keine
Präventivmaßnahmen zur Vermeidung von Nachblutungen an, wohingegen 27,6% eine Tamponade
mit oder ohne Monselʼscher Lösung intravaginal einlegen.
Tab. 5 Univariate Analyse der wichtigsten Parameter.
|
Gruppe:
|
|
|
|
|
|
|
Parameter
|
Alter
|
Geschlecht
|
Ausbildung
|
praktizierte Jahre
|
Anzahl Behandlungen insgesamt
|
Anzahl Behandlungen jährlich
|
|
Werte sind p-Werte (p < 0,05 fett gedruckt). Gruppen: Alter (≤ vs. > Median); Geschlecht
(männlich vs. weiblich); Ausbildung (zertifiziertes Dysplasiezentrum/-sprechstunde
vs. nicht); praktizierte Jahre (≤ vs. > Median); Anzahl Behandlungen insgesamt (0 – 200
vs. 200 – 300 vs. 300+); Anzahl Behandlungen jährlich (< 50 vs. 50 – 100 vs. 100+).
|
|
Anzahl Biopsien bei Kolposkopie
|
0,288
|
0,098
|
0,945
|
0,970
|
0,906
|
0,326
|
|
Lokalanästhesie bei Biopsie
|
0,967
|
0,009
|
0,908
|
0,492
|
0,620
|
0,017
|
|
Konisationstechnik
|
|
|
|
|
|
|
|
|
0,189
|
0,553
|
0,812
|
0,956
|
0,975
|
0,613
|
|
|
0,855
|
0,662
|
0,752
|
0,471
|
0,757
|
0,033
|
|
|
0,353
|
0,187
|
0,284
|
0,275
|
0,306
|
0,024
|
|
|
0,377
|
0,112
|
0,752
|
0,206
|
0,975
|
0,613
|
|
Prävention von Nachblutung nach Konisation
|
|
|
0,906
|
0,186
|
0,568
|
0,102
|
0,532
|
0,810
|
|
|
0,810
|
0,217
|
0,818
|
0,383
|
0,395
|
0,355
|
|
Konisation unter kolposkopischer Sicht
|
0,574
|
0,599
|
0,981
|
0,039
|
0,092
|
0,358
|
Diskussion
Die Früherkennung des Zervixkarzinoms steht in Deutschland vor einem Umbruch – vom
opportunistischen hin zum organisierten Screening. Aktuelle Diskussionen thematisieren
vornehmlich das Management zervikaler Dysplasien und den optimalen Abklärungsalgorithmus.
Vor dem Hintergrund der zu erwartenden deutlichen Steigerung der Inanspruchnahme von
Kolposkopien in Dysplasiesprechstunden und Dysplasieeinrichtungen muss der Fokus auch
auf die optimale Behandlung der betroffenen Frauen im Rahmen der kolposkopischen Abklärung
gerichtet werden. Hierzu beschreibt die vorliegende Arbeit das gegenwärtige Management
kolposkopisch tätiger Frauenärztinnen und Frauenärzte im deutschsprachigen Raum. Die
Daten dieser Studie sollen als Basis für weitere Anstrengungen zur Verbesserung der
Behandlungsqualität von Frauen mit zervikalen Dysplasien dienen.
Eine Rücklaufquote von ca. 23% in unserer Studie deckt sich mit den Rücklaufquoten
aus anderen an deutschsprachige Frauenärzte gerichteten webbasierten Umfragen [11]. Knapp mehr als drei Viertel der Teilnehmer an unserer Studie behandelten regelmäßig
Patientinnen mit genitalen Dysplasien, d. h. mehr als 50 Fälle pro Jahr; für mehr
als die Hälfe der Teilnehmer waren es sogar mehr als 100 Fälle jährlich. Weiterhin
hatte die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer zumindest das Kolposkopiediplom erworben
oder zusätzlich eine personenbezogene Zertifizierung nach dem Konzept der Arbeitsgemeinschaft
für Kolposkopie und Zervixpathologie (AG-CPC) abgelegt. Somit stellt dieses Kollektiv
einen repräsentativen Querschnitt derjenigen Kliniker dar, die entscheidenden Einfluss
auf die zukünftige Versorgungsqualität betroffener Frauen haben werden.
Mehr als 9 von 10 Befragten gaben an, eine eingehende Aufklärung über die Bedeutung
einer genitalen Dysplasie direkt vor der kolposkopischen Untersuchung durchzuführen,
so gut wie immer durch den Arzt selbst. Allerdings nutzen nur etwa ein Drittel die
Möglichkeit der Aufklärung mithilfe von Infobroschüren oder -videos. Zwar führt die
zusätzliche Aufklärung mittels Infobroschüren und/oder -videos nicht zu einer Reduktion
der Angst von Frauen [12], [13], [14], aber randomisierte Studien konnten einen positiven Effekt für das Wissen um die
Erkrankung [15] und ein geringeres Risiko für das Auftreten psychosexueller Probleme [14] nachweisen.
Weniger als 10% der Studienteilnehmer gaben an, eine schriftliche Einwilligung zur
kolposkopischen Untersuchung samt Probeexzision einzuholen. Die Probeexzision an der
Cervix uteri stellt zwar keinen gefährlichen Eingriff bezogen auf das Risiko einer
schwerwiegenden organischen Komplikation dar, nichtsdestotrotz ist die Einholung des
schriftlichen Einverständnisses samt Dokumentation der Aufklärung aus forensischen
Gründen ratsam, da das Auftreten von starken Schmerzen und Unbehagen während der Untersuchung
und insbesondere psychischer Langzeitschäden bis hin zu Depressionen in der Literatur
beschrieben wurden [16], [17], [18], [19]. In diesem Zusammenhang könnte auch eine schriftliche Aufklärung zu Verhaltensmaßnahmen
nach der Kolposkopie bzw. Biopsie in Form eines Flyers für Frauen sehr hilfreich sein.
Dies wird in dem vorliegenden Kollektiv allerdings nur von knapp über 10% aller Ärzte
praktiziert. Gleichzeitig bieten aber zumindest mehr als 3 von 4 Ärzten eine Kontaktmöglichkeit
für Notfälle nach der Untersuchung an.
Knapp 80% der Befragten bieten ihren Patientinnen an, die Untersuchung auf einem Monitor
mitzuverfolgen („Live-Videokolposkopie“). Das Mitverfolgen der eigenen Untersuchung
hatte in einer randomisierten Studie keinen Einfluss auf die Angst der Patientinnen
[20]. Gleichzeitig wurde in derselben Studie jedoch die Bedeutung der Live-Videokolposkopie
für das Verständnis des Krankheitsbildes mit einem medianen Punkte-Score von 9 von
10 möglichen Punkten als sehr hoch bewertet. Daher ist der Einsatz der Live-Videokolposkopie
bedenkenlos zu empfehlen.
Die Kolposkopie mit gezielter Biopsie ist das Goldstandard-Verfahren zur Erkennung
zervikaler Präkanzerosen bei Frauen mit mindestens einem positiven Abklärungstest
(PAP- und/oder HPV-Test) [4]. Die Anzahl der zu entnehmenden Biopsien an der Cervix uteri ist in diesem Zusammenhang
ein häufig diskutiertes Thema. Eine kleine Zahl von Teilnehmern dieser Befragung (5,9%)
gab an, nicht standardmäßig eine Biopsie durchzuführen. Eine weitere Auswertung dieser
Subgruppe konnte nicht erfolgen, da wir nicht nach der Indikation für die Durchführung
der Kolposkopie (Screeningergebnis) und die bei der Kolposkopie festgestellten Befunde
(z. B. Sichtbarkeit der Transformationszone oder „Minor-“ vs. „Major-Change“ Veränderung)
gefragt haben. Es sollte jedoch festgehalten werden, dass immer eine Entnahme aus
„Minor-“ und „Major-Changes“ durchgeführt werden sollte, um eine hohe Zuverlässigkeit
der Kolposkopie zur gewähren [21]. Demgegenüber gaben etwa zwei Drittel der Teilnehmer unserer Studie an, durchschnittlich
2 Proben zu entnehmen; nur ca. 8% gaben an, die Entnahme von durchschnittlich 3 Proben
zu favorisieren. Dies entspricht der aktuellen Evidenz aus internationalen Studien,
wonach die Sensitivität der Detektion von CIN2+ Läsionen maximal 93,2% bei Entnahme
von 2 Biopsien beträgt und, durch die Entnahme einer zusätzlichen, 3. Biopsie nur
geringfügig auf 95,6% gesteigert wird [22], [23].
Eine weitere wichtige Frage während der kolposkopischen Untersuchung ist, ob eine
örtliche Betäubung vor zervikaler Biopsie notwendig ist. Diese wird in unserem Kollektiv
deutlich mit einem „Nein“ beantwortet (94,5%). Schmid et al. konnten hierzu in einer
randomisierten Arbeit nachweisen, dass starkes Husten während der Probenentnahme genauso
effektiv ist wie die lokale Betäubung mit Lidocain, gleichzeitig aber die Untersuchungszeit
signifikant reduziert [24]. Auch fast die Hälfte der Befragten in unserer Studie fordern ihre Patientinnen
auf, während der Biopsie zu husten, wohingegen die knapp andere Hälfte keinerlei Maßnahmen
in Betracht zieht.
Als häufigste hämostatische Maßnahme nach Biopsie an der Cervix uteri sowohl bei schwangeren
als auch bei nicht schwangeren Patientinnen werden in absteigender Reihenfolge das
Komprimieren der Biopsiestelle mittels Tupfer, die Anwendung von Silbernitratstiften
oder Monselʼscher Lösung und das vaginale Einbringen einer Tamponade angeführt. Nur
eine kleine Minderheit (6,1%) wendet standardmäßig keine blutstillenden Maßnahmen
an. Die einzige zu diesem Thema verfügbare randomisierte Arbeit konnte nachweisen,
dass die Anwendung von Monselʼscher Lösung im Vergleich zu keiner Maßnahme zur signifikanten
Reduktion der Blutungsstärke ausschließlich innerhalb der ersten 6 Stunden nach zervikaler
Biopsie führt, gleichzeitig aber keinen Einfluss auf das Schmerzempfinden oder die
Zufriedenheit der Patientinnen hat [25]. Somit könnte die Anwendung einer hämostatisch wirksamen Maßnahme auf Frauen beschränkt
werden, die nach zervikaler Biopsie sehr stark bluten.
Die Konisation galt bisher als die Standardmethode für die chirurgische Behandlung
von zervikalen intraepithelialen Neoplasien und definiert die Entfernung eines Gewebekegels
samt dysplastischer Läsionen aus der Cervix uteri [26]. Zur Vermeidung der wesentlichen perinatalen und onkologischen Langzeitkomplikationen
(Frühgeburtlichkeit bzw. Dysplasierezidiv) muss die Durchführung der Konisation gewebeschonend
und gleichzeitig mit hoher onkologischer Sicherheit durchgeführt werden [27], [28]. Dabei stellt die elektrochirurgische Schlingenexzision in Form der Large Loop Excision
of the Transformation Zone (LLETZ) aufgrund ihrer leichten Durchführbarkeit, der steilen
Lernkurve und der niedrigen Komplikationsrate die am häufigsten angewandte Operationsmethode
dar [29]. Dies spiegelte sich auch im vorliegenden Kollektiv wider, bei dem mehr als 9 von
10 Befragten hauptsächlich die Schlingenkonisation mit der Loop-Schlinge anwenden.
Hierbei wird die gesamte Transformationszone mittels kreisförmiger Elektroschlinge
reseziert [30]. Die Präferenz für diese Schlinge korrelierte auch mit der Anzahl der jährlich untersuchten
Frauen mit zervikaler Dysplasie. Diese Angaben decken sich auch mit der aktuellen
Literatur, wonach die Loop-Exzision anderen Verfahren bezüglich der genannten Langzeitkomplikationen
überlegen ist und die Messerkonisation als obsolet gilt [31], [32], [33], [34]. Eine kürzlich erschienene und bisher auch einzige randomisierte Arbeit zum Thema
„Konisation unter kolposkopischer Sicht“ kommt ferner zu dem Ergebnis, dass die unter
kolposkopischer Sicht durchgeführte Konisation zur Entnahme geringerer Konusvolumina
führt, ohne dabei den Resektionsstatus zu beeinflussen [35]. Im vorliegenden Kollektiv wird dieses Verfahren von etwa zwei Drittel der Operateure
angewandt, wobei solche mit längerer Kolposkopieerfahrung die Konisation signifikant
häufiger unter kolposkopischer Sicht durchführen.
Die hier angeführten Ergebnisse können jedoch nicht für die chirurgische Behandlung
aller Frauen gleichermaßen herangezogen werden. In unserer Studie haben wir uns auf
die Evaluation von Exzisionsverfahren beschränkt und ablative Verfahren wie die Laserablation
und die Kryotherapie nicht zusätzlich abgefragt. Insbesondere die Laserablation stellt
eine alternative Behandlungsmethode dar und ist der LLETZ gleichwertig [31]. Auch die lokale Exzision der kolposkopisch sichtbaren Läsion ohne Entfernung der
gesamten Transformationszone spielt in der klinischen Praxis zunehmend eine größere
Rolle. Bis dato liegen jedoch für diese Art der chirurgischen Intervention keine randomisierten
Studien vor, welche die Gleichwertigkeit der lokalen Exzision am Muttermund gegenüber
der vollständigen Entfernung der Transformationszone nachweisen konnten. Eine in Deutschland
zu dieser Fragestellung geplante Phase-III-Studie rekrutiert zurzeit noch [36].
Mehr als 90% der Befragten gaben an, die Konisation unter Vollnarkose durchzuführen,
was angesichts der Tatsache, dass für die Bevorzugung der Vollnarkose im Vergleich
zu lokalen Verfahren keinerlei Evidenzen vorliegen, erstaunlich ist. Im britischen
und nordamerikanischen Raum wird hingegen die Konisation fast ausschließlich unter
örtlicher Betäubung durchgeführt. Eine aktuell laufende prospektiv randomisierte Studie
aus unserer Arbeitsgruppe soll diese Fragestellung zukünftig beantworten (https://clinicaltrials.gov, Protokollnummer NCT03494686).
Nach erfolgter Absetzung des Konisats ist die elektrische Koagulation des Wundgebietes
die mit Abstand am häufigsten angewandte hämostatische Maßnahme. In einer weiteren
Arbeit unserer Studiengruppe wurden diesbezüglich die beiden Einstellungsmöglichkeiten
(„Spray“ versus „Forced“-Modus) unter randomisierten Bedingungen verglichen. Wir konnten
nachweisen, dass der Spraymodus zu einer signifikant schnelleren Hämostase führt [37]. Auch die Teilnehmer an der gegenständlichen Befragungsstudie gaben an, dieses Verfahren
bevorzugt anzuwenden. Zur Frage der Vermeidung von Nachblutungen nach Konisation gaben
nahezu drei Viertel der Befragten an, keine Präventivmaßnahmen zu setzen, wohingegen
das restliche Viertel eine Tamponade mit oder ohne Monselʼscher Lösung intravaginal
einlegt. Für letztgenanntes Vorgehen liegt keine Evidenz vor und sollte auch nach
Ansicht der Autoren nicht durchgeführt werden.
Fazit für die Praxis
Die Mehrheit der Kolposkopiker entnimmt im Durchschnitt 2 zervikale Biopsien (67,3%),
wobei nahezu alle Befragten (94,5%) dafür keine örtliche Betäubung durchführen. Die
von Kolposkopieexperten in Deutschland am häufigsten angewandte Methode zur Entfernung
zervikaler Präkanzerosen ist die Schlingenexzision mit der Loop-Schlinge (91,2%) unter
kolposkopischer Sicht (61,2%) in Vollnarkose (92,5%). Eine einheitliche Vorgehensweise
sollte im Rahmen von Richt- oder Leitlinien detailliert festgelegt werden.