Schlüsselwörter
Complex Regional Pain Syndrome - CRPS - Entzündungsreaktion - Morbus Sudeck - Kausalgie
- Algodystrophie - sympathische Reflexdystrophie
Abkürzungen
CGRP:
Calcitonene-related Peptide
CRPS:
Complex regional Pain Syndrome
DMSO:
Dimethylsulfoxid
DRG:
Dorsal Root Ganglion
EBM:
Evidence based Medicine
HLA:
Human Leukocyte Antigen
IASP:
International Association for the Study of Pain
NMDA:
N-Methyl-D-Aspartat
NRF:
neues Rezeptur-Formularium
NRS:
Numerische Rating-Skala
NSAID:
Nonsteroidal anti-inflammatory Drug (nichtsteroidales Antiphlogistikum)
QST:
Quantitative sensorische Testung
RCT:
Randomised controlled Trial
SCS:
Spinal Cord Stimulator
TNF:
Tumornekrosefaktor
Einleitung
Durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten der vergangenen 20 Jahre fand ein Paradigmenwechsel
im Bereich Diagnostik und Therapie statt. Während über Jahrzehnte die Rolle des Sympathikus
aufgrund der vermeintlichen sympathikusinduzierten sichtbaren Symptome in der Pathophysiologie
und Therapie ganz im Vordergrund stand, konnte in den letzten Jahrzehnten belegt werden,
dass eine überschießende Entzündungsreaktion in der Akutphase des CRPS zentral ist.
Hierdurch hat sich vor allem die therapeutische Herangehensweise in dieser Krankheitsphase
grundlegend geändert.
Des Weiteren wurde das Krankheitsbild „CRPS“ unter der Ärzteschaft deutlich bekannter.
Diese Aufmerksamkeit kommt den Patienten zugute, da nun rechtzeitig richtige Therapieentscheidungen
vor allem in den Anfangsstadien des CRPS getroffen werden. Die Heterogenität der Symptomatik
vor allem im Verlauf erschwert jedoch weiterhin die Diagnostik.
Sollte es zu komplizierten chronischen Verläufen kommen, hat das nach wie vor oft
weitreichende Folgen für die Patienten mit chronischem Schmerz, Funktionsverlust und
oft massiver Veränderung des sozialen Gefüges.
Geschichte und Definition
Geschichte und Definition
Das CRPS hatte seit seiner Erstbeschreibung 1864 durch Silas Weir Mitchell verschiedene
Bezeichnungen. Kausalgie, Morbus Sudeck, Algodystrophie und sympathische Reflexdystrophie
sind Namen für eine Erkrankung, die heute als „komplex-regionales Schmerzsyndrom“
(CRPS) zusammengefasst werden. Diese rein deskriptive Nomenklatur wird international
seit 1995 verwendet, da die Pathophysiologie prädiktierende Bezeichnungen (wie „sympathische“
Reflexdystrophie) bei der Begriffsbestimmung vermieden werden sollten.
Nachdem die International Association for the Study of Pain (IASP) zunächst sehr sensitive,
aber wenig spezifische Diagnosekriterien publizierte, gelten inzwischen die auch von
der IASP offiziell anerkannten Budapest-Kriterien (s. [Infobox]). Unterschieden wird bisher zwischen CRPS Typ I (ohne Nervenläsion) und CRPS Typ
II (mit Nervenläsion). Die frühere „Kausalgie“ entspricht dem CRPS Typ II, die frühere
„sympathische Reflexdystrophie“ oder der „Morbus Sudeck“ dem CRPS Typ I. Des Weiteren
sollte zwischen einem primär warmen oder kalten CRPS-Subtyp unterschieden werden,
da diese Unterschiede in der Klinik wahrscheinlich auch Unterschiede in der Pathophysiologie
widerspiegeln.
Praxis
Budapest-Kriterien
Die offiziellen Diagnosekriterien für das CRPS
Diese Kriterien sind für wissenschaftliche Untersuchungen und zur Therapieeinleitung,
nicht aber für die Gutachtensituation formuliert.
-
Anhaltender Schmerz, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird.
-
Der Patient berichtet über mindestens 3 Symptome aus den folgenden 4 Kategorien:
-
Hyperalgesie (Überempfindlichkeit für Schmerzreize); „Hyperästhesie“ (Überempfindlichkeit
für Berührung, Allodynie)
-
Asymmetrie der Hauttemperatur; Veränderung der Hautfarbe
-
Asymmetrie des lokalen Schwitzens; Ödem
-
reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, „Paresen“ (im Sinne von Schwäche); Veränderungen
von Haar- oder Nagelwachstum
-
Zum Zeitpunkt der Untersuchung finden sich mindestens 2 Symptome aus den folgenden
4 Kategorien:
-
Hyperalgesie (Überempfindlichkeit für Schmerzreize); „Hyperästhesie“ (Überempfindlichkeit
für Berührung, Allodynie)
-
Asymmetrie der Hauttemperatur; Veränderung der Hautfarbe
-
Asymmetrie des lokalen Schwitzens; Ödem
-
reduzierte Beweglichkeit, Dystonie, Tremor, „Paresen“ (im Sinne von Schwäche); Veränderungen
von Haar- oder Nagelwachstum
-
Eine andere Ursache erklärt die Symptomatik nicht hinreichend.
(nach [2])
Merke
Die offiziellen Budapest-Kriterien sind die Basis der CRPS-Diagnose. Der Ausschluss
anderer, die Symptomatik erklärender Diagnosen gehört dazu und erfordert einen interdisziplinären
Austausch.
Epidemiologie
Das CRPS tritt posttraumatisch an den distalen Extremitäten auf und kann dann diagnostiziert
werden, wenn sich die Klinik von dem für das Trauma üblichen Heilungsverlauf relevant
unterscheidet. Natürlich müssen die diagnostischen Kriterien zutreffen (s. o.; [Infobox „Budapest-Kriterien“]).
Die Inzidenz des CRPS liegt bei Patienten, die eine Fraktur erlitten haben, bei 1 – 2%,
nach distaler Radiusfraktur bei 3 – 5% [1] und nach Nervenläsionen bei 2 – 5%. Frauen sind wahrscheinlich häufiger betroffen
als Männer – wahrscheinlich deshalb, weil postmenopausale Frauen häufiger Frakturen
erleiden. Das CRPS tritt in jedem Lebensalter auf, meist aber zwischen dem 40. und
70. Lebensjahr.
Die häufigsten Auslöser sind Frakturen, Distorsionen oder Operationen der Extremitäten.
Seltener sind Gewebeentzündungen oder Bagatellverletzungen die Ursache. Beim vermeintlich
spontanen CRPS findet sich nach genauerer Anamnese und Untersuchung häufig doch eine
Ursache.
Cave
Die Krankheit kann sich durchaus wenige Wochen posttraumatisch manifestieren, was
die Ursachenfindung unter Umständen erschwert.
Ein CRPS an proximalen Körperabschnitten gibt es nach aktuellem wissenschaftlichem
Kenntnisstand nicht. Lediglich ein CRPS am Knie wird diskutiert. Andere bisher beschriebene
Auslöser waren Schlaganfälle und Myokardinfarkte.
Diagnose und Differenzialdiagnose
Diagnose und Differenzialdiagnose
Klinisches Erscheinungsbild
Schmerzen
Das CRPS ist eine sichtbare Schmerzerkrankung. Die Schmerzsymptomatik variiert; charakteristisch
sind nozizeptive und neuropathische Anteile. Der Schmerz kann sich rein bewegungsabhängig,
spontan oder kombiniert präsentieren. Er kann dauerhaft vorhanden sein, mit gleichbleibender
oder schwankender Intensität. Die meisten Patienten leiden an einem Spontanschmerz,
der häufiger tief im Gewebe als auf der Haut empfunden wird. Der Charakter ist brennend,
ziehend, stechend, aber auch drückend, einschnürend oder pochend. Ein Teil der Patienten
leidet unter einem neuralgiformen Schmerz.
Schmerzverstärkung ist typisch bei Bewegung und Anstrengung, Temperaturänderung oder
nachts. Charakteristisch ist die Schmerzverstärkung bei Herabhängen der Extremität
oder Vibration, wie sie z. B. beim Autofahren auftreten. Charakteristisch ist zudem
eine periartikuläre Druckhyperalgesie, die bei fast jedem Patienten in unterschiedlicher
Intensität anzutreffen ist.
Entzündungszeichen
Am Anfang der Erkrankung steht zu 70 – 80% eine überschießende posttraumatische Entzündung
mit einer typisch entzündlichen Symptomkonstellation aus
Die restlichen Patienten haben eine blasse oder livide Verfärbung und kalte Haut auf
der betroffenen Seite [3]. Es wird deshalb retrospektiv ein primär warmes oder primär kaltes CRPS unterschieden.
Während beim kalten CRPS etwa die Hälfte der Patienten eine sichtbare Schwellung aufweisen,
sind es beim warmen 94%.
Fallbeispiel
Fall 1: Typischer Verlauf beim warmen CRPS
Der Fall von Frau K., 53 Jahre, zeigt den typischen Verlauf eines warmen CRPS mit
rechtzeitigem Therapiebeginn.
Nach distaler Radiusfraktur folgten eine operative Therapie und anschließende Ruhigstellung
mit Frühmobilisation. Es bestanden keine Vorerkrankungen, psychische Komorbiditäten
oder andere Risikofaktoren.
Einige Tage postoperativ fielen bereits ein unangenehmer Schmerz und ein Wärmegefühl
auf. 6 Wochen postoperativ waren eine Schwellung, Rötung, Überwärmung und eingeschränkte
Beweglichkeit der gesamten Hand vorhanden ([Abb. 1]). Auf Nachfrage bestanden zudem eine lokale Hyperhidrose und vermehrtes Nagelwachstum
der betroffenen Hand.
Nach Diagnosesicherung anhand der Budapest-Kriterien erfolgten zwei Glukokortikoid-Stoßtherapien,
eine Therapie mittels nichtsteroidaler antiinflammatorischer Analgetika und Lidocain-Pflaster
sowie intensive rehabilitative Therapie. Nach insgesamt 18 Monaten gab die Patientin
nur noch eine morgendliche Steifigkeit der Hand an.
Abb. 1 Akutes warmes CRPS des Fußes.
a Typische rötliche Verfärbung und Schwellung und Glanzhaut.
b Entsprechendes Thermografiebild mit Nachweis einer Temperaturerhöhung.
Trophische Störungen
Neben den klassischen Entzündungszeichen finden sich beim CRPS auch trophische Störungen
mit einem veränderten Hautbild, Glanzhaut und verstärktem oder reduziertem Wachstum
der Haare und Nägel. Als Folge der Entzündung und getriggert durch die Freisetzung
von Neuropeptiden kann auch eine Hyperhidrose bestehen. Sie ist eher beim warmen CRPS
anzutreffen und zeigt sich mit 60% insgesamt häufiger als die Hypohidrose mit 20%.
Sensibilitätsstörungen
Sensibilitätsstörungen kommen in Form von Allodynie, Hyperalgesie, aber auch Hypästhesien
und Hypalgesie vor und gehen durchaus über das schmerzhafte Areal hinaus.
Motorische Störungen
Motorische Defizite sind fast immer vorhanden, charakteristisch sind hierbei die eingeschränkte
aktive und passive Beweglichkeit sowie eine komplexe Kraftminderung ([Abb. 2]). Wie auch die Sensibilitätsstörungen sind diese innervationsgebietübergreifend
und können nicht auf einen einzelnen Nerv zurückgeführt werden. Außer bei der Verletzung
eines motorischen Nervs beim CRPS Typ I handelt es sich hierbei nicht um Paresen im
neurologischen Sinne, sondern um ein schmerzbedingtes Nachlassen von Muskelkraft bzw.
um eine funktionelle Schwäche.
Abb. 2 Im akuten Stadium ist die Beweglichkeit durch Schmerz, Ödem und Kontraktur eingeschränkt.
a Sichtbare trophische Störung mit trockener Haut und ausgeprägtem Faustschlussdefizit.
b Verlauf nach 6 Monaten: deutliche Besserung der Beweglichkeit und entzündlichen Zeichen.
Distale Ausbreitung
Ein wesentliches Merkmal aller Symptome ist nicht nur die Manifestation im Bereich
der Traumastelle, sondern das Ausbreiten nach distal.
Merke
Die distale Generalisierung ist typisch für ein CRPS, was am offensichtlichsten bei
einem CRPS der Hand ist, das sich nach Schulter- oder Ellenbogentrauma ohne begleitende
Nervenschädigung entwickelt.
Zu beachten ist aber auch der Zeitpunkt der Diagnosestellung, da sich die Symptomatik
im Verlauf ändert. Ein primär warmes CRPS wird im Verlauf kälter, die Hautfarbe wechselt
von hyperämisch nach livide, und das Gewebe wird atroph. Eine strikte Stadieneinteilung
wird nicht vorgenommen, vor allem, weil die pathophysiologischen Vorgänge fließend
und überlappend sind. In der Praxis ist es sinnvoll, ein akutes (bis 3 Monate), subakutes
(bis 1 Jahr) und chronisches CRPS zu unterscheiden, da dies die Therapie beeinflusst.
Merke
Je länger ein CRPS besteht, desto schwieriger wird auch die Abgrenzung der Symptomatik
zu einem Nicht- oder Mindergebrauch der Extremität.
Fallbeispiel
Fall 2: Primär kaltes CRPS mit kompliziertem Verlauf
Die Patientin ist 33 J., verheiratet und hat 2 Kinder. Während der Arbeitszeit beim
Spiel mit förderbedürftigen Kindern zog sie sich eine Fraktur des distalen Interphalangealgelenks
des Daumens zu. Aufgrund der Gelenkbeteiligung folgte eine Operation.
Früh zeigte sich eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik. Nach Entfernung des Gipses bestanden
eine lokale Schwellung, bläuliche Verfärbung der linken Hand, ein Kältegefühl bis
zum Unterarm, deutlicher Druckschmerz und eine Glanzhaut. Weiter bestanden eine Bewegungseinschränkung
im Handgelenk sowie eine beginnende Kontraktur des Daumens. Schmerzen seien nur bei
Belastung und Anstrengung aufgetreten. Zwischenzeitlich habe sie bis Oktober 2017
wieder gearbeitet.
Wegen einer ausgebildeten Kontraktur in Extension erfolgte eine erneute Operation,
um die Versteifung zu lösen. Im Anschluss zeigte sich eine Schmerzexazerbation mit
einem Dauerschmerz. Im Januar 2018 erfolgte bei weiterer ausbleibender Besserung der
Schmerzsymptomatik eine operative Arthrodese – mit nochmaliger Schmerzexazerbation.
Bisher ist keine Besserung der Symptomatik eingetreten. Eine gezielte Therapie erfolgte
erst sehr verzögert.
Bei dem Fallbeispiel eines kalten CRPS zeigte sich bereits nach der ersten Operation
eine typische Symptomkonstellation. Dies wurde aufgrund des selteneren kalten Phänotyps
nicht rechtzeitig erkannt, und es folgten zwei weitere Operationen, die jeweils das
Beschwerdebild verstärkten. Nicht selten findet man diese Verläufe bei Patienten mit
einem chronischen Beschwerdebild.
Häufig gibt es aber auch Grenzfälle, bei denen die diagnostischen Kriterien nicht
vollständig zutreffen. Hier fehlen in der Anamnese oder Untersuchung Symptome, oder
sie waren nicht stark genug ausgeprägt. Patienten mit einer fraglichen Manifestation
am Knie gehören im Zweifelsfall auch hierzu. Bei diesen Patienten würde man die Diagnose
CRPS zwar nicht stellen, aber auch sie profitieren von denselben therapeutischen Maßnahmen.
Fazit
Das CRPS ist eine Erkrankung mit mehreren Facetten. Das klinische Erscheinungsbild
eines CRPS zeigt typische Charakteristika, ist aber nicht bei jedem Patienten gleich.
Bei unklaren posttraumatischen Beschwerden sollte frühzeitig an ein CRPS gedacht werden.
Apparative Diagnostik
Merke
Das CRPS wird klinisch diagnostiziert.
Apparative Untersuchungen dienen dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Es finden
sich zum Teil aber auch CRPS-typische Befunde in der apparativen Diagnostik, die unter
Umständen hilfreich sein können. Bei diagnostischer Unsicherheit sind folgende Untersuchungen
sinnvoll:
Skelettszintigrafie
Die 3-Phasen-Skelettszintigrafie mit Technetium-99m-Diphosphonat ist die wichtigste
Zusatzdiagnostik. Der typische Befund ist ein erhöhter Knochenstoffwechsel in der
späten Mineralisationsphase in den distalen Gelenken. Im 1. Jahr der Erkrankung weist
die 3-Phasen-Knochenszintigrafie eine 87%ige Spezifität und 69%ige Sensitivität im
Vergleich zu den klinischen Diagnosekriterien auf. Ein positiver Befund wäre somit
unterstützend für die klinische Diagnose.
MRT
Die Magnetresonanztomografie hilft nur, Differenzialdiagnosen auszuschließen. Für
eine Diagnosestellung ist eine MRT zu wenig spezifisch. Konventionelle Röntgenaufnahmen
im direkten Seitenvergleich sind wenig sensitiv, auch wenn die typische fleckförmige
distale Osteoporose sehr charakteristisch ist. So dient auch sie im Wesentlichen dem
Ausschluss anderer Pathologien wie beispielsweise von Pseudarthrosen.
Neurophysiologische Untersuchung
Eine neurophysiologische Untersuchung macht zur Unterscheidung zwischen CRPS Typ I
und II Sinn. Gerade bei ausgeprägter Kraftminderung und Sensibilitätsstörungen kann
eine Nervenläsion übersehen werden. Beim CRPS Typ I sind elektrophysiologisch keine
Auffälligkeiten der peripheren Nerven messbar, im Elektromyogramm findet sich trotz
Schwäche keine Denervierung.
Quantitative sensorische Testung (QST)
Die quantitative sensorische Testung (QST) allein hat in der Diagnostik des CRPS keinen
Stellenwert. Allerdings stützen typische QST-Muster aus Thermhypästhesie, Pinprick-Hyperalgesie/Allodynie
und Druckhyperalgesie tiefer Gewebe und distaler Gelenke die CRPS-Diagnose.
Tipp
Eine Druckhyperalgesie ist chrakteristisch an Gelenken. Gemessen wird im Rahmen eines
QST mit einem Druckmanometer.
Merke
Apparative Untersuchungen können bei grenzwertigen klinischen Befunden weitere Hinweise
liefern. Sie können die Diagnose jedoch weder sichern noch ausschließen.
Differenzialdiagnosen
Ein protrahierter Heilungsverlauf, vor allem mit therapierefraktären entzündlichen
Symptomen, kann schnell für ein CRPS gehalten werden. So können therapierbare Ursachen
zu spät erkannt werden.
Fallbeispiel
Fall 3: Fehldiagnose CRPS
Frau D., 43 Jahre, erlitt einen Trümmerbruch des rechten Fußes. Es folgte eine Operation
mittels Schraubenosteosynthese und einmaliger Revision. Im Verlauf zeigten sich eine
ausgeprägte Schmerzsymptomatik mit initial vor allem belastungsabhängigen Schmerzen
sowie eine entzündliche Symptomkonstellation aus Rötung und Schwellung. Eine Hypertrichose
war in den ersten Wochen postoperativ sichtbar.
Bei therapierefraktären Schmerzen erfolgte 8 Monate postoperativ die Diagnosestellung
CRPS. In einer späteren Computertomografie-Verlaufskontrolle fiel eine Pseudarthrose
auf, und eine Operation wurde aufgrund des CRPS-Verdachts nicht durchgeführt, um das
Risiko einer Symptomexazerbation nicht einzugehen. Die Patientin erhielt stattdessen
diverse medikamentöse Behandlungen, Sympathikusblockaden und intensive Physio- und
Ergotherapie, welche allesamt nicht zum Erfolg führten. Die einzig richtige Therapie,
die Stabilisierung der Pseudoarthrose, wurde lange nicht durchgeführt.
Im Fallbeispiel 3 hätte die Diagnose eines CRPS formal nicht gestellt werden dürfen,
da eine andere Ursache die Symptomatik hinreichend erklärt. Auch der Verdacht führte
bereits dazu, dass notwendige therapeutische Maßnahmen von ärztlicher Seite aus abgelehnt
wurden. Dies ist kein Einzelfall und hat häufig weitreichende Folgen für die Patienten.
Therapierbare Ursachen sind in jedem Fall im Vorfeld auszuschließen und Verlegenheitsdiagnosen
zu vermeiden. Die Übersicht fasst die wichtigsten Differenzialdiagnosen zusammen.
Übersicht
Zusammenfassung der wichtigsten Differenzialdiagnosen getrennt nach warmem und kaltem
CRPS
warmes CRPS
kaltes CRPS
-
periphere Zyanosen
-
arterielle Thrombosen
-
Raynaud-Syndrom
Merke
Die Diagnose eines CRPS erfolgt am sichersten in einem zeitlichen Zusammenhang zum
Trauma, wenn die Diagnosekriterien nach 2 – 3 Monaten zutreffen. Diagnosen Jahre nach
Trauma, z. B. aufgrund einer Schmerzpersistenz, sollten vermieden werden.
Auch funktionelle oder artifizielle Störungen, z. B. durch Selbststau, können fälschlicherweise
für ein CRPS gehalten werden. Ebenso konnte ein livides Einfärben der Haut beobachtet
werden. Insgesamt wollen wir an dieser Stelle aber ausdrücklich betonen, dass solche
Störungen selten vorkommen.
Tipp
Trophische Störungen und eine Schweißsekretionsstörung sind bei einem CRPS zwar nicht
obligat, können aber einen entscheidenden Hinweis zur Diagnosefindung geben, da diese
Symptome selten bei anderen entzündlichen oder funktionellen Erkrankungen auftreten.
Risiko- und Einflussfaktoren zur Ausbildung eines CRPS
Risiko- und Einflussfaktoren zur Ausbildung eines CRPS
Die Art des Traumas kann Einfluss auf die Entstehungswahrscheinlichkeit haben. Die
Prävalenz bei Frakturen allgemein liegt bei 1 – 2%, bei komplizierten Frakturen höher
und bei der distalen Radiusfraktur bei ca. 3%. Eine prädisponierende „CRPS-Persönlichkeit“
oder sichere genetische Prädispositionen wurden nicht gefunden, wobei letzteres aber
wahrscheinlich ist. Eine vermehrte allgemeine Ängstlichkeit und Schmerzangst sind
mit einem schlechteren Outcome verbunden. Eine „Red Flag“ kann eine sehr hohe Schmerzstärke
(≥ 5/10 NRS) eine Woche nach Trauma sein. Ein CRPS in der Vorgeschichte des Patienten
erhöht ebenfalls das Risiko. Wie bei allen Schmerzerkrankungen ist das biopsychosoziale
Modell zum Teil übertragbar und nimmt Einfluss auf den Verlauf.
Pathophysiologie
Die pathophysiologischen Mechanismen lassen sich in eine Kombination peripherer und
zentraler Veränderungen gliedern. Durch das Trauma werden entzündliche Prozesse ausgelöst,
wodurch eine Kaskade vielfältiger molekularer Veränderungen im Gewebe, im peripheren
und im zentralen Nervensystem angestoßen wird. Diese Veränderungen sind letztlich
verantwortlich für Funktionsverlust, Chronifizierung der Schmerzen und die verschiedenen
sichtbaren Symptome [4].
Merke
Das CRPS ist nicht nur eine Schmerz-, sondern vor allem eine entzündliche Erkrankung.
Die Komplexität besteht in einem Zusammenspiel peripherer, zentralnervöser und neuropsychologischer
Faktoren.
Übersicht
Symptome gegliedert nach peripherem oder zentralem pathophysiologischem Ursprung
entzündliche Symptome
zentrale Symptome
Posttraumatische Entzündung im peripheren Gewebe
Vegetative Symptome
Das warme CRPS zeigt in der Akutphase eine entzündliche Symptomatik mit Schwellung,
Rötung und Überwärmung der betroffenen Extremität. Untersuchungen an Hautbiopsien
und Suction-Blister-Flüssigkeit belegen die lokale Entzündung. Inflammatorische Zytokine
(z. B. TNF-α und weitere, inklusive Chemokine), Neuropeptide und Mastzellen sind hochreguliert
[5]. Die Entzündungshypothese wird durch die sowohl in akuten als auch chronischen Phasen
erhöht gemessenen proinflammatorischen Zytokine und Chemokine im Blut und Liquor weiter
gestützt.
Trophik
Während initial das Ödem die Beweglichkeit beeinträchtigt, führt die entzündungsbedingte
Proliferation von Fibroblasten zu Kontrakturen [6] und die entzündungsbedingte Aktivierung von Osteoblasten und Osteoklasten zur lokalen
Osteoporose.
Schmerzen
Im Rahmen der posttraumatischen Entzündungsreaktion werden periphere Nozizeptoren
sensibilisiert, was sicher zumindest zum Teil die bewegungsabhängigen Schmerzen erklärt.
Diese sensibilisierten peptidergen Nozizeptoren setzen bei Erregung vermehrt Neuropeptide
wie Substanz P und Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) frei [7]. Substanz P erhöht die Permeabilität der Kapillarwände und führt zu einer ödematösen
Schwellung; CGRP bewirkt eine Dilatation der glatten Gefäßmuskulatur mit Überwärmung
und Rötung und Hyperhidrose. Zusammen mit den oben bereits erwähnten Zytokinen tragen
Neuropeptide auch zur Ausbildung trophischer Störungen (z. B. vermehrtes Haar- und
Nagelwachstum) bei.
Immunsystem
Ein weiterer Baustein der entzündlichen Pathophysiologie des CRPS ist die Beteiligung
des adaptiven Immunsystems. Im Tierversuch und bei CRPS-Patienten wurden agonistische
Autoantikörper gegen Oberflächenmoleküle von adrenergen α1-, β2- und cholinergen m2-Acetylcholin-Rezeptoren
nachgewiesen, die teilweise mit den Schmerzen korrelierten. Im Tiermodell löst die
Aktivierung von β2-Rezeptoren auf verschiedenen Zellen die Freisetzung von proinflammatorischen
Zytokinen aus [8].
Bei Patienten mit primär kaltem CRPS, bei denen eine Entzündungsreaktion nicht offensichtlich
ist, wurden eine Erhöhung des vasokonstriktorischen und hyperalgetisch wirkenden Peptids
Endothelin-1 und verminderte Stickstoffmonoxidwerte in der Haut gemessen. Dies könnte
die Mikrozirkulation in der schmerzhaften Extremität beeinflussen und zu einer kalten
Extremität führen.
Zentrale neuroplastische Mechanismen
Funktionsverlust
Durch das Trauma entstehen Schmerz und Entzündung. Intuitiv vermeiden die Patienten
Schmerzen, indem sie die betroffene Extremität nicht mehr benutzen und ruhig halten.
Die Vermeidung bewegungsabhängiger Schmerzen führt zur Bewegungshemmung als Folge
der Erwartung einer Schmerzverstärkung. Dadurch kommt es unterschiedlich schnell zu
einer Reorganisation der Extremitätenrepräsentation im Gehirn [9] und zum weiteren Funktionsverlust. Am bildlichsten ist dieser Funktionsverlust als
„learned Non-Use“ umschrieben. Dieses Phänomen wird umso wichtiger, je länger der
Krankheitsverlauf andauert. Auf diese Art und Weise trägt die maladaptive Neuroplastizität
zur Chronifizierung des CRPS bei.
Sensorische Symptome
Ein weiteres wichtiges zentrales Symptom bei CRPS sind evozierte Schmerzen. Hierzu
zählen vor allem die Allodynie und die Hyperalgesie auf spitze Reize, beides wahrscheinlich
durch spinale Mechanismen verursacht. Im Hinterhorn des Rückenmarks wird dies durch
eine Freisetzung von Glutamat aus primären Afferenzen und dessen Bindung an glutamaterge
Rezeptoren wie den NMDA-Rezeptor auf Projektionsneuronen bedingt. Auch ein zentraler
Sensibilitätsverlust wird diskutiert.
Die Diagnosekriterien führen zwar die Allodynie und Hyperalgesie als diagnostische
Kategorie auf, aber der überwiegende Anteil an Patienten weist eine verminderte Sensibilität
(Hypästhesie und Hypalgesie) der betroffenen Extremität auf. Diese sind handschuh-
oder strumpfförmig verteilt und unabhängig von einer bestehenden Schmerzsymptomatik.
Die Ursache ist unklar. Möglich sind eine spinale Hemmung nicht schmerzhafter afferenter
Impulse zum Gehirn oder die Veränderung der Somatotopik im primären und sekundären
somatosensorischen Kortex [10].
Dass diese Sensibilitätsstörungen dynamisch sind und sich bei Schmerzfreiheit zurückbilden,
legt einen zentralen funktionellen, mit der Schmerzempfindung zusammenhängenden Mechanismus
nahe. Die Reorganisation der Körperrepräsentation im primären somatosensorischen Kortex
ist besonders auffällig beim CRPS. Im primär somatosensorischen Kortex kontralateral
zur betroffenen Extremität findet man eine Verkleinerung des Handrepräsentationsareals
und eine teilweise Verschmelzung der Gesichts- und Handrepräsentation. Auch dies ist
bei Schmerzreduktion reversibel [11]. Ob diese Veränderung mit der Störung der Eigenwahrnehmung der Körperrepräsentation,
bei der die Körpermitte zur gesunden Seite verlagert und die betroffene Extremität
vergrößert wahrgenommen wird, verantwortlich ist, muss noch geklärt werden.
Merke
Bei ausgeprägtem Schmerzvermeidungsverhalten sollte frühzeitig eine kognitive Verhaltenstherapie
eingeleitet werden.
Motorische Symptome
Beim chronischen CRPS sind motorische Symptome wie Dystonien, Myoklonien und Tremor
anzutreffen. Sie haben ebenfalls eine zentrale Genese, möglicherweise in den Basalganglien.
Unter diesen motorischen Symptomen ist die fixierte Dystonie am häufigsten. Die fixierte
CRPS-Dystonie entspricht einer Sollwertverstellung des Gleichgewichts der Motoneurone
der Flexoren und Extensoren im Rückenmark. Aus diesem Grund findet sich bei fast allen
Patienten das gleiche Muster [12].
Viele CRPS-Patienten geben an, sich auch auf die betroffene Extremität konzentrieren
zu müssen, um sie zu bewegen. Dieses Phänomen wird in der CRPS-Literatur als „Neglect-like“
beschrieben. Es sollte nicht mit einem neurologischen Neglect verwechselt werden [13]. Eigene Untersuchungen belegen vielmehr, dass es sich in der akuten Phase um einen
Schutz vor Schmerzen durch vorsichtige Bewegung handeln könnte, in chronischen Stadien
sind die Angaben der Patienten Ausdruck der schmerzbezogenen Angst.
Vegetative Symptome
Die Bedeutung des sympathischen Nervensystems für die CRPS-Entwicklung wurde in den
letzten Jahren relativiert. Viele der ursprünglich als vegetativ eingeordneten Symptome
sind durch die o. g. Entzündung erklärbar. Wenn diese autonomen Symptome aber persistieren,
können sie eine Folge der zentralen Reorganisation sein. Für letzteres spricht, dass
wenn Patienten mit chronischem CRPS nur an eine schmerzhafte Bewegung denken, sie
das sympathische Nervensystem aktivieren [14], oder dass sich die Hauttemperatur allein dann ändert, wenn CRPS-Patienten die Hände
überkreuzen, wie [Abb. 3] zeigt [15].
Abb. 3 Chronisches initial warmes CRPS 18 Monate nach Trauma.
a Clenched Fist bei Dystonie, der Daumen ist frei beweglich.
b Das entsprechende Thermografiebild mit typischer Temperaturminderung im chronischen
Stadium bei initialer Temperaturerhöhung.
Genetik
Familiäre Fälle eines CRPS sind vorbeschrieben, jedoch selten. Sie scheinen mit einem
jüngeren Erkrankungsalter und schwererem Verlauf assoziiert zu sein [16]. Bisher konnten keine eindeutigen prädisponierenden Gene gefunden werden. Die ursprüngliche
Vermutung des Zusammenhangs zwischen der Entwicklung eines CRPS und bestimmten HLA-Typen
konnte in größeren Studien nicht bestätigt werden [17].
Psychosoziale Risikofaktoren
Soziale und psychologische Faktoren sind für CRPS genauso von Bedeutung wie für alle
chronischen Schmerzerkrankungen. Insbesondere sind sie bedeutsame Chronifizierungsfaktoren.
Generell wirksame psychologische Faktoren wie Depression und Angst scheinen keinen
bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung eines CRPS zu haben [18]. 38% der CRPS-Patienten (10% der Patienten mit anderen Extremitätenschmerzen, 4%
der Gesunden) berichten von psychologischen Traumata in der Vorgeschichte und haben
klinisch relevante posttraumatische Stresssymptome. Angst und vor allem schmerzspezifische
Ängste sind die einzigen negativen Prädiktoren für den Krankheitsverlauf, die bis
dato prospektiv untersucht wurden.
Die möglicherweise bedeutsamste psychologische Größe für die Aufrechterhaltung der
CRPS-Symptomatik ist aber das schmerzassoziierte Vermeidungsverhalten. Die Bewegung
der betroffenen Extremität werden zur Minimierung von Schmerzverstärkung vermieden,
was den Funktionsverlust (s. o.) beschleunigt.
Therapie des CRPS
Die Therapie des CRPS basiert weiterhin überwiegend auf Erfahrungswerten. Bisher gibt
es nur wenige evidenzbasierte Therapiestrategien, was an einem Mangel an qualitativ
hochwertigen, randomisiert-kontrollierten Studien liegt. Gerade Studien zu pharmakologischen
Therapien haben oft eine geringe Fallzahl und/oder unterscheiden nicht zwischen akuter
und chronischer Krankheitsaktivität, was aus pathophysiologischer Sicht von Bedeutung
ist. Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Phänotypen, die einen für alle
Patienten gleichen Goldstandard in der Therapie erschweren.
Merke
Einigkeit besteht darin, dass ein früher Therapiebeginn angestrebt werden sollte.
Die Herausforderung besteht darin, entsprechend der vorherrschenden Symptomatik und
dem Krankheitsstadium eine geeignete Therapie auszuwählen. Es müssen aber auch verkomplizierende
Faktoren erkannt werden, um frühzeitig intervenieren zu können.
Cave
Verkomplizierende Faktoren sind
-
psychische Komorbiditäten,
-
falsche Therapiemaßnahmen und Interventionen sowie
-
Entschädigungsansprüche und Rentenbegehren.
Die Behandlungsziele umfassen Schmerzreduktion, die Wiederherstellung der Funktionen
des betroffenen Körperteils und die Stabilisierung der sozialen Situation (Zusammenfassung
s. u.; [Abb. 4]).
Merke
Bisher existiert für keine medikamentöse Maßnahme eine offizielle Zulassung, und die
Anwendung stellt einen Off-Label Use dar. Die hier empfohlenen Behandlungen sind angelehnt
an die S1-Leitlinie von 2018 und entsprechen dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Antientzündliche Maßnahmen
Glukokortikoide
Medikamentös scheinen Glukokortikoide aufgrund ihrer antiinflammatorischen und antiödematösen
Wirkung im akuten Stadium in die Pathophysiologie einzugreifen [19]. Sie reduzieren die Freisetzung von entzündlichen Mediatoren wie Prostaglandine,
Histamin, Kinine sowie Leukotriene, binden am Zellkern und haben eine direkte Wirkung
auf die Zellmembran. Der Nutzen wurde in zwei offen-kontrollierten Studien und zwei
randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) gezeigt, die optimale Dosis ist noch unbestimmt.
In der Regel erfolgt eine orale Gabe über 2 Wochen. Bei gutem Ansprechen, aber weiter
bestehender entzündlicher Symptomatik kann eine weitere Glukokortikoid-Stoßtherapie
sinnvoll sein. Bei sehr ausgeprägter entzündlicher Symptomatik kann eine hochdosierte
intravenöse Gabe in Erwägung gezogen werden. Ob dies der oralen Gabe überlegen ist,
ist offen.
Merke
Die Anwendung von Glukokortikoiden ergibt pathophysiologisch im akuten Stadium bis
zu 6 Monate nach dem Trauma Sinn.
Bisphosphonate
Bisphosphonate inhibieren die Osteoklastenaktivität, wirken längerfristig entzündungshemmend
und modulieren spinale Mikroglia. Ein positiver Effekt konnte in 5 kontrollierten
Studien gezeigt werden. Pathophysiologisch würde der Einsatz beim akuten CRPS Sinn
ergeben. Es gibt verschiedene Analoga, die in Studien getestet wurden (s. [Tab. 1]).
Tipp
Eine zahnärztliche Kontrolle vor Therapiebeginn wird wegen einer seltenen, aber ernsten
Kieferosteonekrose dringend empfohlen.
Dimethylsulfoxid
Dimethylsulfoxid (DMSO)-Salbe hat einen positiven Effekt auf Schmerz und entzündliche
Symptome beim warmen CRPS. DMSO kann tief ins Gewebe einziehen und fängt freie Radikale,
wie sie bei Entzündungen und Ischämien entstehen, ab. Die Studienlage ist jedoch nicht
ganz eindeutig. Die Rezepturverordnung erfolgt nach dem neuen Rezeptur-Formularium
2.6 (NRF 2.6) ([Tab. 1]).
Tab. 1 Antientzündliche Therapie des CRPS.
|
Substanz
|
Dosierung
|
Besonderheiten
|
|
Bisphosphonate
|
|
Alendronat
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40 mg/d p. o. über 8 Wochen
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zahnärztliche Vorstellung im Vorfeld dringend empfohlen; Kiefernekrosen
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Pamidronat
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60 mg i. v. einmalig
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zahnärztliche Vorstellung im Vorfeld dringend empfohlen; Kiefernekrosen
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Clodronat
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300 mg/d i. v. an 10 Tagen
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zahnärztliche Vorstellung im Vorfeld dringend empfohlen; Kiefernekrosen
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Neridronat
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100 mg/d i. v. an 4 Tagen
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(noch nicht zugelassen)
zahnärztliche Vorstellung im Vorfeld dringend empfohlen; Kiefernekrosen
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Glukokortikoide
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Prednisolon
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100 mg/d p. o.
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Dosisreduktion um 25 mg alle 4 Tage
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Radikalfänger
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Dimethylsulfoxid (DMSO) topisch
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5 ×/d
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50% Creme nach NRF 2.6
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Schmerztherapie
Medikamentöse Schmerztherapien umfassen den Einsatz antidepressiver und antikonvulsiver
Substanzen wie bei anderen chronischen und/oder neuropathischen Schmerzen üblich.
Ein eindeutiger Effekt wurde für viele Substanzen bisher formal nicht gezeigt. Nur
Gabapentin und Ketamin wurden gegen Schmerzen bei CRPS-Patienten in RCT getestet.
Alle anderen Therapieformen chronischer Schmerzen sind ganz besonders als individuelle
Heilversuche anzusehen.
Gabapentin/Pregabalin
Gabapentin/Pregabalin wird zur Therapie von Schmerzen beim CRPS analog anderer neuropathischer
Schmerzen eingesetzt (s. [Tab. 2]).
Ketamin
Ketamin ist bei CRPS-bedingten Schmerzen in 2 RCTs wirksam gewesen. Ketamin wird intravenös
als Dauerinfusion über mindestens 4 Tage verabreicht. Aufgrund seines potenziell gefährlichen
Nebenwirkungsprofils sollten Ketamin-Infusionen nur in spezialisierten Zentren durchgeführt
werden.
Cave
Bei 10 – 30% der Patienten ruft der Wirkstoff Ketamin psychotrope Nebenwirkungen wie
Halluzinationen und Albträume hervor, sodass im Vorfeld psychische Komorbiditäten
evaluiert werden und eine strenge Indikationsstellung erfolgen sollten.
Opioide
Der Einsatz von Opioiden beim CRPS wird kontrovers diskutiert. Es existiert nur ein
einziges RCT, das sogar zu einem negativen Ergebnis kommt. Die Wirkung dieser Substanzklasse
beim neuropathischen Schmerz ist aber mittlerweile recht gut belegt, sodass im Einzelfall
eine zeitlich beschränkte Therapie gerechtfertigt sein kann. Sprechen die CRPS-Schmerzen
aber nicht signifikant an (deutliche Schmerzreduktion von z. B. 50 – 70%), sollten
Opioide wieder abgesetzt werden, da es sich dann wahrscheinlich um einen opioidinsensitiven
Schmerz handelt.
Tab. 2 Pragmatische systemische medikamentöse Schmerztherapie des CRPS (nicht evidenzbasiert).
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Substanz
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Dosierung
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Besonderheiten
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Antidepressiva
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Amitriptylin
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10 – 25 mg zur Nacht; maximal 150 mg/d
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Sedierung
QTc-Zeit-Verlängerung
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Duloxetin
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30 mg; maximal 120 mg/d
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antriebssteigernd
Blutdruckanstieg
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Antikonvulsiva (Kalziumkanal)
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Gabapentin
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3 × 100 mg; maximal 3600 mg/d auf 3 – 4 Einzeldosen verteilt
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Schwindel
Erschöpfung
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Pregabalin
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2 × 75 – 150 mg; maximal 600 mg/d auf 2 Einzeldosen verteilt
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Schwindel
Erschöpfung
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Interventionelle Therapien
Merke
Da im Einzelfall bedrohliche Komplikationen auftreten können, sollten invasive Maßnahmen
nur in spezialisierten Zentren mit ausreichender Erfahrung durchgeführt werden.
Sympathikusblockade
Die Datenlage zu interventionellen Therapien bei CRPS ist erschreckend dünn. Die Sympathikusblockade
ist deshalb nicht mehr Mittel der 1. Wahl, auch da die Grundannahme des sympathisch
unterhaltenen Schmerzes beim CRPS nicht mehr uneingeschränkt gilt [20]. Empirisch und in Fallserien finden sich aber immer wieder Patienten, bei denen
eine Sympathikusblockade Schmerz und Allodynie eindrücklich beseitigte. Deshalb halten
wir Testblockaden für gerechtfertigt. Bei positivem Ansprechen kann zunächst eine
Serie bis maximal 10 Blockaden in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Spinal Cord Stimulation (SCS)
Die Implantation eines SCS-Stimulators ist eine gut dokumentierte Therapieoption zur
Schmerzreduktion bei CRPS der unteren Extremität. Bei Patienten ohne mechanische Allodynie
und ohne gravierende psychische Erkrankungen kann diese Therapieoption nicht nur als
letztes Instrument in Betracht gezogen werden. Eine vorangegangene Probestimulation
muss effektiv gewesen sein.
Dorsal Root Ganglion Stimulation (DRG-Stimulation)
Die Spinalganglienstimulation ist eine ähnlich effektive Alternative zur SCS. Die
Elektroden werden nahe der Spinalganglien platziert und inhibieren sensible Neurone.
Auch hier sollte im Vorfeld eine Probestimulation erfolgen. In einer offenen, aber
gut kontrollierten Studie war der analgetische Effekt der DRG-Stimulation gegenüber
dem SCS sogar größer und die Komplikationsrate tendenziell niedriger.
Medikamenteninstillation
Zur Therapie von dystonen Störungen können neben der obligaten Physio- und Ergotherapie
intramuskuläre Botulinumtoxin-Injektionen und bei Versagen auch eine intrathekale Baclofen-Therapie (nur in Zentren) zur Anwendung kommen.
[Tab. 3] fasst die invasiven Therapiemaßnahmen zusammen.
Fallbeispiel
Fall 4: Chronisches CRPS mit Dystonie
Nach einem Arbeitsunfall mit Quetschverletzung und Fraktur der rechten Hand zeigte
sich bei Herrn H., 32 Jahre, direkt nach der Operation eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung
und eine protrahierte entzündliche Symptomatik. Die Schmerzsymptomatik war dauerhaft
vorhanden, und bisherige Therapieversuche blieben ohne Besserung. Hierzu zählten neben
NSAID und Opioiden auch Regionalanästhesien ohne Besserung. Eine multimodale Schmerztherapie
zeigte ebenfalls keinen signifikanten Einfluss. Der Patient trug mehrere Stunden pro
Tag eine Orthese, um die Finger in Streckstellung zu halten.
Erst 18 Monate nach dem Trauma wurde die Diagnose CRPS gestellt. Die Veränderungen
hatten bereits chronischen Charakter. Bei der Bewegungseinschränkung handelte es sich
unter anderem um eine fixierte Dystonie.
Es folgten Ketamin-Infusionen, welche die Schmerzstärke erfolgreich reduzieren konnten,
jedoch aufgrund von ausgeprägten Halluzinationen und Albträumen abgebrochen werden
mussten. Intramuskuläre Botulinumtoxin-Injektionen zeigen aktuell eine gute Wirksamkeit.
Rehabilitative Therapie
Tab. 3 Invasive Therapiemaßnahmen des CRPS.
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Maßnahme
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Dosierung
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Besonderheiten
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Ketamin
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ca. 22 mg/h bei 70 kgKG über 4 Tage
oder 0,35 mg/kg/h (maximal 100 mg) über 4 Stunden für 10 Tage hintereinander
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stationärer Aufenthalt erforderlich
psychotrope Nebenwirkungen
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lokalanästhetische Sympathikusblockaden
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2 – 3/Woche, maximal 10
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–
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Spinal Cord Stimulation (SCS)
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niederfrequent: 40–60 Hz, 300–600 µs; hochfrequent: 10 000 Hz, 30 µs
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Anwendung bei CRPS des Fußes
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DRG-Stimulation (Dorsal Root Ganglion)
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4–80 Hz, 40–1000 µs
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Anwendung bei CRPS des Fußes
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Baclofen intrathekal
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zunächst Testinjektion vor Implantation einer Pumpe
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experimentelle Therapie
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Botulinumtoxin i. m.
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abhängig von Präparat und Schweregrad der Symptomatik
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nur bei Dystonie sinnvoll
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Die Durchführung von rehabilitativen Therapien hat einen großen Stellenwert beim CRPS.
Leider wird immer noch vereinzelt Patienten zur Schonung geraten bzw. die Notwendigkeit
der Bewegung zu wenig erklärt und nicht positiv verstärkt. Gerade bei Angst vor (bewegungsabhängigen)
Schmerzen ist die Aufklärung des Patienten umso wichtiger. Es gilt aber eine wichtige
Regel: Der Patient muss der Therapie und damit eventuell entstehenden Schmerzen zustimmen.
Sollte dies nicht der Fall sein, muss die Behandlung nach individuellen Erfordernissen
angepasst werden. Es ist wichtig, einen Mittelweg zwischen „Fortschritt bei Funktion“
und „Vermeidung/Aushalten von Schmerzen“ zu finden.
Merke
Die Schmerztherapie bei CRPS soll dem Patienten die Benutzung und das Training der
betroffenen Extremität ermöglichen.
Physiotherapie
Die Physiotherapie wird pathologischen Bewegungsmustern entgegenwirken, eine adäquate
Funktion wiederherstellen und Kontrakturen vorbeugen. Der Einsatz sollte mit Zustimmung
des Patienten so früh wie möglich erfolgen und der Patient ermutigt werden, auch im
häuslichen Umfeld erlernte Übungen durchzuführen. Zur Ödembehandlung wird Lymphdrainage
verordnet. Absteigende Bäder dienen der lokalen Kühlung im Akutstadium, aufsteigende
Bäder zur lokalen Wärmeapplikation im chronischen Stadium, sofern die Patienten davon
profitieren.
Ergotherapie
Die Ergotherapie soll automatisierte Bewegungsmuster vermitteln und Sensibilitätsstörungen
reduzieren. Ganz besonders gilt dies für die Therapie des CRPS der Hand. Dazu gehört
auch die schrittweise Desensibilisierung der durch Allodynie gekennzeichneten Hautareale.
Physiotherapie mit Integration verhaltenstherapeutischer Elemente
Merke
Die erfolgreichste Therapieform ist die Physiotherapie, die verhaltenstherapeutische
Elemente integriert.
Beim „Graded Exposure“ werden in psychotherapeutischen Gesprächen angstauslösende
Situationen/Bewegungen identifiziert und diese dann physiotherapeutisch in einem abgestuften
Übungsplan Schritt für Schritt erreicht. Der zentralen Reorganisation soll die Spiegeltherapie
und das „Graded Motor Imagery“ entgegenwirken. Das „Graded Motor Imagery“ besteht
aus Rechts-links-Erkennen von abgebildeten Händen und Füßen in unterschiedlichen Stellungen,
dem Vorstellen von Bewegungen sowie der eigentlichen Spiegeltherapie. Die Studienlage
zur Wirksamkeit der Spiegeltherapie allein ist am schlechtesten von allen 3 Therapieformen.
Tipps
Die Patienten müssen regelmäßig üben. Zwei Therapieeinheiten pro Woche beim Therapeuten
sind keinesfalls ausreichend. Hier ist die aktive Mitarbeit des Patienten zu fordern.
Ohne aktive Mitarbeit sind alle Therapieanstrengungen wahrscheinlich unwirksam.
Individuelle Zielvorgaben erhöhen die Motivations-/Trainingsbereitschaft und erleichtern
die Therapieüberwachung. Sie müssen gemeinsam mit dem Patienten getroffen werden.
Beispiele sind Schreiben von Sätzen, Schritt für Schritt ohne Gehhilfe gehen.
Tab. 4 Nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen des CRPS.
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Maßnahme
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Frequenz
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Besonderheiten
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Physiotherapie
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jeweils 2 – 3 ×/Woche
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Eigentherapie zwingend
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Ergotherapie
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nach Möglichkeit: Perfetti
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Lymphdrainage
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1 – 3 ×/Woche
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bei ödematöser Schwellung
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Spiegeltherapie
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3 ×/d 5 – 10 min
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bewegt werden ipsi- und kontralaterale Extremität
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Graded Motor Imagery
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mehrfach täglich
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–
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Graded Exposure
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mehrfach täglich
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Kombination von Psycho- und Physiotherapie
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Patientenedukation
Wie bereits oben beschrieben ist ein wesentlicher Baustein einer erfolgreichen CRPS-Therapie
die Bereitschaft des Patienten, die Therapiemaßnahmen anzunehmen und auch aktiv umzusetzen.
Hier bestehen oft Hindernisse wie die generelle Abneigung gegenüber Pharmaka insbesondere
aus der Klasse der Antidepressiva, ungenügende Mitarbeit u. a. auch aus Angst vor
Schmerzen bzw. einer Schmerzverstärkung, passive Krankheitsverarbeitung und soziale
Unsicherheit. Diese Hindernisse müssen identifiziert, thematisiert und adressiert
werden. Gelingt das nicht, ist eine erfolgreiche Therapie wenig wahrscheinlich.
Merke
Die Therapie stellt immer eine Kombination aus medikamentösen und nichtmedikamentösen
Maßnahmen dar ([Abb. 4]). Die Mitarbeit der Patienten ist dabei unerlässlich und kann durch gute Aufklärung
erhöht werden.
Abb. 4 Übersicht der medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapiemaßnahmen beim CRPS
ohne Gewichtung der einzelnen Therapien. Die Anpassung erfolgt interindividuell, je
nach vorhandener Symptomatik und Komorbidität.
Kernaussagen
-
Das klinische Bild des CRPS ist variabel, und verschiedene Phänotypen können die Diagnose
erschweren.
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Anamnese und klinische Präsentation sind zur Diagnosestellung ausreichend, eine apparative
Diagnostik hilft, Differenzialdiagnosen auszuschließen und bei unklaren Fällen.
-
Die im Internet häufig beschriebenen schwerwiegenden Verläufe verunsichern Patienten,
eine gute Aufklärung kann dem entgegenwirken.
-
Die Therapie orientiert sich an der vorhandenen Symptomatik und dem Stadium.
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Im Akutstadium, das bis zu 6 Monate posttraumatisch persistieren kann, dominieren
antientzündliche Therapien (Glukokortikoide und Bisphosphonate).
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Eine Schmerzmedikation sollte zur Vermeidung einer Chronifizierung von Beginn an ausreichend
dosiert werden. Oft ist eine zusätzliche Aufklärung des Patienten nötig, falls Analgetika
prinzipiell durch den Patienten abgelehnt werden.
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Rehabilitative Maßnahmen, auch mit Anteilen der kognitiven Verhaltenstherapie, sollten
frühzeitig initiiert werden. Sie sind bei schweren Verläufen (überwiegender Anteil
der Patienten) auch außerhalb des Regelfalls medizinisch indiziert, und die diesbezügliche
Versorgung des Patienten sollte sichergestellt sein.
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Bei therapierefraktären Verläufen sollten frühzeitig psychische Komorbiditäten exploriert
und in die Behandlung integriert werden.
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Die zentrale Reorganisation auf kortikaler Ebene ist reversibel. Zentral wirksame
Medikamente können unterstützend sein. In erster Linie ist aber der Gebrauch der betroffenen
Extremität erforderlich, und verhaltenstherapeutische Elemente sollten zur Prävention
der Chronifizierung frühzeitig integriert werden.
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Die Prognose ist bei rechtzeitiger Diagnosestellung und Therapiebeginn nicht zwangsläufig
schlecht, eine vollständige Restitution ist aber auch abhängig von psychosozialen
Einflüssen.
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Prof. Dr. med. Frank Birklein, Mainz.