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DOI: 10.1055/a-0838-6253
Health-Technology-Assessments in der Radiologie in Deutschland: Fehlende Nachfrage, fehlendes Angebot
Article in several languages: English | deutschCorrespondence
Publication History
27 August 2018
20 December 2018
Publication Date:
14 February 2019 (online)
- Einführung
- HTA in der Radiologie
- HTA: Fehlende Nachfrage, fehlendes Angebot
- Fazit und Ausblick
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund Health-Technology-Assessments (HTA) sind eine interdisziplinär anzuwendende Methode zur Unterstützung nachhaltiger, evidenzbasierter Entscheidungen im Gesundheitswesen. Sie untersuchen in einem systematischen Prozess medizinische Produkte, Verfahren und Technologien unter medizinischen, ökonomischen, juristischen, sozialen und ethischen Aspekten hinsichtlich ihres Einsatzes in der medizinischen Versorgung.
Methode In dieser Übersichtsarbeit wird die aktuelle Verbreitung von HTA in der Radiologie in Deutschland betrachtet. Es werden Anreizstrukturen für die Durchführung von HTA diskutiert und die sich daraus ableitenden Herausforderungen für die Akteure im Gesundheitswesen im stationären und ambulanten Sektor erörtert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund des zwischen den Sektoren bestehenden Unterschieds im Entscheidungsprozess darüber, welche Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Es wird insbesondere betrachtet, welche Auswirkungen sich aus dem Verbotsvorbehalt (stationär) bzw. Erlaubnisvorbehalt (ambulant) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bezüglich der Erstattung neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden ergeben.
Ergebnisse Aus den Befugnissen des G-BA ergibt sich hinsichtlich der Anreize zur Durchführung und Finanzierung systematischer Nachweise von Effektivität und Effizienz medizinischer Leistungen implizit ein Paradox: Im ambulanten Sektor sind derartige Nachweise ein notwendiges Instrument, während im stationären Sektor keine ausreichenden Anreize für die Akteure bestehen, in die Durchführung solcher Bewertungen der gleichen Leistung zu investieren.
Schlussfolgerung Es zeigt sich, dass der Bewertungsgegenstand gravierende Unterschiede innerhalb des HTA begründet. Bewertungsprozesse, die zur Überprüfung der Effektivität von Arzneimitteln etabliert sind, können nicht einfach auf radiologische Verfahren übertragen werden. Bei der Bewertung einzelner radiologischer Verfahren muss extrem differenziert, z. B. nach Tumorstadien, vorgegangen werden. Trotz dieser Herausforderungen sollte eine systematische Übersicht und kritische Bewertung verfügbarer Evidenz sowohl zur medizinischen Wirksamkeit als auch der Kosteneffizienz ein elementarer Baustein in der evidenzbasierten Radiologie (EbR) sein. Da Unternehmen im Gesundheitswesen die EbR nicht vorantreiben, sind öffentliche Fördermittelgeber gefordert, Studien zur Innovations- und Nutzenbewertung von bildgebenden radiologischen Verfahren zu unterstützen.
Kernaussagen:
-
HTAs sollten ein grundlegender Bestandteil der evidenzbasierten Radiologie sein.
-
Befugnisse des G-BA begründen ein implizites Paradox hinsichtlich der Anreize zur Durchführung und Finanzierung von HTAs.
-
Universitätsmedizin und öffentliche Fördermittelgebern sind gefordert Studien zu unterstützen, die den Nutzen radiologischer Verfahren bewerten.
Zitierweise
-
Winkelmann C, Neumann T, Zeidler J et al. Health Technology Assessments in Radiology in Germany: Lack of Demand, Lack of Supply. Fortschr Röntgenstr 2019; 191: 635 – 642
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Key words
health technology assessment - radiology - efficacy analysis - efficiency analysis - health economicsEinführung
Die Ressourcenverknappung im Gesundheitswesen zwingt Entscheidungsträger neben der medizinischen Sinnhaftigkeit verstärkt der Wirtschaftlichkeit von Leistungen Beachtung zu schenken. In der Vergangenheit lag der Fokus der gesundheitspolitischen Diskussion auf der Regulierung des Arzneimittelsektors. Vor Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) 2011 konnten die pharmazeutischen Unternehmer die Preise für ihre Arzneimittel nach erfolgter klinischer Zulassung durch die European Medical Agency oder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte frei festlegen. Erst im Nachhinein griffen regulatorische Instrumente wie Festbeträge und Therapiehinweise. Gemäß AMNOG müssen Pharmahersteller nun mit erfolgter Zulassung ein Value-Dossier beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorlegen. In diesem legen sie den Zusatznutzen ihres Präparates gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie dar. Wird ein positiver Zusatznutzen bescheinigt, erfolgen Rabattverhandlungen mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Auch international werden Arzneimittel nach klinischer Zulassung hinsichtlich ihrer Erstattungsfähigkeit geprüft. Das britische National Institute for Health and Clinical Excellence bewertet die Kosteneffektivität neuer Arzneimittel anhand von Health-Technology-Assessments (HTA) – systematische Übersichtsarbeiten zur Ermittlung der Effektivität und Effizienz – sowie gesundheitsökonomischen Modellierungen und gibt Empfehlungen zur Erstattung dieser Produkte [1].
Medizintechnische Produkte, wie sie in der Radiologie eingesetzt werden, standen bisher weniger im Fokus der gesundheitspolitischen Diskussion. Zwar wirbt z. B. das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – dieses ist an der Bewertung der Value-Dossiers beteiligt – für die Ausdehnung des AMNOG auf Medizinprodukte. Allerdings wird diese Diskussion bislang primär im Hinblick auf im Körper verbleibende Medizinprodukte geführt. Mit Inkrafttreten der EU-Medizinprodukteverordnung erfährt dieser Markt eine grundlegende Veränderung.
Auf den ersten Blick ist es überraschend, dass Effektivität und Effizienz medizintechnischer Geräte in der gesundheitspolitischen Diskussion praktisch keine Rolle spielen. Obwohl Großgeräte (wie CT und MRT) im vertragsärztlichen Bereich durch Zulassungsbeschränkungen und Mindestmengen reguliert sind, werden die Geräte häufig in der Patientenversorgung eingesetzt. Laut Statistischem Bundesamt erhöhte sich die Anzahl der CT in deutschen Krankenhäusern im Zeitraum 2012 bis 2016 von 1463 auf 1537 und die der MRT von 891 auf 987 [2]. Zeitgleich reduzierte sich die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland von 2017 auf 1951 [3]. Gemäß Barmer-GEK-Arztreport 2011 erhielten 6 Prozent der deutschen Bevölkerung (4,88 Mio.) im Jahr 2009 mindestens eine CT-Untersuchung, weitere 7,2 Prozent (5,89 Mio.) wurden mindestens einer MRT-Untersuchung unterzogen [4]. Die Gesamtkosten wurden auf 1,76 Mrd. Euro geschätzt. Davon entfielen 1,25 Mrd. Euro auf den ambulanten Bereich, was 3,2 Prozent der Behandlungskosten im vertragsärztlichen Bereich ausmacht [4]. Trotz des hohen Bedarfs an radiologischer Bildgebung scheint es sowohl eine geringe Nachfrage nach als auch ein geringes Angebot an validen Effektivitäts- und Effizienzdaten zu geben. Dies hat mehrere Gründe: Zwar ist die grundsätzliche technische Eignung eines bildgebenden Gerätes (anhand technischer Parameter) sowie die technische Qualität der Bilder zu prüfen, allerdings wird aus den Bildern erst durch radiologische Expertise ein Befund mit klinischer Relevanz. Selbst wenn der oft vernachlässigte Faktor der radiologischen Expertise ignoriert wird, ist die Durchführung von Primärstudien zur Therapierelevanz in der Radiologie aufwendig. Auch sind die potenziellen Auswirkungen von Ergebnissen aus systematischen Recherchen fragwürdig. Nicht zuletzt aufgrund dieser Rahmenbedingungen mangelt es an Anreizen, die Durchführung medizinischer und ökonomischer Studien sowie von Reviews dieser Studien (z. B. durch ein HTA) in der Radiologie zu finanzieren. Details werden im Folgenden diskutiert; dabei liegt der Fokus auf der Anwendung bei der diagnostischen Radiologie.
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HTA in der Radiologie
Ein HTA ist per Definition eine interdisziplinär anzuwendende Methodik zur systematischen und transparenten Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien unter medizinischen, ökonomischen, juristischen, sozialen und ethischen Aspekten mit dem Ziel, (medizinische) Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Der Begriff Technologie bezieht sich hierbei nicht nur auf technische Geräte – auch Medikamente, Instrumente, Prozeduren und Verfahren können Gegenstand einer Bewertung sein. Kern des HTA-Berichts ist eine systematische Überprüfung (Review) der Effektivität und Effizienz der zu untersuchenden Technologie [5]. [Abb. 1] stellt den Bewertungsprozess eines HTA dar, an dessen Beginn die Festlegung der Fragestellung steht (hier kann eine Orientierung am PICO-Schema helfen [6]).
Diverse Methoden und Hilfestellungen wurden entwickelt, um die Bewertung der Literatur in einem HTA zu unterstützen. Im Folgenden werden Bewertungsverfahren der medizinischen und anschließend der ökonomischen Literatur thematisiert. Die Verfahren unterscheiden sich abhängig von der Technologie und dem Zweck. So wurden z. B. zur Überprüfung der Effektivität von Arzneimitteln Evidenzstufen gemäß evidenzbasierter Medizin (EbM) definiert – Ergebnisse aus Metaanalysen und systematische Reviews von randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) haben die höchste Evidenz, Expertenmeinungen die niedrigste [7]. Diese Evidenzstufen sind jedoch nicht auf die Bewertung radiologischer Verfahren übertragbar, da RCT hier nicht der Goldstandard sind ([Tab. 1]).
Empfehlungsgrad |
Evidenzstärke |
Studientyp |
A |
1a |
systematische Übersicht von radiodiagnostischen Studien mit Evidenzstärke 1, oder: ein klinischer Entscheidungsalgorithmus, der auf Basis mehrerer Verfahren validiert wurde |
A |
1b |
unabhängiger, verblindeter Vergleich von Verfahren und Referenzverfahren, der in einem repräsentativen Spektrum von konsekutiven Patienten, die sich alle beiden Verfahren unterzogen hatten, durchgeführt wurde |
A |
1c |
radiodiagnostisches Ergebnis, dessen Spezifität so hoch ist, dass ein positiver Befund die Diagnose definitiv liefert, und dessen Sensitivität so hoch ist, dass ein negativer Befund die Diagnose definitiv ausschließt |
B |
2a |
systematische Übersicht von radiodiagnostischen Studien mit Evidenzstärke ≥ 2 |
B |
2b |
unabhängiger, verblindeter Vergleich von Verfahren und Referenzverfahren, der in nicht konsekutiv rekrutierten Patienten oder in einer eng definierten Patientengruppe durchgeführt wurde, die sich beiden Verfahren unterzogen hatten, oder: ein klinischer Entscheidungsalgorithmus ohne Validierung |
B |
3a |
systematische Übersicht von Studien mit Evidenzstärke ≥ 3 |
B |
3b |
unabhängiger, verblindeter Vergleich von Verfahren und Referenzverfahren, der in einem repräsentativen Spektrum von Patienten durchgeführt wurde, obwohl sich nicht alle Patienten beiden Verfahren unterzogen haben |
C |
4 |
das Referenzverfahren wurde nicht unabhängig oder verblindet eingesetzt |
D |
5 |
Expertenmeinung ohne explizite kritische Bewertung oder auf Basis physiologischer Überlegungen |
E |
6 |
Case-Report oder Studie über die technische Effizienz eines neuen Verfahrens |
Diese Unterschiede wurden erstmals von der kanadischen Evidence-Based Radiology-Working-Group fokussiert [8], welche den Begriff der evidenzbasierten Radiologie (EbR) prägte. Die Ziele von EbM und EbR sind dieselben: Valide Aussagen zur Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen abzuleiten, diese in der Praxis anzuwenden und individuelle klinische Expertise mit der besten verfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung zu integrieren [7]. Allerdings werden bei der EbR die Besonderheiten der Radiologie beachtet und andere Zielgrößen und Bewertungskriterien genutzt. [Tab. 2] zeigt die Zielgrößen radiodiagnostischer Studien, wobei diese aufeinander aufbauen (z. B. ist eine diagnostische Genauigkeit nicht ohne eine technische Qualität erzielbar). Um Studien entsprechend dieser Zielgrößen in HTA zu erfassen und zu bewerten, kommen verschiedene Bewertungsbögen zum Einsatz. [Tab. 3] wurde vom Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN) entwickelt und zeigt, welche Anforderungen an die Qualität solcher Studien gestellt werden. [Tab. 4] gibt einen Überblick über HTA-Berichte in der Radiologie im Zeitraum 2012 – 2017.
technische Parameter |
|
diagnostische Genauigkeit |
|
diagnostische Wertigkeit |
|
therapeutische Wertigkeit |
|
patientenrelevanter Nutzen |
|
volkswirtschaftlicher Nutzen |
|
Item-Nr. |
Frage |
1 |
Entspricht das Patientenkollektiv in der Studie dem potenziellen Patientenspektrum, auf den der Test angewendet werden soll? |
2 |
Sind die Auswahlkriterien für die PatientInnen klar beschrieben? |
3 |
Wurde das richtige Referenzverfahren gewählt? |
4 |
War das Zeitintervall zwischen Durchführung des Tests und des Referenzverfahrens kurz genug, um sicher zu sein, dass sich der Zustand der PatientInnen dazwischen nicht verändert hat? |
5 |
Wurde das Referenzverfahren bei allen PatientInnen oder zumindest einer Zufallsstichprobe dieser PatientInnen eingesetzt? |
6 |
Wurden alle PatientInnen denselben Referenzverfahren unterzogen, unabhängig vom Ergebnis des interessierenden Tests? |
7 |
Wurde das Referenzverfahren unabhängig vom Test durchgeführt (d. h. der Test war nicht Bestandteil des Referenzverfahrens)? |
8 |
Wurde die Durchführung des Tests so detailgenau beschrieben, dass eine Replikation desselben Problems möglich wäre? |
9 |
Wurde die Durchführung des Referenzverfahrens so detailgenau beschrieben, dass eine Replikation desselben problemlos möglich wäre? |
10 |
Wurden die Testergebnisse ohne Kenntnis der Ergebnisse des Referenzverfahrens interpretiert? |
11 |
Wurden die Ergebnisse des Referenzverfahrens ohne Kenntnis der Testergebnisse interpretiert? |
12 |
Waren für die Interpretation des Testergebnisses dieselben klinischen Daten verfügbar, die auch vorliegen würden, wenn der Test in der klinischen Praxis durchgeführt wird? |
13 |
Sind nicht interpretierbare oder nicht endgültige Testergebnisse in der Studie angeführt? |
14 |
Ist für eventuelle Patienten-Drop-Outs in der Studie eine Erklärung angeführt? |
Test = das interessierende diagnostische Verfahren, Referenzverfahren = der gewählte Goldstandard.
Publikationsjahr |
Organsystem |
Bildgebungsmodalität |
Quelle |
2017 |
Mamma |
Mammo, MRT |
[24] |
Kopf/Hals |
PET-CT |
[10] |
|
2016 |
Lunge |
CT |
[25] |
Lunge |
CT, DCE-CT, FDG-PET-CT |
[26] |
|
alle |
PET-CT, PET-MR |
[27] |
|
2015 |
Mamma |
CT |
[28] |
Abdomen |
CTC |
[29] |
|
2014 |
Neuro |
MR-DWI, CT |
[30] |
alle |
MRT |
[31] |
|
2013 |
Abdomen |
TE |
[32] |
Abdomen |
Sono, CT, MRT |
[33] |
|
2012 |
Kardio |
CT-Angio, Angio |
[34] |
CTC – CT-Colonography; TE – Transient Elastography; DCE-CT – Dynamic Contrasted-Enhanced CT; FDG-PET-CT – 18-Flurodeoxyglucose-Positron Emission Tomography; MR DWI – Magnetic Resonance Diffusion-Weighted Brain Imaging; PET – Positron Emission Tomography.
Eine Herausforderung bei der Evaluation neuer diagnostischer Großgeräte liegt in der Anwendung solcher Geräte für verschiedene Krankheitsbilder, vom Bandscheibenvorfall bis zur Krebserkrankung. Selbst wenn der Einsatz eines bildgebenden Verfahrens z. B. im Rahmen nur einer Tumorentität betrachtet wird, existieren im Follow-Up der verschiedenen Tumorstadien und der unterschiedlichen Behandlungspfade erhebliche Unterschiede, die den Wert eines diagnostischen Verfahrens beeinflussen. So wurden in einer Studie zur PET-CT-Kontrolle im Vergleich zur Neck-Dissektion zwar klare Vorteile der PET-CT herausgearbeitet. Allerdings gelten diese Ergebnisse nur für N2-Stadien und die Autoren betonen, dass eine Extrapolation der Ergebnisse auf N3-Stadien nicht zulässig erscheint [9] [10]. Wird der zunehmend differenzierte Umgang mit unterschiedlichen rezeptor- und genassoziierten Tumorausprägungen betrachtet, erscheint z. B. eine Studie zur Detektion von Metastasen bei Brustkrebs nicht mehr zeitgerecht. Ferner spielen bei diagnostischen Abläufen sekundäre Faktoren wie die Expertise der Befunder und die Prozessqualität eine Rolle. Für die Betrachtung des Nutzens sind Faktoren wie die Wahl der jeweils geeigneten Bildgebung und Einbindung des Radiologen in klinische Entscheidungsprozesse ebenso wichtig wie technische Qualitäten.
Neben einer medizinischen Evaluation werden in einem HTA ökonomische Studien identifiziert und bewertet. Hierzu zählen Kosteneffektivitätsstudien oder Kosten-Nutzwert-Studien [11]. Erstere bewerten alternative Technologien (z. B. den Einsatz einer MRT im Vergleich zum Röntgenbild), indem Kosten- und Effektivitätsparameter miteinander verknüpft werden. Dass die Erhebung vergleichender Daten in diesem Kontext sehr aufwendig ist und selbst bei intensiver Planung und großen Patientenzahlen die Ergebnisse nicht eindeutig sind, zeigt eine Vergleichsstudie von Kontrollregimen nach Rektum-Karzinom-OP mit und ohne Computertomografie mit fast 9-jährigem Verlauf. Mit der Studie konnte die Fragestellung nicht beantwortet werden [12].
In der diagnostischen Radiologie kann theoretisch jede der in [Tab. 2] dargestellten Zielgrößen ein Effektivitätsparameter sein [13]. Ergänzend gewinnt bei HTA die Sichtweise der Patienten (PRO – Patient-Reported-Outcomes) zunehmende Bedeutung. Dies wird bisher allenfalls in der interventionellen Radiologie berücksichtigt [14] [15] [16]. Der Aufruf zu einer patientenzentrierten diagnostischen Radiologie kann als Initiative in diese Richtung verstanden werden [17]. In der Gesundheitsökonomie sind von vornherein vor allem patientenrelevante Outcomes, wie gestiegene Lebensqualität, gewonnene Lebensjahre oder reduzierte Morbidität, von Interesse. In Kosten-Nutzwert-Analysen werden komplexe Nutzwerte wie qualitätsadjustierte Lebensjahre (QALY) oder gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL) verwendet. Zum Vergleich zweier Alternativen wird hier ein inkrementeller Ansatz genutzt, in dem die zusätzlichen Kosten einer Innovation im Vergleich zum Standardvorgehen ermittelt und durch den zusätzlichen Nutzen durch die Innovation dividiert werden, und so das inkrementelle Kosteneffektivitätsverhältnis gebildet. Dies spiegelt die Kosten pro zusätzlicher Nutzeneinheit (z. B. QALYs, gewonnene Lebensjahre, HRQOL) wider [11]. In der Regel ist es nicht möglich, bei einem Vergleich diagnostischer Maßnahmen in einer Studie unmittelbar patientenrelevante Effekte zu beobachten. Hier können gesundheitsökonomische Modellierungen zum Einsatz kommen, die die langfristigen Effekte und Kosten des Einsatzes einer Diagnostik, inkl. des nachgelagerten therapeutischen Effekts, evaluieren [18].
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HTA: Fehlende Nachfrage, fehlendes Angebot
Interessant ist die Betrachtung von HTA-Ergebnissen, bei denen keine Aussage zur Evidenz gemacht werden kann, da z. B. nur qualitativ schlechte Studien verfügbar sind, das Verfahren sich jedoch in der Versorgung etabliert hat – ohne Evidenznachweis. Grundsätzlich sind 2 Ursachen für das Nichtvorhandensein von Evidenz denkbar: (1) der sog. Publikations-Bias [5] (besagt, dass nur Studien mit positiven Ergebnissen veröffentlicht werden) und (2) fehlende Anreize zur Durchführung entsprechender Studien.
Im Folgenden stehen die Anreizstrukturen für die Erstellung von Primärstudien und HTA in der diagnostischen Radiologie sowie organisatorische Herausforderungen im Fokus. Zum Vergleich wird der Arzneimittelsektor herangezogen. Auch wenn Arzneimittel pharmakologische Güter sind und radiologische Geräte zu den Medizinprodukten zählen, so haben sie doch gemeinsam, dass sie in der Patientenversorgung eingesetzt werden und der Einsatz durch GKV und PKV erstattet wird.
Radiologische Großgeräte kennzeichnet ein hoher Diversifizierungsgrad, sowohl hinsichtlich der Produkte als auch der Anbieter. Zahlreiche Hersteller bieten verschiedene MRT und CT mit unterschiedlichen Modifikationen an. Der Produktlebenszyklus ist, zumindest in der Theorie, kurz (gem. AfA-Tabelle des Bundesministeriums der Finanzen beträgt die Nutzungsdauer 8 Jahre [19]). Der Apparateausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft argumentiert, dass Ersatzbeschaffungen von Großgeräten in einem Zeitraum von 10 Jahren erfolgen sollten und verweist darauf, dass eine zeitgemäße Diagnostik nicht länger als 5 Jahre aufrechterhalten werden könne [20].
Der Produktlebenszyklus von Medizinprodukten ist u. a. durch eine intensive Rückkopplung zwischen Praxis sowie Forschung und Entwicklung gekennzeichnet, daher kommt es häufiger zu Produktmodifikationen [18]. Bei Arzneimitteln sind Modifikationen nach erfolgter Zulassung nicht möglich bzw. münden direkt in neuen Forschungs- und Entwicklungsphasen und klinischen Studien. Die Patentlaufzeit von Arzneimitteln beträgt, abzüglich der Forschungs- und Entwicklungszeit, ca. 8 bis 12 Jahre. Danach steht das Medikament i. d. R. mit Generika in Konkurrenz. Bei radiologischen Großgeräten ist die Patentsituation in der Regel komplex. Viele Patente der größten Hersteller werden frühzeitig für die gegenseitige Nutzung freigegeben. Zudem gibt es keine „Generika“. Die zugrunde liegende Technologie ist komplex und die aktuell geltenden Standards werden häufig nur von wenigen international tätigen Firmen erfüllt. Innovationen werden i. d. R. auf den etablierten Technologieplattformen dieser Firmen implementiert, oft in Kooperation mit Universitätskliniken.
Auch der Zulassungsprozess von Arzneimitteln und radiologischen Großgeräten unterscheidet sich deutlich. Während die Zulassung von Arzneimitteln im Wesentlichen europaweit über die European Medical Agency (EMA) erfolgt, unterschieden sich bisher die Anforderungen an die Zulassung medizintechnischer Produkte auf nationaler Ebene. Diese Anforderungen wurden mit Inkrafttreten der EU-Medizinprodukteverordnung harmonisiert. Auch die Ziele der Zulassung sind unterschiedlich. Für die klinische Zulassung müssen Arzneimittel den Nachweis der Wirksamkeit, Sicherheit/Unbedenklichkeit und pharmakologischen Qualität in doppelt blinden RCT erbringen. Für medizintechnische Produkte ist in Europa die CE-Zertifizierung entscheidend. „Zweck der CE-Kennzeichnung ist die Bescheinigung der Konformität eines Erzeugnisses mit dem in den Richtlinien zur vollständigen Harmonisierung festgelegten allgemein relevanten Schutzniveau sowie die Bestätigung des jeweiligen Wirtschaftsbeteiligten, dass sein Erzeugnis allen gemäß Gemeinschaftsrecht relevanten Bewertungsverfahren unterzogen worden ist“ (Abl. EG Nr. L 220/23v. 30.8.1993). Damit werden Ziele der Sicherheit und der technischen Leistungsfähigkeit verfolgt. Inwiefern das Gerät besser ist als ein Vergleichsprodukt oder es den Patientennutzen erhöht, spielt für die CE-Zertifizierung keine Rolle. Daher sind RCT für die Zulassung nicht relevant und es besteht kein Anreiz für die Hersteller, entsprechende Studien durchzuführen und zu finanzieren. Hersteller führen eher Studien durch, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern einzelne Aspekte der Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Diese Studien sind jedoch häufig nicht randomisiert, Umfang und Aufwand sind überschaubar und sie beleuchten eher technische Besonderheiten als den grundsätzlichen Nutzen einer Technologie.
Bei der Betrachtung des Erstattungsprozesses diagnostischer radiologischer Leistungen ist eine Differenzierung zwischen stationärem und ambulantem Sektor notwendig. Er unterscheidet sich nachhaltig vom Erstattungsprozess von Arzneimitteln, welcher in der Einleitung bereits skizziert wurde. In Deutschland werden stationäre Leistungen im Wesentlichen mittels Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups (DRG)) abgerechnet. Der sog. Fallpauschalen-Katalog (vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus herausgegeben) umfasst alle abrechnungsfähigen DRG. Mittels der dort definierten Pauschalen werden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen (definiert nach § 2 KHEntgG) vergütet. Durch den Verbotsvorbehalt des G-BA – im stationären Sektor ist zunächst alles erlaubt, es sei denn, der G-BA verbietet den Einsatz gemäß § 137c SGB V – kann zunächst jede neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Krankenhaus angewendet werden, was die Entwicklung innovativer Methoden im Krankenhaus fördert [21]. Die Anwendung innovativer Methoden im stationären Sektor löst allerdings nicht automatisch eine entsprechende Vergütung aus. Um hierfür gesonderte Entgelte zu erhalten, ist die Beantragung von sog. NUB (neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) möglich (§ 6 Abs. 2 KHEntgG). Werden diese bewilligt, werden die Entgelte befristet (für 1 Jahr) und fallbezogen vereinbart. Vereinzelt werden NUB in den Folgejahren in Form von DRG oder Zusatzentgelten in den Fallpauschalen-Katalog integriert.
Es wird deutlich, dass es im Wesentlichen im betriebswirtschaftlichen Ermessen des einzelnen Krankenhauses liegt, mit welchen (neuen) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden die Versorgung der Patienten durchgeführt wird. Demnach hätte das einzelne Krankenhaus theoretisch ein Interesse an Daten zur Effektivität und Kosteneffizienz bildgebender Maßnahmen. Aufgrund dieser individuellen Betrachtung ist schwer einzuschätzen, welchen Einfluss gesundheitsökonomische Studien zu bildgebenden Technologien auf Investitionsentscheidungen im jeweiligen Krankenhaus hätten. So könnten sich Krankenhäuser trotz geringem nachgewiesenem Vorteil für die Einführung einer Technologie entscheiden, u. a. um die eigene Position am Markt auszubauen, Mitarbeiter zu halten, Vorgaben in Leitlinien einzuhalten oder zusätzliche Umsätze durch Fremdaufträge zu sichern. Interne und externe Marketingziele des Krankenhauses dürfen hier nicht vernachlässigt werden [5]. Es zeigt sich, dass die Ergebnisse eines HTA, welches solche Systemeffekte nicht berücksichtigt, nur einen Teil (wenn überhaupt) im Entscheidungsprozess eines Krankenhauses darstellen können.
Im ambulanten Sektor ist eine Bewertung durch den G-BA für eine Aufnahme in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) verpflichtend (Erlaubnisvorbehalt). Der G-BA hat Empfehlungen hinsichtlich der „Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung“ (§ 135 Abs. 1 SGB V) abzugeben. Falls die Aufnahme in den EBM erfolgt, kann diese Leistung im Rahmen der Budgets der Ärzte abgerechnet werden. Bei der radiologischen Diagnostik, z. B. MRT-Einsatz, ist die Erstattung jedoch grundsätzlich nicht auf eine bestimmte MRT-Technologie bezogen. Abrechnungsrelevant ist, welcher Teil des Körpers untersucht wird (Schädel, Thorax etc.) und ob mit Kontrastmitteln oder dynamischen Seiten gearbeitet wird. Unter Beachtung gewisser Mindeststandards ist es nicht relevant, mit welchem MRT die Untersuchung erfolgt. Dies zeugt wiederum davon, dass einzelne Hersteller keinen Anreiz haben, entsprechende G-BA-relevante Studien anzufertigen.
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Fazit und Ausblick
Es zeigt sich, dass weder auf Seiten der Kunden noch der Anbieter radiologischer Großgeräte der kommerzielle Zwang bzw. das Interesse groß genug ist, um als einzelner Akteur in die Evaluation einer Technologie zu investieren. Gleiches gilt für die Erstellung systematischer Übersichtsarbeiten (wie HTA). Selbst wenn genügend medizinische und ökonomische Evidenz vorhanden wäre, bliebe es fraglich, ob z. B. ein Krankenhausmanagement die Erkenntnisse eines HTA in betriebswirtschaftlichen Entscheidungen berücksichtigen würde. Summa summarum: Keine Nachfrage – kein Angebot.
Dennoch ist die systematische Zusammenstellung und Bewertung der medizinischen und ökonomischen Literatur ein elementarer Baustein in der EbR, der nicht vernachlässigt werden sollte. Von Ärzten kann nicht verlangt werden, sich EbR-konform zu verhalten, wenn die Evidenz so gering ist, dass kaum Handlungsanweisungen auf Basis der Literatur möglich sind. Aus diesem Grund sollte ein gesellschaftlicher Wunsch nach mehr Evidenz in der Literatur entstehen. Aufgrund der beschriebenen Anreizprobleme kommt der Universitätsmedizin, aber auch den öffentlichen Fördermittelgebern, eine wichtige Aufgabe bei der Förderung und Durchführung medizinischer und medizinisch-ökonomischer Studien zu. Wünschenswert wäre es, wenn für die Innovations- und Nutzenbewertung bildgebender Verfahren weitere Fördertöpfe, z. B. der Kostenträger, bereitgestellt würden, um in diesem Bereich mehr unabhängige Forschung zu ermöglichen. Damit könnte eine wissenschaftlich fundierte Grundlage geschaffen werden, um in Zukunft auch diagnostische Methoden evidenzbasiert einsetzen und weiterentwickeln zu können.
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