Zusammenfassung
Hintergrund Beeinträchtigungen der Lautdiskrimination, des
Sprachverständnisses im Störlärm, der Merkfähigkeit u. s. w. können im Rahmen
einer Diagnostik bezüglich einer auditiven Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörung (AVWS) strukturiert mit dem von der Deutschen Gesellschaft
für Phoniatrie und Pädaudiologie erstellten Fragebogen (DGPP-AVWS-FB) erfasst
werden. Hier soll über Erfahrungen bei Verwendung dieses Fragebogens in einer
phoniatrisch-pädaudiologischen Praxis berichtet werden. Insbesondere sollte
ermittelt werden, ob Angaben der Eltern zum auditiven Verhalten ihrer Kinder
ähnlich oder different zu Angaben von Erzieherinnen und Erziehern im
Kindergarten (KGK) respektive von Lehrkräften in der Schule (LK) sind.
Methodik In einem neunmonatigen Zeitraum wurde allen Eltern, die ihre
Kinder zur Abklärung einer eventuellen AVWS vorstellten, der DGPP-AVWS-FB zum
Ausfüllen durch sie sowie durch KGK/LK ausgehändigt. Zum Vergleich der
Übereinstimmung der Beurteilungen wurden auch jeweils zwei Fragebögen zur
Aufmerksamkeit und Konzentration bzw. zu exekutiven Funktionen (DISYPS II, BRIEF
oder BRIEF-P) mitgegeben. Daten von Kindern mit peripherer Hörstörung oder
kognitiver Entwicklungsstörung wurden nicht verwendet. Dann wurde für die
jeweiligen Items, Skalen und Indices der Korrelationskoeffizient berechnet.
Ergebnisse Ausgefüllte Fragebögen lagen zum Schluss des
Untersuchungszeitraums von insgesamt 20 Grundschulkindern sowie 7
Kindergartenkindern vor. Bei letztgenannten erfolgte die Vorstellung
ausschließlich auf Veranlassung der KGK, bei einem Schulkind wurde eine AVWS
durch die Eltern, nicht aber durch LK, bei drei Schulkindern sowohl durch die
Eltern wie durch LK und bei 16 Schulkindern nur durch LK vermutet. Die
Auswertung der DGPP-AVWS-FB spiegelte letztlich diese unterschiedliche
Einschätzung der Symptomatik wieder: die Angaben der Eltern zeigten, mit
Ausnahme der Angaben bei Kindern, bei denen sowohl Eltern wie LK eine AVWS
vermuteten, nur eine geringe Übereinstimmung zu den Angaben der KGK/LK. Im
Vergleich dazu waren die Antworten zu den beiden anderen Fragebögen ebenfalls
unterschiedlich, die Angaben zur Aufmerksamkeit und Hyperaktivität bei
Kindergartenkindern tendenziell aber ähnlicher.
Diskussion Die hier aus der phoniatrisch-pädaudiologischen Praxis
vorgestellten Daten könnten mit einem unterschiedlichen Verhalten der Kinder im
häuslichen Umfeld respektive im Kindergarten/in der Schule zu erklären sein. Es
könnte auch sein, dass dasgleiche Verhalten unterschiedlich bewertet wird. Für
Fragebögen-Instrumente zur Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und zu
exekutiven Funktionen sind niedrige Korrelationen bereits bekannt. Für die
klinische Routine empfiehlt sich, die berichteten Symptome standardisiert mit
dem DGPP-AVWS-FB zu dokumentieren und insbesondere auch festzustellen, ob ein
auffälliges auditives Verhalten nur in einer oder in zwei bzw. mehreren
Umgebungen auffällt.
Summary
Background Impairments of sound discrimination, speech comprehension in
background noise, memory, etc. can be assessed within the diagnosis of an
auditory processing and perception disorder (AVWS) in a structured manner using
the questionnaire (DGPP-AVWS-FB) provided by the German Society for Phoniatrics
and Pedaudiology. The aim is to report on experiences with the use of this
questionnaire in a pedaudiology practice. In particular, it was to be determined
whether information on the auditory behaviour provided by parents is similar or
different to information provided by kindergarten teachers (KGK) or teachers at
school (LK).
Methods During a nine-month period, all parents who presented their
children to be examined for a possible AVWS were handed the DGPP-AVWS-FB to be
completed by them and by KGK/LK. In order to compare the agreement of the
judgements, two questionnaires on attention and concentration or on executive
functions (DISYPS II, BRIEF or BRIEF-P) were also given. Data from children with
peripheral hearing impairment or cognitive developmental disorder were not used.
The correlation coefficient was then calculated for the respective items, scales
and indices.
Results Completed questionnaires were available at the end of the study
period for a total of 20 primary school children and 7 kindergarten children. In
kindergarten children, only KGK but not parents, in school children however, 1x
only parents, 16x only LK and in the remaining 3 others both parents and LK
suspected an impaired auditory processing. The evaluation of the DGPP-AVWS-FB
ultimately reflected this different assessment of the symptoms: with the
exception of children in whom both parents and LK suspected an AVWS, the
information provided by the parents showed only little agreement with the
information provided by the KGK/LK. In comparison, the responses to the other
two questionnaires were also different, but the data on attention and
hyperactivity in kindergarten children tended to be more similar.
Discussion The data presented could be explained by a different behavior
of the children at home or in kindergarten/school. It could also be that the
same behavior is evaluated differently. Low correlations are already known for
questionnaires on attention deficit/hyperactivity disorder and executive
functions.
For the clinical routine it is recommended to document the reported symptoms
standardized with the DGPP-AVWS-FB and in particular to determine whether an
abnormal auditory behavior is noticeable in only one or two or more
environments.
Schlüsselwörter
auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung - Kinder - Fragebogeninstrument - Testgütekriterien - Ankereffekt
Key words
auditory processing disorder - children - questionnaire - test quality criteria - interrater-reliability