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DOI: 10.1055/a-0887-0552
Aktuelle Präventionskonzepte bei Kleinkindern mit erhöhtem Kariesrisiko
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Publication Date:
24 September 2019 (online)
- Einleitung
- Strategien der Kariesprävention beim Kleinkind
- Neue Möglichkeiten
- Maßnahmen für Kleinkinder mit erhöhtem Kariesrisiko
- Zusammenfassung
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Der Kariesrückgang im Milchgebiss vollzieht sich nur langsam – teilweise scheint er zu stagnieren. Daher wurden verschiedene kariespräventive Maßnahmen beschlossen, die sich auf alle Kleinkinder auswirken werden, vor allem aber auch spezielle Chancen für Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko eröffnen. Dieser Beitrag stellt die neuen Möglichkeiten dar, insbesondere zahnärztliche Untersuchungen für Kleinkinder und intensivierte Fluoridierungsmaßnahmen.
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Schlüsselwörter
Kariesprophylaxe - frühkindliche Karies - Saugerflaschenkaries - Fluoridzahnpasta - FluoridlackEinleitung
Karieserfahrung bei 12-Jährigen
Seit einigen Jahrzehnten ist bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ein deutlicher Kariesrückgang feststellbar. Die national repräsentativen Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) und die ebenfalls deutschlandweit durchgeführten Studien der DAJ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege) dokumentieren einen beeindruckenden Rückgang der Karieslast bei 12-jährigen Kindern. Ausgehend von DMFT-Werten (DMFT: decayed – missing – filled teeth) von 1,7 im Jahre 1997 (DMS, zitiert bei [1]) bzw. von 2,4 im Jahre 1994 (DAJ-Studie, zitiert bei [2]) wurden zuletzt Werte von 0,5 im Jahr 2014 bzw. 0,4 im Jahr 2016 erhoben [1], [2]. Das bedeutet: Im Durchschnitt ist von zwei 12-jährigen Kindern eines vollkommen kariesfrei und das andere Kind weist weniger als einen kariösen oder kariesbedingt versorgten Zahn (Füllungen, Extraktionen) auf. In der Realität hat bei einer Kariesprävalenz von 18,7% sogar von fünf 12-Jährigen nur ein Kind versorgte oder unversorgte Karies – die übrigen vier sind kariesfrei [1]. Das Kind mit der Karieserfahrung weist dabei aber bereits 2,5 DMF-Zähne auf.
Die Gegenüberstellung von rechnerischem Mittelwert und tatsächlicher Kariesverteilung zeigt, dass bezüglich der Karieslast eine Polarisation besteht.
Zwar ist es gelungen, die Teilgruppe mit hoher Karieserfahrung zu verkleinern: Im Jahr 2014 zeigten nur noch etwa 6,1% der 12-Jährigen mehr als 2 sanierte oder unsanierte Zähne [1]. Dies verschärft jedoch letztlich die Kariespolarisation, denn es sind insgesamt weniger als 5,7% der 12-jährigen Kinder, die sämtliche in ihrer Altersgruppe zu sanierenden Zähne aufweisen (s. „Info – Erhöhtes Kariesrisiko“).
Im Zusammenhang mit der Kariespolarisation wird von Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko gesprochen. Diese Begrifflichkeit mag zwar sprachlich nicht ganz korrekt sein, da letztlich alle Menschen dem gleichen Erkrankungsrisiko unterliegen. In der zahnmedizinischen Kommunikation hat sich diese Bezeichnung dennoch etabliert – denn bereits vorhandene Karieserfahrung ist der klinische Beleg für nicht adäquate Präventionsmaßnahmen, denen zufolge ohne Veränderung kariesrelevanter Parameter weitere kariöse Defekte zu erwarten sind.
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Karieserfahrung bei 6/7-Jährigen
Im Milchgebiss besteht ebenfalls eine Ungleichverteilung der Karies, die bei 6- und 7-jährigen Kindern jedoch weniger ausgeprägt ist. Hier sind 44% der Kinder nicht mehr kariesfrei, und durchschnittlich hat jedes Kind im Alter von 6 bis 7 Jahren 1,7 Milchzähne mit Karieserfahrung [2]. Mit einem Kariesrückgang im Milchgebiss von rund 40% innerhalb von 22 Jahren ist zwar auch hier ein Kariesrückgang feststellbar. Allerdings macht die prozentuale Reduktion nur etwa halb so viel wie im bleibenden Gebiss aus ([Abb. 1]).
Lässt man die gute Hälfte der 6- und 7-jährigen Kinder ohne Karieserfahrung außen vor, so zeigt sich: Die von Karies betroffenen 6- und 7-Jährigen weisen im Mittel bereits 4 kariöse oder infolge von Karies behandelte Zähne auf. Dennoch stellt die hohe Kariesprävalenz im Milchgebiss einen guten Grund dar, die Präventionsmaßnahmen bei Kindern vor dem Alter von 6 Jahren allgemein zu verstärken. Diese verstärkten Präventionsmaßnahmen sollten nicht nur auf Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko beschränkt werden. Hinzu kommt, dass sich in Deutschland in der Altersgruppe der 6- und 7-Jährigen ein Stillstand beim Kariesrückgang, in einigen Regionen sogar ein Wiederanstieg der Karieslast abzeichnet [2]. Auch wenn diese Beobachtungen international in verschiedenen Ländern gemacht werden [3], drängt dies zu weiteren frühzeitigen Prophylaxemaßnahmen in Deutschland.
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Karieserfahrung bei 3-Jährigen
Die hohe Karieslast bei den 6- und 7-jährigen Kindern ist ein dringlicher Anlass, die Situation bei 3-Jährigen zu betrachten. Hier sind zwar „nur“ 13,7% von manifester, das Dentin einbeziehender Karies betroffen, doch weisen diese Kinder im Durchschnitt 3,6 erkrankte Zähne auf [2]. Die therapeutischen Konsequenzen sind komplex und herausfordernd und machen oft eine Behandlung in Allgemeinanästhesie notwendig. Die starke Kariespolarisation im Kleinkindalter erfordert daher besondere Maßnahmen der Kariesprävention für diese Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko.
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Handlungsbedarf bei Kariesprävention für das Milchgebiss
Der auffällig unterschiedliche Erfolg der Kariesprävention im Milch- bzw. im bleibenden Gebiss ([Abb. 1]) ist Anlass zur Implementierung verschiedener kariespräventiver Maßnahmen für das Milchgebiss. Die Instrumente der Kariesprävention sind dabei die gleichen wie diejenigen, die im bleibenden Gebiss erfolgreich zu dem erheblichen Kariesrückgang geführt haben. Unter anderem liefert der bislang zu späte Zeitpunkt, zu dem die Kinder in zahnmedizinische Betreuung kommen, eine Erklärung für die nur geringen Verbesserungen im Milchgebiss. Wenn die individual- oder gruppenprophylaktische Betreuung erst mit 3 Jahren beginnt, kann das Kind bereits Karies aufweisen, bevor zielführende primärpräventive Maßnahmen etabliert und regelmäßig umgesetzt werden. Zudem kommt der frühzeitig einsetzenden Karies eine wegweisende Rolle bezüglich der weiteren Kariesentwicklung zu [4].
Aus frühzeitiger erfolgreicher Kariesprävention können langfristige positive Effekte der oralen Gesundheitsförderung abgeleitet werden.
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Strategien der Kariesprävention beim Kleinkind
Karies ist die klinische Folge einer Störung des an der Zahnoberfläche vorliegenden Gleichgewichtes zwischen De- und Remineralisation. Die bewährten Präventionsmaßnahmen zielen auf eine Veränderung oder Festigung dieses Gleichgewichts zugunsten der Remineralisation. Diese bewährten Maßnahmen sind
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die Mundhygiene zur Kontrolle des kariogenen Biofilms,
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die Fluoridierung zur Verbesserung der Zahnhartsubstanz und
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eine angemessene Ernährungsweise mit Verringerung der Saccharosezufuhr.
Zusätzlich besitzt bei Kindern die Versiegelung kariesgefährdeter Fissuren hohe karieshemmende Effektivität [3].
Fluoridhaltige Zahnpasten
Mundhygienemaßnahmen sind eng an die Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasten gekoppelt, sodass eine Trennung des mechanisch plaquereduzierenden Putzeffektes vom Fluoridierungseffekt nicht möglich ist.
Aufgrund der hohen Evidenz der karieshemmenden Wirkung von lokalen Fluoridierungsmaßnahmen soll bei allen Kindern ab Durchbruch des 1. Milchzahnes eine fluoridhaltige Kinderzahnpasta verwendet werden.
Die im Jahr 1998 ausgesprochene Empfehlung beinhaltete, dass hierfür Kinderzahnpasten mit einem Fluoridgehalt von 500 ppm benutzt werden. Diese Empfehlung wurde aktuell überarbeitet (s. Abschnitt „Kinderzahnpasten mit 1000 ppm Fluorid“).
Die karieshemmende Wirkung von Fluorid beruht auf lokalen Effekten an der Zahnoberfläche [5]. Die regelmäßige Fluoridapplikation mittels Zahnpasten wird mit hohem wissenschaftlichem Evidenzgrad als ein Hauptgrund für den Kariesrückgang bei Kindern und Jugendlichen angesehen [6], [7]. Der kariespräventive Effekt wurde auch im Milchgebiss bei Kindern im Vorschulalter nachgewiesen [8].
Besonders ausgeprägt ist der karieshemmende Effekt der regelmäßigen Anwendung fluoridhaltiger Zahnpaste beim sogenannten überwachten Putzen [9]. Hierunter ist das aktive Einbringen der Eltern bzw. Bezugspersonen in das Zähneputzen mit regelmäßigem Erinnern, Anleiten und Nachputzen zu verstehen.
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Ernährungsgewohnheiten
Auch die Kenntnisse über die Etablierung von Ernährungsgewohnheiten legen eine sehr frühzeitige zahnärztliche Beratung nahe. Denn aus einer im Kleinkindalter angewöhnten zuckerreichen Fehlernährung erwachsen langfristige nachteilige Folgen. So wurden Zusammenhänge zwischen zuckerhaltiger Ernährung im Alter bis zu 12 Monaten und Karies im Alter von ca. 3 Jahren dokumentiert [10]. Ebenso wurde eine Abhängigkeit der Karieslast im Alter von 5 Jahren von zuckerhaltigen Getränken in der frühen Kindheit aufgezeigt [11]. In einer prospektiven randomisierten Studie von bis zu 13 Jahren Dauer wurde sogar nachgewiesen: Die Menge des im Alter von 3 Jahren konsumierten Zuckers ist ein Prädiktor für die Zuckeraufnahme in den folgenden Jahren. Ist diese Zuckeraufnahme hoch, so geht sie mit vermehrter Kariesentstehung einher [12].
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Neue Möglichkeiten
Im Folgenden sollen aktuelle Weiterentwicklungen einschlägiger Empfehlungen und Versorgungsparameter dargestellt werden, die vor dem Hintergrund der unbefriedigenden Kariessituation im Milchgebiss kürzlich auf den Weg gebracht wurden. Da bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko die üblichen Präventionsmaßnahmen offenkundig nicht zufriedenstellend greifen, sind darüber hinausgehende Maßnahmen erforderlich. Die für diese Kinder möglichen zusätzlichen Präventionsmaßnahmen sollen ebenfalls erläutert werden.
Zahnärztliche Untersuchungen für Kleinkinder
Die wenig zufriedenstellende Entwicklung der Karieslast im Milchgebiss ist der Anlass für verschiedene vor Kurzem beschlossene Veränderungen der Rahmenbedingungen. Aus diesen werden Impulse für eine erkennbare Reduktion der Karies erwartet. Diese Veränderungen betreffen alle Kleinkinder. Eine wichtige Neuerung – deren Auswirkung allerdings noch nicht abzuschätzen ist – wurde mit dem Präventionsgesetz geschaffen:
Kinderärzte haben die Möglichkeit, im Zuge der routinemäßigen Untersuchungen „U5“ bis „U7“ Kinder zum Zahnarzt zu verweisen.
Das bedeutet: Auf diese Weise können Kleinkinder schon im 6. und 7. Lebensmonat – entsprechend dem Untersuchungszeitraum der „U5“ – in der zahnärztlichen Praxis vorgestellt werden. Die entsprechenden Zeiträume der „U6“ und „U7“ sind der 10. bis 12. Lebensmonat bzw. der 21. bis 24. Lebensmonat. Der Verweisvorgang ist mittels eines Ankreuzfeldes im „U-Heft“ einfach umsetzbar.
Der kinderärztliche Verweis ab der „U5“ bedeutet für den zahnärztlichen Praxisalltag, dass Eltern mit sehr jungen Kindern kommen. Diese Kinder müssen auf jeden Fall in die zahnmedizinische Betreuung überführt werden. Eine Verschiebung auf spätere Lebensmonate oder gar ein Abweisen der Eltern mit ihren Kleinkindern wäre den jahrelangen Bemühungen der Zahnärzteschaft gegenüber äußerst kontraproduktiv. Sie vergäbe wertvolle Chancen auf deutliche Verbesserungen der Zahngesundheit im Milchgebiss. Es soll nicht verkannt werden, dass die Untersuchung der Mundhöhle von Kleinkindern mitunter schwierig oder nur eingeschränkt möglich ist. In diesen Einzelfällen unzureichender Inspektionsmöglichkeit der kindlichen Mundhöhle steht dann die Beratung der Eltern im Vordergrund.
Ganz aktuell werden auch unabhängig von kinderärztlicher Verweisung wesentlich mehr Eltern mit ihren Kleinkindern in die zahnärztlichen Praxen kommen. Der Grund hierfür liegt in der Anfang 2019 beschlossenen Ausweitung des Leistungskatalogs der Krankenkassen auf Kleinkinder unter dem Alter von 34 Lebensmonaten [13]. Bis zu diesem Alter sind 3 zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen vorgesehen. Das erklärte Ziel dieser zusätzlichen Untersuchungen ist, die geschilderten Missstände im Milchgebiss zu überwinden. Es geht darum, einen deutlichen Fortschritt bei der Eindämmung der frühkindlichen Karies sowie der daraus folgenden hohen Karieslast im Milchgebiss zu erzielen.
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Beratung und Anleitung von Kleinkind-Eltern
Im Zuge der zahnärztlichen Untersuchungen der Kleinkinder soll zum einen eine Kontrolle auf Plaque und Initialkaries bzw. Karies erfolgen. Deutliche Plaqueauflagerungen auf den Oberkieferfrontzähnen sind ein valider Indikator für einen nachfolgenden erhöhten Kariesbefall [14]. White Spots auf den vestibulären Flächen der Oberkieferfrontzähne sind ein deutlicher Hinweis auf die prolongierte Gabe zuckerhaltiger Getränke aus Saugerflaschen bei gleichzeitig unzureichender Mundhygiene.
Zähneputzen
Allen Eltern sollen die Grundzüge der Kariesprävention im Kleinkindalter vermittelt werden. So soll das regelmäßige Zähneputzen ab dem 1. Milchzahn mit einer fluoridhaltigen Kinderzahnpaste propagiert und angeleitet werden. Ein späterer Beginn der Mundhygiene geht mit einer höheren Karieserfahrung im Alter von 5 Jahren einher [4], [15]. Bei Kleinkindern ist das Zähneputzen die Aufgabe der Eltern. Aber auch bei älteren Kindern soll die Mundhygiene von den Eltern durchgeführt bzw. kontrolliert werden. So konnte bei Kindern im Alter von 5 Jahren die regelmäßige elterliche Mitarbeit beim Zähneputzen ihrer Kinder als kariesreduzierender Faktor ermittelt werden [4], [16].
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Saugerflaschenkaries
Weitere große Bedeutung kommt dem Thema der Saugerflaschenkaries zu. Bei der in den ersten Lebensjahren auftretenden Karies handelt es sich, insbesondere in den ausgeprägteren Fällen, schwerpunktmäßig um Saugerflaschenkaries. Es muss den Eltern gegenüber deutlich herausgestellt werden, dass das optimale Getränk für die Kinder – zumindest außerhalb der Hauptmahlzeiten – Wasser ist.
Lang andauernde und/oder wiederholte Gabe gesüßter Getränke aus der Saugerflasche ist unbedingt zu vermeiden!
Die Art des mit der Saugerflasche verabreichten Getränkes (Saft, Schorle, Tee o. a.) ist, solange es Zucker enthält, von untergeordneter Bedeutung. Der Verzicht auf gesüßte Getränke ist am einfachsten umzusetzen, wenn das Kleinkind noch gar nicht an die Verabreichung zuckerhaltiger Getränke mittels Saugerflasche gewöhnt ist.
Ein besonders hohes Kariesrisiko liegt in der Gabe der Saugerflaschen über Nacht [16], da die Zähne dann lange Zeit von zuckerhaltigen Flüssigkeiten umspült sein können. Ebenso ist auch verlängertes Stillen mit einem erhöhten Kariesrisiko verbunden [4], [15]. Es sei hinzugefügt, dass eine zahnbewusste Ernährungsweise, d. h. die Reduktion von Menge und Frequenz der Zuckerzufuhr, auch deutliche positive Aspekte für die Allgemeingesundheit der Kinder aufweist.
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Kinderzahnpasten mit 1000 ppm Fluorid
Es ist zu erwarten, dass Kinderzahnpasten in Kürze auf einen Fluoridgehalt von 1000 ppm umgestellt werden. Für diese Veränderung (von bislang 500 ppm) hat sich unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde ausgesprochen [17]. Hintergrund der aktualisierten Empfehlungen ist die beschriebene unbefriedigende Verringerung der Karieslast im Milchgebiss. Nach den neuen Empfehlungen soll ab Durchbruch des 1. Zahnes bis zum 2. Geburtstag zweimal täglich mit einer reiskorngroßen Menge 1000-ppm-Zahnpasta geputzt werden (alternativ mit einer erbsengroßen Menge einer 500-ppm-Zahnpasta). Ab dem 2. bis zum 6. Geburtstag soll eine erbsengroße Menge der 1000-ppm-Pasta benutzt werden [17] ([Tab. 1]).
Alter |
Konzentration |
Häufigkeit |
Menge |
---|---|---|---|
ab Durchbruch des 1. Zahnes bis zum 2. Geburtstag |
1000 ppm |
2-mal tgl. |
reiskorngroß |
alternativ |
|||
500 ppm |
2-mal tgl. |
erbsengroß |
|
vom 2. bis zum 6. Geburtstag |
1000 ppm |
2-mal tgl. |
erbsengroß |
Die gegenüber den bisherigen Empfehlungen erhöhte Fluoridkonzentration in der Kinderzahncreme entspricht verschiedenen internationalen Leitlinien. Im Gegenzug sprechen sich die Empfehlungen bezüglich der ersten 2 Lebensjahre für das Aufbringen einer sehr geringen Zahnpastamenge auf die Zahnbürste aus. Diese Menge soll dem Volumen eines Reiskorns entsprechen. Mit der Erhöhung der Fluoridkonzentration bei gleichzeitiger Reduktion des in die Mundhöhle des Kleinkindes eingebrachten Pastenvolumens bleibt die Menge des applizierten Fluorids gleich. Für die Kariesprävention hingegen werden deutliche Verbesserungen erwartet, denn viele Einzelstudien und daraus generierte Metaanalysen haben eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Fluoridkonzentration und Kariesreduktion nachgewiesen [6].
Je höher die auf die Zahnoberfläche aufgebrachte Fluoridkonzentration ist, desto größer ist die Anzahl vor Karies bewahrter Zähne. Dieser Zusammenhang ist statistisch signifikant.
In diesem Kontext ist erwähnenswert, dass die bisher benutzten geringen Mengen von Kinderzahnpasten mit nur 500 ppm Fluoridkonzentration keine statistisch sichere Kariesreduktion bewirken konnten. Erst ab der Verwendung von Pasten mit 1000 ppm konnte dieser Zusammenhang nachgewiesen werden [6].
Es gibt sowohl Berechnungen als auch die Erfahrungen aus verschiedenen Ländern, in denen Kinder ihre Zähne ab dem 1. Milchzahn mit Zahnpasten mit 1000 ppm Fluorid oder mehr geputzt bekommen. Diese belegen die toxikologische Unbedenklichkeit dieser Erhöhung. Mit höherer Fluoridaufnahme steigt jedoch das Risiko von Dentalfluorosen. Es muss aber herausgestellt werden, dass es sich bei den in Industrieländern beobachteten Fluorosen zum übergroßen Teil um fragliche bis milde Ausprägungen handelt(s. „Info – Studie zu Dentalfluorosen“). Diese haben keine Relevanz für die allgemeine Gesundheit der Kinder. Im Gegensatz hierzu gehen mit ausgeprägten kariösen Defekten jedoch starke Beeinträchtigungen der körperlichen Gesundheit wie auch der psychischen Befindlichkeit der betroffenen Kinder einher.
Die Prävalenz von Fluorosen in Deutschland ist niedrig und wird in einer regionalen Querschnittsstudie mit 5,6% angegeben [18]. In dieser Studie wurden in einer der untersuchten Kinderkohorten fluoridhaltige Kinderzahnpasten ab dem 1. Milchzahn verwendet, ohne dass eine erhöhte Fluoroseprävalenz oder stärkere Ausprägungsgrade ermittelt wurden. So wurden insbesondere nur sehr wenige Fälle mit maximal moderater Fluoroseausprägung festgestellt.
Neben den geänderten Fluoridkonzentrationen in Kinderzahnpasten betonen die neuen Empfehlungen die Einbettung des Zähneputzens in kariespräventive Gesamtkonzepte. Allein eine Erhöhung des Fluoridgehaltes in Kinderzahnpasten wird bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko nur verhaltene Effekte erzielen können, wenn nicht adäquates Putzen und zahnbewusste Ernährungsweise hinzukommen.
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Maßnahmen für Kleinkinder mit erhöhtem Kariesrisiko
Die geschilderten kariespräventiven Maßnahmen sind für alle Kleinkinder von Bedeutung. Wenn bei der zahnärztlichen Untersuchung aber deutliche Plaqueansammlungen erkannt werden, wenn Initial- oder gar kavitierende Karies gefunden wird, besteht bei dem Kind offenkundig ein erhöhtes Kariesrisiko. Diese Risikoeinschätzung und die darauf abgestimmten Präventionsmaßnahmen sind originäre Aufgaben des zahnärztlichen Teams.
Plaqueanfärbung
Hoher Plaquebefall ist unverändert ein deutlicher Indikator für ein erhöhtes Kariesrisiko [14]. Da die Eltern die Plaquemengen offenkundig nicht realisieren, kann das Anfärben der Plaque hilfreich sein. Das Wegputzen der angefärbten Beläge sollte bei Kleinkindern dann auch in der zahnärztlichen Praxis von den Eltern durchgeführt werden.
In vielen Fällen ist beim Zähneputzen allein der einfache Hinweis mit entsprechender Demonstration, dass die Oberlippe von den Frontzähnen abgehoben werden muss, von erheblichem plaquereduzierendem Potenzial.
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Fluoridlacke
Weitere Maßnahmen zur Kariesprävention bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko liegen in der Anwendung von Fluoridlacken.
Die Anwendung von Fluoridlacken ist in hohem Maße indiziert, wenn bereits klinische Anzeichen von Karies vorliegen.
Hierbei kann es sich um Initialkaries handeln, aber auch das Vorliegen bereits kavitierender Läsionen ist beredter Ausweis eines erhöhten Kariesrisikos. Neben der restaurativen Behandlung der kavitierenden kariösen Defekte ist dann die therapeutische Fluoridierung der Initialläsionen zusammen mit der präventiven Fluoridlackapplikation auf die typischen Kariesprädilektionsstellen dringend indiziert. Auch hierbei ist aber ein kariespräventives Gesamtkonzept mit den erläuterten Elementen der Beratung und Anleitung der Eltern zu optimierten häuslichen Mundhygienegewohnheiten sowie zu Ernährungsmodifikationen erforderlich.
Die in der zahnärztlichen Praxis angewendeten Fluoridlacke führen zu hohen Kariesreduktionsraten [19]. Der kariespräventive Effekt der Lackanwendung liegt im Milchgebiss bei ca. 37% und im bleibenden Gebiss bei 43%. Er ist mit hohem Evidenzgrad untermauert [19].
Fluoridlacke sind einfach zu applizieren. Die Lacke sollten insbesondere bei Kleinkindern in geringer Menge gezielt auf Lokalisationen mit erhöhtem Kariesrisiko aufgetragen werden. In praxi handelt es sich bei den einem erhöhten Kariesrisiko unterlegenen Flächen im Milchgebiss neben den Fissuren der Milchmolaren um deren gemeinsame approximale Kontaktflächen. Initialkariöse Veränderungen werden am ehesten auf den Labial- und Bukkalflächen wahrgenommen.
Im Milchgebiss von Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko wurde eine steigende Karieshemmung mit zunehmender Applikationsfrequenz des Fluoridlackes nachgewiesen [20]. In einer prospektiven Kohortenstudie konnte aufgezeigt werden, dass das regelmäßige Wahrnehmen zahnärztlicher Kontrolltermine, verbunden mit Fluoridlackapplikation, zu einer Kariesreduktion führt [4]. Auch bei Kleinkindern wurden bei Anwendung geringer Mengen eines Lackes mit 22 600 ppm Fluoridgehalt keine unerwünschten Nebeneffekte festgestellt [20]. Grundsätzlich aber soll die Fluoridlackapplikation stets auf zahnärztlicher Indikationsstellung beruhen.
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Zusammenfassung
Da der Kariesrückgang im Milchgebiss nur sehr langsam Fortschritte macht, wurden verschiedene weitere kariespräventive Maßnahmen beschlossen. Kinderärzten wurde die Möglichkeit eingeräumt, schon Kinder im 6. – 7. Lebensmonat zum Zahnarzt zu verweisen. Vor allem aber kann von den Anfang 2019 beschlossenen zusätzlichen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen für Kinder unter 34 Lebensmonaten ein starker kariespräventiver Impuls ausgehen. Es eröffnet sich die Möglichkeit flächendeckender frühzeitiger zahnärztlicher Betreuung, einer individuellen Kariesrisikoabschätzung und darauf abgestimmter Präventionsmaßnahmen. Parallel hierzu bedeutet die in die Wege geleitete Erhöhung des Fluoridgehaltes in Kinderzahnpasten die Chance auf deutliche Kariesreduktionen im Kleinkindalter. Schließlich können von den ebenfalls beschlossenen Fluoridlackapplikationen im Kleinkindalter insbesondere für Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko deutliche karieshemmende Effekte erwartet werden.
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Im Gegensatz zur äußerst erfolgreichen Umsetzung kariespräventiver Maßnahmen im bleibenden Gebiss zeigen die bislang im Milchgebiss angewendeten Maßnahmen und Strategien nur vergleichsweise verhaltene Erfolge der Kariesreduktion.
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Von frühzeitig einsetzenden Präventionsmaßnahmen im Milchgebiss sind deutliche Fortschritte bei der Kariesprävention zu erwarten.
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In Kürze werden vermehrt Eltern mit sehr jungen Kleinkindern in die zahnärztlichen Praxen kommen. Die Kleinkinder sollen vor Vollendung des 1. Lebensjahres zahnärztlich untersucht worden sein.
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Die Mundhygiene beim Kleinkind soll von den Eltern ab dem Durchbruch des 1. Milchzahnes unter Verwendung einer fluoridhaltigen Kinderzahnpasta durchgeführt werden.
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Neben der regelmäßig suffizient durchgeführten Mundhygiene kommt einer zuckerreduzierten Ernährung der Kinder hohe gesundheitsfördernde Bedeutung zu.
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Die Erhöhung des Fluoridgehaltes in Kinderzahnpasten auf 1000 ppm lässt bei weiterhin bestehender Anwendungssicherheit Fortschritte bei der Kariesprävention im Milchgebiss erwarten.
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Größere Plaqueauflagerungen auf den Zähnen, Initial- oder kavitierende Karies sind deutliche Indikatoren für ein erhöhtes Kariesrisiko.
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Fluoridlackapplikationen haben hohes karieshemmendes Potenzial auch im frühen Milchgebiss.
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Der Fluoridlack soll nach entsprechender Indikationsstellung in geringer Menge therapeutisch oder präventiv auf Zahnflächen mit erhöhter Kariesgefährdung aufgetragen werden.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg.
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Ulrich Schiffner
Prof. Dr., Oberarzt des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnheilkunde und Zahnerhaltung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunkte: Kariesepidemiologie, Vorbeugung von Zahn- und Zahnfleischerkrankungen (Prävention) und Kinderzahnheilkunde. Fortbildungsreferent der DGKiZ.
Interessenkonflikt
Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma: nein.
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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Literatur
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