Phlebologie 2020; 49(01): 10-15
DOI: 10.1055/a-0892-8151
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Behandlung von Schultergürtelvenenthrombosen – Besonderheiten bei Leistungssportlern

Article in several languages: English | deutsch
Nadine Weiske
Klinik für Gefäßchirurgie, Agaplesion-Diakonie-Kliniken Kassel, Kassel
,
H. Baumbach
Klinik für Gefäßchirurgie, Agaplesion-Diakonie-Kliniken Kassel, Kassel
,
T. Bürger
Klinik für Gefäßchirurgie, Agaplesion-Diakonie-Kliniken Kassel, Kassel
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Nadine Weiske
Klinik für Gefäßchirurgie
Agaplesion-Diakonie-Kliniken Kassel
Herkulesstraße 34
34119 Kassel
Phone: ++ 49/5 61/10 02 15 10   

Publication History

04 May 2018

18 November 2018

Publication Date:
03 June 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Das Thoracic-inlet-Syndrom (Synonym: Paget-von-Schroetter-Syndrom) ist eine seltene Form des Thoracic-outlet-Syndroms. Der venöse Verschluss ist Folge einer wiederholten Kompression im Bereich der oberen Schulterapertur zwischen erster Rippe, Klavikula, Mm. scaleni et subclavius und Lig. costoclaviculare. Obwohl es insgesamt eine seltene Erkrankung ist, zählt sie dennoch bei jungen, gesunden Sportlern zu den häufigsten Gefäßerkrankungen. Die Behandlung eines Thoracic-inlet-Syndroms (TIS) unterscheidet sich grundsätzlich im Jugendalter nicht. Dennoch gilt es bei Athleten oft zusätzliche Umstände zu berücksichtigen. Durch das frühzeitige Stellen der Diagnose kombiniert mit einer raschen Kombinationstherapie (Thrombolyse, Antikoagulation, chirurgische Dekompression und Rehabilitation) können die meisten Sportler ihr vorbestehendes Leistungsniveau nach einigen Monaten wieder erreichen.

Im Zeitraum von 2013–2016 wurden 184 Patienten wegen eines Kompressionssyndroms der oberen Thoraxapertur stationär behandelt. Wir berichten über die Therapie und den Krankheitsverlauf von 5 Profisportlern mit einem TIS. Ergänzt wird der Beitrag durch eine entsprechende Literaturrecherche.


#

Einleitung

Bei jungen, ansonsten gesunden Patienten mit plötzlich auftretender Armschwellung speziell im Zusammenhang mit Überkopfaktivitäten bzw. nach Heben von Gewichten/Lasten oder bei ansonsten nicht erklärbaren pulmonalen Embolien sollte an das Bestehen einer Armvenenthrombose im Rahmen eines Thoracic-inlet-Syndroms (TIS) gedacht werden [25].

In der klinischen Untersuchung fallen neben der Schwellung eine zyanotische Hautverfärbung und eine vermehrte Venenzeichnung im Oberarm-, Brust- und Schulterbereich auf. Die Symptomatik ist oft dramatisch und mit Schmerzen verbunden [10]. Augenfällig sind die Befunde speziell im Seitenvergleich. Die Diagnose kann als Zustand nach Insektenstich oder auch nach lokalen Medikationen als allergische Reaktion fehlgedeutet werden. Im Einzelfall ist auch eine muskuläre Verspannung oder ein Faserriss auszuschließen.

Das Stellen der Diagnose erfolgt in der Regel mittels einer farbkodierten Ultraschallsonografie. Weitere Schnittbildverfahren (CT, MRT) können die Diagnostik ergänzen [7]. Eine Armphlebografie ist die Basis für eine Katheter-gestützte Lysetherapie ([Abb. 1a, b]) [10].

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Abb. 1a Phlebografie mit stattgehabter Katheter-Revaskularisation und b Nachweis einer beidseitigen Kompression bei Abduktion/Elevation in aufrechter Position.

Nach Sicherung der Diagnose bestehen grundsätzlich 5 Behandlungsoptionen:

  1. rein konservativ mittels Antikoagulation und Kompressionstherapie,

  2. lokale Thrombolyse mit folgender Antikoagulation und Kompressionstherapie,

  3. lokale Thrombolyse mit folgender operativer Dekompression der oberen Thoraxapertur,

  4. operative Dekompression der oberen Thoraxapertur mit folgender Antikoagulation und Kompressionstherapie oder

  5. operative Dekompression der oberen Thoraxapertur und sekundär Rekanalisation der Venenthrombose.

Bei einem an die Behandlung von tiefen Bein-Beckenvenenthrombosen angelehntes rein konservatives Vorgehen [8] ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um ausschließlich junge und ansonsten gesunde Patienten handelt. Das Risiko einer potenziellen Lyse-bedingten Komplikation ist dadurch im Vergleich zu anderen Indikationsstellungen extrem gering. Bei Nachweis eines Kompressionssyndroms stellt die Entlastung der extern komprimierenden Strukturen die einzige dauerhafte Therapie ohne Notwendigkeit einschneidender Veränderungen im bisherigen Lebensalltag dar. Eine anhaltende Antikoagulation in jeglicher Dosierung ist bei allen Kontaktsportarten oder bei Athleten mit einem potenziellen Verletzungsrisiko kontraindiziert oder zumindest kritisch zu beurteilen. Speziell bei Profisportlern sind hier auch versicherungsrechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen.

Bei einem Leistungssportler ist die Thromboseursache für ein TIS hauptsächlich auf eine wiederholte mechanische Kompression der Vene zwischen Klavikula und erster Rippe zurückzuführen. Eine häufige sekundäre Ursache ist, neben muskulärem Aufbautraining und damit auch gleichzeitig verbundener anatomischer Druckbelastung im Bereich des kostoklavikulären Raums, auch die repetitive chronische Belastung mit der einhergehenden Verletzungsgefahr und Ausbildung einer progressiven Fibrose [20]. Insbesondere bei abduzierenden, hebenden oder anstrengenden Armbewegungen kommt es deshalb bei Sportlern vermehrt nach einer Belastung zum Ausbruch der Erkrankung. Das Durchschnittsalter liegt meistens zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr. Es betrifft das männliche Geschlecht annähernd doppelt so oft [10]. Die Beschwerdesymptomatik kann lagerungsabhängig auftreten oder je nach Ausprägung persistieren. Bei einer Chronifizierung zeigt sich im weiteren Verlauf das Bild eines Kollateralkreislaufs im Bereich der Thoraxwand ([Abb. 2]). Begleitend können auch Lungenembolien (Häufigkeit bis 20 %) mit Dyspnoe und Schwindel auftreten [5].

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Abb. 2 Typisches klinisches Bild eines ausgeprägten Kollateralkreislaufs in Funktionsstellung.

Als Sonderform kann bei einigen Patienten eine typische Schwellungssymptomatik ohne thrombotischen Verschluss in variablen Armpositionen durch eine externe Kompression auftreten. Dabei handelt es sich um das nach dem Erstbeschreiber (1951) benannte McCleery-Syndrom [17].


#

Methoden

Der Artikel beruht auf einem Beitrag, der auf der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in Stuttgart (2017) vorgetragen wurde.

Auf der Basis einer Pubmed-Recherche von Januar 1980 bis 31. Mai 2018 erfolgte eine gezielte Literaturanalyse. Suchbegriffe (Medical subject headings, MesSH) waren die Schlagwörter Paget-Schroetter-syndrome, par-effort-thrombosis, thoracic-inlet-syndrome, und vascular thoracic-outlet-syndrome. Darüber hinaus wurde angezeigte Artikel mit ähnlichem Inhalt einbezogen (similar articles). Es wurden insgesamt 2086 Treffer erreicht. Die Ergebnisse wurden inhaltlich analysiert und infolge mittels der Booleschen Operatoren „and“ und „or“ in einer erweiterten Suchstrategie eingeschränkt. Die verbliebenen Literaturangaben wurden auf ihren Stellenwert zur Thematik überprüft. Zusätzlich erfolgte ein weiteres Eingrenzen durch das Benutzen der Filter „randomized control trial“ und „clinical queries“. Berücksichtigt wurden ausschließlich Publikationen, die in englischer oder deutscher Sprache verfasst wurden bzw. wenn zumindest ein aussagekräftiger Abstract vorlag. Aus den hier erhobenen Daten und Ergebnissen resultierte ein Abgleich mit den eigenen Erfahrungen.


#

Ergebnisse

Randomisierte Studien, die ausschließlich eine primäre (ideopathische) Venenthrombose der oberen Extremitäten vergleichen, wurden nicht gefunden. Die Recherchen hierzu ergaben nur Aussagen, die auf einer sehr heterogenen Genese von Thrombosen der oberen Extremitäten überwiegend bedingt durch Einlage von Kathetermaterialien oder in Zusammenhang mit malignen Grunderkrankungen standen. Nach weiterem Ausschluss von Publikationen, bei denen eine neurogene oder arterielle Manifestation des TOS im klinischen Vordergrund standen, verblieben zum TIS lediglich Fallbeschreibungen und Analysen kleinerer Fallzahlen übrig. Die hierzu größte Veröffentlichung beurteilte den 10-Jahres-Verlauf von 32 Patienten [24]. Bei weiterem Einschränken der Suchstrategie auf tiefe obere Venenthrombosen bei Athleten fanden sich 51 Publikationen. Spezielle zitierbare Veröffentlichungen eines TIS bei Leistungssportlern fanden wir nur in weiteren 11 Fällen [3] [4] [6] [9] [11] [14] [18] [19] [23] [26]. Randomisierte kontrollierte Studien existieren zur gesamten Thematik nicht.

Melby et al. [24] analysierten aus eigenem Patientengut (1997–2007) von 276 TOS-Patienten die Ergebnisse von 29 männlichen und 3 weiblichen Athleten mit einer Par-effort-Thrombose der oberen Extremitäten. Dabei war der rechte Arm in 26 Fällen (81 %) betroffen. 7 Patienten waren Profisportler. Das zeitliche Intervall zwischen bemerkter Erstsymptomatik und der Sicherung der angiografisch gesicherten Diagnose einer Venenthrombose betrug 20,2 ± 5,6 Tage (median 4,5 Tage, range 1–120 Tage). Eine primäre sonografische Diagnostik erfolgte bei 21 Patienten (66 %). Sie wurde allerdings bei 6 Patienten falsch negativ befundet (Sensitivität 71 %). 26 Patienten (81 %) wurden zuvor extern einer lokalen Katheterlyse zugeführt. 12 Patienten (46 %) aus dieser Gruppe erhielten zusätzlich eine Ballonangioplastie. Einer dieser Patienten wurde zusätzlich mit einem Stent versorgt. In jedem Fall schloss sich überlappend eine therapeutische Antikoagulation an. Weitere 6 Patienten (19 %) wurden im eigenen Haus primär diagnostiziert und therapiert. Allen Patienten wurde dabei eine sekundäre operative Dekompression der oberen Thoraxapertur unabhängig von der bereits verstrichenen Zeitspanne, möglichst innerhalb von 3 Wochen, angeboten. Bei 12 Kranken aus dem Gesamtpatientengut erfolgte in der erstbehandelnden Einrichtung zunächst keine OP-Empfehlung. Wegen persistierender Beschwerdesymptomatik (5 Re-Thrombosen trotz Antikoagulation) wurden diese Patienten dann, dennoch nun mit erheblicher zeitlicher Verzögerung (163,3 ± 29,2 Tage), letztendlich zuverlegt und einer operativen Entlastung zugeführt. Alle Patienten wurden von einem Chirurgen unter Verfolgen derselben operativen Strategie (Kombination supraklavikulärer und infraklavikulärer Zugang) mit vollständigen Skalenotomien, Plexusneurolyse und Entfernen der 1. Rippe therapiert. In jedem Fall wurde eine vollständige Venolyse durchgeführt. Bei 14 Patienten (44 %) mit verbleibender venöser Stenose oder einem operablen Verschluss schloss sich eine Patchplastik oder ein Saphena-Interponat (mit peripherer av-Fistel) an. Der zuvor eingebrachte Stent war gebrochen. Im weiteren Verlauf benötigten 7 Patienten frühe Revisionseingriffe. Dabei handelte es sich um 3 Verschlüsse der venösen Interponate, 2 auszuräumende Hämatome, 1 zu drainierender Hämatothorax und eine Lymphfistel. Alle 32 Patienten konnten zu ihrer sportlichen Aktivität zurückfinden. Bei der Behandlung der Patienten mit stattgehabter verzögerter und komplizierter (Re-Thrombose-) Versorgung verlängerte sich im Vergleich, bei letztendlich gleichem klinischem Outcome, die stationäre Behandlungsdauer signifikant.

In den weiter aufgeführten Publikationen berichteten die Autoren ausgehend meist von einer eigenen Kasuistik in Kombination mit einer Literaturrecherche über die klinische Symptomatik und Therapie des Krankheitsbildes. Resultierend wurde in der jüngeren Literatur eine aggressive, invasive Therapie mit daraus resultierenden sehr guten Ergebnissen empfohlen [4] [11] [19] [23] [26].

Im eigenen Krankengut der Jahre 2013–2016 wurden 184 Patienten mit einem Kompressionssyndrom der oberen Thoraxapertur stationär behandelt. Davon wurden 88 Patienten operiert. 52 Patienten wiesen ein vaskuläres TOS auf, 12 Patienten wurden wegen eines rein venösen TIS versorgt. In dieser speziellen Patientengruppe befanden sich 5 aktive Profisportler (2 Surfer, 1 Fußballer, 1 Kanute und 1 Handballer). Alle Patienten waren männlichen Geschlechts ([Tab. 1]).

Tab. 1

Patientencharakteristik, Diagnose, Therapie und Ergebnis.

Patient

Geschlecht

Alter

Sportart

Seite

Zeit bis zur Aufnahme

stattgehabte pulmonale Embolie

Thrombolyse/Angioplastie

transaxilläre Dekompression

Komplikation

Dauer der stationären Behandlung

Wiederaufnahme Leistungssport

N. S.

m

28

Fußball

links

3,5 Monate

ja

+/+

+

11 Tage

5 Monate

M. H.

m

28

Handball

links

1 Monat

nein

+/+

+

8 Tage

5,5 Monate

J. H.

m

24

Surfer

links

1 Jahr

ja

±

+

26 Tage

6 Monate

M. S.

m

35

Surfer

links

1 Woche

ja

±

+

10 Tage

4,5 Monate

J. L.

m

25

Kanute

rechts

2 Monate

nein

±

+

12 Tage

5,3 Monate

Wir orientierten uns an folgendem modifiziertem Therapieschema [5] [13] [22].

Nach der initial durchgeführten Diagnostik erhielten unsere Athleten eine Katheterlyse mit Urokinase über maximal 36 h. Zunächst erfolgte die Bolusgabe von 100 000 IE, welche dann mit 100 000 IE/h über einen Perfusor bei simultaner Gabe von unfraktioniertem Heparin (meist beginnend mit 1000 IE/h) fortgesetzt wurde. Die Anpassung des Heparins erfolgte adaptiert nach entsprechenden Kontrollen des Gerinnungsstatus. Bei insgesamt 2 Patienten wurde initial nur eine partielle Rekanalisation mit einer verbliebenen Reststenose erzielt. Hier schloss sich ergänzend eine Ballonangioplastie an. Die Dekompressionsoperation folgte individuell abgestimmt in einem Zeitraum von wenigen Tagen bis zu 6 Wochen ([Abb. 3]). Wir empfehlen neben der dabei notwendigen operativnotwendigen Vaso- und Neurolyse zum Vermeiden von Residuen und Rezidiven ein vollständiges Entfernen der Hals- bzw. 1. Rippe ([Abb. 4]). Bis zur endgültigen operativen Versorgung durch eine transaxilläre Rippenresektion wurden die Patienten therapeutisch mit einem NOAK antikoaguliert und mit einem Arm-Immobilizer/Gilchrist-Verband zur Vermeidung plötzlicher Bewegung versorgt. Die Nachbehandlung wird bei diesem Krankheitsbild unsererseits stets der Situation angepasst. Unmittelbar nach der Dekompression erfolgte zunächst eine 2–3 tägige Schmerztherapie mittels einer PCA-Pumpe, dann individuell abgestimmt die Oralisierung durch die Gabe von Gabapentin, Diclofenac und/oder Novalgin. Ein eingeschränktes, persönlich zugeschnittenes Training, beispielsweise auf dem Laufband, und Rehabilitationsmaßnahmen waren möglich. Eine weitere Antikoagulation in Anlehnung an die Literatur für 6–12 Wochen [8] schloss sich an. Die Wiederaufnahme des uneingeschränkten Trainings bzw. eine Eingliederung in das Mannschaftstraining fanden im Zeitraum zwischen 4–6 Monaten post operationem statt ([Abb. 5]). Komplikationen oder Re-Thrombosen zeigten sich in unserem Krankengut bisher nicht.

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Abb. 3 Transaxillärer Zugang mit Darstellen der Anatomie. Der senkrechte Pfeil weist auf den M. subclavius und der waagerechte Pfeil auf den bereits durchtrennten M. scalenus anterior hin.
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Abb. 4 Resektat 1. Rippe. Hierdurch werden alle potenziell komprimierenden Muskeln und Bänderzüge in ihrer anatomischen Variabilität mit Ausnahme des M. pectoralis minor entfernt.
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Abb. 5 Individuelle Kontrolle und Beratung der Rekonvaleszenz, hier beispielhaft per WhatsApp.

Ein Vergleich unserer Ergebnisse mit den aus der Literatur vorliegenden Daten ist schwierig und unserer Ansicht nach nicht gerechtfertigt. Ursächlich hierfür ist, dass sowohl der Zeitpunkt als auch das Spektrum der stattgehabten Therapien zum notwendigen Vergleich extrem breit gefächert waren. Wir indizierten in diesem Krankengut keine konventionell-offene venöse Gefäßrekonstruktion.


#

Diskussion

Eine tiefe Schultergürtelvenenthrombose gilt besonders bei Leistungssportlern als eine schwere gesundheitliche und sportliche Beeinträchtigung. Neben den üblichen Risikofaktoren (Virchow-Trias) sind auch anlagebedingte Engen durch Bänder, Muskelzüge und Halsrippen meist kombiniert mit einem zusätzlichen Auslöser (Haltung, Unfall, Muskel) oder Anabolikaeinnahmen zu berücksichtigen. In der Literatur wird auch auf eine bei Athleten stark vermehrte Reisetätigkeit zu den Wettkämpfen als auch wiederholte lokale Gefäßtraumen mit besonderer Gewalt- und Krafteinwirkung hingewiesen.

Ziel der Behandlung sollte sein, eine rasche Besserung der Beschwerdesymptomatik zu erzielen, das bestehende pulmonale Embolie-Risiko (zwischen 20 und 30 %) zu senken und eine Rezidiv-Thrombose zu vermeiden [1] [10] [15]. Da es sich bei diesem Patientengut um junge, aktive Sportler handelt, wird ein rein konservatives Vorgehen mit Antikoagulation und Kompression in den meisten Fällen nicht präferiert. Da die Patienten bei dieser Therapieform aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos (Kontaktsportarten) auf ihre gewohnten sportlichen Tätigkeiten verzichten müssen, lange Ausfallzeiten kompensieren müssen und eine Rückkehr in ihr aktives Leben stark eingeschränkt wird, empfiehlt man hier ein aktiveres Therapiekonzept. Hierzu zählt in erster Linie eine schnelle Diagnostik mit anschließender Phlebografie und Katheter-gesteuerter Thrombolyse in Kombination mit einer folgenden dekomprimierenden Operation. Die Mehrzahl der Patienten, welche innerhalb der ersten 2 Wochen eine erfolgreiche lokale Lysetherapie mit anschließender operativer Versorgung erhielten, zeigten in der Literatur und im eigenen Krankengut etwas bessere Langzeitergebnisse [10] [25]. Dennoch wird der genaue Zeitpunkt einer operativen Versorgung uneinheitlich beurteilt [5] [10] [12]. Eine alleinige Lysetherapie ohne nachfolgende Operation birgt ein Restthromboserisiko von 30–70 %. Auch der Einsatz von Stents sollte vermieden werden. Der Zeitpunkt einer anschließenden operativen Versorgung schwankt zwischen sofort und einem Intervall von bis zu 3 Monaten. Die operative Dekompression besteht meist in einer transaxillären Exartikulation der ersten Rippe nach Atkins [5] mit und ohne venöser Rekonstruktion.

Eine alleinige erfolgreiche Katheterlyse mit folgender Antikoagulation ohne operative Dekompression birgt mit knapp 25 % ein hohes Rezidivrisiko [16] [25].

Exzellente Langzeitergebnisse wurden in spezialisierten Zentren nach der Kombinationsbehandlung mit Thrombolyse und operativer Dekompression erzielt. Die 5-Jahres-Offenheitsraten betragen zwischen 80 und 90 % [13]. Mitentscheidend für das zu erwartende gute Ergebnis ist neben der schnellen Diagnostik das prompte Überstellen des Kranken an ein Spezialistenteam mit entsprechender Erfahrung. Je länger der bestehende Verschluss besteht, desto komplizierter sind die Erfolgsaussichten auch bei einer ausgewiesenen Expertise.

Der Konsensus-basierte Standard der Experten zur Behandlung eines TIS beinhaltet eine schnelle Thrombolyse, eine Antikoagulation und eine chirurgische Dekompression [2] [13] [20] [21]. In dieser Kombination ist es die einzige kausale Therapie dieses Krankheitsbildes.

Besonders wichtig ist zur Einschätzung der Behandlungsqualität das Verwenden eines auch bei uns etablierten Nachsorge- und Nachuntersuchungsprotokolls [10].

In der Zusammenfassung ermöglicht eine schnelle und zielgerichtete Diagnostik und interdisziplinäre in einer mit dem Krankheitsbild vertrauten Einrichtung die erfolgreiche Behandlung dieser Patienten.


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Fig. 1a Venography with catheter-directed revascularisation and b evidence of bilateral compression on abduction/elevation in an upright position.
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Fig. 2 Typical clinical picture of a marked collateral circulation in a functional position.
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Fig. 3 Transaxillary access showing the anatomy. The vertical arrow points to the subclavius and the horizontal arrow indicates the anterior scalene muscle that has already been divided.
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Fig. 4 Resection of the 1st rib. All anatomical muscle and ligament variants that could potentially compress the vessels are removed, with the exception of the pectoralis minor muscle.
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Fig. 5 Individual follow-up and advice on convalescence, for example, by WhatsApp.
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Abb. 1a Phlebografie mit stattgehabter Katheter-Revaskularisation und b Nachweis einer beidseitigen Kompression bei Abduktion/Elevation in aufrechter Position.
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Abb. 2 Typisches klinisches Bild eines ausgeprägten Kollateralkreislaufs in Funktionsstellung.
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Abb. 3 Transaxillärer Zugang mit Darstellen der Anatomie. Der senkrechte Pfeil weist auf den M. subclavius und der waagerechte Pfeil auf den bereits durchtrennten M. scalenus anterior hin.
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Abb. 4 Resektat 1. Rippe. Hierdurch werden alle potenziell komprimierenden Muskeln und Bänderzüge in ihrer anatomischen Variabilität mit Ausnahme des M. pectoralis minor entfernt.
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Abb. 5 Individuelle Kontrolle und Beratung der Rekonvaleszenz, hier beispielhaft per WhatsApp.