Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(03): 153-154
DOI: 10.1055/a-0894-7284
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinder- und Jugendmedizin

Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter
Oskar Jenni Prof. Dr. med.
1   Zürich
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Publication Date:
18 June 2019 (online)

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Schlafprobleme bei Kindern gehören zu den häufigsten Verhaltensstörungen überhaupt. In 2 % aller Notfallkonsultationen steht eine kindliche Schlafstörung im Vordergrund und jede 5. kinderärztliche Vorsorgeuntersuchung dreht sich um das Thema Schlaf. Außerdem treten Schlafstörungen besonders häufig bei Kindern mit Entwicklungsstörungen oder neurologischen Krankheiten auf. Deshalb danke ich den Herausgebern der Zeitschrift Kinder- und Jugendmedizin für die Gelegenheit, Ihnen als Leserinnen und Leser dieser Zeitschrift, den aktuellen Wissensstand über den kindlichen Schlaf präsentieren zu dürfen. Tatsächlich zeigen sich große Fortschritte in der Forschung und klinischen Versorgung rund um den kindlichen Schlaf und darum kommt dieses Themenschwerpunktheft genau zum richtigen Zeitpunkt.

Caroline Benz zeigt in ihrem Artikel sehr schön auf, wie Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter schrittweise behandelt werden können. Sie erläutert auf der Basis eines physiologischen Modells, dass das Anpassen der Bettzeit an den individuellen Schlafbedarf eines Kindes und das Einführen eines regelmäßigen Rhythmus wichtige Voraussetzungen sind, um eine kindliche Schlafstörung wirksam zu behandeln. Außerdem müssen die Eltern angeleitet werden, wie sie das Kind im Lernprozess unterstützen können, selbständig einzuschlafen. Das 3-Stufen-Konzept der Züricher Schlafsprechstunde wird seit vielen Jahren angewendet und wurde in einer Studie kürzlich untersucht [1].

Joelle Albrecht und Reto Huber beschreiben in ihrem Beitrag, welchen Zusammenhang es zwischen Schlaf, Hirnentwicklung und Lernen gibt. Sie erklären die beiden wohl wichtigsten Hypothesen rund um dieses Thema, nämlich die Reaktivierungshypothese und die synaptische Homöostasehypothese. Beide Theorien bestätigen, dass Schlaf und Lernen eng miteinander verknüpft sind. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass Kinder mit Schlafstörungen eine kompetente fachärztliche Diagnostik und Behandlung erhalten.

Alexander Möller zeichnet ein umfassendes Bild der Atemstörungen im Schlaf, deren Ätiologie, Risikofaktoren, klinisches Erscheinungsbild und die dazu notwendige Diagnostik und Therapie. Gerade weil Kinder so lange schlafen, treten Atemstörungen in der Nacht häufig auf und der Praktiker muss darüber gut informiert sein. Tatsächlich zeigen neuere Untersuchungen, dass chronische Schlafatemstörungen schwerwiegende Auswirkungen auf Entwicklung und Verhalten von Kindern haben können.

Bernhard Schmitt beschreibt in seinem Artikel den aktuellen Stand des Wissens rund um das Thema Schlaf und Epilepsie. Er erwähnt dabei, dass der Schlaf und die Epilepsie in einem sehr engen Zusammenhang stehen. Für den pädiatrischen Praktiker ist es dabei besonders wichtig, dass er epileptische Anfälle von nicht epileptischen Parasomnien wie beispielsweise dem Pavor nocturnus unterscheiden kann. Der Artikel von Bernhard Schmitt bietet dazu eine Hilfestellung. Mit dem Studium dieses Artikels sind wir hinsichtlich dem Thema Schlaf und Epilepsie wieder auf dem neuesten Stand.

Im Artikel von Silvano Vella wird ein Krankheitsbild beschrieben, das wahrscheinlich häufiger ist als angenommen und möglicherweise von vielen von uns verpasst wird. Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist eine vor allem bei Erwachsenen bekannte Störung, die sich mit einem unwiderstehlichen Zwang, seine Extremitäten bewegen zu müssen, äußert. Die Diagnose dieses Syndroms im Kindesalter ist eine große Herausforderung, da sie besonders auf anamnestischen und damit subjektiv geprägten Aussagen von Kindern beruht. In den letzten Jahren wurden verschiedene Therapieoptionen entwickelt, die das Leiden dieser Kinder und Jugendlichen wesentlich vermindern können. Aus diesem Grund ist ausreichendes Wissen über RLS auch für den Grundversorger außerordentlich wichtig.

Annette Hackenberg beschreibt in ihrem Artikel die zentralen Hypersomnien. Auch wenn die Narkolepsie eher selten auftritt, ist sie für die betroffenen Kinder und Jugendlichen umso mehr eine schwerwiegende Erkrankung. Eine frühe Diagnosestellung und Therapie sind darum entscheidend, damit die Lebensqualität dieser Kinder verbessert werden kann und die Integration in die Gesellschaft gelingt. Der Artikel thematisiert auch Differenzialdiagnosen der Tagesmüdigkeit und ist darum für die klinische Praxis sehr wertvoll, denn müde Kinder melden sich sehr oft beim Grundversorger und erwarten eine kompetente Betreuung.

Ich hoffe, mit den Beiträgen in diesem Heft eine interessante Auswahl zum Thema des kindlichen Schlafs getroffen zu haben. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre dieses Themenschwerpunktheftes und möglichst viele neue Erkenntnisse für Ihren Alltag.

 
  • Literatur

  • 1 Werner H, Hunkeler P, Benz C. et al. The Zurich 3-step concept for the management of behavioral sleep disorders in children: a before-and-after study.. J Clin Sleep Med 2015; 11: 241-249