CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(09): 969-975
DOI: 10.1055/a-0903-2638
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prävention intraoperativer Hypothermie in der Laparoskopie durch die Anwendung von körperwarmem und humidifiziertem CO2: eine Pilotstudie

Article in several languages: English | deutsch
Julia Wittenborn
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
,
Annika Clausen
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
,
Felix Zeppernick
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
2   Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany
,
Elmar Stickeler
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
,
Ivo Meinhold-Heerlein
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Uniklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
2   Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. med. Julia Wittenborn
Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin
Uniklinik RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Germany   

 

Prof. Dr. Ivo Meinhold-Heerlein
Zentrum für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Justus-Liebig-Universität Gießen
Klinikstraße 33
35392 Gießen
Germany   

Publication History

received 18 September 2018
revised 28 March 2019

accepted 30 April 2019

Publication Date:
11 September 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung Hypothermie wird definiert als ein Absinken der Körperkerntemperatur auf unter 36 °C. Wenn intraoperativ auf den Einsatz wärmeerhaltender Maßnahmen verzichtet wird, sinkt die Temperatur eines Patienten um 1 – 2 °C. Bereits milde Formen intraoperativer Hypothermie können zu einer deutlichen Erhöhung der Morbidität und Mortalität führen. Bei der Behandlung und Prävention von Hypothermie wird die Temperatur des Insufflationsgases meist außer Acht gelassen. Diese Studie wurde durchgeführt, um die Auswirkung von körperwarmem und humidifiziertem CO2 auf den intraoperativen Temperaturverlauf und die Vermeidung einer Hypothermie bei laparoskopischen Operationen zu untersuchen.

Material und Methoden Im Rahmen der retrospektiven nicht randomisierten Fallkontrollstudie wurden mittels eines Algorithmus aus 376 Patientinnen 110 Patientinnen identifiziert, die eine geplante Operationsdauer von mindestens 60 Minuten aufwiesen. Bei 51 Patientinnen wurde trockenes (20% Luftfeuchte) und raumwarmes CO2 insuffliert (Kontrollgruppe). Bei 59 Patientinnen wurde humidifiziertes (98% Luftfeuchte) und gleichzeitig körperwarmes (37 °C) CO2 insuffliert (Versuchsgruppe). Diese Bedingungen wurden mit dem HumiGard MR860 Surgical Humidifaction System (Fisher & Paykel Healthcare Limited, Auckland, New Zealand) erreicht. Der intraoperative Temperaturverlauf wurde durch Messungen alle 10 Minuten evaluiert. Die statistische Analyse erfolgte mit IBM® SPSS® Statistics 23.0.0.

Ergebnisse Die Temperatur in der Kontrollgruppe sank intraoperativ stetig, während in der Versuchsgruppe ein kontinuierlicher Temperaturanstieg beobachtet werden konnte. Für die Start-End-Differenz der Temperatur konnte in der Versuchsgruppe eine Erwärmung um 0,09 °C gezeigt werden, die sich signifikant von der Kontrollgruppe mit − 0,09 °C (p = 0,011) unterschied. Die Mittel-End-Differenz ergab mit 0,11 °C eine noch höhere Signifikanz zugunsten des erwärmten Gases (p = 0,003). Die Rate der Hypothermien zu Beginn der Operation sank bei der Versuchsgruppe von 50 auf 36%; sie stieg bei der Kontrollgruppe von 36 auf 42% an.

Schlussfolgerung Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung von körperwarmem und humidifiziertem Insufflationsgas bei der Laparoskopie zur Prävention introperativer Hypothermien beitragen kann.


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Einleitung

Die intraoperative Hypothermie wird definiert als ein Absinken der Körperkerntemperatur auf unter 36 °C. Ohne den Einsatz wärmeerhaltender Maßnahmen sinkt durch das Ausschalten der körpereigenen Thermoregulation die Temperatur der allermeisten Patientinnen während einer Operation um 1 – 2 °C [1]. Durch die Wirkung der Allgemeinanästhesie ist der Körper nicht mehr in der Lage, durch Zittern oder Vasokonstriktion der Temperaturabsenkung entgegenzuwirken [1]. Hinzu kommen die häufig niedrige Raumtemperatur und das Auskühlen über die Wundflächen. Die Hautinzisionen sind bei der Laparoskopie zwar deutlich kleiner also bei offenen chirurgischen Eingriffen, doch kommt die gesamte innere abdominelle Körperoberfläche mit dem eingeleiteten, kalten und trockenen Insufflationsgas (CO2) in Berührung. Der Temperaturabfall bei laparoskopischen Operationen unterscheidet sich daher nicht wesentlich von offenen Operationen [2], [3]. Bereits milde Formen intraoperativer Hypothermie können zu einer deutlichen Erhöhung der Morbidität und Mortalität führen. Die negativen Folgen von intraoperativer Hypothermie sind gut untersucht und beinhalten unter anderem: Störung der Blutgerinnung mit erhöhtem Blutverlust und einer erhöhten Rate an Transfusionen, myokardiale Dysfunktionen, Arrhythmien und Hypokaliämien. Es kommt zudem gehäuft zu einer verzögerten Wundheilung und Wundinfektionen und dadurch bedingt zu einer verlängerten Krankenhausverweildauer [4], [5], [6].

In der laparoskopischen Chirurgie wird üblicherweise zur Insufflation des Pneumoperitoneums raumwarmes CO2 verwendet, das im Verhältnis zur Körpertemperatur relativ kalt und trocken ist. Dieser Faktor wird bei der Entstehung intraoperativer Hypothermie häufig vernachlässigt. Hinweise aus Studien, die mit Schweinen durchgeführt wurden, zeigen jedoch, dass durch die Verwendung von angewärmtem und befeuchteten Infufflationsgas das Risiko einer Hypothermie gesenkt werden kann [7], [8], [9], [10]. Die Fragestellung hat im Bereich der Gynäkologie besondere Relevanz, da vor allem Frauen zu intraoperativer Hypothermie neigen [11].

Ziel der retrospektiv konzipierten Fallkontrollstudie war es, die Auswirkung von körperwarmem und humidifiziertem CO2 auf den intraoperativen Temperaturverlauf zu untersuchen, um die mögliche Prävention einer Hypothermie aufzuzeigen.


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Material und Methoden

Die retrospektive, nicht randomisierte Fallkontrollstudie wurde in der Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin der Uniklinik RWTH Aachen durchgeführt. Die Zuweisung zur Versuchs- oder Kontrollgruppe erfolgte anhand der unabhängigen Variable „Verwendung von HumiGard®“. Der Versuchsgruppe waren dabei alle Patienten zugeordnet, bei deren Laparoskopie HumiGard® verwendet worden war. Bei Patienten der Kontrollgruppe war dieses System nicht zum Einsatz gekommen.

Patientinnenkollektiv

In die Studie wurden Patienten aufgenommen, die sich vor dem 01.05.2011 und ab dem 12.07.2013 einer operativen Laparoskopie unterzogen hatten, da für den dazwischen liegenden Zeitraum die etwaige Anwendung von HumiGard® anhand der Dokumentation nicht nachzuvollziehen war.

Für die Kontrollgruppe wurden Patientinnen ausgewählt, die nach dem 04.01.2009, aber vor der ersten Anwendung des HumiGard-Systems (01.05.2011) in der Uniklinik RWTH Aachen operiert wurden.

Für die Versuchsgruppe wurden die Patientinnen ausgewählt, bei denen ab 12.07.2013 die Anwendung von HumiGard® dokumentiert war.

Weiteres Einschlusskriterium war die dokumentierte Anwendung des Warmluftgebläses 3M Bair Hugger Warming Unit (3M, Neuss, Deutschland), das zum standardisierten Wärmemanagement der Uniklinik RWTH Aachen gehörte.

Ausschlusskriterien waren sekundäre Laparotomien, wiederholte Laparoskopien derselben Patientin, eine geplante OP-Dauer unter 60 Minuten, mangelnde Dokumentation der intraoperativen Temperatur, zusätzliche Wärmemaßnahmen in Form einer Wärmematte, von gewärmten Infusionen oder einer Kombination beider Parameter.

In der Kontrollgruppe wurde das Pneumoperitoneum unter Verwendung von kaltem (Raumtemperatur) und trockenem (bis 20% Luftfeuchte) CO2 aufgebaut und aufrechterhalten. In der Versuchsgruppe wurde warmes (35 ± 2 °C) und befeuchtetes (98 ± 2% Luftfeuchte) CO2 verwendet. Diese Werte wurden mit dem HumiGard MR860 Surgical Humidifaction System® (Fisher & Paykel Healthcare Limited, Auckland, Neuseeland) erreicht.

Temperaturmessungen wurden intraoperativ alle 10 Minuten intraösophageal durchgeführt. Als Starttemperatur wurde die erste Temperaturmessung nach der Hautinzision definiert. Die Endtemperatur war die letzte Messung vor dem Ablassen des Pneumoperitoneums und dem Wundverschluss.

110 Patientinnen konnten eingeschlossen werden, von denen 59 der Versuchsgruppe und 51 der Kontrollgruppe angehörten. Bei den Fällen der Kontrollgruppe wurden außer einem Warmluftgebläse keine weiteren wärmenden Maßnahmen angewendet. Es lag zudem eine vollständige Dokumentation der intraoperativen Temperatur vor. Aufgrund des statistischen Fallkontrollabgleichs wurden später nur solche Fälle in der Analyse verwendet, für die im Patientinnenkollektiv ein statistischer Zwilling gefunden werden konnte (n = 33 pro Gruppe) ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Ein- und Ausschlusskriterien. Für die 110 eingeschlossenen Fälle konnten 33 statistische Zwillingspaare evaluiert werden, sodass 66 Patientinnen für die statistischen Analysen herangezogen wurden.

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Statistische Analyse

Um Störfaktoren bei der statistischen Analyse auszuschalten, wurde ein Gruppenabgleich zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe durchgeführt. Beim Fallkontrollabgleich wiesen lediglich die folgenden 2 der untersuchten Kriterien einen Spearman-Korrelationskoeffizienten von > 0,15 mit der zentralen Zielvariablen „Start-End-Differenz der Temperatur“ auf und wurden daher als Matching-Kriterien verwendet: „Operationsdauer“ und „Raucherstatus (ja/nein)“. Das Matching erfolgte durch das Programm IBM® SPSS® Statistics 23.0.0. Der Toleranzbereich der Operationsdauer wurde auf 5 Minuten festgelegt, in denen sich die beiden Fälle unterscheiden durften. Patienten, denen kein statistischer Zwilling aus der jeweils anderen Gruppe zugewiesen werden konnte, wurden aus dem Datenkollektiv ausgeschlossen. Damit wurde für die Steigerung der internen Validität eine Reduktion der Fallzahl von 110 auf 66 in Kauf genommen.

Im Zuge der induktiven Analysen wurden die Temperaturdaten auf ihre statistische Signifikanz hin untersucht. Durch den Fallkontrollabgleich entstanden 2 voneinander abhängige Stichproben, sodass die Differenzen der Zielvariablen zwischen den jeweiligen Zwillingspaaren auf eine Normalverteilung hin geprüft wurden. War diese gegeben, konnte ein parametrisches Verfahren zur Anwendung kommen (verbundener T-Test). Bei nicht normalverteilten Differenzen der Zielvariablen zwischen den Matching-Partnern wurde entsprechend der Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test verwendet. Folgende Kenndaten wurden als Zielvariablen zwischen den beiden Gruppen verglichen: Alter zum Operationszeitpunkt, Dauer der Anästhesie, Anzahl an Voroperationen, ASA-Klassifikation, Diabetes (ja/nein), Hauptdiagnose, intraoperativ erhaltene Infusionen, Operationstechnik der Hysterektomie, Raucher (ja/nein), tief infiltrierende Endometriose (ja/nein) und die Vorbereitungszeit bis zur Operation.

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Abb. 2 Temperaturverlauf von Kontroll- und Versuchsgruppe. Gezeigt sind die Temperaturkurven anhand der 3 Zeitpunkte Start, Mitte und Ende der Operation. Die Messung erfolgte intraösophageal.

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Ergebnisse

Demografische Übersicht

Insgesamt wurden 66 Patientinnen in die Analysen integriert. Aufgrund des Fallkontrollabgleichs waren diese gleichmäßig auf beide Kollektive verteilt, sodass sich in den Gruppen eine Fallzahl von je 33 ergab. Bei den 66 Patientinnen der Studie handelte es sich ausschließlich um Frauen. Das mittlere Alter belief sich auf 43,6 Jahre (± 11,9 Jahre) mit einer Altersspanne von 20 bis 81 Jahren. Der Median betrug 42 Jahre.


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Operationen

Bei etwa der Hälfte aller Eingriffe handelte es sich um Hysterektomien (34/66). Während die laparoskopische suprazervikale Hysterektomie (LASH) in 7 Fällen durchgeführt wurde, kam die totale laparoskopische Hysterektomie (TLH) 27 Mal zur Anwendung. Die Zeit zwischen Operationsbeginn und -ende betrug im Durchschnitt 124,1 Minuten (± 48,9 Minuten), wobei die kürzeste Laparoskopie 42 und die längste 240 Minuten dauerte. Der Median lag bei 118,5 Minuten.


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Kenndaten der Patientinnen

Für die in [Tab. 1] aufgeführten Kenndaten der Patientinnen ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Die Vergleichbarkeit der Versuchs- und der Kontroll-Gruppe bezüglich der in [Tab. 2] aufgeführten Variablen war somit gegeben.

Tab. 1 Gegenüberstellung grundlegender Kenngrößen der untersuchten Gruppen. Gruppe H: Versuchsgruppe, Gruppe 0: Kontrollgruppe

Variable

Gruppe 0

Gruppe H

p-Wert

1 verbundener T-Test (normalverteilte Daten)

2 Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test (keine normalverteilten Daten)

Alter zum Operationszeitpunkt (Jahre)

45

42

0,3131

Body-Mass-Index (kg/m2)

28

25

0,0791

Raucher (ja/nein)

5

5

Diabetes (ja/nein)

3

1

Anzahl der Voroperationen

4

4

0,7151

ASA-Klassifikation (1 – 5)

  • 1

9

18

  • 2

19

12

  • 3

5

3

kategoriale Hauptdiagnosen

  • Uterusmyom(e)

11

12

  • Endometriose

7

8

  • Ovarialtumor

7

4

  • Blutungsstörung

5

0

  • weitere

3

9

tief infiltrierende Endometriose (ja/nein)

2

3 [32]

Vorbereitungszeit auf die Operation (min)

78

74

0,4761

Anästhesiedauer (min)

178

175

0,5421

Schnitt-Naht-Zeit (min)

124

124

0,8672

kristalloide Lösungen

1,36

1,61

0,2541

kolloide Lösungen

0,12

0,06

0,4231

Tab. 2 Start-, Mittel- und Endtemperatur. Die Messungen wurden intraösophageal durchgeführt. Angaben in °C.

Starttemperatur

Mitteltemperatur

Endtemperatur

Kontrollgruppe

36,10 (± 0,46)

36,07 (± 0,42)

36,01 (± 0,40)

Versuchsgruppe

35,94 (± 0,46)

35,98 (± 0,49)

36,04 (± 0,49)


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Temperaturanalyse

Beim Vergleich des Temperaturverlaufs in den beiden Gruppen zeigte sich, dass der Mittelwert in der Kontrollgruppe stetig sank, während dieser in der Versuchsgruppe anstieg ([Abb. 2]). Zur Bestätigung der gegenläufigen Temperaturverläufe wurde eine Signifikanztestung durchgeführt ([Tab. 3]). Dabei wurden sowohl die Start-End- als auch in einzelnen Abschnitten die Start-Mittel- und die Mittel-End-Differenz mithilfe des verbundenen T-Tests untersucht. Die Start-End-Differenz erwies sich in der Versuchsgruppe mit 0,09 °C als signifikant größer als in der Kontrollgruppe mit − 0,09 °C (p = 0,011). Von der Start- zur Mitteltemperatur konnte keine Signifikanz nachgewiesen werden (p = 0,122). Im zweiten untersuchten Zeitraum lag der Wert der Mittel-End-Differenz in der Versuchsgruppe um mehr als 0,11 °C hoch signifikant über dem der Kontrollgruppe (p = 0,003).

Tab. 3 Signifikanztestung der Temperaturdifferenzen zu den 3 Zeitpunkten Start-, Mittel- und Endtemperatur. Getestet wurden die Start-End-, Start-Mittel- und Mittel-End-Differenzen mittels verbundenem T-Test. Statistische Signifikanz wurde bei p < 0,05 angenommen.

Kontrollgruppe

Versuchsgruppe

T

df

p-Wert

df: degrees of freedom

Start-End-Differenz

− 0,09

0,09

2,70

32

0,011

Start-Mittel-Differenz

− 0,03

0,04

1,59

32

0,122

Mittel-End-Differenz

− 0,06

0,05

3,21

32

0,003

In beiden Gruppen wurde der Anteil der intraoperativen Hypothermien zu Beginn und Ende der Operation untersucht. Bei der Versuchsgruppe nahm der Anteil hypothermer Patientinnen von mehr als 54,22 auf 36,36% deutlich ab. Im Gegensatz dazu stieg in der Kontrollgruppe der Anteil hypothermer Patienten von 36,36 auf 42,42% an ([Tab. 4]).

Tab. 4 Anteil hypothermer Patienten zu den 3 Zeitpunkten der Messung (Start-, Mittel- und Endtemperatur). Angaben in Prozent.

Hypothermie (in %)

Gruppe 0

Gruppe H

Anteil der Starttemperaturen

36,36

54,55

Anteil der Mitteltemperaturen

39,39

42,42

Anteil der Endtemperaturen

42,42

36,36


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Diskussion

Dem Temperaturabfall bei laparoskopischen Operationen liegen 3 Ursachen zugrunde: Der Einfluss der Allgemeinanästhesie, von Umgebungsfaktoren und der Insufflation trockenen Gases bei Raumtemperatur. Die Allgemeinanästhesie macht den Hauptanteil aus, indem sie die körpereigene Thermoregulation unterbindet und die metabolische Wärmeproduktion um etwa 30% herabsetzt. Hinzu kommt eine häufig niedrige Raumtemperatur im Operationssaal. Das Humigard®-System fokussiert auf die drittgenannte Ursache: den Temperaturverlust durch Insufflation kalten, trockenen Gases. Dieses wird sekundär in der Bauchhöhle erwärmt und befeuchtet, bis es der Temperatur und Feuchtigkeit des Abdomens entspricht und somit ein Gleichgewicht erreicht ist. Wärme und auch Wassergehalt des Peritoneums werden intraoperativ kontinuierlich gemindert. Dieser Energieverlust kann zur Entwicklung einer Hypothermie beitragen [7]. Da die peritoneale Fläche in etwa der äußeren Körperoberfläche entspricht, wird die Wichtigkeit eines intraabdominellen wärmeprotektiven Ansatzes deutlich.

Laut Sessler (2016) kann die Körperkerntemperatur die sichersten Angaben über den Wärmestatus eines Patienten machen. Für ihre genaue Bestimmung eignen sich die folgenden 4 Messstellen: der Nasopharynx, der distale Ösophagus, das Trommelfell mittels Kontaktthermometer sowie die Pulmonalarterie. Die Werte unserer Analysen basieren auf Messungen im Nasopharynx und können demzufolge valide Aussagen zur Körperkerntemperatur treffen [1].

In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass durch den Einsatz von Humigard® ein Absinken der Körpertemperatur verhindert werden kann. Die Temperaturverlaufskurven verliefen gegenläufig zu denen der Kontrollgruppe. In der letzteren kam es gerade in der 2. Operationshälfte zu einem Abfall der Körpertemperatur. Das HumiGard®-System, welches das einzige seiner Art auf dem europäischen Markt ist, konnte die Rate an Hypothermien stetig reduzieren. Im Gegensatz dazu stieg in der Kontrollgruppe die Rate an Hypothermien im Verlauf der Operation stetig an. Der hohe präoperative prozentuale Anteil an Hypothermie von ca. 55% in der HumiGard-Gruppe ist bemerkenswert. Mögliche Gründe stellen eine lange Zeitspanne zwischen Einschleusung und tatsächlichem Operationsbeginn sowie ein inadäquat ausgeführtes oder unterlassenes Prewarming dar. Allerdings differieren die Mittelwerte der Vorbereitungszeit bis zur Operation nur minimal zwischen den beiden Gruppen, weshalb das Prewarming als Erklärung naheliegender erscheint. Durch eventuelle Unterschiede im präoperativen Vorgehen zur Zeit der historischen Kontrollen kann der geringere prozentuale Anteil an Hypothermie dieser Gruppe zu Beginn der Operationen begründet sein. Effektives Prewarming resultiert in einer um 0,4 °C höheren intraoperativen Körpertemperatur im Vergleich zu Kontrollen [1]. Das HumiGard-System konnte die Hypothermie jedoch im Gegensatz zur Kontrollgruppe mit alleinigem Warmluftgebläse im Verlauf stetig reduzieren.

In tierexperimentellen Studien, bei denen in erster Linie die ausschließliche Erwärmung untersucht wurde, konnten keine signifikanten Effekte zur Vermeidung von Hypothermie festgestellt werden. In diesen tierexperimentellen Studien wurde aber kein aufwendiges Wärmemanagement (z. B. Warmluftgebläse) verwendet. Die Schnitt-Naht-Zeit lag bei diesen Studien im Mittel bei über 120 Minuten [9], [12], [13].

Die positiven Effekte des konditionierten Gases auf den humanen Temperaturhaushalt wurden schon in der Veröffentlichung zu erwärmtem und befeuchtetem Kohlendioxid von Ott et al. 1998 proklamiert. Von dieser Arbeitsgruppe wurde das Insuflow®-System verwendet, das dem Humigard®-System vergleichbar ist und das in den Vereinigten Staaten zugelassen ist. Diese prospektiv-randomisierte multizentrische Studie zeigte unter zusätzlichem Wärmemanagement für beide Gruppen einen signifikanten Temperaturunterschied zugunsten von Insuflow®, welches die intraoperative Hypothermierate senken konnte [14]. Eine weitere kürzlich publizierte randomisierte Studie konnte bei der zusätzlichen Anwendung eines Warmluftgebläses und von warmen Infusionen keinen signifikanten Temperaturunterschied durch die Verwendung von HumiGard® zeigen. Allerdings lässt sich diese Studie nicht zum Vergleich heranziehen, da es sich um sehr kurze Operationszeiten (durchschnittlich 15 Minuten Insufflationszeit) handelte [15].

Demgegenüber konnten wir die wesentlichen Temperaturunterschiede erst in der 2. Operationshälfte beobachten. In unserer Studie betrug die geplante Mindestdauer aller Eingriffe 60 Minuten.

Studien am Menschen, die bariatrische Patienten bei laparoskopischen Operationen zur Verkleinerung des Magens einschlossen, konnten keinen positiven Effekt auf den intraoperativen Temperaturerhalt zeigen [16], [17]. Hier ist allerdings zu beachten, dass übergewichtige Patientinnen aufgrund der isolierenden Wirkung des Fettgewebes generell seltener zu intraoperativen Hypothermien neigen [18].

Entsprechend unserer retrospektiven Fallkontrollstudie konnten in einer aktuellen Cochrane-Analyse 2016 statistisch signifikant höhere Kerntemperaturwerte bei der Verwendung von angewärmtem und befeuchtetem Insufflationsgas gezeigt werden. Da die Autoren die Qualität der bisherigen klinischen Studien bemängeln, gilt es, die Ergebnisse künftig im Rahmen weiterer Studien zu untersuchen [19].

Wenn es sich auch bei unserer Studie um eine retrospektive Analyse handelt, liegt die Stärke vor allem bei dem genauen Matching der untersuchten Patientinnen, der OP-Dauer und der angewendeten Wärmemethode. Es besteht also eine hohe interne Validität durch die exzellente Vergleichbarkeit der beiden untersuchten Gruppen.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die externe Körperwärmung durch ein Warmluftgebläse den initialen Abfall der Körpertemperatur um 1 – 2 °C, der durch die Allgemeinanästhesie bedingt ist, gut abfangen kann. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Anwendung von Wärmedecken und auch der Anwendung von gewärmten Infusionen. Eine aufgeklebte Plastikfolie wird häufiger in der offenen Chirurgie verwendet. Letztlich erreichen diese Maßnahmen aber nicht die peritoneal ausgekleidete Körperhöhle. Gerade bei länger dauernden laparoskopischen Operationen kann eine zusätzliche Anwärmung und Befeuchtung des Insufflationsgases zu einer besseren Aufrechterhaltung der Körpertemperatur und Vermeidung von Hypothermie in der 2. Operationshälfte führen und sollte daher zusätzlich verwendet werden. Zu diesem Schluss kommen die Autoren eines kürzlich publizierten Reviews [20].

Zu der von uns untersuchten Fragestellung gibt es demnach widersprüchliche Publikationen mit zum Teil gegensätzlichen Schlussfolgerungen. Die bisherigen Studien lassen sich allerdings schlecht vergleichen, da die Patientenkollektive heterogen waren, die Anwendung zusätzlicher Wärmemethoden unterschiedlich gehandhabt wurde, die Operationszeiten sich mitunter deutlich unterschieden und auch die Temperaturmessungen auf unterschiedliche Weise durchgeführt wurde.

Wenn auch der Fokus der vorliegenden Studie auf dem intraoperativen Temperaturverlauf und dem etwaigen Auftreten von Hypothermien lag, sollte beachtet werden, dass mit der Verwendung von angewärmtem und befeuchtetem Laparoskopiegas weitere günstige Effekte verbunden sind: Die Reduktion postoperativer Wundinfekte, postoperativer Schmerzen und des postoperativen Analgetikaverbrauchs sind vorbeschrieben. Dadurch bedingt lässt sich die Verweildauer der Patientinnen im Krankenhaus reduzieren, was von großer gesundheitsökonomischer Bedeutung ist [6], [10]. Durch die Vermeidung von Mesothelschäden durch Austrocknung des Peritoneums kann die konsekutive Entzündungsreaktion mit Entstehung einer Fibrinmatrix, die als Grundlage der Adhäsionsentstehung dient, verhindert werden [9].

Eine genaue Evaluation der genannten Effekte gerade auch aus gesundheitsöknomischer Sicht ist aktuell noch Forschungsgegenstand und muss an größeren Patientinnenkollektiven untersucht werden.


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Schlussfolgerung

Insgesamt zeigt sich in der Literatur eine Tendenz, die Erwärmung und Befeuchtung des Insufflationsgases positiv zu bewerten. Die vorliegende Studie liefert dafür unter Ausschaltung von möglichst vielen Störfaktoren die wichtige Erkenntnis, dass die Wärmung und Befeuchtung des Insufflationsgases CO2 einen wichtigen Beitrag zur intraoperativen Wärmeerhaltung bis hin zur Vermeidung und Verminderung intraoperativer Hypothermien leisten kann. Die aufgrund der strengen Ein- und Ausschlusskriterien dafür in Kauf genommene niedrige Fallzahl und der retrospektive Ansatz sind Nachteile, die es in der prospektiv-randomisierten klinischen TePaLa-Studie (Temperature and Pain in Laparoscopy, ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02781194) und weiteren klinischen Studien zu relativieren gilt.


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Danksagung

Wir bedanken uns beim Team der OP-Pflege an der Uniklinik RWTH Aachen für die lückenlose Dokumentation des Einsatzes von Humigard©. Teile der vorliegenden Publikation wurden in der Dissertation von Annika Clausen mit dem Titel „Auswirkungen der Verwendung von erwärmtem und befeuchtetem CO2 bei laparoskopischen Eingriffen der Gynäkologie auf den intraoperativen Temperaturverlauf – eine retrospektive Analyse“, Medizinische Fakultät, RWTH Aachen, 2019, veröffentlicht.

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Correspondence/Korrespondenzadresse

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Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin
Uniklinik RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
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Fig. 1 Inclusion and exclusion criteria. For the 110 patients included, 33 statistical pairs of twins could be evaluated so 66 patients were used for statistical analysis.
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Fig. 2 Temperature profile of the control and study groups, showing the temperature curves using the start, middle and end of the operation. Measurement was intra-oesophageal.
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Abb. 1 Ein- und Ausschlusskriterien. Für die 110 eingeschlossenen Fälle konnten 33 statistische Zwillingspaare evaluiert werden, sodass 66 Patientinnen für die statistischen Analysen herangezogen wurden.
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Abb. 2 Temperaturverlauf von Kontroll- und Versuchsgruppe. Gezeigt sind die Temperaturkurven anhand der 3 Zeitpunkte Start, Mitte und Ende der Operation. Die Messung erfolgte intraösophageal.