I Leitlinieninformationen
Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG
Informationen dazu am Ende des Artikels.
Zitationsformat
Diagnosis, Therapy and Follow-up of Vaginal Cancer and Its Precursors. Guideline of the DGGG and the DKG (S2k-Level, AWMF Registry No. 032/042, October 2018). Geburtsh Frauenheilk 2019: 79: 1060–1078
Leitlinie-Dokumente
Die vollständige Langversion, die Kurzversion und eine PDF-Dia-Version für PowerPoint-Präsentationen können auf der Homepage der AWMF eingesehen werden: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-042.html
Nummerierung
Es handelt sich bei dieser Textfassung der Leitlinie um eine konzentrierte Version, die allgemeingültige Kapitel auslässt (12 Supportivtherapie, 13 Psychoonkologie und Lebensqualität, 14 Rehabilitation, 15 Integrative Medizin, 18 Palliativmedizinische Begleitung). Die Nummerierung der Kapitel unter „IV Leitlinie“ sowie die der Empfehlungen und Statements entspricht – unter Inkaufnahme von Lücken – dennoch der Nummerierung in der Langversion, um bei inhaltlicher Vertiefung das Auffinden in der Langversion zu erleichtern.
Leitliniengruppe
Die Leitliniengruppe ist gelistet unter „Autoren“. Sie setzt sich aus den Verfassern und den Mandatsträgern zusammen. Letztere sind die Vertreter der Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften, Organisationen, Vereine, die Interesse an der Mitwirkung bei der Erstellung des Leitlinientextes und der Teilnahme an der Konsensuskonferenz bekundet haben. Die Verfasser und Mandatsträger sind der [Tab. 1 ] mit ihren Funktionen zu entnehmen.
Tab. 1 Leitlinienverfasser und Mandatsträger (alphabetisch geordnet).
Autor/in, Mandatsträger/in
Funktion*
Gruppierung, Gremium
* V = Verfasser, M = Mandatsträger
Ackermann, PD Dr. med. Sven
V
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO)
Alt-Radtke, Dr. med. Celine Desirée
V, M
Deutsche Röntgengesellschaft (DRG), AG Uroradiologie
Angleitner, Prof. Dr. Lukas
M
Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG)
Barinoff, Dr. med. Jana
V
DGGG, DKG, AGO
Beckmann, Prof. Dr. med. Matthias W.
V
DGGG, DKG, Deutsche Krebshilfe (DKH), Deutsche Gesellschaft für Senologie (DGS), AGO, Comprehensive Cancer Center Erlangen EMN (CCC ER-EMN)
Böing, Dr. med. Carsten
V
DGGG, DKG, AGO
Dannecker, Prof. Dr. med. Christian
V
DGGG, DKG, AGO
Fehm, Prof. Dr. med. Tanja
M
AGO-Vorstand
Gaase, Dr. med. Rüdiger
M
Berufsverband der Frauenärzte e. V. (BVF)
Gaß, Dr. med. Paul
V
DGGG-Leitliniensekretariat
Gebhardt, Marion
M
Bundesverband Frauenselbsthilfe nach Krebs e. V. (FSH)
Gieseking, Dr. med. Friederike
V, M
DGGG, DKG, AGO, AG Cervix-Pathologie und Colposcopie (AGCPC)
Günthert, Prof. Dr. med. Andreas
V
DGGG, DKG, AGO
Hack, PD Dr. med. Caroline C.
V, M
DGGG, DKG, AGO
Hampl, Prof. Dr. med. Monika
V, M
DGGG, DKG, AGO
Hantschmann, Dr. med. Peer
V
DGGG, DKG, AGO
Horn, Prof. Dr. med. Lars Christian
V, M
Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP), DKG, AGO
Koch, Dr. med. Martin C.
V
DGGG, DKG, AGO
Letsch, Dr. med. Anne
V, M
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGPm)
Mallmann, Prof. Dr. med. Peter
V, M
DGGG, DKG, AGO
Mangold, Dr. med. Bernhard
V, M
Deutsche Gesellschaft für Zytologie (DGZ)
Marnitz, Prof. Dr. med. Simone
V, M
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO), DKG, AGO
Mehlhorn, PD Dr. med. Grit
V
DGGG, DKG, AGO
Paradies, Kerstin
M
Konferenz onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege e. V. (KOK)
Reinhardt, Prof. Dr. med. Michael J.
M
Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e. V. (DGN)
Schnürch, Prof. Dr. med. Hans-Georg
V, M
DGGG, DKG, AGO
Tholen, Reina
M
Deutscher Verband für Physiotherapie
Torsten, PD Dr. med. Uwe
V
DGGG, DKG, AGO
Weikel, Prof. Dr. med. Wolfgang
V
DGGG, DKG, AGO
Wetzig, PD Dr. med. Tino
M
Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG)
Wölber, Prof. Dr. med. Linn
V
DGGG, DKG, AGO
Zraik, Dr. med. Isabella
M
Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU)
Die Moderation der Leitlinie wurde dankenswerterweise von Dr. M. Nothacker (AWMF-zertifizierte Leitlinienberaterin/-moderatorin) übernommen. Zu Erstellung der Lang- und dieser Kurzversion hat Dr. P. Gaß (DGGG-Leitliniensekretariat, Erlangen) maßgeblich beigetragen.
Verwendete Abkürzungen
AG:
Arbeitsgemeinschaft
AG-CPC:
Arbeitsgemeinschaft für Cervixpathologie und Colposkopie
AGO:
Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie
AWMF:
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
CAM:
Komplementär- und Alternativmedizin
CCC:
Comprehensive Cancer Center
CIN:
zervikale intraepitheliale Neoplasie
CT:
Computertomografie
DET:
Datensparsame Einheitliche Tumordokumentation
DGGG:
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
DKG:
Deutsche Krebsgesellschaft
EORTC:
European Organisation for Research and Treatment of Cancer
FDG-PET:
Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie
FIGO:
Fédération Internationale de Gynécologie et dʼObstétrique
HE:
Hämatoxilin-Eosin
HPV:
Human papillomaviruses
HSIL:
High-grade squamous intraepithelial Lesion
LAG:
Lymphabflussgebiet
LK:
Lymphknoten
LL:
Leitlinie
LNE:
Lymphonodektomie
LSIL:
Low-grade squamous intraepithelial Lesion
L-Status:
Lymphgefäßinvasionsstatus
MRT:
Magnetresonanztomografie
NCCAM:
National Center of Complementary and Alternative Medicine
NCDB:
National Cancer Data Base
OEGGG:
Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
OL:
Leitlinienprogramm Onkologie
PE:
Probe-Exzision
PET:
Positronenemissionstomografie
Pn-Status:
Perineuralscheidenstatus
QI:
Qualitätsindikator
QLQ:
Quality of Life Questionnaire
R1:
mikroskopischer Tumorrest
R2:
makroskopischer Tumorrest
RCTX:
Radio-(chemo-)therapie
SGB:
Sozialgesetzbuch
SGGG:
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
SN:
Sentinel Node
SNB:
Sentinel Node Biopsy
SPECT:
Single-Photon-Emissions-Computertomografie
TNM-System:
Tumor-Nodus-Metastasen-Klassifikation
UICC:
Union Internationale Contre le Cancer
VaIN:
vaginale intraepitheliale Neoplasie
VIN:
vulväre intraepitheliale Neoplasie
V-Status:
Vessel-Status = Blutgefäßinvasion
WHO:
World Health Organization
WLE:
Wide local Excision
IV Leitlinie
1 Epidemiologie
Das Vaginalkarzinom ist mit etwa 500 Fällen pro Jahr in Deutschland ein seltener Tumor [1 ]. Die Mehrheit aller invasiven Vaginalkarzinome sind Plattenepithelkarzinome (> 95%), dann Adenokarzinome (< 5%) und Melanome (< 1%) [2 ]. Die Mehrheit der klarzelligen Adenokarzinome stehen im Zusammenhang mit der mütterlichen Einnahme von Diethystilbestrol (DES) in der Schwangerschaft [3 ]. Häufiger als das primäre Vaginalkarzinom und von diesem abzugrenzen sind Vaginalmetastasen und -rezidive oder die Vaginalinfiltration per continuitatem durch angrenzende Malignome u. a. der Zervix, Vulva, des Endometriums und des Rektums.
1.1 Altersverteilung
Das Erkrankungsalter bei einem primären Vaginalkarzinom liegt in mehr als 50% der Fälle jenseits des 70. Lebensjahres. Nur 15% der Karzinome werden bei Patientinnen zwischen dem 20. – 49. Lebensjahr diagnostiziert [4 ].
1.2 Überlebensrate
Die absolute 5-Jahres-Überlebensrate korreliert mit dem histologischen Subtyp: sie beträgt bei einem Plattenepithelkarzinom 54%, bei einem Adenokarzinom 60% und bei malignem Melanom 13% [4 ]. Die 5-Jahres-Überlebensrate korreliert ebenfalls mit dem Stadium bei Erstdiagnose: bei Stadium IV 20%.
1.3 Risikofaktoren
Konsensbasiertes Statement 1.S1
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Risikofaktoren für die Entstehung eines Vaginalkarzinoms sind denen des Zervixkarzinoms vergleichbar.
Konsensbasiertes Statement 1.S2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Infektion mit humanen High-Risk-Papillomaviren (HR-HPV) ist einer der wichtigsten Risikofaktoren.
Konsensbasiertes Statement 1.S3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Nach einer VaIN ist in bis zu 5% der Fälle die Entstehung eines Vaginalkarzinoms beschrieben. Eine VaIN 2 – 3/HSIL ist eine Präkanzerose.
Die Risikofaktoren für die plattenepithelialen Tumoren der Vagina sind die gleichen wie für das Zervixkarzinom:
1.3.1 HPV
HPV-DNA wurde in 74% der Vaginalkarzinome und in 96% der VaIN-2/3-Läsionen nachgewiesen. HPV 16 ist der am häufigsten nachgewiesene Subtyp sowohl bei den VaIN als auch den invasiven Tumoren (59%).
1.3.3 VaIN
Eine vaginale intraepitheliale Neoplasie (VaIN) kann sequenziell oder auch simultan zu einem Vaginalkarzinom gefunden werden. Die genaue Inzidenz der VaIN ist nicht gesichert. Sie wird häufig mit 0,2 bis 0,3 Fällen pro 100 000 Frauen und Jahr angegeben [6 ]. Es gibt eine Koinzidenz mit anderen Neoplasien des unteren Anogenitaltraktes [7 ], [14 ]. Die Daten belegen, dass bei einer VaIN eine kontinuierliche Nachbeobachtung erforderlich ist. Die Progressionsrate einer VaIN in ein Vaginalkarzinom liegt bei 2 – 5%. Details der vorliegenden Daten zur Rate der Progression zum Karzinom bietet die Langversion an dieser Stelle.
2 Prävention und Früherkennung
2.1 Primäre Prävention
Konsensbasiertes Statement 2.S4
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine spezielle Sexualhygiene, wie sie bei anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen empfohlen wird, kann bei heterogener Datenlage in ihrer präventiven Wirkung in Bezug auf vaginale Neoplasien nicht endgültig abgeschätzt werden.
Auf der Basis der HPV-Typenverteilung ließen sich theoretisch bis zu 60% aller Vaginalkarzinome durch eine HPV-Impfung verhindern [8 ]. Eine HPV-Impfung – entsprechend der aktuellen Empfehlungen der STIKO – ist demnach auch unter dem Aspekt einer Primärprävention des Vaginalkarzinoms und seiner Vorstufen sinnvoll. Da Zigarettenrauchen bei Frauen mit positivem HPV-Nachweis (High-Risk-Typen) das Risiko für die Entstehung einer VaIN erhöht [9 ], sollte bei Raucherinnen deshalb stets eine entsprechende Aufklärung auch unter dem Aspekt der Vermeidung einer VaIN erfolgen. Details zur Rolle von mechanischen Schutzmaßnahmen führt die Langversion an dieser Stelle aus.
2.2 Früherkennung (Sekundäre Prävention)
Konsensbasiertes Statement 2.S5
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das gesetzliche Früherkennungsprogramm im Rahmen des Zervixkarzinomscreenings birgt die Möglichkeit, Vorstufen und Vaginalkarzinome in einem frühen Stadium zu diagnostizieren.
3 Versorgungsstrukturen
3.2 Behandlung in onkologischen Zentren
Konsensbasierte Empfehlung 3.E1
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Patientinnen mit einem Vaginalkarzinom sollten von einem interdisziplinären und interprofessionellen Team behandelt werden. Dieses Team sollte im sektorenübergreifenden Netzwerk auf alle notwendigen Fachdisziplinen und Berufsgruppen zugreifen können. Dies wird am ehesten in einem zertifizierten Zentrum realisierbar sein.
3.2.2 Zentrumsbegriff – interdisziplinäre Tumorkonferenz
Konsensbasierte Empfehlung 3.E2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Alle Patientinnen mit Vaginalkarzinom sollen in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden.
4 Pathologie
4.1 Klassifikation der Präkanzerosen ([Tab. 4 ])
Tab. 4 Nomenklatur der HPV-assoziierten Präkanzerosen der Vagina [10 ], [11 ], [12 ].
Deskription
kondylomatöse Läsion
geringgradige Dysplasie
mäßiggradige Dysplasie
hochgradige Dysplasie
Carcinoma in situ
* LAST = Lower Anogenital Squamous Terminology Project des College of American Pathologists und der American Society of Colposcopy and Cervical Pathology [13 ].
WHO (2003)
VaIN 1
VaIN 2
VaIN 3
LAST-Projekt*
Low-grade squamous intraepithelial lesion (LSIL)
High-grade squamous intraepithelial lesion (HSIL)
WHO (2014)
Low-grade squamous intraepithelial lesion (LSIL)
Syn.: VaIN 1
High-grade squamous intraepithelial lesion (HSIL)
Syn.: VaIN 2 und VaIN 3
4.2 Morphologie der vaginalen Präkanzerosen
Konsensbasierte Empfehlung 4.E3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der klinischen Terminologie und der morphologischen Diagnostik vaginaler Präkanzerosen (vaginale intraepitheliale Neoplasien; VaIN) soll die jeweils gültige Auflage der WHO-Klassifikation zugrunde gelegt werden.
Neben der Einteilung in LSIL und HSIL sollte eine Spezifizierung in HPV-assoziierte Veränderungen (z. B. Kondylome) und eine Graduierung in VaIN 1 bis 3 erfolgen.
4.3 Morbus Paget der Vagina
Konsensbasierte Empfehlung 4.E4
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Beim histologischen Nachweis pagetoider Veränderungen in einem Vaginalbioptat sollen ein lokoregionäres Karzinom und ein Morbus Paget der Vulva mit vaginaler Beteiligung klinisch ausgeschlossen werden.
4.4 Morphologie maligner Tumoren der Vagina
4.4.1 Tumortypisierung
Konsensbasierte Empfehlung 4.E5
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die histologische Klassifikation maligner Vaginaltumoren soll nach der jeweils aktuellen Auflage der WHO-Klassifikation erfolgen.
4.4.2 Stadieneinteilung des Vaginalkarzinoms
Die postoperative Stadieneinteilung erfolgt nach der pTNM-Klassifikation [14 ]; die Angabe des FIGO-Stadiums [15 ] ist optional (s. Kap. 5.7).
Unter morphologischen Gesichtspunkten problematisch ist die Definition des Vaginalkarzinoms durch die WHO. Diese definiert das Plattenepithelkarzinom der Vagina als ein Karzinom der Vagina ohne vorangegangenes Zervix- bzw. Vulvakarzinom 10 Jahre vor der aktuellen Diagnosestellung [11 ], [16 ], [17 ]. Anderenfalls würde ein Vaginalkarzinom als Rezidiv des jeweils zuvor therapierten Karzinoms eingestuft. Gleichermaßen problematisch erscheint die Festlegung der FIGO, dass ein Plattenepithelkarzinom der Scheide mit Beteiligung der Cervix uteri als Zervixkarzinom einzuordnen ist [17 ].
In Analogie zum Zervix- und Vulvakarzinom erscheint es sinnvoll, die Invasionstiefe zu definieren als das Ausmaß der Stromainvasion, gemessen von der Epithel-Stroma-Grenze der an die Invasion angrenzend oberflächlichsten Epithelpapille bis zum tiefsten Punkt der Invasion [13 ], [14 ], [18 ]. Eine über die tiefste Stelle der Invasion hinausgehende Lymphgefäßinfiltration soll dabei nicht in die Messung der Invasionstiefe bzw. Tumordicke mit eingehen, sondern als L1 klassifiziert werden [13 ], [14 ], [18 ]. Die Tumordicke ergibt sich aus der Messung zwischen der Tumoroberfläche, bei (stark) verhornenden Plattenepithelkarzinomen von der Oberfläche des Stratum granulare, bis zum tiefsten Punkt der Invasion [13 ], [19 ].
4.4.4 Aufarbeitung des Gewebes
Konsensbasierte Empfehlung 4.E6
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die entnommenen Bioptate bei V. a. VaIN sollen in Stufenschnitten aufgearbeitet werden.
4.4.4.1 Diagnostische Biopsien
Konsensbasierte Empfehlung 4.E7
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der Befundbericht soll zu Nachweis und Art der VaIN, des Vorhandenseins einer dermatologischen Erkrankung, virusassoziierten Veränderungen und einer eventuellen Invasion Stellung nehmen.
4.4.4.2 Präparate nach lokaler Exzision, Kolpektomie, Hysterokolpektomie und Lymphknotenstatus
Konsensbasierte Empfehlung 4.E8
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die morphologische Aufarbeitung von Kolpektomiepräparaten beim Vaginalkarzinom soll so erfolgen, dass alle therapeutisch und prognostisch relevanten Parameter erhoben werden können. Der Befunderstellung soll die jeweils gültige WHO-Klassifikation zur Tumortypisierung und die aktuelle TNM-Klassifikation zur Stadieneinteilung zugrunde gelegt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E9
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der histologische Befundbericht bei (radikalen) Kolpektomiepräparaten wegen eines Vaginalkarzinoms soll folgende Angaben beinhalten:
histologischer Typ nach WHO
Grading
Nachweis/Fehlen von Lymph- oder Blutgefäßeinbrüchen (L- und V-Status)
Nachweis/Fehlen von Perineuralscheideninfiltraten (Pn-Status)
Staging (pTNM)
Invasionstiefe in mm
dreidimensionale Tumorgröße in cm
metrische Angabe des minimalen Abstandes des Karzinoms und einer ggf. assoziierten VAIN zum Resektionsrand
metrische Angabe des minimalen Tumorabstandes zum Weichgewebsresektionsrand (parakolpisches Gewebe)
R-Klassifikation (UICC)
Konsensbasierte Empfehlung 4.E10
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Lymphonodektomiepräparaten im Rahmen der operativen Therapie beim Vaginalkarzinom sollen alle entfernten Lymphknoten histologisch untersucht werden.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E11
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Lymphknoten bis ca. 0,3 cm Größe sollten komplett eingebettet und größere Lymphknoten entlang ihrer Längsachse halbiert und ebenfalls komplett eingebettet werden.
Entsprechend der UICC- und TNM-Klassifikation sind Mikrometastasen definiert als der histologische Nachweis von Tumorzellen im Lymphknoten von ≥ 0,2 mm, aber nicht größer als 0,2 cm [20 ], [21 ]. Tumorzellen von < 0,2 mm Gesamtausdehnung werden als isolierte Tumorzellen im Lymphknoten definiert [20 ], [21 ]. Der Nachweis von isolierten Tumorzellen und von Mikrometastasen ist beim Vaginalkarzinom nicht Staging-relevant.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E12
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der Befundbericht über Lymphonodektomiepräparate beim Vaginalkarzinom soll folgende Angaben beinhalten:
Angabe der Zahl der befallenen Lymphknoten im Verhältnis zur Zahl der entfernten Lymphknoten in Zuordnung zur Entnahmelokalisation mit Seitenangabe (pelvin, ggf. inguinofemoral)
Angabe der größten Ausdehnung der größten Lymphknotenmetastase in mm
Angabe des Fehlens/Nachweises eines Kapseldurchbruches der Lymphknotenmetastase
Angabe des Fehlens/Nachweises isolierter Tumorzellen im Lymphknoten, in Lymphgefäßen im perinodalen Fettgewebe und/oder in der Lymphknotenkapsel
4.4.4.3 Sentinel-Lymphknoten
Konsensbasierte Empfehlung 4.E13
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Sentinel-Lymphknoten beim Vaginalkarzinom sollen vollständig eingebettet und in Stufenschnitten untersucht werden. Zusätzlich sollen bei in der HE-Morphologie negativen Sentinel-Lymphknoten immunhistochemische Untersuchungen durchgeführt werden (sog. Ultrastaging).
4.4.5 Morphologische Prognosefaktoren
Die prognostischen Beiträge der einzelnen morphologischen Tumormerkmale sind in [Tab. 5 ] zusammengefasst.
Tab. 5 Prognosefaktoren beim Vaginalkarzinom.
Name
Standardfaktor
Risiko/Prognosefaktor
Therapierelevanz
Tumorstadium
ja
ja
ja
Lymphknotenstatus
ja
ja
ja
Größe der jeweiligen Lymphknotenmetastasen
ja
unklar
ja
Zahl metastatisch befallener inguinaler Lymphknoten
ja
unklar
ja
extrakapsuläre Ausbreitung inguinaler Lymphknotenmetastasen
ja
unklar
ja
Perineuralscheideninfiltration (Pn-Status)
ja
unklar
nein
Lymphgefäßinfiltration (L-Status)
ja
unklar
nein
Veneninvasion (V-Status)
ja
unklar
nein
Resektionsränder (Residualtumorstatus; R-Klassifikation)
ja
ja
ja
Invasionstiefe in mm
ja
unklar
nein
Grading
ja
unklar
nein
dreidimensionale Tumorgröße in cm
ja
unklar
ja
Lokalisation des Karzinoms in der Vagina
ja
unklar
ja (ggf. operatives Vorgehen)
makroskopische Wuchsform des Karzinoms
ja
unklar
nein
multifokale Karzinome
ja
unklar
ja (operatives Vorgehen)
peritumorale VaIN
ja
unklar
ja (operatives Vorgehen)
histologischer Tumortyp
ja
unklar
nein (reine Adenokarzinome möglicherweise nicht radiosensibel)
HPV-Nachweis im Karzinom
nein
unklar
nein
Invasionsmuster
nein
unklar
nein
immunhistochemisches Ultrastaging von Lymphknoten auf Metastasen
nein
unklar
unklar
molekulare Marker
nein
unklar
unklar
5 Diagnostik
5.2 Klinische Diagnostik
Konsensbasiertes Statement 5.S6
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Diagnostik bei einer suspekten Vaginalläsion soll je nach Ausprägung klinisch, zytologisch und kolposkopisch erfolgen. Bei auffälligen Befunden soll eine Gewebeentnahme erfolgen.
5.3 Histologische Diagnostik
Alle suspekten Läsionen sollen histologisch abgeklärt werden.
5.4 Zum prätherapeutisches Staging bei einem Karzinom
Konsensbasierte Empfehlung 5.E14
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Prätherapeutisch sollen bei einem nachgewiesenen Karzinom folgende Untersuchungen erfolgen:
gynäkologische Untersuchung des gesamten Anogenitalbereichs (Cave: Multizentrizität/Multifokalität)
Bestimmung der Lokalisation, Ausdehnung und Größe des Tumors (Kolposkopie)
Beurteilung der Infiltrationstiefe (Palpation und ggf. Histologie)
Beurteilung der Ausdehnung auf Nachbarorgane
Urethrozystoskopie, Rektoskopie, ggf. Analsonografie je nach Lokalisation
bildgebende Untersuchungen in Abhängigkeit von der klinischen Ausdehnung des Tumors
5.5 Zur Diagnostik bei fortgeschrittenen Tumoren
Aufgrund der unmittelbaren Nähe der Nachbarorgane und der häufig erforderlichen großen Eingriffe bei einer operativen Therapie im Gesunden sollten endoskopische und bildgebende Verfahren großzügig indiziert werden.
Ein Fernmetastasenscreening soll aus entsprechender Überlegung bei größeren Tumoren prätherapeutisch durchgeführt werden (siehe 5.6).
5.6 Bildgebende Diagnostik beim Vaginalkarzinom
5.6.1 Primärtumordiagnostik
Konsensbasiertes Statement 5.S7
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Becken-MRT ist die Schnittbildgebung der Wahl zum lokalen Staging des histologisch gesicherten Vaginalkarzinoms ab Stadium FIGO II.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E15
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei der Durchführung einer funktionellen Becken-MRT sollen die aktuellen Empfehlungen für gynäkologische Beckentumoren (Protokoll) eingehalten werden, um eine möglichst hohe diagnostische Genauigkeit zu gewährleisten.
Konsensbasiertes Statement 5.S8
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die FDG-PET/CT hat in der Primärsituation für das lokale Staging des Vaginalkarzinoms keinen belegten Stellenwert.
5.6.2 Lymphknotendiagnostik
Konsensbasiertes Statement 5.S9
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Aussagekraft der bildgebenden Verfahren zur Beurteilung der pelvinen Lymphabflusswege beim primären Vaginalkarzinom nimmt zu vom CT resp. nativer MRT zur funktionellen MRT.
5.6.3 Fernmetastasen
Konsensbasierte Empfehlung 5.E16
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine kontrastmittelgestützte CT des Abdomens und des Thorax sollte bei fortgeschrittenem Vaginalkarzinom (≥ FIGO II) oder bei einem begründeten Metastasenverdacht zum Komplettstaging durchgeführt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E17
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine PET/CT kann bei Patientinnen mit primärem Vaginalkarzinom zum Einsatz kommen, um vor geplanter Beckenexenteration das Vorliegen von Fernmetastasen mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
5.6.4 Bildgebung in der Strahlentherapie
Konsensbasierte Empfehlung 5.E18
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Patientinnen, die eine perkutane Strahlentherapie, eine kombinierte Radiochemotherapie oder eine Brachytherapie erhalten, soll eine MRT initial zur Therapieplanung und zur Therapiekontrolle durchgeführt werden, wenn möglich als funktionelles MRT.
5.6.5 Rezidivdiagnostik
Konsensbasierte Empfehlung 5.E19
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Patientinnen mit Verdacht auf ein Lokalrezidiv eines Vaginalkarzinoms sollte zur Beurteilung der lokalen Ausdehnung im Becken eine funktionelle Becken-MRT durchgeführt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E20
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Patientinnen mit Verdacht auf ein ausgedehntes und das Becken überschreitendes Vaginalkarzinomrezidiv kann vor einer Therapieplanung die Durchführung einer PET/CT indiziert werden.
5.7 Staging
Das Staging erfolgt entsprechend der FIGO und der TNM-Klassifikation ([Tab. 6 ]). Maßgeblich sind die Operationsbefunde und das Ergebnis der histopathologischen Untersuchung der Operationspräparate.
Tab. 6 Staging des Vaginalkarzinoms nach AJCC 2017 [22 ]/FIGO (2018) [15 ]/TNM 2017 [14 ].
UICC
FIGO
Tumorausbreitung
1) In der FIGO-Klassifikation ist das Stadium 0 (Tis) nicht vorgesehen.
2) Das Vorhandensein eines bullösen Ödems der Blasenschleimhaut genügt nicht, um einen Tumor als T4 zu klassifizieren.
TX
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0
kein Anhalt für Primärtumor
Tis
1)
Carcinoma in situ, vaginale Intraepitheliale Neoplasie (VaIN) Grad 3
T1a
I
Tumor begrenzt auf die Vagina und nicht größer als 2 cm, keine Streuung (N0, M0)
T1b
I
Tumor begrenzt auf die Vagina und größer als 2 cm, keine Streuung (N0, M0)
T2a
II
Tumor infiltriert paravaginales Gewebe (Parakolpium), ist nicht größer als 2 cm, erreicht aber nicht die Beckenwand, keine Streuung (N0, M0)
T2b
II
Tumor infiltriert paravaginales Gewebe (Parakolpium), ist größer als 2 cm, erreicht aber nicht die Beckenwand, keine Streuung (N0, M0)
T1 bis T3
N1
T3
N0
M0
III
III
Tumor wächst in die Beckenwand ein und/oder das untere Vaginaldrittel und/oder blockiert den Harnabfluss und verursacht Nierenprobleme
Streuung in die regionären LK pelvin oder Leiste, keine Fernmetastasen
Tumor wächst in die Beckenwand und/oder das untere Vaginaldrittel und/oder blockiert den Harnabfluss
keine Streuung (N0, M0)
T4
jedes N
M0
IVA
Tumor infiltriert die Mukosa der Blase und/oder des Rektums und/oder überschreitet die Grenzen des kleinen Beckens2)
Streuung in die regionären LK oder nicht, keine Fernmetastasen
jedes T
jedes N
M1
IVB
Tumor streut Fernmetastasen (einschl. pelvine LK-Metastasen), kann Nachbarstrukturen infiltrieren oder nicht
Streuung in die regionären LK oder nicht
Als regionäre Lymphknoten werden für Tumoren der oberen zwei Drittel der Vagina die pelvinen Lymphknoten angesehen (obturatorische, iliakal interne, iliakal externe und nicht näher bezeichnete sonstige pelvine LK). Für Tumoren des unteren Drittels der Vagina werden die inguinofemoralen LK als regionäre LK bezeichnet.
7 Therapie der vaginalen intraepithelialen Neoplasie (VaIN)
7.1 Lokale operative Therapien
Konsensbasiertes Statement 7.S10
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Vor jeder Oberflächentherapie einer VaIN soll ein invasives Karzinom mittels Biopsie(n) möglichst ausgeschlossen werden. Bei zytologischem Verdacht auf Invasion soll keine destruktive Therapie erfolgen, sondern ein exzidierendes Verfahren.
In [Tab. 7 ] werden die optimalen Therapieverfahren bei High-Grade-VaIN in Abhängigkeit vom HPV-Status und von der Lokalisation in der Vagina zugeordnet.
Tab. 7 Therapieoptionen bei High-Grade-VaIN in Abhängigkeit von der Lokalisation.
VaIN
2 – 3 (HSIL)
unteres Drittel
mittleres Drittel
Scheidenblindsack
gesamte Scheide
HPV-induziert
Exzision, PE/Laservaporisation, lokale medik. Therapie
Exzision, PE/Laservaporisation, lokale medik. Therapie
Exzision, PE/Laservaporisation, obere Kolpektomie
Skinning-Resektion Vaginalepithel, Kolpektomie, lokale medik. Therapie
HPV-negativ
Exzision
Exzision
Exzision, obere Kolpektomie
Kolpektomie, Skinning-Resektion Vaginalepithel
Konsensbasierte Empfehlung 7.E21
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Entscheidung darüber, welche der zur Verfügung stehenden leitlinienorientierten Therapieoptionen der VaIN eingesetzt wird, soll individuell getroffen werden.
7.2 Lokale medikamentöse Therapie
Alternativ zu den chirurgischen Verfahren können lokale Therapien eingesetzt werden. Dazu zählen die Therapie mit 5-FU oder Imiquimod (beide im Off-Label-Use). Daneben wird auch über die Anwendung der Brachytherapie berichtet.
Das therapeutische Vorgehen richtet sich u. a. nach den VaIN-Schweregraden ([Tab. 8 ]).
Tab. 8 Therapieempfehlung in Abhängigkeit vom Grad der VaIN.
VaIN 1 (kondylomatöse Läsion)
Low grade squamous intraepithelial lesion LGSIL, flat condyloma
VaIN 2 – 3
High grade intraepithelial neoplasia HGSIL
Beobachtung, in Ausnahmefällen Destruktion, Exzision, Imiquimod lokal (Off-Label-Use)
ausgiebige PEs, danach Destruktion oder chirurg. Entfernung (Exzision, Skinning-Kolpektomie, Laser Skinning Excision, partielle/totale Kolpektomie) oder Radiatio
7.3 Rezidiv- und Progressionsraten
Konsensbasierte Empfehlung 7.E22
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Patientinnen sollen nach therapierter VaIN regelmäßig lebenslang Kontrolluntersuchungen angeboten werden, weil die Rezidivrate einer VaIN hoch ist.
Angaben zu Rezidiv- und Progressionsraten finden sich in der Langversion.
8 Operative Therapie des invasiven Karzinoms
Die Mehrheit der invasiven Vaginalkarzinome wird radio(chemo)therapiert [8 ], [23 ], [24 ], [25 ]. Die lokale operative Behandlung bietet ein Spektrum, das von der lokalen Exzision über die partielle und totale Kolpektomie bis zur vorderen und/oder hinteren Exenteration reicht [26 ].
8.1 Stadium FIGO I
Konsensbasiertes Statement 8.S11
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Vaginalkarzinome im Stadium FIGO I sind einer operativen Therapie zugänglich.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E23
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Im Stadium FIGO I sollten umschriebene Tumoren lokal im Gesunden exzidiert und größere Tumoren mit einer Kolpektomie und ggf. Hysterektomie operiert werden.
8.2 Stadium FIGO II
Konsensbasiertes Statement 8.S12
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Standardtherapie in den Stadien II bis IV ist eine Radio-(chemo-)therapie. Im Stadium IV sind exenterative Verfahren Teil einer individuellen Therapieentscheidung.
8.3 Stadium III/IV
Standardtherapie ist eine Radio-(chemo-)therapie. Bei wanddurchsetzender Infiltration der Nachbarorgane (Blase und/oder Rektum) bleiben in einer individuellen Therapieentscheidung als operative Verfahren die vordere und/oder hintere Exenteration mit Anlegen einer Ersatzblase und/oder eines Anus praeter.
8.4 Plastische Rekonstruktion
Konsensbasierte Empfehlung 8.E24
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Vor einer Kolpektomie sollte die Patientin über die Möglichkeit einer plastischen Rekonstruktion der Vagina informiert werden.
9 Operative Behandlung der Lymphabflusswege
9.1 Einführung
Das Verfahren der Sentinel-Lymphknoten-Darstellung hat bisher keine nennenswerte Rolle in Diagnostik und Therapie der Vaginalkarzinome gespielt. Die Unkenntnis hinsichtlich des individuellen Lymphabflusses beim Vaginalkarzinom begründet den Einsatz für eine Abflussdarstellung durch die Sentinel-Technik. Die derzeitige mutmaßliche Übertherapie unter Einschluss aller regionalen Lymphknotenstationen entweder operativ oder radiotherapeutisch könnte durch die gezielte Darstellung und Biopsie der Sentinel-Lymphknoten individuell reduziert werden.
9.2 Indikation
Die Frage nach einem Staging der Lymphknoten (LK) beim Vaginalkarzinom stellt sich sowohl für Patientinnen mit der Indikation zu einer primären Operation als auch zu einer primären Radio(chemo)therapie. Wenn keine operative Abklärung der Lymphknotengebiete möglich scheint oder von der Patientin nicht gewünscht wird, ist eine primäre Radio-(chemo-)therapie indiziert, ggf. auch unter Einbeziehung des Primärtumorsitzes (s. Kap. 10).
9.3 Lymphabfluss aus der Vagina
Konsensbasiertes Statement 9.S13
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wegen unsicherer Korrelation zwischen Tumorsitz und Lymphabflussrichtung aufgrund der ausgedehnten lymphatischen Anastomosen der Vagina und des kleinen Beckens ist eine sichere Zuordnung von Tumorlokalisation in der Vagina und Lymphabflussrichtung im Einzelfall nicht möglich.
Einzelheiten aus der Literatur werden in der Langversion ausgeführt.
9.4 Lymphatisches Metastasierungsrisiko von Vaginalkarzinomen
Konsensbasiertes Statement 9.S14
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es gibt keine evidenzbasierten Parameter beim Vaginalkarzinom, die mit dem Metastasierungsrisiko eng korrelieren. Als Anhaltspunkt für ein beginnend relevantes Risiko für eine lymphatische Metastasierung kann die Infiltrationstiefe von > 1 mm in Analogie zum Vulvakarzinom angenommen werden.
9.5 Sentinel-Lymphknoten-Verfahren
9.5.1 Einordnung des Sentinel-Verfahrens
Aufgrund fehlender Studien zum Sentinel-Verfahren beim Vaginalkarzinom handelt es sich um ein experimentelles Verfahren beim Vaginalkarzinom. Es gibt jedoch belastbare Hinweise von Untersuchungen bei benachbarten Primärtumoren der Cervix uteri und der Vulva. Ein Fließschema mit dem konventionellen und dem experimentellen Ablauf von Diagnostik und Therapie zeigt [Abb. 1 ], der Ablauf wird in Kap. 9.6 beschrieben.
Abb. 1 Ablaufschema für die Diagnostik und Therapie des Vaginalkarzinoms unter fakultativer Einbeziehung des Sentinel-LK-Verfahrens. [rerif]
9.5.2 Lymphknoten-Mapping mit der Sentinel-Technik
Konsensbasiertes Statement 9.S15
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das Sentinel-Lymphknoten-Mapping hilft als Voraussetzung für die SNB beim Vaginalkarzinom, den Lymphabfluss darzustellen und damit das weitere operative und/oder radiotherapeutische Vorgehen individuell zu planen.
Konsensbasierte Empfehlung 9.E25
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Folgende Rahmenbedingungen sollen bei der Anwendung der Sentinel-Technik beim Vaginalkarzinom eingehalten werden:
Es liegen keine klinisch und/oder bildgebend suspekten Lymphknoten vor.
Der Primärtumor überschreitet nicht einen Durchmesser von 4 cm in der Vaginalebene und infiltriert nicht über die Vagina hinaus (FIGO I).
Es sind keine Voroperationen in den zu behandelnden Lymphabflussregionen abgelaufen.
Die Darstellung erfolgt mit 99m Technetium Nanokolloid.
Bei operativer LK-Suche soll eine Gammasonde eingesetzt werden, als zusätzliche Farbstoffe werden entweder Patentblau oder – insbesondere bei laparoskopischer Suche – Indocyaningrün (ICG) verwendet.
Die entfernten in der HE-Färbung nicht befallenen Sentinel-LK werden in der Pathologie einem Ultrastaging mit Immunhistochemie unterzogen.
Die im Sentinelverfahren nicht dargestellten Lymphabflussgebiete der Leisten und des kleinen Beckens werden systematisch operativ abgeklärt oder in die primäre Behandlung (systematische LNE oder RCTX) einbezogen.
9.5.3 Zur Validität der Sentinel-Lymphknoten-Biopsie
Konsensbasierte Empfehlung 9.E26
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Sentinel-Technik kann eingesetzt werden, wenn die Patientin nach umfänglicher Aufklärung über die begrenzte Aussagekraft der Methode mangels Daten beim Vaginalkarzinom zustimmt.
Konsensbasiertes Statement 9.S16
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Valide Daten für die diagnostische Sicherheit der SNB beim Vaginalkarzinom wird es wegen der Seltenheit der Tumoren auf absehbare Zeit nicht geben.
Eine größere onkologische Sicherheit unter Inkaufnahme einer höheren Nebenwirkungsrate bietet wahrscheinlich die systematische inguinofemorale bzw. pelvine Lymphonodektomie bzw. die Bestrahlung resp. Radio-(chemo-)therapie der entsprechenden Gebiete.
Um das Verfahren der Sentinel-Node-Biopsie beim Vaginalkarzinom bewerten zu können, sollen die Behandlungsdaten und die Krankheitsverläufe aller Patientinnen in Deutschland in einem neuen zentralen Register gesammelt werden („Wissensgenerierende Versorgungsforschung“ der DKG). Dieses „Nationale Interdisziplinäre Register Vaginalkarzinom“ wird von den Fachgesellschaften DGGG, AGO und DEGRO unterstützt. Die Meldung von Fällen mit Vaginalkarzinom soll über die Klinik für Strahlentherapie der Universität Köln (E-Mail-Adresse martina.illig@uk-koeln.de ) erfolgen. Alle Kliniken, die Vaginalkarzinome in der Tumorkonferenz besprechen und dann behandeln, werden aufgerufen, den Kontakt mit der Registerstelle herzustellen.
9.5.5 Bei Planung einer primären Radio-(chemo-)therapie
Konsensbasierte Empfehlung 9.E27
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei primärer Strahlentherapie sollte das Ergebnis im Fall der Anwendung der präoperativen SN-Darstellung und der intraoperativen SN-Biopsie für die Planung der Bestrahlungsfelder berücksichtigt werden.
Wie die Ergebnisse eines Stagings mittels Sentinel-Verfahren diese Situation verbessern können, ist in der Langversion an dieser Stelle nachzulesen.
9.6 Diagnostik und Therapie mit und ohne Einsatz des Sentinel-Verfahrens
9.6.1 Ablaufbeschreibung der Diagnostik und Therapie
Dieses Kapitel beschreibt den empfohlenen Behandlungsablauf bei primären Vaginalkarzinomen mit und ohne Einsatz des Sentinel-Verfahrens, die eingekreisten Ziffern entsprechen den so markierten Schritten in [Abb. 1 ].
9.7 Systematische Lymphonodektomie
Die für das Vaginalkarzinom relevanten Abflussgebiete umfassen pelvine, anorektale und inguinofemorale Lymphknoten. Weit fortgeschritten lymphogen metastasierte Vaginalkarzinome können neben den erwähnten auch die paraaortalen LK betreffen. Eine prätherapeutische systematische LNE des oder der mutmaßlichen oben genannten Abflussgebiete kann analog dem SLN-Verfahren sinnvoll sein, um die Strahlentherapievolumina einer folgenden primären Radio-(chemo-)therapie im Sinne eines Stagings festzulegen. Nachweislich nicht metastatisch befallene Lymphknotenregionen sollten nicht bestrahlt werden.
Bei den pelvinen Lymphknoten wird auch bei einer befallenen Seite immer beidseitig bestrahlt in Anlehnung an das einheitliche Vorgehen bei Beckenlymphknotenmetastasen anderer Primärtumoren (Karzinome der Cervix uteri, Prostata sowie des Endometriums, Rektums, Anus), Für eine Bestrahlung des „Hemipelvis“ fehlen jegliche Daten.
9.8 Operative Reduktion der Tumorlast („Debulking“) vor Radio-(chemo-)therapie
Besteht ein fortgeschrittenes Stadium des Vaginalkarzinoms mit abgegrenzten großen Lymphknotenmetastasen in der Leiste oder im Becken, so ist die Option eines vorgeschalteten operativen „Debulking“ zur Verbesserung des Ansprechens auf eine Radio-(chemo-)therapie zu erwägen. Dabei sind die onkologische Gesamtsituation, die allgemeine Operabilität der Patientin und die lokale Resektabilität sowie die zu erwartende Therapiemorbidität zu berücksichtigen.
Konsensbasierte Empfehlung 9.E28
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das Ablaufschema für die Diagnostik und Therapie des Vaginalkarzinoms ([Abb. 1 ]) sollte der Therapieplanung bei Patientinnen mit Vaginalkarzinom zugrundegelegt werden.
10 Radio-(chemo-)therapie des Vaginalkarzinoms
10.1 Einleitung
Die alleinige Strahlentherapie wird seit vielen Jahrzehnten für die Therapie von Plattenepithel- und Adenokarzinomen der Vagina für lokal begrenzte wie fortgeschrittene Befunde eingesetzt.
Die alleinige Strahlentherapie erzielt hohe lokale Kontrollraten, abhängig vom Tumorstadium von 85 – 95% im FIGO-Stadium I, von 70 – 80% im FIGO-Stadium II und von ca. 50 – 70% in den Stadien FIGO III–IVA [27 ], [28 ], [29 ], [30 ], [31 ].
Einzelheiten zur Dosis-Wirkungs-Beziehung, zu unterschiedlichen Strahlentherapietechniken und zur Zielvolumendefinition werden in der Langversion an dieser Stelle ausgeführt.
10.5 Strahlentherapie der Tumorregion
Bei nicht vollständig resezierten Tumoren sollte eine Nachresektion erwogen werden. Ist diese nicht möglich oder werden unbefriedigende funktionelle Ergebnisse erwartet, sollte eine lokale Strahlentherapie zur Verbesserung der lokalen Kontrolle durchgeführt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 10.E29
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
In der primären Radio-(chemo-)therapie sollte das Zielvolumen den Primärtumor mit Sicherheitssaum mit einer Dosis von > 70 Gy erfassen.
Konsensbasiertes Statement 10.S17
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es gibt keine Evidenz über einen bestimmten minimalen histologischen Sicherheitsabstand des Tumors vom Präparaterand, dessen Unterschreitung die Indikation für eine postoperative Strahlentherapie der ehemaligen Tumorregion darstellt.
Konsensbasierte Empfehlung 10.E30
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Für die R1-Situation und R2-Situation soll, wenn eine Nachresektion nicht möglich ist, eine postoperative Strahlentherapie der Tumorregion empfohlen werden.
10.6 Strahlentherapie der Lymphabflusswege
10.6.1 Leistenlymphknoten
Bei histologisch gesicherten Lymphknotenmetastasen in der Leiste richten sich die Empfehlungen für eine postoperative Radiotherapie nach den Empfehlungen zur Therapie des Vulvakarzinoms. Auf den Einsatz von Elektronenfeldern ist zugunsten einer modernen Strahlentherapieplanung mit Photonen zu verzichten.
10.6.2 Pelvine Lymphknoten
Bei histologisch gesicherten pelvinen Lymphknoten wird eine Strahlentherapie der beidseitigen pelvinen Lymphabflusswege empfohlen. Die Bestrahlung erfolgt immer beidseits, auch wenn nur einseitig Metastasen nachgewiesen wurden.
10.7 Radio-(chemo-)therapie
Konsensbasierte Empfehlung 10.E31
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die primäre Bestrahlung sollte als simultane Radiochemotherapie angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 10.E32
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei vorhandener Indikation zum operativen Lymphknotenstaging, aber nicht durchgeführtem operativen Staging, sollten die Lymphabflussgebiete inguinofemoral und pelvin beidseits in die Bestrahlung einbezogen werden.
Konsensbasierte Empfehlung 10.E33
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Der Einsatz von Cisplatin ± 5-FU bzw. Mitomycin ± 5-FU sollte unter Berücksichtigung von Komorbiditäten, dem Wunsch der Patientin und der klinischen Situation erfolgen.
Konsensbasiertes Statement 10.S18
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Erzielung suffizienter Tumordosen in der primären Strahlentherapie ist entscheidend für den Therapieerfolg. In diesem Zusammenhang ist der Einsatz der Brachytherapie, ggf. in Kombination mit perkutaner Strahlentherapie wichtig.
Konsensbasierte Empfehlung 10.E34
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Analog zum Vorgehen bei Vulvakarzinom sollte die adjuvante Radio-(chemo-)therapie bei R1/R2-Resektion im Tumorgebiet bei Leistenlymphknotenmetastasen in der betroffenen Leiste und bei pelvinen Metastasen beidseits erfolgen.
Die Empfehlung zur simultanen Radiochemotherapie beim Vaginalkarzinom ist eine Übertragung der Erfahrungen mit diesem Verfahren bei anderen Tumoren. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist dies auch für die Therapie des Vaginalkarzinoms in Zentren mit größeren Patientenzahlen zu empfehlen [32 ], [33 ], [34 ].
10.9 Nebenwirkungen der Therapie und deren Prophylaxe und Behandlung
10.9.2 Radiogene Spätnebenwirkungen
Einzelheiten zur therapiebedingten Toxizität und zur Wahl der Bestrahlungstechnik mit ihrem Einfluss auf die Toxizität werden in der Langversion an dieser Stelle ausgeführt.
Symptomatische Maßnahmen wie Behandlung der Diarrhöen, Sitzbäder, Scheidenspülungen und intravaginaler Anwendung von pflegenden Cremes (ggf. mit einem Tampon) zur Vermeidung von Adhäsionen sind sinnvoll. Akutreaktionen sind häufig, heilen aber nach Ende der Bestrahlungen meist folgenlos aus. Wichtige prophylaktische Maßnahmen gegen chronische Narbenfolgen wie Scheidenstenosen sind o. g. konsequente Therapien der Akutreaktionen und der frühe und regelmäßige Einsatz von Scheidendilatatoren vor allem für junge bzw. sexuell aktive Patientinnen [35 ], [36 ], [37 ], [38 ].
10.9.3 Erhalt der Ovarfunktion und/oder Fertilität
Bei jungen Patientinnen sollte auf die Möglichkeit des Erhalts der Ovarfunktion mittels Ovariopexie mit Clipmarkierung und Anwendung modernster Techniken in der Radioonkologie hingewiesen werden [39 ], [40 ], [41 ], [42 ], [43 ]. Zu den Indikationen und Techniken siehe auch AWMF-S2k-Leitlinie „Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen“ [44 ].
11 Systemische Therapie
Die aktuelle Datenlage basiert auf Einzelfallberichten und kleinen Serien, die retrospektiv analysiert wurden. Die therapeutischen Konzepte sind in der Regel von der Therapie eines Zervixkarzinoms abgeleitet.
11.2 Neoadjuvante Chemotherapie
Konsensbasiertes Statement 11.S19
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die neoadjuvante Chemotherapie beim Vaginalkarzinom ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein experimentelles Therapiekonzept.
11.3 Radio-(chemo-)therapie
Konsensbasiertes Statement 11.S20
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Radio-(chemo-)therapie bei Patientinnen mit Vaginalkarzinom wird analog zu den Konzepten bei Zervix- und Vulvakarzinom eingesetzt.
11.4 Chemotherapie im palliativen Setting (Rezidive, sekundäre Metastasierung, primär metastasierende Vaginalkarzinome)
Literaturhinweise auf die wenigen Berichte werden in der Langversion gegeben.
Für die allgemeinen Kapitel 12 Supportivtherapie, 13 Psychoonkologie und Lebensqualität, 14 Rehabilitation sowie 15 Integrative Medizin wird auf die Langversion der Leitlinie auf der Homepage der AWMF verwiesen: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-042.html
16 Nachsorge
Konsensbasierte Empfehlung 16.E35
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Patientinnen mit therapierter HSIL der Vagina sollte eine regelmäßige risikoadaptierte Nachkontrolle lebenslang durchgeführt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 16.E36
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Literatur: adaptiert nach Salani R et al. 2011 [45 ], Dannecker C et al. 2016 [46 ], Oonk MH et al. 2003 [47 ].
Die Nachsorge nach Vaginalkarzinom sollte folgende Routineuntersuchungen umfassen:
Untersuchung
1. – 3. Jahr
4. – 5. Jahr
Ab 6. Jahr
Anamnese
3-monatlich
6-monatlich
jährlich
klinische Untersuchung
3-monatlich
6-monatlich
jährlich
Spekulumeinstellung, Kolposkopie (Zervix/Vagina/Vulva/Anus), Zytologie
3-monatlich
6-monatlich
jährlich
Die Langversion gibt weitergehende Informationen zur klinischen Nachsorgeuntersuchung, zu den vorübergehenden und langfristigen Auswirkungen der Erkrankung und der Therapie, zu Einflüssen des Lebensstils sowie zur psychosexuellen und psychosozialen Nachsorge.
17 Therapie bei lokoregionären Rezidiven und Fernmetastasen
Etwa 90% der Rezidive treten innerhalb der ersten 5 Jahre [8 ], [48 ], [49 ] auf. Etwa 25% aller Rezidive sind lokal oder lokoregionär [48 ].
Bei Fernmetastasen besteht ein palliatives Konzept, vor der Therapieentscheidung bei einem lokoregionären Rezidiv sollten Fernmetastasen ausgeschlossen werden.
17.1 Diagnostik
Bei Verdacht auf ein lokoregionäres Rezidiv sollte folgende Diagnostik durchgeführt werden:
gynäkologische Untersuchung und histologische Sicherung
Bildgebung durch Vaginalsonografie
Bildgebung durch MRT des Beckens [48 ]
Zysto- und Rektoskopie, Ausschluss von Fistelbildungen
Ausschluss von Fernmetastasen durch CT Thorax und Abdomen
Hierbei ist zu bemerken, dass die Primärtherapie nicht selten Langzeitkomplikationen bewirken kann, die ein Rezidiv vortäuschen, insbesondere die Fistelbildung [49 ].
17.2 Therapie des lokoregionären Rezidivs
Konsensbasiertes Statement 17.S21
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Entscheidung zur Therapie des lokalen oder lokoregionären Rezidivs ist abhängig von der Vortherapie, dem Ausmaß des Rezidivs und dem Allgemeinstatus der Patientin. Die Entscheidung wird individuell getroffen, es bestehen die Optionen der Operation, der Radiotherapie, der Radio-(chemo-)therapie oder Best supportive Care.
Konsensbasierte Empfehlung 17.E37
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Entscheidung über das Therapiekonzept der Patientin mit lokalem oder lokoregionärem Rezidiv soll in einem interdisziplinären Tumorboard erfolgen.
Die Langversion formuliert einige Eckpfeiler der Rezidivtherapie, die beachtet werden sollen. Die begrenzten Möglichkeiten der Therapie bei Fernmetastasen werden erläutert.
Für das allgemeine Kapitel 18 Palliativmedizinische Begleitung wird auf die Langversion der Leitlinie auf der Homepage der AWMF verwiesen: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-042.html