Allgemeine Homöopathische Zeitung 2019; 264(04): 36-37
DOI: 10.1055/a-0941-3895
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Nachruf
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Nachruf Professor Dr. Peter F. Matthiessen

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Publication Date:
19 July 2019 (online)

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Abb. 1 Prof. Dr. Peter F. Matthiessen (25.05.1944–30.04.2019)

„Der andere könnte auch Recht haben“1 hieß die Maxime von Peter Matthiessen im Diskurs um den medizinischen Pluralismus. Wie wenige andere hat er sich bis an sein unmittelbares Lebensende für ein pluralistisches Medizinsystem eingesetzt und keine Gelegenheit zum Dialog, aber auch keine Konfrontation, ausgelassen. Das Dialogforum Pluralismus in der Medizin hat er, unter Mitgestaltung des verstorbenen Bundesärztekammerpräsidenten Prof. Dr. Jörg Dietrich Hoppe und anderen Kollegen, von Anfang an mitgeprägt und war bis zuletzt der Sprecher des Kreises.

Peter Matthiessen wurde 1944 in Calw geboren. Er studierte Humanmedizin in Marburg und St. Louis / Missouri, promovierte 1971 an der Universität Marburg und blieb bis 1975 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Anatomie. Es folgten dann die Weiterbildungen zum Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und von 1980–1983 die klinische Oberarzttätigkeit an der Marburger Universitätsklinik. Als die Universität Witten / Herdecke gegründet wurde, übernahm er 1983 als leitender Arzt die Abteilung für Psychiatrie am Gemeinschaftskrankenhaus, 1996 folgte schließlich der Ruf auf den Gerhard-Kienle-Stiftungslehrstuhl für Medizintheorie und Komplementärmedizin, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2009 innehatte.

Für die Homöopathie hat sich Peter Matthiessen, der der Anthroposophischen Medizin nahestand, immer eingesetzt und verstand schon früh, dass beide Therapierichtungen auf politischer Ebene eng miteinander verzahnt waren, mehr als es dem Selbstverständnis entspricht. Zusammen mit Dr. Gudrun Bornhöft führte er das Health Technology Assessment Homöopathie im Rahmen des Schweizer Programmes zur Evaluation der Komplementärmedizin durch, das bis heute als eine der wichtigsten Quellen und Belege für die Wirksamkeit, den Nutzen und die Sicherheit der Homöopathie gilt. Dafür hat er auch unfaire Angriffe erdulden müssen, er ist diesen Konflikten aber immer streitlustig begegnet und hat sich bis zuletzt in Debatten ein- und meist auch durchgesetzt. Noch wenige Monate vor seinem Tod am 30.04.2019, kurz vor seinem 75. Geburtstag, hat er eine wichtige Allianz zur Verteidigung der Homöopathie geschmiedet und die Stellungnahme „Homöopathie und intellektuelle Redlichkeit“ in der Deutschen Zeitschrift für Onkologie verfasst2, die von vielen Hochschullehrern und Vertretern der Komplementärmedizin unterzeichnet wurde. Er warnt darin, dass die Monopolisierung eines einzigen Paradigmas mit der Ausbildung totalitärer Denkstrukturen einhergeht und dass dem Staat nach § 5 Abs. 3 des Grundgesetzes ein Wissenschaftsrichtertum im Sinne der Parteiergreifung für ein bestimmtes Paradigma grundsätzlich untersagt ist. Die Stellungnahme liest sich posthum wie ein gesundheitspolitisches Testament, in dem der medizinische Pluralismus am Beispiel der Homöopathie verteidigt wird.

Die Homöopathie nimmt Abschied von einem bedeutenden und prominenten Fürsprecher und Freund.

Michael Teut