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DOI: 10.1055/a-0944-8597
Schädel-Hirn-Trauma aus neurologischer Sicht
- Epidemiologie
- Klassifikation
- Ätiologie und Pathogenese
- Symptomatik
- Therapie
- Komplikationen
- Rehabilitation
- Hirnverletzungsfolgen
- Psychopathologisches Management
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Die Akutversorgung nach Schädel-Hirn-Trauma (SHT) erfolgt durch Neurochirurgen und bei leichteren Verletzungen und Polytraumata durch Unfallchirurgen. In der Akutphase werden Neurologen häufig konsiliarisch hinzugezogen zur Erhebung, Dokumentation und Bewertung von klinisch-neurologischen und neurophysiologischen Befunden sowie zur Prognoseabschätzung einschließlich der Hirntoddiagnostik. Die Rehabilitation nach SHT ist die Domäne interdisziplinärer Teams unter in der Regel neurologischer Leitung. In die ambulante Behandlung von Beschwerden nach leichtem SHT und in die langfristige Betreuung bei verbleibenden Dauerschäden sind Neurologen meist konsiliarisch eingebunden.
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Schlüsselwörter
Schädel-Hirn-Trauma - traumatische intrakranielle Blutung - traumatische axonale Schädigung - KomplikationenAbkürzungen
Epidemiologie
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes [1] wurden im Jahr 2016 in Deutschland 282 678 Personen mit der Hauptdiagnose eines SHT vollstationär behandelt, davon über 80% mit einer Commotio cerebri. Diese Häufigkeit kann hinterfragt werden, weil viele leichte Traumata in Unfallchirurgien ohne klinisch-neurologische Diagnostik versorgt werden, meist genügen ein CT bei Aufnahme und ein im Weiteren aus unfallchirurgischer Sicht unauffälliger Verlauf.
Häufigkeitsgipfel des SHT gibt es im Kleinkindes- und Jugendalter sowie bei Senioren über 75 Jahre. Mittlerweile sind Stürze die häufigste Ursache, Kfz-Unfälle haben über die Jahre ab-, Zweiradunfälle zugenommen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes starben 2015 5628 Personen mit der Hauptdiagnose eines SHT.
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Klassifikation
Die Diagnose nach ICD-10 S06 (intrakranielle Verletzung) setzt Symptome einer Hirnbeteiligung voraus ([Tab. 1], [Tab. 2]).
Schlüsselnummer |
Subkategorie |
---|---|
Bei den Subkategorien S06.0 bis S06.9 ist ein Bewusstseinsverlust mit einer zusätzlichen Schlüsselnummer aus S06.7 zu verschlüsseln. |
|
S06.0 |
Gehirnerschütterung (Commotio cerebri) |
S06.1 |
Traumatisches Hirnödem |
S06.20 – 28 |
Diffuse Hirnverletzung – großer Hirngewebebereich betroffen |
S06.30 – 38 |
Umschriebene Hirnverletzung – begrenzter oder umschriebener Hirngewebebereich betroffen |
S06.4 |
Epidurale Blutung |
S06.5 |
Traumatische subdurale Blutung |
S06.6 |
Traumatische subarachnoidale Blutung |
S06.7-! |
Bewusstlosigkeit bei Schädel-Hirn-Trauma; das Ausrufezeichen markiert eine obligatorische Sekundärdiagnose |
|
Weniger als 30 Minuten |
|
30 Minuten bis 24 Stunden |
|
Mehr als 24 Stunden, mit Rückkehr zum vorherigen Bewusstseinszustand |
|
Mehr als 24 Stunden, ohne Rückkehr zum vorher bestehenden Bewusstseinszustand |
|
Dauer nicht näher bezeichnet |
S06.8 |
Sonstige intrakranielle Verletzungen |
S06.9 |
Intrakranielle Verletzung, nicht näher bezeichnet |
Eine Klassifikation leichter SHT im Sport wurde 1997 von der American Academy of Neurology vorgestellt [2], später aber zugunsten einer checklistengestützten Diagnostik durch entsprechend geschultes Hilfspersonal wieder aufgegeben ([Tab. 2]). Sie sollte vor allem eine „second Impact Injury“ verhindern helfen (s. u.).
Einteilung |
Kennzeichen |
---|---|
Grad 1 |
|
Grad 2 |
|
Grad 3 |
|
Eine Studie an Boxern konnte zeigen, dass bei Grad-3-Kommotionen Defizite vor allem der Aufmerksamkeit und von Gedächtnisleistungen über 3 – 7 Tage nachweisbar waren [3].
Eine Kasuistik soll das leichte sportassoziierte SHT illustrieren (s. [Fallbeispiel 1]).
F: „Bei Ihrem Zusammenprall mit dem Argentinier (…) in der 17. Minute erlitten Sie eine Gehirnerschütterung mit Bewusstseinsstörungen. Von dieser Szene an bis zu Ihrer Auswechslung knapp eine Viertelstunde später wissen Sie nichts?“
A: „Null. Ich dachte, wenn ich mir die Fernsehbilder anschaue, kommt was zurück. Da kam aber nichts.“
F: „Teamarzt und Physiotherapeut waren schnell bei Ihnen.“
A: „Und man sieht auf den Fernsehbildern, dass ich total normal wirke.“
F: „Sie haben dann eine Viertelstunde lang vollkommen normal weitergespielt.“
A: Aber ich war wahrscheinlich in dieser Welt nicht richtig drin: Ich habe am Spiel teilgenommen, war aber nicht wirklich da.“
(Der Spiegel 34/2014) [4]
Die Erinnerung setzt erst wieder in der Kabine ein.
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Ätiologie und Pathogenese
Gewalteinwirkungen auf den Schädel können für das Gehirn unterschiedliche Folgen haben. Schädelbrüche absorbieren Energie und vermindern dadurch die Gewalteinwirkung auf das Gehirn. Bei Impressionsfrakturen, insbesondere Schusswunden, kann eindringender Knochen zu umschriebenen Zerstörungen führen. Außerdem können Frakturen in Verbindung mit Zerreißungen der Hirnhäute eine Eintrittspforte für Keime, meist aus den Nasennebenhöhlen, darstellen („offene Hirnverletzung“, „Liquorfistel“).
Verletzungsmechanismen beim gedeckten Schädel-Hirn-Trauma
Beim gedeckten SHT können mehrere Verletzungsmechanismen unterschieden werden:
Die fokale Schädigung unterhalb des Ortes der Gewalteinwirkung. Diese Kontusion wird in der traumatologischen Literatur als „Coup“ bezeichnet.
Die lokale Gewalteinwirkung löst im Gehirn eine Stoßwelle aus, die ungefähr gegenüberliegend am starren Schädel durch lokalen Über- und Unterdruck im Gehirn eine weitere Kontusion bewirken kann („Contrecoup“). Bei Coup und Contrecoup kommt es nicht nur zu Quetschungen des Gehirngewebes, sondern auch zu Gefäßzerreißungen und Blutungen, die ihrerseits Gewebeschäden nach sich ziehen. Coup- und Contrecoup-Läsionen finden sich vor allem orbitofrontal, frontopolar und temporal.
Die durch das Gehirn laufende Stoßwelle entspricht einer Abfolge von Fronten mit Unter- und Überdruck, die zu Dehnungen und Zerreißungen von mehr oder weniger senkrecht zur Welle stehenden Axonen und Gefäßen führen. Außerdem hat eine rotationale Komponente der Gewalteinwirkung („Effait“) Scherkräfte an Grenzflächen unterschiedlicher physikalischer Dichte zur Folge, wie an den Übergängen zwischen grauer und weißer Substanz. Die hervorgerufene Pathologie wird als „traumatische axonale Schädigung“ (häufig fälschlich „diffuse axonal Injury“, die Schädigung ist multifokal, nicht diffus) bezeichnet.
Prädilektionsorte im Großhirn sind ebenfalls Frontal- und Temporallappen. Im CT finden sich meist erst nach mehr als 8 Stunden kleine Hyperdensitäten in Rindennähe, die Blutungen aus eingerissenen Kapillaren entsprechen ([Abb. 1]). Das MRT kann je nach Sequenz hyper- und hypodense Läsionen (Blutungen und kleine fokale Ödeme) darstellen. Suszeptibilitätsgewichtete Sequenzen können auch im chronischen Stadium hämosiderinhaltige Läsionen nachweisen ([Abb. 2]).




Beim intakten Schädel kann ein Druckausgleich des Über- und Unterdrucks der Stoßwelle nur über das Hinterhauptloch erfolgen. Dies führt zu einer besonderen mechanischen Belastung von Mittelhirn und Hirnstamm mit der makropathologischen Folge „traumatischer Mittelhirnblutungen“.
Die prognostische Bedeutung von Mittelhirn- und Hirnstammläsionen wurde durch MR-tomografische Untersuchungen belegt [5].
Mittelhirn- und Hirnstammsymptome prägen die Symptomatik nach schweren Hirntraumata:
-
Tetraspastik,
-
Ataxie,
-
Dysarthrie,
-
psychomotorische Verlangsamung.
Sekundärschäden entstehen durch traumatische Hirnschwellung, Hirnödem, raumfordernde Blutungen (epidural, subdural, subarachnoidal, intrazerebral), im Weiteren dann durch Krampfanfälle, Hypoxie, Hypotension und Infektionen (s. [Fallbeispiel 2]).
Ein bekannter Sportler stürzt beim Skifahren und schlägt mit behelmtem Kopf gegen Stein, Helm birst. An Unfallstelle ansprechbar (klinisch initial am ehesten Commotio). Transport im Helikopter.
Zwischenlandung zur Intubation (Epiduralhämatom? Hypoxie?).
Notoperation (Epiduralhämatom?), nach Entlastung intrazerebrale Blutungen, wohl aus bis dahin komprimierten Gefäßen.
Wochenlange Beatmung, monatelange Frührehabilitation in Universitätsklinik.
Outcome unbekannt.
(Die Darstellung stützt sich ausschließlich auf allgemein zugängliche Veröffentlichungen.)
Es ist tierexperimentell belegt, dass die axonale Schädigung in einer biochemischen Kaskade verläuft, deren Endpunkt ein Axonuntergang ist (Infobox 4). Bei leichterer Schädigung kommt es zu einem vorübergehenden und umkehrbaren Funktionsverlust, der mit einer erhöhten Vulnerabilität für ein weiteres Trauma einhergeht („second Impact Injury“).
Die neurometabolische Kaskade der axonalen Schädigung nach SHT stellt [Tab. 3] dar (nach [6] aus [7]). Bis zu Stufe 7 ist der Schaden prinzipiell reversibel und führt nur zu vorübergehenden Funktionsstörungen.
Stufe |
Kennzeichen |
---|---|
Quelle: Nach McCrea MA. Mild traumatic brain injury and postconcussion syndrome. New York: Oxford University Press; 2008 [6]; aus Wallesch CW, Kulke H. Schädel-Hirn-Trauma. Neurologische Rehabilitation und Neuropsychologie. Stuttgart: Kohlhammer; 2017 [7] |
|
1 |
unspezifische Depolarisation und Auslösung von Aktionspotenzialen |
2 |
Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter |
3 |
massiver Kaliumausstrom aus der betroffenen Axonregion |
4 |
verstärkte Aktivität der Membranionenpumpen, um die Homöostase wiederherzustellen |
5 |
vermehrte Glukoseutilisation zur ATP-Generierung, um den Energiebedarf der Ionenpumpen zu decken; Voraussetzung ist ein ausreichendes Glukoseangebot |
6 |
Laktatakkumulation |
7 |
Kalziumeinstrom in die Zelle mit der Folge einer mitochondrialen Funktionsstörung und dadurch Beeinträchtigung des oxidativen Metabolismus |
prinzipielle Reversibilität der Schädigung bis Stufe 7 |
|
8 |
verminderte ATP-Produktion |
9 |
Aktivierung von Calpain und Initiierung der Apoptose irreversible Schädigung |
MR-spektroskopische Daten von Sportlern mit erlittener Gehirnerschütterung dokumentieren metabolische Veränderungen über Tag 14 hinaus [8]. Im chronischen Stadium lassen sich mittels Diffusion Tensor Imaging auch nach leichteren SHT Axonverluste nachweisen, die mit kognitiven Defiziten korrelieren [9].
Die traumatische Hirnschwellung entsteht bei schwereren SHT durch Volumenzunahme der Nerven- und Gliazellen in den ersten wenigen Stunden, das posttraumatische Ödem mit Zunahme der extrazellulären Flüssigkeit erreicht seinen Höhepunkt nach ca. 12 Stunden, woran sich eine tagelange Plateauphase anschließen kann. Blutungen ziehen im Verlauf regionale Ödeme nach sich.
Weitere Ursachen sekundärer Schäden sind systemische Hypoxie und Hypotonie sowie anhaltende Krampfanfälle.
Hirnschwellung, Ödem und raumfordernde Blutungen erhöhen durch die intrakranielle Volumenzunahme den Hirndruck und senken dadurch den zerebralen Perfusionsdruck.
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Typen traumatischer Hirnblutungen
Bei den traumatischen Hirnblutungen lassen sich die folgenden Typen unterscheiden:
Epiduralhämatom
Bei epiduralen Hämatomen handelt sich meist um Blutungen aus einer Hirnhautarterie (typischerweise A. meningea media bei parietaler Fraktur). Da die Dura an den Schädelnähten fixiert ist, hat das Hämatom in der Bildgebung meist eine konvexe Form ([Abb. 3]). Als arterielle Blutungen nehmen epidurale Hämatome rasch an Volumen zu und führen binnen Minuten zu Hirndruck.


Bei neurochirurgischer Evakuation innerhalb von maximal 2 Stunden ist die Prognose epiduraler Hämatome günstig. Da ihnen in der Regel eine Fraktur zugrunde liegt, die kinetische Energie bindet, ist die initial erlittene Hirnschädigung häufig gering.
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Subduralhämatom
Ursache subduraler Hämatome ([Abb. 4]) ist meist der Einriss von Brückenvenen, die zwischen Dura und Arachnoidea verlaufen. Menschen mit Hirnatrophie sind vermehrt gefährdet, weil bei ihnen die Brückenvenen angespannt sind.
Risikofaktoren sind
-
Alter,
-
Alkoholabusus sowie
-
angeborene oder erworbene (Antikoagulation) Gerinnungsstörungen.


Da es sich um venöse Blutungen handelt, verläuft der Druckanstieg langsamer als beim Epiduralhämatom. Mehrzeitige Blutungen/Nachblutungen sind häufig. Der Zerfall der großen Hämoglobinmoleküle zu kleineren Molekülen führt zu einem osmotischen Sog und damit zu weiterer Volumenzunahme infolge zunehmender Raumforderung.
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Subarachnoidalblutung
Traumatische Subarachnoidalblutungen entstehen aus Zerreißungen von Hirnoberflächengefäßen und weisen daher auf eine strukturelle Hirnverletzung hin ([Abb. 5]). Anders als spontane Subarachnoidalblutungen befinden sie sich meist über der Konvexität. Vasospasmen können zu Infarzierungen als Sekundärschaden führen.


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Intrazerebrale Blutung
Intrazerebrale Hämatome entstehen durch Zerreißungen von Gefäßen des Hirnparenchyms infolge der oben beschriebenen Stoßwelle oder im Rahmen von Kontusionen. Bei Verletzung von Arterien sowie bei Vorliegen von Gerinnungsstörungen kann es zu raumfordernden Blutungen und dadurch Sekundärschäden kommen. Intrazerebrale Hämatome entwickeln sich häufig verzögert aus Sickerblutungen im Bereich von Kontusionen, häufig auch nach Entlastung von epi- und subduralen Hämatomen (s. [Fallbeispiel 2]).
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Symptomatik
Kardinalsymptome einer Hirnbeteiligung beim gedeckten SHT sind Bewusstseinsstörung und amnestische Lücke. Bei offenen Schädel-Hirn-Traumata, insbesondere bei Schussverletzungen, können diese wegen des Druckausgleichs über die Verbindung zum Außenraum fehlen („Contusio sine commotio“).
Umschriebene Hirnschädigungen führen zu fokalen Symptomen, die ebenfalls für das Vorliegen einer substanziellen Hirnverletzung beweisend sind.
Bewusstseinsstörung
Bewusstseinsstörungen nach SHT können quantitativer und qualitativer Natur sein: Quantitative Bewusstseinsstörungen reichen von leichter Benommenheit über Somnolenz bis zum Koma. Zwar korrelieren Dauer und Schwere der Bewusstseinsstörung beim gedeckten SHT mit der Prognose, eine kurzdauernde Bewusstlosigkeit schließt jedoch erhebliche Hirnverletzungen nicht aus.
Qualitative Bewusstseinsstörungen äußern sich als Delir/Verwirrtheitszustand, Orientierungsstörungen, Halluzinationen, illusionäre Verkennungen und psychomotorische Unruhe. Sie sind häufig mit Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus assoziiert.
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Amnesie
SHT führen mit wenigen Ausnahmen zu anterograden und retrograden Amnesien, die im Verlauf eine Tendenz zur zeitlichen Schrumpfung zeigen. Die verbleibende posttraumatische Amnesie korreliert mit der Schwere der Hirnverletzung. Retrograde und anterograde Amnesie betreffen unterschiedliche neuropsychologische Funktionen:
-
die retrograde den Abruf bereits gespeicherter Inhalte,
-
die anterograde die Enkodierung und/oder Speicherung und/oder den Abruf neu aufgenommener Informationen.
Enkodierung und Transfer in den Langzeitspeicher erfolgen über den Hippocampus, die Speicherung neokortikal. Der Abruf ist von der Funktion präfrontaler und anterior temporaler Areale abhängig. Die genannten Strukturen liegen in Prädilektionsorten sowohl fokaler Kontusionen als auch der traumatischen axonalen Schädigung. Die anterograde Amnesie erstreckt sich häufig auch über Zeiträume, in denen der Patient wieder ansprechbar war, z. B. die Untersuchung in der Notaufnahme (s. auch [Fallbeispiel 1]).
Innerhalb der akuten posttraumatischen Phase kann auch nach leichteren SHT eine transiente globale Amnesie (TGA) auftreten [10] (s. [Fallbeispiel 3]).
Ein junger Mann brachte eine sich heftig wehrende junge Frau in die psychiatrische Notaufnahme. Der diensthabende Psychiater zog den Neurologen hinzu. Die Frau gab an, den Mann noch nie gesehen zu haben, der Mann, dass seine Ehefrau nach einem Sturz mit Kopfverletzung verwirrt sei. Die Frau und der Mann gaben für die Patientin unterschiedliche Nachnamen an. Auf die Frage, welches Jahr wir hätten, lagen die Angaben der beiden 5 Jahre auseinander. Die Frau stellte immer wieder Orientierungsfragen: Wer ist der Mann? Wo bin ich hier?, deren Antwort sie prompt vergaß und die sie dann erneut stellte.
Es stellte sich heraus, dass die beiden sich vor 3 Jahren kennengelernt und vor 2 Jahren geheiratet hatten, was für die Frau in die amnestische Lücke fiel. Der Zustand hielt wenige Stunden an, für den Zeitraum der TGA bestand eine Amnesie. Nach Ablauf der TGA war die Patientin neurologisch und orientierend neuropsychologisch unauffällig.
Eine fachneurologische Untersuchung einschließlich orientierend neuropsychologischer/verhaltensneurologischer Diagnostik innerhalb der ersten Woche nach Trauma verbessert die Identifikation von Patienten mit struktureller Hirnschädigung bei als unauffällig befundeter Bildgebung (häufig nur ein CT bei Aufnahme).
Bis zu der Hälfte der Patienten mit bleibender Hirnschädigung sollen bei rein unfallchirurgischer Versorgung unerkannt bleiben.
Es wird daher grundsätzlich eine neurologische oder neurochirurgische Untersuchung in den ersten Tagen nach SHT empfohlen.
Dabei kann auch die Ableitung eines EEG und der Nachweis einer Dynamik von Allgemeinveränderung oder Herdbefunden im Verlauf ein sensibler Indikator für eine Hirnschädigung sein, sofern medikamentöse Einflüsse und Vigilanzstörungen ausgeschlossen wurden [11].
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Schweres Schädel-Hirn-Trauma
Klinische Hinweise auf ein schweres SHT sind in der Akutphase
-
anhaltendes Koma,
-
eine neurologische Halbseitensymptomatik,
-
pathologische Reflexe der Babinski-Gruppe und
-
vor allem Hirnstammsymptome wie
-
Ausfall von Hirnstammreflexen (Pupillenweite, Pupillenreaktion),
-
Beuge- und Strecksynergismen,
-
Veränderungen des Atmungstyps (Maschinenatmung, ataktische Atmung, Schnappatmung).
-
Bei schweren SHT helfen somatisch evozierte Potenziale bei der Prognosestellung. Der beidseitige Verlust später Komponenten signalisiert eine ungünstige Prognose [12]. Auch bestimmte EEG-Befunde, z. B. ein Burst-Suppression-Muster, sind prognostisch ungünstig.
Symptome einer Hirnbeteiligung bei Schädel-Hirn-Trauma
-
beobachtete Bewusstlosigkeit oder Bewusstseinsstörung (wenn keine iatrogene Ursache durch z. B. Sedation vorliegt)
-
neurologische Herdsymptome
-
Krampfanfall
-
anamnestische Angabe einer amnestischen Lücke
-
Darstellung in der Bildgebung:
-
Sensitivität des CT nimmt in den ersten 12 Stunden zu
-
MRT sensitiver als CT
-
-
Herdbefund oder Allgemeinveränderung im EEG mit zeitlicher Dynamik
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Therapie
Die Initialbehandlung nach SHT ist in den Leitlinien „Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter“ (AWMF 008-001, [13]) und „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ (AWMF 012-019, [14]) beschrieben. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass Kortikosteroide in der Akutbehandlung des SHT unwirksam sind [15].
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Komplikationen
Hirnschwellung, Hirnödem, Hirndruck
In der ersten Stunde nach SHT kann bei schwereren Traumata eine Hirnschwellung durch Volumenzunahme der Nerven- und Gliazellen entstehen. Das posttraumatische Ödem entwickelt sich in den ersten Stunden nach SHT und erreicht seinen Höhepunkt nach 12 Stunden, woran sich eine tagelange Plateauphase anschließen kann. Da das intrakranielle Volumen durch den Schädel begrenzt ist, kommt es zu einem intrakraniellen Druckanstieg.
Klinisch zeigt sich beim nicht sedierten und relaxierten Patienten der Hirndruck an einer Verschlechterung der Bewusstseinslage und Hirnstammsymptomen wie Beuge-Streck- und Streck-Streck-Synergismen, Veränderungen der Pupillenweite und des Atemtyps.
Wenn das Hirnödem und damit die Volumenzunahme nur das Großhirn betrifft, kann es zu einer Verlagerung des medialen Temporallappens in den Tentoriumschlitz mit der Folge einer Kompression der Hirnschenkel (Folge: kontralaterale Hemiparese), der okulomotorischen Nerven, des Mittelhirns und der Brücke kommen (innere Herniation). Bei Hirndruck in der hinteren Schädelgrube kann ein Vorfall der Kleinhirntonsillen in das Hinterhauptloch mit der Folge einer Atemlähmung oder hohen Rückenmarkkompression auftreten (Behandlungsmöglichkeiten s. u.: [Infobox „Therapie“]).
Bei einer Kompression des Mittelhirns treten Beuge-Streck-Synergismen entweder spontan oder auf Reize auf. Diese Haltung mit gebeugten Armen und gestreckten Beinen wird auch als „Dekortikationshaltung“ beschrieben, sie entspricht dem Lähmungsmuster nach Großhirnschädigung. Das Haltungsmuster des Streck-Streck-Synergismus mit gestreckten Armen und Beinen wurde früher als „Dezerebrationshaltung“ bezeichnet, es markiert den Übergang vom Mittelhirn- zum Bulbärhirnsyndrom und weist auf eine akute Lebensgefahr hin. Beim Übergang zum Bulbärhirnsyndrom vertieft sich zunächst die Atmung bis hin zur Hyperventilation in der „Maschinenatmung“, wird dann unkoordiniert („ataktische Atmung“), bis schließlich die Schnappatmung ein finales Stadium anzeigt.
Der zunehmende Ausfall von Mittelhirn- und Hirnstammfunktionen zeigt sich im EEG mit einer zunehmenden Allgemeinveränderung bis hin zum sich über ein Burst-Suppression-Muster (Bursts von EEG-Aktivität mit zwischenzeitlicher Nulllinie) entwickelnden Nulllinien-EEG sowie in einem Ausfall der somatosensibel evozierten Potenziale (die die Integrität der Hirnstamm-Großhirn-Achse erfassen) und der späteren akustisch evozierten Potenziale.
-
Oberkörperhochlagerung um etwa 30 Grad – wirkt binnen Minuten.
-
Kontrollierte Hyperventilation bei beatmeten Patienten mit Absenken des CO2-Partialdrucks und reflektorischer Vasokonstriktion.
-
I. v. Gabe von hyperosmolaren Lösungen (Mannit oder Sorbit) – wirkt binnen Minuten, aber nur für wenige Stunden, danach Ausschleichen wegen Rebound.
-
chirurgische Dekompression als individueller Heilversuch bei uneindeutiger Studienlage
-
Hypothermie – Wirkung nicht belegt, erhöht die Pneumonierate.
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Posttraumatischer Hydrozephalus
Besonders gefährdet sind Patienten mit Blutungseinbruch ins Ventrikelsystem sowie mit traumatischen Subarachnoidalblutungen. Pathophysiologisch handelt es sich um einen Hydrocephalus malresorptivus ausgelöst durch Verklebungen der Arachnoidalzotten im Bereich des Sinus sagittalis superior.
Klinisch kennzeichnen den posttraumatischen Hydrozephalus eine ausbleibende Besserung oder sekundäre Verschlechterung vor allem von Aufmerksamkeitsfunktionen und psychomotorischer Geschwindigkeit. Diagnosesichernd sind Besserungen nach u. U. wiederholten ausgiebigen Liquorentnahmen [16].
Zur Früherkennung wird ein cCT 6 Wochen nach schwererem Trauma mit intrakraniellen Blutungen empfohlen.
Die Therapie erfolgt durch Shuntanlage.
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Epileptische Anfälle
Man unterscheidet Früh- (innerhalb einer Woche) und Spätanfälle (danach). Frühanfälle sind Ausdruck der akuten Verletzung und stellen einen Risikofaktor für das Auftreten einer posttraumatischen Epilepsie dar. Sie dürfen nicht mit Beuge-Streck- und Streck-Streck-Synergismen verwechselt werden, die Ausdruck einer oberen bzw. unteren Hirnstammschädigung meist infolge von Hirndruck sind. Ob ein einzelner Frühanfall – abgesehen von einer evtl. medikamentösen Anfallsdurchbrechung – einen hinreichenden Grund für eine auch nur vorübergehende antiepileptische Behandlung darstellt, wird unterschiedlich gehandhabt.
Spätanfälle in Verbindung mit einer strukturellen Hirnschädigung sind als erstes Ereignis einer posttraumatischen Epilepsie zu werten und legen auch bei einmaligem Ereignis eine evtl. vorübergehende antiepileptische Behandlung nahe.
Wesentliche Risikofaktoren für das Auftreten einer posttraumatischen Epilepsie sind
-
intrakranielle Hämatome,
-
Impressionsfrakturen mit offener Hirnverletzung sowie
-
Frühanfälle.
Ein erhöhtes Risiko besteht außerdem bei
-
fokalen neurologischen Ausfällen,
-
Alter über 30 Jahren,
-
Bewusstlosigkeit über 5 Minuten,
-
männlichem Geschlecht,
-
Alkoholabusus.
(nach [17])
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Liquorfistel und Meningitis
Beim offenen SHT können Durarisse Eintrittspforten für Bakterien darstellen. Prädilektionsorte sind die Frontobasis und der Bereich des Felsenbeins mit nahegelegenen Nebenhöhlen. Hinweisend sind intrakranielle Lufteinschlüsse im CT und eine Rhinoliquorrhö. Im Verdachtsfall führen szintigrafische und HNO-endoskopische Untersuchungen zur Diagnose des Lecks.
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Neuroendokrine Störungen
Schwerere SHT betreffen häufig auch den Hypothalamus und die Hypophyse.
Beim Diabetes insipidus ist die Produktion von antidiuretischem Hormon vermindert, der Urin wird nicht ausreichend konzentriert, der Körper verliert Wasser, und es kommt zur Hypernatriämie. Beim Durstversuch steigt die Urinosmolarität nicht oder nur vermindert an (Therapie: ADH).
Infolge eines SHT kann es auch zu vermehrter Ausschüttung von in der Hypophyse gespeichertem ADH mit den Folgen von Hypervolämie und dadurch Hyponatriämie kommen (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion – SIADH).
Beim zerebralen Salzverlustsyndrom kommt es zur vermehrten Ausschüttung zerebraler natriuretischer Peptide mit Flüssigkeits- und Natriumverlust sowie Hypovolämie und Hyponatriämie (Therapie: Salzzufuhr und Fludrocortison).
Alle drei genannten Störungen des Wasser- und Elektrolythaushaltes können lebensbedrohliche Ausmaße annehmen.
Schließlich kann es nach schweren SHT akut oder auch im Verlauf zu einer traumatischen Hypophyseninsuffizienz, meist mit sekundärer Hypothyreose und Hypocortisolismus kommen [18]. Klinisch hinweisend sind
-
Diabetes insipidus,
-
Gewichtsverlust sowie
-
Antriebsmangel und Aufmerksamkeitsstörungen.
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Rehabilitation
Die neurologische Rehabilitation nach SHT wie auch nach anderen Krankheiten gliedert sich in Deutschland in 6 Phasen ([Tab. 4]).
Einteilung |
Kennzeichen |
---|---|
Phase A |
Behandlung in der Akutklinik. |
Phase B |
Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen, mit dem Ziel, die Rehabilitationsfähigkeit zu erlangen. Die Phase B ist dem akutstationären Sektor zugeordnet und verfügt in Deutschland über mehr als 6000 Betten, dies entspricht einem Viertel der Akutneurologie. |
Phase C |
Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der die Patienten bereits in der Therapie mitarbeiten können, in der sie aber noch kurativmedizinisch und mit hohem pflegerischem Aufwand betreut werden müssen. Ziel ist Selbstständigkeit in ADL. |
Phase D |
Rehabilitationsphase nach Abschluss der Frühmobilisation. Ziel: soziale und ggf. berufliche Teilhabe. |
Phase E |
Behandlungs- und Rehabilitationsphase nach Abschluss einer intensiven medizinischen Rehabilitation – nachgehende Rehabilitationsleistungen und berufliche Rehabilitation. |
Phase F |
Behandlungs-/Rehabilitationsphase, in der dauerhafte unterstützende, betreuende und/oder zustandserhaltende Leistungen erforderlich sind. |
Die Prognose nach SHT ergibt sich wie nach anderen akuten Hirnschädigungen aus den in der [Übersicht] zusammengefassten Faktoren.
Die Prognose nach SHT ist abhängig von:
-
Art und Ausmaß der initialen Schädigung,
-
Komplikationen,
-
Komorbiditäten,
-
Intensität und Dauer der Therapie,
-
Aktivierung individueller Ressourcen:
-
kognitiv,
-
motorisch,
-
sozial,
-
finanziell.
-
Bei der Rehabilitation nach SHT stehen häufig neuropsychologische Beeinträchtigungen im Vordergrund.
Zur Darstellung der Rehabilitation nach SHT sei auf [7] sowie die Leitlinien „Aufmerksamkeitsstörungen: Diagnostik und Therapie“ (AWMF 030-135, [21]), „Diagnostik und Therapie von Gedächtnisstörungen“ (AWMF 030-124, [22]) und „Exekutive Dysfunktionen bei neurologischen Erkrankungen“ (AWMF 030 – 125, [23]) verwiesen.
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Hirnverletzungsfolgen
Schweres Schädel-Hirn-Trauma
Sehr schwere Hirnverletzungen können dauerhaft in ein apallisches Syndrom (Syndrom reaktionsloser Wachheit, „Wachkoma“) einmünden. Dabei ist das Ausmaß der Hirnstammschädigung prädiktiv [5]. Der Zustand minimalen Bewusstseins („minimally conscious State“, MCS) ist gegenüber dem apallischen Syndrom gekennzeichnet durch den eindeutigen und reproduzierbaren Nachweis von Selbst- und Umweltbewusstsein [24]. Der letzte Punkt ist in der Praxis am bedeutsamsten, die anderen eher trivial.
-
Befolgen einfacher Kommandos.
-
Gestische oder verbale Bejahung und Verneinung.
-
Verständliche Verbalisationen.
-
Zielgerichtetes Verhalten: Bewegungen oder Affektäußerungen, die in Zusammenhang mit Umweltstimuli stehen und nicht auf Reflexaktivität zurückzuführen sind (z. B. Blickfixation, Blickwendung, aber auch vegetative Reaktion auf Angehörige).
(nach [24])
Mittels funktioneller Neurophysiologie (z. B. P300) und funktioneller Bildgebung können kognitive Prozesse auch ohne beobachtbares Verhalten im klinisch festgestellten apallischen Syndrom bei einigen Patienten dargestellt werden. Auch diese Befunde sind als Ausdruck eines MCS zu werten und sollten verstärkte Therapieanstrengungen nach sich ziehen.
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Mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma
Auch jenseits des MCS, also bei nicht ganz so schweren Traumafolgezuständen, stehen die Folgen der Hirnstammschädigung im Vordergrund (s.[ Infobox]).
-
psychomotorische Verlangsamung
-
Tetraspastik
-
Hypokinese
-
Ataxie
-
Dysarthrie
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Leichtes Schädel-Hirn-Trauma
Bei leichteren SHT dominieren neuropsychologische Defizite von Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen, des Antriebs, der psychomotorischen Geschwindigkeit und des Sozialverhaltens [25]. Die differenzierte Erfassung und Therapie von Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen ist eine Domäne der klinischen Neuropsychologie. Betroffene klagen vor allem über Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprobleme. Bei nur leicht Betroffenen findet sich häufig eine vermehrte Ablenkbarkeit. Aufmerksamkeitsstörungen können zur Fahruntauglichkeit führen, die Fahrerlaubnisverordnung schreibt eine Batterie neuropsychologischer Tests zur Fahrtauglichkeitsdiagnostik vor.
Unter den Exekutivfunktionen können Steuerungs- und Planungsfähigkeit, Impulskontrolle, die Fähigkeiten zu kategorisieren und zu abstrahieren, zu Kritik und Selbstkritik, zum Wechsel zwischen Handlungen, zur Problemlösung sowie die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen („Theory of Mind“, Empathie) betroffen sein, die psychometrisch schwer zu erfassen sind. Hier, wie auch bei Störungen des Sozialverhaltens, geben Fremdanamnese und Verhaltensbeobachtung wertvolle Hinweise.
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Psychopathologisches Management
Die Betreuung und Begutachtung von Patienten nach SHT erfordert beim Neurologen psychopathologische Kompetenzen. Häufig ist die Gabe der psychopathologischen Beobachtung und Analyse gut ausgeprägt, es hapert aber an Worten. Hierbei hat sich beim Autor die Neurobehavioural Rating Scale [28] als Folie für einen neuropsychopathologischen Befund bewährt (s. [Infobox]). Es ist zu beachten, dass die Skala primär auf Patienten mit akuten Hirnverletzungen zugeschnitten ist und nicht nur psychopathologische Inhalte enthält [11].
-
Alertness bzw. Wachheit
-
Aufmerksamkeit
-
Verständnisstörungen
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körperbezogene Beschwerden
-
ungewöhnliche Denkinhalte
-
Schuldgefühle
-
Irritabilität bzw. Ablenkbarkeit
-
Feindseligkeit bzw. unkooperatives Verhalten
-
formale Denkstörungen
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Mangel an Initiative bzw. Motivation
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Agitiertheit
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Sprechstörungen
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Gedächtnisstörungen
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inadäquate Selbsteinschätzung
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Angst
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Affektlabilität
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Enthemmung
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Misstrauen
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Umstellungsfähigkeit
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Ermüdbarkeit
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Desorientiertheit
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expressive Störungen
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motorische Verlangsamung
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Halluzinationen
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depressive Stimmung
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Affektverflachung
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Erregtheit bzw. Manie
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emotionale Zurückgezogenheit
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Planungsfähigkeit
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Neben die fokale Kontusion und die Kompression durch Raumforderung ist die diffuse traumatische Schädigung als weiterer Mechanismus einer substanziellen Hirnschädigung getreten.
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Auch leichte Hirnverletzungen, z. B. beim Sport, erhöhen das Risiko schwerer Schäden bei erneutem Trauma innerhalb der nächsten ca. 14 Tage („second Impact Injury“).
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Schädel-Hirn-Traumata (SHT) führen zu anterograder und retrograder Amnesie, die im Verlauf eine Tendenz zur zeitlichen Schrumpfung zeigen.
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Klinische Hirndruckzeichen sind:
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Verschlechterung der Bewusstseinslage,
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Hirnstammsymptome wie Beuge-Streck- und Streck-Streck-Synergismen,
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Veränderungen der Pupillenweite,
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Veränderung des Atemtyps.
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Epiduralhämatome können mit nur geringen Hirnverletzungsfolgen einhergehen, weil die Schädelfraktur Energie absorbiert.
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Ein apallisches Syndrom nach SHT ist Folge einer Mittelhirn-/Hirnstammverletzung [5].
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Mittelhirn- und Hirnstammsymptome prägen die Symptomatik nach mittelschweren SHT:
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Tetraspastik,
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Ataxie,
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Dysarthrie,
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psychomotorische Verlangsamung.
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Claus-W. Wallesch, Elzach.
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Claus-W. Wallesch


Prof. Dr. Dr. med., Jahrgang 1953, Facharzt für Neurologie, Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin, Rehabilitationswesen und Geriatrie. 1985 Habilitation für Neurologie und Klinische Neuropsychologie. 1994 – 2008 Direktor der Neurologischen Universitätsklinik in Magdeburg. Seit 2008 Ärztlicher Direktor der BDH-Klinik Elzach, Zentrum für NeuroRehabilitation, Intensiv- und Beatmungsmedizin. Wissenschaftliche Schwerpunkte: Neurotrauma, Neuropsychologie und die Rehabilitations- und Versorgungsforschung.
Interessenkonflikt
Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma: ja; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein.
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation, 2. Vorsitzender des Bundesverbandes Neuroreha und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie.
-
Literatur
- 1 Statistisches Bundesamt. Grunddaten der Krankenhäuser 2016. Destatis 2017. Im Internet: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Publikationen/Downloads-Krankenhaeuser/grunddaten-krankenhaeuser-2120611177004.pdf?__blob=publicationFile Stand: 15.10.2019
- 2 American Academy of Neurology – AAN. Practice parameter: the management of concussion in sports. Neurology 1997; 48: 581-585
- 3 Metting Z, Rödiger LA, De Keyser J, van der Naalt J. Structural and functional imaging in mild-to-moderate head injury. Lancet Neurol 2007; 6: 699-710
- 4 Eberle L, Kramer J. „Eine Art Lebenswerk“. Interview. Der Spiegel 34/2014. Im Internet: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-128743750.html Stand: 15.10.2019
- 5 Firsching R, Woischnek D, Reisberg S. et al. Prognostische Bedeutung des MRT bei Bewusstlosigkeit nach Schädel-Hirn-Verletzung. Dtsch Arztebl 2003; 100: A-1868/B-1553/C-1461
- 6 McCrea MA. Mild traumatic Brain Injury and Postconcussion Syndrome. New York: Oxford University Press; 2008
- 7 Wallesch CW, Kulke H. Schädel-Hirn-Trauma. Neurologische Rehabilitation und Neuropsychologie. Stuttgart: Kohlhammer; 2017
- 8 Vagnozzi R, Signoretti C, Cristofori L. et al. Assessment of metabolic brain damage and recovery following mild traumatic brain injury: a multicentre proton magnetic resonance spectroscopic study in concussed patients. Brain 2010; 133: 3232-3242
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- 10 Haas DC, Ross GS. Transient global amnesia triggered by mild head trauma. Brain 1986; 109: 251-257
- 11 Wallesch CW, Marx P, Tegenthoff M. et al. Leitlinie „Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter“. Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86: 635-653
- 12 Zentner J, Ebner A. Somatosensibel und motorisch evozierte Potentiale bei der prognostischen Beurteilung traumatisch und nichttraumatisch komatöser Patienten. EEG-EMG 1988; 19: 267-271
- 13 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften – AWMF. Leitlinie „Schädel-Hirn-Trauma im Erwachsenenalter“ (AWMF 008-001). Im Internet: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/008-001.html Stand: 28.09.2019
- 14 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften – AWMF. Leitlinie „Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung“ (AWMF 012-019). Im Internet: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/012-019l_S3_Polytrauma_Schwerverletzten-Behandlung_2017-08.pdf Stand: 28.09.2019
- 15 Hoskide R, Cheung V, Marshall L. et al. Do corticosteroids play a role in the management of traumatic brain injury. Surg Neurol Int 2016; 7: 84
- 16 Wallesch CW, Schwenkreis P. Schädel-Hirn-Trauma. In: Diener HC, Steinmetz H, Kastrup O. Hrsg. Referenz Neurologie. Stuttgart: Thieme; 2019: 874-883
- 17 Schütze M, Dauch WA, Guttinger M. Risikofaktoren für posttraumatische Anfälle und Epilepsie. Zentralbl Neurochir 1999; 60: 163-167
- 18 Schneider HJ, Schneider M, von Rosen F. et al. Hypophyseninsuffizienz nach Schädel-Hirn-Trauma: ein häufig unerkanntes Problem. Dtsch Arztebl 2004; 101: A712/B-586/C-573
- 19 Wallesch CW, Schmidt R. Schädel-Hirn-Traumen. In: Widder B, Gaidzik PE. Hrsg. Neurowissenschaftliche Begutachtung. Stuttgart: Thieme; 2018: 476-488
- 20 Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). Empfehlungen zur neurologischen Rehabilitation von Patienten mit schweren und schwersten Hirnschädigungen in den Phasen B und C. Frankfurt: BAR; 1995
- 21 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften – AWMF. Leitlinie „Aufmerksamkeitsstörungen: Diagnostik und Therapie“ (AWMF 030-135). Im Internet: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-135.html Stand: 28.09.2019
- 22 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften – AWMF. Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Gedächtnisstörungen“ (AWMF 030-124). Im Internet: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/030-124.html Stand: 28.09.2019
- 23 Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlich-Medizinischer Fachgesellschaften – AWMF. Leitlinie „Exekutive Dysfunktionen bei neurologischen Erkrankungen“ (AWMF 030-125) – abgelaufen; derzeit in Überarbeitung. Im Internet: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-125l_S2e_Exekutive_Dysfunktionen_neurologische_Erkrankunge_2014-abgelaufen.pdf Stand: 28.09.2019
- 24 Giacino JT, Aswai S, Child N. et al. The minimally conscious state. Neurology 2002; 58: 349-353
- 25 Mazaux JM, Masson F, Levin HS. et al. Long-term neuropsychological outcome and loss of social autonomy after traumatic brain injury. Arch Phys Med Rehabil 1997; 78: 1316-1320
- 26 Deb S, Lyons I, Koutzoukis C. et al. Rate of psychiatric illness 1 year after traumatic brain injury. Am J Psychiatr 1999; 156: 374-378
- 27 Deb S, Lyons I, Koutzoukis C. Neurobehavioural symptoms one year after head injury. Br J Psychiatr 1999; 174: 360-365
- 28 Levin HS, High WM, Goethe KE. et al. The neurobehavioural rating scale: assessment of the behavioural sequelae of head injury by the clinician. J Neurol Neurosurg Psychiatr 1987; 50: 183-193
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Statistisches Bundesamt. Grunddaten der Krankenhäuser 2016. Destatis 2017. Im Internet: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Publikationen/Downloads-Krankenhaeuser/grunddaten-krankenhaeuser-2120611177004.pdf?__blob=publicationFile Stand: 15.10.2019
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- 25 Mazaux JM, Masson F, Levin HS. et al. Long-term neuropsychological outcome and loss of social autonomy after traumatic brain injury. Arch Phys Med Rehabil 1997; 78: 1316-1320
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- 28 Levin HS, High WM, Goethe KE. et al. The neurobehavioural rating scale: assessment of the behavioural sequelae of head injury by the clinician. J Neurol Neurosurg Psychiatr 1987; 50: 183-193











