ergopraxis 2020; 13(01): 10-12
DOI: 10.1055/a-0975-0507
Wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

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Publication Date:
03 January 2020 (online)

 

Spielen nicht nur als Mittel nutzen, sondern auch als Ziel formulieren – Spielen als Betätigung

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Im Alltag von Kindern ist das Spielen die bedeutsamste Betätigung und dient darüber hinaus der kindlichen Entwicklung.
Abb.: daniilvolkov/stock.adobe.com (Symbolbild)

Pädiatrisch tätige Ergotherapeuten bewerten das Spielen häufig als wesentliche Betätigung im Alltag von Kindern. Dass sie diese dennoch nicht als Therapieziel definieren, hat verschiedene Gründe. Dem ging Ergotherapeutin Daniela Schlager-Jaschky mit Unterstützung der Berufsverbände in Deutschland und Österreich auf den Grund. Dazu führte sie eine Online-Befragung durch.

Insgesamt nahmen 96 Ergotherapeuten aus Österreich und 19 aus Deutschland teil (N=115). Die meisten Teilnehmer arbeiteten seit über fünf Jahren in der Pädiatrie. Als häufige Therapieschwerpunkte nannten sie Schwierigkeiten in den ADLs, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme, grob-, fein- und grafomotorische Schwierigkeiten, Wahrnehmungsschwächen sowie sozio-emotionale Probleme. Lediglich 14 Teilnehmer gaben Probleme beim Spielen als relevante Alltagsschwierigkeit an. Zum Beispiel weil das Kind nicht alleine oder nicht mit anderen spielen bzw. keine Spielideen entwickeln kann. Alle Befragten bezeichneten Spielen als wesentliche Betätigung im Alltag von Kindern. Allerdings setzten 71 Prozent Spiele nur als Mittel ein, um bestimmte Fertigkeiten zu trainieren, lediglich 23 Prozent gaben das Ermöglichen von Spielen als Therapieziel an. Dies begründeten sie mit der geringen Anzahl an geeigneten bzw. im Deutschen validierten Assessmentinstrumenten sowie fehlenden Fortbildungsangeboten zur Betätigung Spielen.

Die Ergebnisse der Befragung können aufgrund der geringen Teilnehmerzahl zwar nicht verallgemeinert werden. Allerdings decken sie sich mit Forschungsergebnissen aus anderen Ländern. Weitere Untersuchungen aus der Occupational Science zum Thema Spiel werden benötigt, um eine Expertise aufbauen, auf berufspolitscher Ebene argumentieren und neue Betätigungsfelder etablieren zu können. Demnach benötigt das Spiel insgesamt mehr Aufmerksamkeit in der praktischen Ergotherapie.

kj

ergoscience 2019; 14: 101–107


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Häusliches Umfeld trägt zur Betätigungsidentität bei – Menschen mit geistiger Behinderung

Die häusliche Umgebung beeinflusst die Betätigungsidentität und Partizipation von Menschen mit geistiger Behinderung. Zu diesem Ergebnis kam ein Forscherteam um Ergotherapeutin Danielle Ashley am Victorian Institute of Forensic Mental Health in Melbourne, Australien.

Für ihre Fallstudie rekrutierten die Forscherinnen sechs Teilnehmer mit einer geistigen Behinderung, darunter drei Frauen und drei Männer. Sie waren zwischen 24 und 58 Jahre alt und wohnten entweder alleine oder mit zwei bis drei anderen Menschen zusammen. Sie lebten unter anderem in Mietwohnungen und wurden von einer persönlichen Assistenz unterstützt, zum Beispiel beim Erledigen von Einkäufen.

Rollen,
Interessen und Betätigungen sind an der Identitätsentwicklung beteiligt.

In einem Mixed-Methods-Ansatz erhob das Forscherteam qualitative und quantitative Daten. Im Rahmen der qualitativen Erhebung führten sie mit jedem Teilnehmer ein semistrukturiertes Interview durch. Dabei konzentrierten sie sich auf die Themen Erfahrungen mit dem Zuhause, mit Freizeitaktivitäten und mit der Unterstützung durch die persönliche Assistenz. Das Residential Environment Impact Survey – Short Form (REIS-SF) erlaubte es den Wissenschaftlerinnen, Merkmale der Umwelt zu quantifizieren:

  • physische Umwelt (Wohnumgebung, Nutzung von Räumen, Wohnkomfort)

  • Ressourcen (Zugang zu Objekten wie Computer, die Freizeitaktivitäten oder ADLs ermöglichen)

  • soziale Unterstützung (Interaktion mit persönlicher Assistenz, Angemessenheit der Hilfeleistungen)

  • Möglichkeiten und Barrieren im Bezug auf Partizipation

Die Ergebnisse zeigen, dass die Befragten über die Fähigkeiten verfügten, grundlegende Alltagsaktivitäten durchzuführen. Sie schätzten ihre Selbstständigkeit und das Leben in den eigenen vier Wänden. Hindernisse für Identität und Partizipation waren unter anderem Einschränkungen der physischen Umgebung ihres Zuhauses. Den Forscherinnen fiel beispielsweise auf, dass die Teilnehmer hauptsächlich über „passive“ Freizeitartikel wie Fernseher oder Stereoanlagen verfügten. Ihr Zuhause war zudem wenig personalisiert. Es fehlten zum Beispiel Fotos von Familienmitgliedern und Objekte, die besondere Interessen der Studienteilnehmer widerspiegelten.

Die Wissenschaftlerinnen ermutigen Ergotherapeuten dazu, Menschen mit geistiger Behinderung über Betätigungen und soziale Beziehungen bei der Identitätsentwicklung zu unterstützen. Dies trägt entscheidend zu sozialer Inklusion und Partizipation in der Gemeinde bei.

lis

Br J Occup Ther 2019; 82: 698–709


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Die Umwelt ...

... hat das Potenzial, Menschen mit geistiger Behinderung in Aktivitäten des täglichen Lebens zu Hause oder in der Gemeinde zu involvieren. Zum Beispiel durch soziale Unterstützung, Ausstattung der physischen Umwelt, Ressourcen oder Partizipationsmöglichkeiten.

Br J Occup Ther 2019; 82: 698–709


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Rückkehr an Arbeitsplatz begleiten – Hirnverletzung

Personbezogene Faktoren und Umweltfaktoren beeinflussen den beruflichen Wiedereinstieg von Menschen mit einer Hirnverletzung. Zu dem Ergebnis kam Ergotherapeutin und Philosophin Dr. Karen Beaulieu von der Fakultät für Gesundheit und Humanwissenschaften der Universität von Plymouth, England.

Im Rahmen einer deskriptiven phänomenologischen Studie befragte sie sechs Frauen und zehn Männer, die nach einem Schädel-Hirn-Trauma oder einer erworbenen Hirnschädigung wieder in Teil- oder Vollzeit arbeiteten. Sie waren im Durchschnitt 47 Jahre alt. In den Gesprächen gaben sie Auskunft über Faktoren, die ihren beruflichen Wiedereinstieg beeinflussten. Diese lassen sich mittels 4-Schritte Analyse nach Giorgi in sechs Themen gliedern:

  • Bewältigung von Schwierigkeiten in Bezug auf Selbstbewusstsein, Müdigkeit, Kognition, Mobilität und den Erhalt von Sozialleistungen

  • Erwartungen an Rückkehr und Zeitplanung: Die Befragten fühlten sich getrieben, ihr vorheriges Leben schnellstmöglich wieder aufzunehmen.

  • Reaktionen von Kollegen

  • Unterstützung von Fachleuten wie Sozialarbeiter, Ergotherapeuten oder Personalleiter sowie emotionale Unterstützung von Familie und Freunden

  • Veränderungen am Arbeitsplatz und Wiedereinstiegsmöglichkeiten

  • Erfolgserlebnisse durch die Arbeit

Die Forscherin schlussfolgert, dass Ergotherapeuten die Betroffenen beim beruflichen Wiedereinstieg unterstützen können, indem sie zum Beispiel die Erwartungen an die Rückkehr thematisieren, Schwierigkeiten hinsichtlich Gedächtnis sowie Müdigkeit bearbeiten oder das kollegiale Umfeld über das Krankheitsbild aufklären.

ms

Br J Occup Ther 2019; 82: 658–665


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Geeignet für Klienten der Neurologie – CO-OP

Klienten mit neurologischen Erkrankungen profitieren vom CO-OP-Ansatz. Dieser verbessert nachweislich ihre Betätigungsperformanz und -zufriedenheit. Und das sowohl bei bereits erarbeiteten als auch bei erhobenen, aber noch nicht bearbeiteten Betätigungszielen. Zu diesem Schluss kommt ein iranisches Forscherteam um die Ergotherapeutin Dr. Nazila Akbarfahimi von der University of Social Welfare and Rehabilitation Sciences in Teheran, Iran.

Performanz und Zufriedenheit mit Betätigung verbessern

In ihrem Scoping-Review untersuchten die Forscher die Anwendbarkeit und Effektivität des CO-OP-Ansatzes, indem sie 15 Interventionsstudien auswerteten. Dabei bezogen sie Untersuchungen mit Klienten unterschiedlicher neurologischer Krankheitsbilder ein, darunter akuter und chronischer Apoplex, Schädel-Hirn-Trauma oder altersbedingte kognitive Einschränkungen. Das Studiendesign variierte stark und umfasste sowohl randomisierte kontrollierte Studien als auch Einzelfallstudien oder qualitative Arbeiten.

In allen einbezogenen Studien erzielten die Klienten nach der CO-OP-Intervention bessere Werte mit Blick auf ihre trainierten Betätigungsziele. Sieben Arbeiten untersuchten zudem die Wirkung auf bereits erhobene, aber noch nicht bearbeitete Betätigungsziele und kamen ebenfalls zu positiven Ergebnissen. Einige Arbeiten erforschten und belegten außerdem einen erkennbaren Effekt auf die kognitiven Funktionen der Teilnehmer, auf ihre motorischen Fertigkeiten sowie Aktivitäten des täglichen Lebens.

Therapieziele mit CO-OP erreichen

Aus Sicht der Forscher sprechen die Ergebnisse dafür, dass der CO-OP-Ansatz die Betätigungsperformanz und -zufriedenheit von Menschen mit neurologischen Erkrankungen verbessern kann. Sie empfehlen, die vorhandenen Forschungsarbeiten in einer systematischen Übersichtsarbeit zusammenzuführen und die gefundenen Ergebnisse damit weiter zu untermauern.

fk

Med J Islam Repub Iran 2019; 33: 99


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CO-OP ...

... steht für „Cognitive Orientation To Daily Occupational Performance“. Dieser Ansatz verfolgt ein Top-Down-Vorgehen, da der Klient mithilfe von Betätigung an seinen individuellen Zielen arbeitet. Dieses Vorgehen wurde ursprünglich für Kinder mit Koordinationsstörungen entwickelt, findet aber zunehmend Einsatz bei erwachsenen Menschen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern. CO-OP nutzt neben einer globalen Problemlösungsstrategie (Ziel-Plan-Tu-Check) und verschiedenen Befähigungsprinzipien auch domänenspezifische kognitive Strategien wie Aufgabenspezifizierung, Gedächtnisstützen, Körperposition oder verbale Selbstlenkung. Als weitere Schlüsselelemente führt die Therapeutin eine dynamische Performanz-Analyse durch und regt den Klienten zur geleiteten Entdeckung an. Gezielte Fragestellungen helfen ihm dabei, für sich passende Lösungen zu entwickeln.

fk

Med J Islam Repub Iran 2019; 33: 99


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Im Alltag von Kindern ist das Spielen die bedeutsamste Betätigung und dient darüber hinaus der kindlichen Entwicklung.
Abb.: daniilvolkov/stock.adobe.com (Symbolbild)