Pneumologie 2020; 74(10): 660-664
DOI: 10.1055/a-0978-9137
Schritt für Schritt

Ganzlungenlavage bei pulmonaler Alveolarproteinose – Schritt für Schritt

J. Wälscher
,
T. E. Wessendorf
,
M. Rocha
,
K. Darwiche
,
C. Taube
,
F. Bonella
 

Bei der Alveolarproteinose akkumulieren Surfactant-Proteine und Phopholipide in den Alveolen. Die Diagnostik dieser seltenen Lungenerkrankung wird anhand von radiologischen Befunden, typischen Merkmalen in der BAL und Nachweis von GM-CSF-Antikörpern gestellt. Als Therapie der Wahl wir die Ganzlungenlavage im Folgenden Schritt für Schritt erläutert.


#

Die Therapie der Wahl für die pulmonale Alveolarproteinose ist nach wie vor die von Ramirez et al. [1] entwickelte therapeutische Ganzlungen-Lavage (GLL) in Vollnarkose zur Entfernung des phospholipid- und proteinhaltigen Materials. Der Patient wird mit einem Doppellumentubus (DLT) intubiert. Wir verwenden einen linksseitigen Robertshaw-Tubus. Ein Lungenflügel wird beatmet, der andere nach Anlage einer Atelektase mit körperwarmer physiologischer Kochsalzlösung gespült. In der ersten Sitzung wird der stärker betroffene Lungenflügel gespült, in Abhängigkeit vom Verlauf einige Tage später die Gegenseite.

Den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen

Indikationen

Bei Patienten mit einer pulmonalen Alveolarproteinose kommt es zu einer Akkumulation von Surfactant-Phospholipiden und Lipoproteinen in den Alveolen und angrenzenden peripheren Lufträumen [2]. Die Indikation wird bei zunehmender Dyspnoe, Restriktion oder Gasaustauschstörung und Häufung respiratorischer Infektionen gestellt. Eine Steigerung der Alveolo-arteriellen Sauerstoffdruckdifferenz (AaDO2) wird als wichtigster Parameter zur Indikationsstellung betrachtet. Mithilfe eines hochauflösenden CT Thorax (HRCT) und einer Lungenperfusionsszintigrafie wird die stärker betroffene Seite ermittelt. Mit diesem Lungenflügel wird begonnen, und einige Tage später wird in einer zweiten Sitzung die Gegenseite gespült. Nach dieser Behandlung kommen etwa 50 % der Patienten in eine dauerhafte Remission. Mehrere Modifikationen der wurden beschrieben, um die Effektivität der Prozedur zu verbessern [3] [4] [5] [6] [7].


#

Kontraindikationen

Pneumothorax, bronchotracheale Missbildungen


#

Mögliche Komplikationen [7]

  • Übertritt von Spülflüssigkeit in die ventilierte Lunge durch Dislokation oder unzureichende Blockung des Tubus (20 – 30 %)

  • Schwere Azidose (5 – 10 %)

  • ARDS-ähnliche Reaktion (2 – 3 %)

  • Fieber (2 – 3 %)

  • Barotrauma (1 %)

  • Hydropneumothorax ( < 1 %)

  • Pleuraerguss

  • Tod ( < 1 %)


#
#

Schritt 1

Eine Nacht vor dem Eingriff wird bei Bedarf ein Anxiolytikum verabreicht, in unserem Zentrum verwenden wir den Wirkstoff Zopiclon 7,5 mg. Die Patienten müssen mindestens 6 Stunden vor dem Eingriff nüchtern bleiben. Eine Stunde vor dem Eingriff erhält der Patient bei Bedarf Midazolam 7,5 mg per os und eine Einmalgabe des Antibiotikums Ampicillin/Sulbactam per os. Bei der totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) wird als Opioid Remifentanil (Anfangsdosis 0,3 µg/kg/min für 2 Minuten, dann 0,2 µg/kg/min kontinuierlich), als Hypnotikum Propofol (Induktionsdosis 1 mg/kg für 2 Minuten, Erhaltungsdosis 4 mg/kg) und als Muskel-Relaxans Cisatracurium in einer Dosis von 0,15 mg/kg verabreicht.

Der Patient wird in Vollnarkose beatmet. Hierfür wird ein bronchialer Doppellumentubus links (nach Robertshaw) bei Frauen Ch 37 und bei Männern Ch 39, mit Carina-Haken, eingelegt ([Abb. 1], [Abb. 2]). Die korrekte Position wird durch flexible Bronchoskopie und ggf. radiologisch (C-Bogen) überprüft und dokumentiert. Sowohl der tracheale als auch bronchiale Cuff werden nacheinander geblockt, um zu überprüfen, ob beide Lungenhälften isoliert beatmet werden können und ob Leckagen vorhanden sind. Um Dislokationen des Tubus zu vermeiden, setzen wir einen doppelläufigen Links-Tubus mit Dorn auf die Hauptcarina. Vor Beginn der Prozedur wird die nicht zu lavagierende Lunge einseitig beatmet. Der Tubus-Schenkel, der in der im Hauptbronchus der zu spülenden Seite liegt, wird ca. 10 – 15 Minuten abgeklemmt, um eine Atelektase zu erreichen, damit die Spülung einfacher erfolgen kann. Die Bildung der Atelektase wird mittels C-Bogen radiologisch dokumentiert. In dieser Zeit werden arterielle Kanüle, Blasenkatheter, Relaxometer und evtl. ein BIS (Bispektralindex-)Monitor angelegt.

Zoom Image
Abb. 1 Doppellumentubus links (nach Robertshaw).
Zoom Image
Abb. 2 Der Patient wird in Vollnarkose beatmet.

#

Schritt 2

Es erfolgt die Anlage eines arteriellen Verweilkanüle und eines transurethralen Katheters mit Temperatursensor. Die routinemäßige Anlage eines Swan-Ganz-Katheters zur Überwachung der Hämodynamik wird von uns als nicht notwendig angesehen. Der Patient wird von Anfang an mit einer Wärmematte zugedeckt, um einer Absenkung der Körpertemperatur entgegenzuwirken.

Während des Verfahrens sollten folgende Parameter überwacht werden:

  • Herzfrequenz und Blutdruck, Pulsoxymetrie und EKG werden ständig gemessen und aufgezeichnet.

  • Körperkerntemperatur

  • Flüssigkeitsbilanz: Wenn die Rückgewinnungsrate der Flüssigkeit nach 10 Litern weniger als 90 % beträgt, werden i. d. R. bei verminderter Urinproduktion intravenöse Schleifendiuretika verabreicht.

  • Blutgasanalysen werden nach der Intubation, nach der manuellen Beatmung und alle 30 Minuten während der Lavage durchgeführt.

  • Im Fall einer Komplikation wird als erstes die Instillation der Lösung gestoppt. Eine sofortige Bronchoskopie und gezielte Absaugung müssen jederzeit verfügbar sein.

  • Mindestens einmalige Bestimmung der Elektrolyte im Serum.


#

Schritt 3

Die zu spülende Seite wird nicht weiter beatmet. Die Kochsalzbehälter hängen an einem Ständer und werden auf 37 Grad Celsius durch ein Wärmesystem (System 1100, SISM Level 1 Inc., Rockland, MA, USA) erwärmt. Über ein Y-Stück wird der Infusionsschlauch mit dem entsprechenden Schenkel an den doppelläufigen Tubus angeschlossen. An dem anderen Ansatz des Y-Stücks wird der Ablaufschlauch an dem Vakuum System (Bronchialabsaugpumpe mit Wasserschloss, Dräger, Germany) angebracht ([Abb. 3], [Abb. 4]). Es werden 1000 ml Kochsalz bei jedem Zyklus in die nicht beatmete Lunge instilliert. Die Instillation dauert bis zu 2 Minuten. Der zuführende Schlauch wird abgeklemmt, und die Rückgewinnung der Flüssigkeit kann über den ablaufenden Schlauch beginnen. Der Rücklauf der Flüssigkeit dauert in Abhängigkeit von der Größe der Leitungen bis zu 3 Minuten. Ein kompletter Zyklus ohne Komplikationen dauert bis zu 5 Minuten.

Zoom Image
Abb. 3 Die Kochsalzbehälter hängen an einem Ständer und werden auf 37 Grad Celsius erwärmt.
Zoom Image
Abb. 4 Vakuum-System mit Auffanggefäß.

#

Schritt 4

Es erfolgt ein Ablassen der Flüssigkeit aus der Lunge über den Doppellumentubus. Der Schlauch endet in einem Gefäß, das auf dem Boden steht und mit einem Sog von – 20 cm H20 verbunden ist ([Abb. 5]). Bei jedem Zyklus wird die abgesaugte Flüssigkeit in andere Behälter umgefüllt, sowohl zur quantifizieren als auch zur Extinktionsmessung. Zu Beginn der Spülung läuft eine trübe bis milchig gefärbte Spülflüssigkeit zurück ([Abb. 6]). Von den ersten 1000 ml der Kochsalzlösung werden meist weniger als 800 ml zurückgewonnen. Sobald keine Spülflüssigkeit mehr aus der Lunge zurückläuft, wird der abführende Schlauch wieder abgeklemmt ([Abb. 7], [Abb. 8]). Nun werden erneut 1000 ml-Kochsalzlösung in die Lunge instilliert und anschließend abgelassen. Dieser Vorgang wird fortgeführt, bis die zurücklaufende Flüssigkeit wässrig klar erscheint bzw. die Extinktionsmessung (s. u.) die Effektivität bestätigt. Ein Spülvolumen von 40 – 50 Liter oder mehr kann hierzu erforderlich sein.

Zoom Image
Abb. 5 Ablassen der Flüssigkeit über den Doppellumentubus.
Zoom Image
Abb. 6 Trübe bis milchig gefärbte Spülflüssigkeit zu Beginn der Untersuchung.
Zoom Image
Abb. 7 Sobald keine Spülflüssigkeit aus der Lunge zurückläuft, wird der abführende Schlauch abgeklemmt.
Zoom Image
Abb. 8 Auffangen der zurückgewonnenen Flüssigkeit zur Beurteilung der Trübung.

#

Schritt 5

Die Rücklaufrate steigt von Fraktion zu Fraktion an und beträgt durchschnittlich mehr als 80 % des eingefüllten Volumens. Zur Beurteilung der Trübung der zurückgewonnenen Flüssigkeit messen wir die Absorption bei einer Wellenlänge von 405 nm (EPAC 6140, Eppendorf, Deutschland). Die Lavage-Zyklen werden fortgesetzt, bis die optische Dichte einen Wert von weniger als 0,4 OD oder bis ein Plateau erreicht wird.


#

Schritt 6

Eine exakte Bilanzierung der Spülflüssigkeit ist erforderlich. Als Dokumentation kann ein entsprechender Dokumentationsbogen verwendet werden.


#

Schritt 7

Im Falle einer nur teilweisen Rückgewinnung der instillierten Flüssigkeit (weniger als 80 %) können Positionsänderungen, Perkussion, Vibrationen durch eine Vibraweste sowie weitere Verfahren angewandt werden, um den Rest der Flüssigkeit zurückzugewinnen. Als mögliche Komplikation sollte dann aber auch die Entwicklung eines Ergusses überdacht und eine Sonografie durchgeführt werden.

Die einmalige manuelle Ventilation in der gespülten Lunge nach Bingisser [4] kann angewendet werden, wenn die Trübung der zurückgewonnenen Flüssigkeit nicht die erwartete Dichte erreicht hat ([Abb. 9]).

Zoom Image
Abb. 9 Einmalige manuelle Ventilation in der gespülten Lunge nach Bingisser [4].

Die Patienten werden noch im Bronchologiesaal extubiert und dann zur Überwachung auf die Intensivstation verbracht. Postinterventionell wird eine Röntgenaufnahme des Thorax angefertigt.

Die in diesem Manuskript dargestellten Daten basieren auf einer 40-jährigen Erfahrung mit einem Patientenkollektiv von 136 Patienten mit einer Alveolarproteinose. In der Universitätsmedizin Essen – Ruhrlandklinik wurden etwa 500 Ganzlungenlavagen von 1978 – 2020 durchgeführt.


#
#

Autorinnen/Autoren


Julia Wälscher

Zoom Image

Dr. med., ist seit 2018 Assistenzärztin an der Klinik für Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen. Zuvor war sie 4 Jahre an der Thoraxklinik Heidelberg tätig.


Thomas E. Wessendorf

Zoom Image

Dr. med., Leitender Oberarzt an der Klinik für Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen.


Miguel Rocha

Zoom Image

Dr. med., Leitender Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen.


Kaid Darwiche

Zoom Image

PD Dr. med.; Leitender Arzt der Sektion Interventionelle Bronchologie an der Klinik für Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen.


Christian Taube

Zoom Image

Univ.-Prof. Dr. med.; Direktor der Klinik für Pneumologie, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen.


Francesco Bonella

Zoom Image

PD Dr. Dr. med.; Wissenschaftlicher Oberarzt der Klinik für Pneumologie, Schwerpunkt Interstitielle und seltene Lungenkrankheiten, Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen.

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. med. Julia Wälscher
Klinik für Pneumologie
Universitätsmedizin Essen – Ruhrlandklinik
Tüschener Weg 40
45239 Essen
Deutschland   

Publication History

Article published online:
15 October 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Abb. 1 Doppellumentubus links (nach Robertshaw).
Zoom Image
Abb. 2 Der Patient wird in Vollnarkose beatmet.
Zoom Image
Abb. 3 Die Kochsalzbehälter hängen an einem Ständer und werden auf 37 Grad Celsius erwärmt.
Zoom Image
Abb. 4 Vakuum-System mit Auffanggefäß.
Zoom Image
Abb. 5 Ablassen der Flüssigkeit über den Doppellumentubus.
Zoom Image
Abb. 6 Trübe bis milchig gefärbte Spülflüssigkeit zu Beginn der Untersuchung.
Zoom Image
Abb. 7 Sobald keine Spülflüssigkeit aus der Lunge zurückläuft, wird der abführende Schlauch abgeklemmt.
Zoom Image
Abb. 8 Auffangen der zurückgewonnenen Flüssigkeit zur Beurteilung der Trübung.
Zoom Image
Abb. 9 Einmalige manuelle Ventilation in der gespülten Lunge nach Bingisser [4].