Anamnese
Wir stellen hier einen 70-jährigen Patienten vor mit seit ca. 2 Jahren bestehenden, langsam größenprogredienten Knoten am oberen Rücken.
Erst-/Aufnahmebefund
Klinisch präsentierte sich der Patient mit multiplen, flachen, livid-roten, scharf begrenzten, deutlich indurierten Tumoren am oberen und mittleren Rücken ([Abb. 1]). Die Lymphknotenstationen waren nicht vergrößert palpabel. Bei Erstvorstellung wurde eine B-Symptomatik (Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber) verneint. Der Kanovsky-Index lag bei 100 %.
Abb. 1 Multilokuläre, derbe, livid-erythematöse Knoten am Rücken bei Erstvorstellung.
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Eine Gewebeprobe wurde zur Diagnosesicherung entnommen und zeigte histologisch ein die gesamte Dermis umfassendes entzündliches Infiltrat mit teils sehr buntem Kernbild. Neben größeren Lymphozyten und Plasmazellen wies das Infiltrat auch zahlreiche kleine Lymphozyten auf ([Abb. 2]). Die größeren Zellen stellten sich immunhistochemisch als CD20-positive B-Zellen dar, während der dichte Saum aus kleinen monomorphen Lymphozyten einen T-Zell-Phänotyp aufwies (CD3). Die CD20-markierten Zellen exprimierten nukleär bcl-6 als Marker für die Keimzelldifferenzierung. Bcl-2, dessen Überexpression bei diffus-großzelligen B-Zell-Lymphomen häufig ist, sparte die CD20-positive Population aus. Die proliferative Aktivität (Mib1 /Ki67) war hoch. Das Präparat wurde aufgrund des bunten Kernbildes und der hohen Proliferation als reaktives B-Zell-dominantes Infiltrat im Sinne eines Pseudolymphoms befundet. Differenzialdiagnostisch kam ein blastäres Keimzentrumslymphom in Betracht.
Abb. 2 Immunhistochemische Färbungen: Hämatoxylin-Eosin (a), CD3 (b), CD20 (c) und Ki67 (Mib1) (d).
Ergänzende Untersuchungen
Ergänzende Untersuchungen
Ein Borreliennachweis am Paraffingewebe mittels PCR gelang nicht. Im peripheren Blut zeigte sich ein diskret erhöhtes beta-2-Mikroglobulin (3.3 mg/dl [Normwert 0,8 – 2,4 mg/dl]) als Marker lymphatischer Aktivität. LDH und das Differenzialblutbild inklusive der Lymphozyten waren normwertig. Interessanterweise konnten serologisch positive IgM-Banden (VlsE, p41) sowie IgG-Banden (p100, VlsE, p41, p39, p18) gegenüber Borrelia burgdorferi im Western Blot detektiert werden. Aufgrund der histologischen Differenzialdiagnose des B-Zell-Lymphoms wurde eine Computertomografie des Hals-Thorax-Abdomen durchgeführt, welche wie auch die Lymphknotensonografie axillär, inguinal und der Halsweichteile ohne pathologischen Befund verblieb.
Therapie und Verlauf
Der Patient wurde über 21 Tage mit 200 mg Doxycyclin therapiert. 2 Wochen nach Abschluss der antibiotischen Therapie verschwanden die flachen Knoten ([Abb. 3]). Auch in der weiteren Nachsorge verblieb der Patient über Jahre erscheinungsfrei.
Abb. 3 Abgeheilte Knoten nach 21 Tagen Doxycyclintherapie.
Diskussion
Primär kutane B-Zell-Lymphome werden in der WHO-EORTC-Klassifikation in 3 Hauptgruppen aufgeteilt [1]. Die niedrigmalignen Marginalzonen- und Keimzentrumslymphome und die hochmalignen großzellig-diffusen B-Zell-Lymphome, die mit einer schlechten Prognose einhergehen und häufig eine aggressive Therapie erfordern [2]. Von diesen abzugrenzen sind die Pseudolymphome als reaktive lymphatische Infiltrate der Haut. Deren Abgrenzung gegenüber primär kutanen Lymphomen ist oft eine diagnostische Herausforderung für den Histopathologen und den Kliniker. Eine Klassifikation der Pseudolymphome ist aktuell nicht etabliert. Sie werden nach dem jeweilig dominanten lymphozytären Infiltrat in T- oder B-Zell-Pseudolymphome, gemischtzellige Pseudolymphome, CD30-positive Pseudolymphome und nicht weiter klassifizierbare Pseudolymphome unterteilt. Kutane Pseudolymphome wurden erstmalig als Sarcomatosis cutis von Kaposi 1891 beschrieben. Es folgte eine Einordnung Spieglers als Lymphocytoma cutis 1894, sowie als Lymphadenosis benigna cutis 1943 von Bäfverstedt. Als Stimuli werden neben Infektionen mit Borrelien und anderen Iktusreaktionen Injektionen im Rahmen von Impfungen oder Akupunktur, Tattoos und Piercings oder auch Herpes Zoster-Infektionen beschrieben. B-Zell-Pseudolymphome treten gehäuft bei Kindern sowie jungen Erwachsenen auf. Das lokalisierte Pseudolymphom tritt bei Kindern meist am Ohrläppchen, Skrotum und an den Mamillen auf. Multilokuläre Formen sind vermehrt bei älteren Erwachsenen zu sehen. Viele Pseudolymphome sind selbstlimitierend. Kryotherapien, Exzision, intraläsionale Steroide sowie UV-Licht und photodynamische Therapien stellen die Bandbreite therapeutischer Optionen dar.
Diagnostisch müssen bei kutanen B-Zell-Lymphomen neben klinischen und morphologischen Kriterien auch immunhistologische Kriterien hinzugezogen werden. Eine eventuelle Klonalität kann neben einer Leichtkettenrestriktion v. a. über einen Klonalitätsnachweis in der PCR gezeigt werden. Hierzu ist ein hoher Lymphozytenanteil sowie eine gute DNA-Qualität (> 300 bp) im untersuchten Gewebe unabdingbar. Die genaue Interpretation der B-Zell-Klonalität erfordert eine Zusammenschau der klinischen und histologischen Bilder, da auch bei bis zu 20 % benigner B-Zell-Proliferationen eine Umlagerung der Ig-Genloci nachweisbar ist und umgekehrt bei kutanen B-Zell-Lymphomen der Nachweis nicht in allen Fällen gelingt [3]
[4].
Wir stellen hier ein multilokuläres B-Zell-Pseudolymphom vor, welches bei serologischem Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi erfolgreich antibiotisch therapiert wurde. Auf eine Klonalitätsanalyse wurde bei dem Patienten nach Nachweis der akuten Borrelieninfektion zunächst verzichtet. Neben den typischen Borrelien-assoziierten Erkrankungen wie dem Erythema chronicum migrans, dem meist akral lokalisierten Borrelienlymphozytom, können Pseudolymphome auch multilokulär am Stamm auftreten und klinisch wie histologisch ein Keimzentrumslymphom imitieren. Ponzoni et al. konnten in 1 von 98 kutanen Lymphomen Borrelien-DNA detektieren, sodass Borrelien nur sehr selten mit kutanen malignen Lymphomen assoziiert sind [5]. Vereinzelt sind in der Literatur auch Borrelien-assoziierte maligne Lymphome beschrieben, die auf eine antibiotische Therapie eine Besserung zeigten. Der Nachweis gelang i. d. R. über Borrelien-PCR im Gewebe. Der Nachweis einer frischen Infektion mit IgM-Antikörpern ist hingegen selten beschrieben. Bei der Lymphadenosis cutis benigna lassen sich im Gegensatz zu unserem Patienten in den meisten Fällen IgG- (42/47) und nicht wie in unserem Fall IgM-Antikörper nachweisen, die nur in 6 % (3/47) aller Lymphozytome auftraten [6].